17.05.2023, 22:01
Hallo ihr Lieben
Toll, ich freue mich sehr darüber, dass ich diesen Thread gefunden habe, da ich darüber nachgedacht habe, selbst einen zu eröffnen.
Ich selbst bin auch Betroffene. Das Referendariat war wirklich sehr hart, gerade da ich auch immer den Anspruch hatte alles möglichst "optimal" zu erledigen. Hinzukommt auch noch, dass ich Mutter geworden bin (was alles deutlich stressiger gestaltet).
Zum Examen hatte ich eine Schreibzeitverlängerung beantragt, die mir allerdings unter Verweis auf die gängige Rechtsprechung verwehrt wurde. Danach sei gerade die Konzentrationsfähigkeit, eine der hauptsächlich abzuprüfenden Attribute (okay, also im Grunde ist das Examen ein "Bitte klicken, wenn du ein Punkt auf dem Monitor siehst"-Test für Fortgeschrittene).
Nochmal zum Vergleich mit den Legasthenikern, die eine Schreibzeitverlängerung erhalten:
Legasthenie ist ebenso wie ADHS eine Neurodiversität, die im ICD-10 unter dem gleichen Abschnitt laufen und sogar ähnliche bis gleiche Symptomatik aufweisen (können). Unter Berücksichtigung, dass es sich somit um wesentlich-gleiche funktionale Denkstörungen handelt, ist es überhaupt nicht gerechtfertigt, diese so wesentlich ungleich zu behandeln, sodass es nur bei Legasthenie eine Schreibzeitverlängerung gibt.
Ich bin der Meinung, dass das somit eine Diskriminierung von Menschen mit AD(H)S darstellt.
Menschen mit AD(H)S sollen einem Urteil zu Folge im Vergleich zu Legasthenikern "intellektuell beeinträchtigt" sein? Wie bitte? Woher kommt diese Einschätzung? Da hat ein Richter auch Mal wieder Sachverständiger für Neurologie gespielt. Das entspricht keiner einzigen Studie.
Ich könnte mich noch weiter darüber aufregen, aber am Ende ist das hier nicht der richtige Ort dafür.
Mich würde interessieren, ob ADS/ ADHS nur ein Problem im Einzelfall ist oder schon ein systematisches Problem?! Was denkt ihr??
Schönen Abend euch noch!
Toll, ich freue mich sehr darüber, dass ich diesen Thread gefunden habe, da ich darüber nachgedacht habe, selbst einen zu eröffnen.
Ich selbst bin auch Betroffene. Das Referendariat war wirklich sehr hart, gerade da ich auch immer den Anspruch hatte alles möglichst "optimal" zu erledigen. Hinzukommt auch noch, dass ich Mutter geworden bin (was alles deutlich stressiger gestaltet).
Zum Examen hatte ich eine Schreibzeitverlängerung beantragt, die mir allerdings unter Verweis auf die gängige Rechtsprechung verwehrt wurde. Danach sei gerade die Konzentrationsfähigkeit, eine der hauptsächlich abzuprüfenden Attribute (okay, also im Grunde ist das Examen ein "Bitte klicken, wenn du ein Punkt auf dem Monitor siehst"-Test für Fortgeschrittene).
Nochmal zum Vergleich mit den Legasthenikern, die eine Schreibzeitverlängerung erhalten:
Legasthenie ist ebenso wie ADHS eine Neurodiversität, die im ICD-10 unter dem gleichen Abschnitt laufen und sogar ähnliche bis gleiche Symptomatik aufweisen (können). Unter Berücksichtigung, dass es sich somit um wesentlich-gleiche funktionale Denkstörungen handelt, ist es überhaupt nicht gerechtfertigt, diese so wesentlich ungleich zu behandeln, sodass es nur bei Legasthenie eine Schreibzeitverlängerung gibt.
Ich bin der Meinung, dass das somit eine Diskriminierung von Menschen mit AD(H)S darstellt.
Menschen mit AD(H)S sollen einem Urteil zu Folge im Vergleich zu Legasthenikern "intellektuell beeinträchtigt" sein? Wie bitte? Woher kommt diese Einschätzung? Da hat ein Richter auch Mal wieder Sachverständiger für Neurologie gespielt. Das entspricht keiner einzigen Studie.
Ich könnte mich noch weiter darüber aufregen, aber am Ende ist das hier nicht der richtige Ort dafür.
Mich würde interessieren, ob ADS/ ADHS nur ein Problem im Einzelfall ist oder schon ein systematisches Problem?! Was denkt ihr??
Schönen Abend euch noch!
18.05.2023, 09:54
Heyho,
ich kenne die Rechtsprechung und hätte fast gelacht über die Begründung, wenn es mich nicht persönlich betreffen würde, so absurd ist der Vergleich.
Legasthenie ist meiner Meinung nach NULL vergleichbar mit ADS. Was haben LRS-Menschen bitte für psychische Komponenten? LRS kann insgesamt schlechter lesen und schreiben, aber die Begründung für die Schreibzeitverlängerung dort ist, dass man im Berufsleben ja Computer nutzen kann?
Ich habe noch nicht gefrühstückt und mein Puls ist schon bei dem Gedanken daran auf 180, sodass ich meine Begründung hier nicht weiter ausführe.
Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass die entscheidenden Richter sich überhaupt nicht mit der Krankheit befasst haben, sondern wie Du es auch vermutest, sich als Neurologen aufgespielt haben.
Finde es ungeheuerlich, in keiner Weise vergleichbar und gerade der Ansatz, ADSler seien intellektuell beeinträchtigt (das habe ich tatsächlich auch gelesen damals), zeugt doch schon von mangelndem Sachverständnis.
Ich glaube, dass das Problem ist, dass man unterscheiden muss zwischen psychischen Erkrankungen und hormonell ausgelösten Erkrankungen. Eine Depression z.B. ist m.E. eine rein psychische Erkrankung. Nach dem derzeitigen Stand der Forschung gibt es für ADS hormonelle Gründe, sodass ich es nicht in die gleiche Schublade stecken würde wie klassische psychische Erkrankungen, aber wahrscheinlich setzt sich diese Ansicht erst durch, wenn man mit einem entsprechenden Test der hormonellen Veränderungen im Hirn die Krankheit genau diagnostizieren kann. Derzeit sind einfach zu viele Menschen unterwegs, die die Krankheit nicht wirklich haben, sondern als Ausrede für ihr eigenes Fehlverhalten oder die eigene mangelnde Disziplin benutzen, was letztlich den wirklich Betroffenen schadet. Die Akzeptanz und der Wille des Verständnisses für die Krankheit ist noch nicht auf einem angemessenen Level...
p.s. Herzlichen Glückwunsch zum Baby und ganz viel Kraft dir!
ich kenne die Rechtsprechung und hätte fast gelacht über die Begründung, wenn es mich nicht persönlich betreffen würde, so absurd ist der Vergleich.
Legasthenie ist meiner Meinung nach NULL vergleichbar mit ADS. Was haben LRS-Menschen bitte für psychische Komponenten? LRS kann insgesamt schlechter lesen und schreiben, aber die Begründung für die Schreibzeitverlängerung dort ist, dass man im Berufsleben ja Computer nutzen kann?
Ich habe noch nicht gefrühstückt und mein Puls ist schon bei dem Gedanken daran auf 180, sodass ich meine Begründung hier nicht weiter ausführe.
Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass die entscheidenden Richter sich überhaupt nicht mit der Krankheit befasst haben, sondern wie Du es auch vermutest, sich als Neurologen aufgespielt haben.
Finde es ungeheuerlich, in keiner Weise vergleichbar und gerade der Ansatz, ADSler seien intellektuell beeinträchtigt (das habe ich tatsächlich auch gelesen damals), zeugt doch schon von mangelndem Sachverständnis.
Ich glaube, dass das Problem ist, dass man unterscheiden muss zwischen psychischen Erkrankungen und hormonell ausgelösten Erkrankungen. Eine Depression z.B. ist m.E. eine rein psychische Erkrankung. Nach dem derzeitigen Stand der Forschung gibt es für ADS hormonelle Gründe, sodass ich es nicht in die gleiche Schublade stecken würde wie klassische psychische Erkrankungen, aber wahrscheinlich setzt sich diese Ansicht erst durch, wenn man mit einem entsprechenden Test der hormonellen Veränderungen im Hirn die Krankheit genau diagnostizieren kann. Derzeit sind einfach zu viele Menschen unterwegs, die die Krankheit nicht wirklich haben, sondern als Ausrede für ihr eigenes Fehlverhalten oder die eigene mangelnde Disziplin benutzen, was letztlich den wirklich Betroffenen schadet. Die Akzeptanz und der Wille des Verständnisses für die Krankheit ist noch nicht auf einem angemessenen Level...
p.s. Herzlichen Glückwunsch zum Baby und ganz viel Kraft dir!
22.05.2023, 10:41
Hi Mitstreiter ,
ich habe mir auch mal die (veraltete) Rechtsprechung zu Schreibzeitverlängerung für ADS durchgelesen. Nun habe ich zwei Fragen:
1. Heißt das nun mit dem E-Examen, dass Leute mit LRS keine Schreibzeitverlängerung mehr erhalten, da nun ja alles am PC erledigt werden kann? Bzw. würden die allenfalls eine andere technische Hilfe hinsichtlich der Rechtschreibung erhalten?
2. Das Urteil, welches ich gefunden habe, war ja schon relativ alt. Unter Beachtung des jetzigen Stands der Wissenschaft bezüglich der einschränkenden Wirkung von ADS wäre es nicht grundsätzlich mal die Zeit, eine Schreibzeitverlängerung neu prüfen zu lassen? Sofern LRS-ler weiterhin eine Schreibzeitverlängerung trotz E-Examen oder andere Hilfetools erhalten können, würde ich eine Ungleichbehandlung gegenüber ADS-ler nicht verstehen.
Zur Frage: Mich würde interessieren, ob ADS/ ADHS nur ein Problem im Einzelfall ist oder schon ein systematisches Problem?! Was denkt ihr??
Ich glaube, dass es ein systematisches Problem ist. Meine fehlende Offenheit mit diesem Thema ist glaub ich darüber hinaus Symptom als auch Ursache des Problems.
Ich denke, dass es viele Leute überfordert, dass AD(H)S so eine multifaktorale sowie -symptomatische Erkrankung ist, die bei jedem einzelnen Betroffenen im Kern zwar wohl relativ gleiche Probleme verursacht, die notwendigen Hilfestellungen indes doch sehr individuell sein können. Vielleicht unterscheidet sich dies dann doch von anderen "vergleichbaren" Erkrankungen. Gerade im Referendariat (bzw. in Behörden usw.) fällt es den Entscheidungsträgern dann noch schwerer, individuelle Hilfen zu ermöglichen, was ggf. noch verständlich erscheint.
Dazu tritt wohl, dass die Leute (ggfs. verständlicherweise) falsch über AD(H)S informiert sind. Gerade zu meiner Schulzeit hatte AD(H)S "Hochkonjunktur" und jeder, der hibbelig war, wurde verdächtigt, ADHS-ler zu sein. Dies hat der Erkrankung damals m. E. ein Image als Art "Mode"-Erkrankung gegeben, da jeder "schwierige" und unruhige Schüler als solcher bezeichnet und dies auch gerne als Ausrede der Eltern genutzt wurde. Da bei mir in der Schulzeit zum Beispiel das "H" gar nicht oder äußerst untergeordnet ausgeprägt war, wurde ich nicht als AD(H)S-ler "behandelt". Mir wurde vielmehr eine LRS angedichtet, der dann - was ein Wunder - unerfolgreiche Behandlungsversuche folgten. Laut meiner Ärzte sprachen in der Rückschau z. B. meine damaligen Schulzeugnisse schon eine eindeutige Sprache hinsichtlich aller weiteren Symptome, ausgenommen eben des "H". Hier fehlte es bei meinen Eltern sowie den Lehrern einfach an der nötigen Aufklärung und Information über die möglichen Ausprägungen von AD(H)S, was keinem vorzuwerfen ist. Bei vielen der beschriebenen hibbeligen Schüler stellte sich später heraus, dass diese dann gar kein ADHS hatten und diese (verständlicherweise) ggf. eher einfach Probleme mit dem für Kinder und Jugendliche weniger optimalen Frontalunterrichtskonzeptes hatten oder andere altersbedingter Faktoren ihr Verhalten förderten. Überdies wissen viele, mit den ich dann doch mal gesprochen habe, gar nicht, dass es z. B. auch nur ADS gibt. Die haben anfangs nicht verstanden, warum ich als ADS-ler nicht ständig hibbelig bin usw.
Gerade die schon angesprochene frühere Rechtsprechung zeigt doch, was wohl die allgemeine Auffassung der Nichtbetroffenen über die AD(H)S-Erkrankung ist. Die Betroffenen werden als intellektuell beeinträchtigt angesehen, die der Ansicht (uninformierter) Nichtbetroffener nach einfach nicht diszipliniert genug seien, sich zu wenig anstrengen würden oder die einfach kein Bock auf Schule/Arbeit hätten. Ich habe letztens auch noch über meine Frau gehört, dass eine Bekannte meinte, dass sie nicht daran glaube, dass es ADHS überhaupt gebe und es vielmehr nur eine Frage der Erziehung der Kinder sei etc. Ich selbst wusste ja auch anfangs gar nicht, z. B. welche physiologischen Ursachen hinter der Erkrankung stecken, die es eben notwendig machen, die Symptome ärztliche abklären und wenn möglich behandeln zu lassen.
Wie mein/e Vorredner*in schon schrieb, nutzen viele (ggf. Undiagnostizierte) ADHS als Ausrede für jedwedes Verhalten, sodass die "echten" Probleme, gerade bei uns im beruflichen Kontext, wohl einfach nicht mehr gehört werden bzw. einen konstruktiven Umgang mit der Erkrankung verhindern.
Sorry für diesen - wieder einmal - eher selbsttherapeutischen Post. Sind wahrscheinlich alles Sachen, die ich am liebsten einfach mal rausschreien würde, bevor ich alles nur wieder in mich hineinfresse.
Beste Grüße
ich habe mir auch mal die (veraltete) Rechtsprechung zu Schreibzeitverlängerung für ADS durchgelesen. Nun habe ich zwei Fragen:
1. Heißt das nun mit dem E-Examen, dass Leute mit LRS keine Schreibzeitverlängerung mehr erhalten, da nun ja alles am PC erledigt werden kann? Bzw. würden die allenfalls eine andere technische Hilfe hinsichtlich der Rechtschreibung erhalten?
2. Das Urteil, welches ich gefunden habe, war ja schon relativ alt. Unter Beachtung des jetzigen Stands der Wissenschaft bezüglich der einschränkenden Wirkung von ADS wäre es nicht grundsätzlich mal die Zeit, eine Schreibzeitverlängerung neu prüfen zu lassen? Sofern LRS-ler weiterhin eine Schreibzeitverlängerung trotz E-Examen oder andere Hilfetools erhalten können, würde ich eine Ungleichbehandlung gegenüber ADS-ler nicht verstehen.
Zur Frage: Mich würde interessieren, ob ADS/ ADHS nur ein Problem im Einzelfall ist oder schon ein systematisches Problem?! Was denkt ihr??
Ich glaube, dass es ein systematisches Problem ist. Meine fehlende Offenheit mit diesem Thema ist glaub ich darüber hinaus Symptom als auch Ursache des Problems.
Ich denke, dass es viele Leute überfordert, dass AD(H)S so eine multifaktorale sowie -symptomatische Erkrankung ist, die bei jedem einzelnen Betroffenen im Kern zwar wohl relativ gleiche Probleme verursacht, die notwendigen Hilfestellungen indes doch sehr individuell sein können. Vielleicht unterscheidet sich dies dann doch von anderen "vergleichbaren" Erkrankungen. Gerade im Referendariat (bzw. in Behörden usw.) fällt es den Entscheidungsträgern dann noch schwerer, individuelle Hilfen zu ermöglichen, was ggf. noch verständlich erscheint.
Dazu tritt wohl, dass die Leute (ggfs. verständlicherweise) falsch über AD(H)S informiert sind. Gerade zu meiner Schulzeit hatte AD(H)S "Hochkonjunktur" und jeder, der hibbelig war, wurde verdächtigt, ADHS-ler zu sein. Dies hat der Erkrankung damals m. E. ein Image als Art "Mode"-Erkrankung gegeben, da jeder "schwierige" und unruhige Schüler als solcher bezeichnet und dies auch gerne als Ausrede der Eltern genutzt wurde. Da bei mir in der Schulzeit zum Beispiel das "H" gar nicht oder äußerst untergeordnet ausgeprägt war, wurde ich nicht als AD(H)S-ler "behandelt". Mir wurde vielmehr eine LRS angedichtet, der dann - was ein Wunder - unerfolgreiche Behandlungsversuche folgten. Laut meiner Ärzte sprachen in der Rückschau z. B. meine damaligen Schulzeugnisse schon eine eindeutige Sprache hinsichtlich aller weiteren Symptome, ausgenommen eben des "H". Hier fehlte es bei meinen Eltern sowie den Lehrern einfach an der nötigen Aufklärung und Information über die möglichen Ausprägungen von AD(H)S, was keinem vorzuwerfen ist. Bei vielen der beschriebenen hibbeligen Schüler stellte sich später heraus, dass diese dann gar kein ADHS hatten und diese (verständlicherweise) ggf. eher einfach Probleme mit dem für Kinder und Jugendliche weniger optimalen Frontalunterrichtskonzeptes hatten oder andere altersbedingter Faktoren ihr Verhalten förderten. Überdies wissen viele, mit den ich dann doch mal gesprochen habe, gar nicht, dass es z. B. auch nur ADS gibt. Die haben anfangs nicht verstanden, warum ich als ADS-ler nicht ständig hibbelig bin usw.
Gerade die schon angesprochene frühere Rechtsprechung zeigt doch, was wohl die allgemeine Auffassung der Nichtbetroffenen über die AD(H)S-Erkrankung ist. Die Betroffenen werden als intellektuell beeinträchtigt angesehen, die der Ansicht (uninformierter) Nichtbetroffener nach einfach nicht diszipliniert genug seien, sich zu wenig anstrengen würden oder die einfach kein Bock auf Schule/Arbeit hätten. Ich habe letztens auch noch über meine Frau gehört, dass eine Bekannte meinte, dass sie nicht daran glaube, dass es ADHS überhaupt gebe und es vielmehr nur eine Frage der Erziehung der Kinder sei etc. Ich selbst wusste ja auch anfangs gar nicht, z. B. welche physiologischen Ursachen hinter der Erkrankung stecken, die es eben notwendig machen, die Symptome ärztliche abklären und wenn möglich behandeln zu lassen.
Wie mein/e Vorredner*in schon schrieb, nutzen viele (ggf. Undiagnostizierte) ADHS als Ausrede für jedwedes Verhalten, sodass die "echten" Probleme, gerade bei uns im beruflichen Kontext, wohl einfach nicht mehr gehört werden bzw. einen konstruktiven Umgang mit der Erkrankung verhindern.
Sorry für diesen - wieder einmal - eher selbsttherapeutischen Post. Sind wahrscheinlich alles Sachen, die ich am liebsten einfach mal rausschreien würde, bevor ich alles nur wieder in mich hineinfresse.
Beste Grüße
24.05.2023, 11:53
Das Problem ist ja auch, dass jedes LJPA sein eigenes Süppchen kocht.
Ich habe bei dem für mich zuständigen LJPA bereits angefragt und die können keine Entscheidung treffen, ehe ich nicht kurz vor der Anmeldung fürs Examen stehe.
Eine Anfrage bei der zuständigen Geschäftsstelle des OLG hat kurz die sinnfreie Rechtsprechung zitiert und mich damit abgebügelt.
Vielleicht wäre es mal an der Zeit, dass man das Thema "größer" angeht? Das LJPA untersteht ja jeweils dem Justizministerium des Landes. Tendenziell sind wir aber alle hier über die Republik verstreut. Was ist, wenn man da mal globaler/deutschlandweit rangeht? Gerade ist doch diese Studie rausgekommen dazu, dass die Studenten so unzufrieden sind mit dem Studium und dem Referendariat. Wer war denn da die zuständige Behörde für?
Vielleicht möchte jemand (falls denn Interesse besteht) mit mir brainstormen, welche Stellen man anschreiben könnte (ggfs. kann man das Schreiben dann zusammen verfassen) und zu versuchen, dass das Thema etwas allgemeingültiger entschieden wird? Es ist ja absoluter Käse, dass man jedes Mal kurz vor dem Examen den Rechtsweg gehen muss, da sich die Prüfungsämter mit dem Nachteilsausgleich erst ein paar Monate vor dem tatsächlichen Examen befassen.
Mein Puls ist direkt wieder auf 200, wenn ich darüber nachdenke, dass man mit LRS Nachteilsausgleich bekommt, mit ADS aber nicht, obwohl ADS die viel einschneidendere Erkrankung ist. Es wird immer groß getönt mit Gleichstellung, Behindertenbeauftragten etc, aber wenn es um die unsichtbaren Behinderungen geht, stellt man die wüstesten Theorien auf, nach denen es rechtmäßig sein soll, keinen Nachteilsausgleich zu bekommen, weil man ein Dauerleiden hat? Wo ist denn da bitte die Gleichstellung? Eigentlich hätte man auch "Pech gehabt" als Begründung im Urteil schreiben können...
Und wieso wird ADS überhaupt mit LRS verglichen? Wäre ADS nicht eher in Richtung Autismus einzustufen? Dort kommen die psychischen Komponenten der Krankheit doch viel besser zur Geltung als bei LRS, bei denen die Menschen (mit Verlaub gesagt) einfach nur nicht lesen und schreiben können.
p.s. Dass Menschen eine selbst diagnostizierte ADS als Ausrede für ihr Fehlverhalten nutzen, ist mir auch schon häufig aufgefallen. Ist ein absolutes Unding und lässt die Menschen, die die Krankheit wirklich haben, als Opportunisten oder Wendehälse dastehen.
Ich habe bei dem für mich zuständigen LJPA bereits angefragt und die können keine Entscheidung treffen, ehe ich nicht kurz vor der Anmeldung fürs Examen stehe.
Eine Anfrage bei der zuständigen Geschäftsstelle des OLG hat kurz die sinnfreie Rechtsprechung zitiert und mich damit abgebügelt.
Vielleicht wäre es mal an der Zeit, dass man das Thema "größer" angeht? Das LJPA untersteht ja jeweils dem Justizministerium des Landes. Tendenziell sind wir aber alle hier über die Republik verstreut. Was ist, wenn man da mal globaler/deutschlandweit rangeht? Gerade ist doch diese Studie rausgekommen dazu, dass die Studenten so unzufrieden sind mit dem Studium und dem Referendariat. Wer war denn da die zuständige Behörde für?
Vielleicht möchte jemand (falls denn Interesse besteht) mit mir brainstormen, welche Stellen man anschreiben könnte (ggfs. kann man das Schreiben dann zusammen verfassen) und zu versuchen, dass das Thema etwas allgemeingültiger entschieden wird? Es ist ja absoluter Käse, dass man jedes Mal kurz vor dem Examen den Rechtsweg gehen muss, da sich die Prüfungsämter mit dem Nachteilsausgleich erst ein paar Monate vor dem tatsächlichen Examen befassen.
Mein Puls ist direkt wieder auf 200, wenn ich darüber nachdenke, dass man mit LRS Nachteilsausgleich bekommt, mit ADS aber nicht, obwohl ADS die viel einschneidendere Erkrankung ist. Es wird immer groß getönt mit Gleichstellung, Behindertenbeauftragten etc, aber wenn es um die unsichtbaren Behinderungen geht, stellt man die wüstesten Theorien auf, nach denen es rechtmäßig sein soll, keinen Nachteilsausgleich zu bekommen, weil man ein Dauerleiden hat? Wo ist denn da bitte die Gleichstellung? Eigentlich hätte man auch "Pech gehabt" als Begründung im Urteil schreiben können...
Und wieso wird ADS überhaupt mit LRS verglichen? Wäre ADS nicht eher in Richtung Autismus einzustufen? Dort kommen die psychischen Komponenten der Krankheit doch viel besser zur Geltung als bei LRS, bei denen die Menschen (mit Verlaub gesagt) einfach nur nicht lesen und schreiben können.
p.s. Dass Menschen eine selbst diagnostizierte ADS als Ausrede für ihr Fehlverhalten nutzen, ist mir auch schon häufig aufgefallen. Ist ein absolutes Unding und lässt die Menschen, die die Krankheit wirklich haben, als Opportunisten oder Wendehälse dastehen.
15.01.2024, 02:08
Hi, ich bin noch in der Examensvorbereitung für das erste Staatsexamen. Wurde letztes Jahr diagnostiziert und bin immer noch unsicher wegen der Medikation. Ich würde mich freuen, mich mit jemandem unterhalten zu können, der die Erfahrung gemacht hat und im besten Falle daraus lernen. Ich habe mich jetzt nur registriert, um mich hier melden zu können. Also wenn du Zeit und Lust hast, würde ich mich freuen von dir zu hören, wundertüte :)
LG
LG
16.01.2024, 16:29
Huhu,
leider gibt es hier die Nachrichtenfunktion nicht mehr, deswegen muss das alles öffentlich laufen.
Was genau sind denn deine Fragen? Zuerst einmal solltest Du all deine Fragen bezüglich Medikation mit deinem Psychiater klären. Das, was bei dem einen funktioniert, geht nicht automatisch auch für den anderen. Das bedeutet allerdings auch, dass nur weil dein Arzt sagt, dass du x mg nehmen sollst, Du dich damit nicht automatisch besser fühlst. Letztlich muss man sowas einfach unter ärztlicher Begleitung natürlich ausprobieren und für sich herausfinden, was einem gut tut.
Melde dich gern, auch wenn es nur hierüber geht
leider gibt es hier die Nachrichtenfunktion nicht mehr, deswegen muss das alles öffentlich laufen.
Was genau sind denn deine Fragen? Zuerst einmal solltest Du all deine Fragen bezüglich Medikation mit deinem Psychiater klären. Das, was bei dem einen funktioniert, geht nicht automatisch auch für den anderen. Das bedeutet allerdings auch, dass nur weil dein Arzt sagt, dass du x mg nehmen sollst, Du dich damit nicht automatisch besser fühlst. Letztlich muss man sowas einfach unter ärztlicher Begleitung natürlich ausprobieren und für sich herausfinden, was einem gut tut.
Melde dich gern, auch wenn es nur hierüber geht
Ich kann Dir empfehlen, zur Vorbereitung auf das Referendariat das Buch "99 Tipps & Hinweise für ein erfolgreiches Rechtsreferendariat" zu lesen. Das Buch gibt es als Print-Ausgabe und E-Book. Infos hierzu findest Du auf folgender Seite:
https://www.juristenkoffer.de/rechtsreferendariat/99-tipps-hinweise.php
Neben Tipps zur Planung des Referendariats beinhaltet das Buch auch viele hilfreiche Hinweise zur optimalen Examensvorbereitung sowie viele konkrete Tipps für das Schreiben der Klausuren.
https://www.juristenkoffer.de/rechtsreferendariat/99-tipps-hinweise.php
Neben Tipps zur Planung des Referendariats beinhaltet das Buch auch viele hilfreiche Hinweise zur optimalen Examensvorbereitung sowie viele konkrete Tipps für das Schreiben der Klausuren.
29.01.2024, 16:39
(24.05.2023, 11:53)wundertüte schrieb: Mein Puls ist direkt wieder auf 200, wenn ich darüber nachdenke, dass man mit LRS Nachteilsausgleich bekommt, mit ADS aber nicht, obwohl ADS die viel einschneidendere Erkrankung ist. Es wird immer groß getönt mit Gleichstellung, Behindertenbeauftragten etc, aber wenn es um die unsichtbaren Behinderungen geht, stellt man die wüstesten Theorien auf, nach denen es rechtmäßig sein soll, keinen Nachteilsausgleich zu bekommen, weil man ein Dauerleiden hat? Wo ist denn da bitte die Gleichstellung? Eigentlich hätte man auch "Pech gehabt" als Begründung im Urteil schreiben können...Wenngleich ich deine Wut nachvollziehen kann, möchte ich mich vorerst einer Stellungnahme zur Sache enthalten, denn ein paar Fragen habe ich noch:
Und wieso wird ADS überhaupt mit LRS verglichen? Wäre ADS nicht eher in Richtung Autismus einzustufen? Dort kommen die psychischen Komponenten der Krankheit doch viel besser zur Geltung als bei LRS, bei denen die Menschen (mit Verlaub gesagt) einfach nur nicht lesen und schreiben können.
1. Das ADS ist bei dir sicher diagnostiziert, schreibst du. Eine LRS liegt dabei aber nicht vor, habe ich das richtig verstanden? Gibt es dahingehend keine Schwierigkeiten, oder ist es getestet worden und ausgeschlossen?
2. Vom psychiatrischen Standpunkt her stimmen einige Befunde von ASS und AD(H)S tatsächlich überein, wobei immer zu berücksichtigen ist, dass sich beide Krankheitsbilder ganz unterschiedlich und unterschiedlich stark äußern können; Krankheit ist eben individuell. LRS dagegen ist in seiner Einschränkung ja sehr deutlich - man kann nicht so schnell lesen wie andere und macht deutlich mehr Rechtschreibfehler. Dem entgegenzuwirken ist einfach: Zeit. Wie aber könnte - abstrakt oder in deinem Fall - ein Nachteilsausgleich für deine ADS aussehen? Was genau begehrst du?
LG
16.03.2024, 13:40
Hallo miteinander,
ich dachte, ich gebe auch einmal meinen Senf dazu. Ich habe vor einiger Zeit nach wirklich jahrelanger Therapeutensuche die ADHS-Diagnose gestellt bekommen. Einerseits war ich sehr erleichtert, dass der Verdacht endlich von einer fachlich kompetenten Person bestätigt wurde, andererseits nimmt mich der Gedanke, wie viel leichter mir die Examina und mein Leben generell gefallen wären, hätte ich die Diagnose früher erhalten, nach wie vor mit.
Mittlerweile bin ich medikamentös eingestellt und es ist ein unfassbarer Game Changer. Während des Studiums und Refs habe ich gemerkt, dass meine Arbeitsweise erheblich von der meiner Kolleg:innen abweicht und ich ganz anders zu funktionieren scheine als der Rest. Natürlich habe ich das eher negativ wahrgenommen, was darin resultierte, dass ich mich jahrelang geknechtet habe, weil ich immer das Gefühl hatte, hinterher zu laufen und nie zu genügen. Kein Neurologie, Psychiater, Psychotherapeut hat mich ernst genommen, immer mit dem Argument, dass ich mein Leben doch unter Kontrolle hätte und das Studium laufen würde. Es wurde verkannt, dass ich erheblich hinter meinem Potenzial geblieben bin bzw. große Anstrengungen unternehmen musste, im dieses in unserer neurotypischen Welt zu entfalten (mal abgesehen von den Symptomen einer Depression und Essstörung). Ich war auch während des Berufseinstiegs nur bedingt leistungsfähig, ab ca. 16/17 Uhr war meine Konzentration weg, ich wurde immer frustrierter, da mein Job mir wirklich Spaß macht, ab einem gewissen Punkt aber einfach keine, überhaupt keine, kognitive Leistung mehr abrufbar war.
Turns out, dass ich mich durch die Jahre der Schufterei und vor allem der fehlenden Rücksicht auf mein Gehirn, das einfach anders funktioniert, in ein "ADHS-Burn out" manövriert hatte. Irgendwann helfen auch keine Coping-Mechanismen, die man sich über die Jahre hinweg angeeignet hat, mehr. Zusammen mit meiner Therapeutin habe ich daran gearbeitet, weniger zu tun und nicht immer bei allem 120 % zu geben. Beide Examina habe mich mit durchschnittlichen Noten abgelegt, obwohl ich weiß, dass ich zu viel besseren Noten fähig gewesen wäre. Das hat mich lange belastet, mittlerweile bin ich cool damit - zu einer Großkanzlei oder zum Staat wollte ich sowieso nie. Ich sehe nun aber, wie mühelos ich den roten Faden behalten kann, wie leicht es ist, nach kurzen Unterbrechungen wieder konzentriert weiter zu arbeiten und wie unfassbar es ist, dass man Aufgaben einfach beginnen kann, ohne sich erst einen 10minütigen Pep-Talk geben zu müssen, obwohl man die Aufgaben eigentlich mag.
Schon klar - nicht für jeden wirken die Medikamente so positiv wie bei mir und immer gilt natürlich auch, dass man eng mit der Therapeutin bzw. dem Therapeuten zusammen arbeiten sollte, da auch hier ein gewisses Suchtpotenzial besteht. Aber: wenn ihr den Verdacht habt, ADHS zu haben, dann bitte sprecht das mit Expert:innen ab. Und wenn ihr weg geschickt werdet, weil ihr "doch schon ein bestandenes Jurastudium habt" und so "wirkt, als hättet ihr euer Leben auf der Reihe", sucht euch jemand anderen. Ich wünschte wirklich, ich hätte die Diagnose samt Therapie und medikamentöser Einstellung früher erhalten. Ich bereite mich derzeit aufs StB-Examen vor und merke einen so, so erheblichen Unterschied in meiner Arbeitsweise und Konzentrationsfähigkeit, dass ich es nur schwer in Worte fassen kann.
Also: nehmt euch bitte selbst ernst, ignoriert die Menschen, die euch sagen, ihr solltet euch bloß mehr anstrengen und dass es nun mal ein schwieriges Studium sei. Das Leben ist zu kurz um sich so zu quälen.
Liebe Grüße
2468
ich dachte, ich gebe auch einmal meinen Senf dazu. Ich habe vor einiger Zeit nach wirklich jahrelanger Therapeutensuche die ADHS-Diagnose gestellt bekommen. Einerseits war ich sehr erleichtert, dass der Verdacht endlich von einer fachlich kompetenten Person bestätigt wurde, andererseits nimmt mich der Gedanke, wie viel leichter mir die Examina und mein Leben generell gefallen wären, hätte ich die Diagnose früher erhalten, nach wie vor mit.
Mittlerweile bin ich medikamentös eingestellt und es ist ein unfassbarer Game Changer. Während des Studiums und Refs habe ich gemerkt, dass meine Arbeitsweise erheblich von der meiner Kolleg:innen abweicht und ich ganz anders zu funktionieren scheine als der Rest. Natürlich habe ich das eher negativ wahrgenommen, was darin resultierte, dass ich mich jahrelang geknechtet habe, weil ich immer das Gefühl hatte, hinterher zu laufen und nie zu genügen. Kein Neurologie, Psychiater, Psychotherapeut hat mich ernst genommen, immer mit dem Argument, dass ich mein Leben doch unter Kontrolle hätte und das Studium laufen würde. Es wurde verkannt, dass ich erheblich hinter meinem Potenzial geblieben bin bzw. große Anstrengungen unternehmen musste, im dieses in unserer neurotypischen Welt zu entfalten (mal abgesehen von den Symptomen einer Depression und Essstörung). Ich war auch während des Berufseinstiegs nur bedingt leistungsfähig, ab ca. 16/17 Uhr war meine Konzentration weg, ich wurde immer frustrierter, da mein Job mir wirklich Spaß macht, ab einem gewissen Punkt aber einfach keine, überhaupt keine, kognitive Leistung mehr abrufbar war.
Turns out, dass ich mich durch die Jahre der Schufterei und vor allem der fehlenden Rücksicht auf mein Gehirn, das einfach anders funktioniert, in ein "ADHS-Burn out" manövriert hatte. Irgendwann helfen auch keine Coping-Mechanismen, die man sich über die Jahre hinweg angeeignet hat, mehr. Zusammen mit meiner Therapeutin habe ich daran gearbeitet, weniger zu tun und nicht immer bei allem 120 % zu geben. Beide Examina habe mich mit durchschnittlichen Noten abgelegt, obwohl ich weiß, dass ich zu viel besseren Noten fähig gewesen wäre. Das hat mich lange belastet, mittlerweile bin ich cool damit - zu einer Großkanzlei oder zum Staat wollte ich sowieso nie. Ich sehe nun aber, wie mühelos ich den roten Faden behalten kann, wie leicht es ist, nach kurzen Unterbrechungen wieder konzentriert weiter zu arbeiten und wie unfassbar es ist, dass man Aufgaben einfach beginnen kann, ohne sich erst einen 10minütigen Pep-Talk geben zu müssen, obwohl man die Aufgaben eigentlich mag.
Schon klar - nicht für jeden wirken die Medikamente so positiv wie bei mir und immer gilt natürlich auch, dass man eng mit der Therapeutin bzw. dem Therapeuten zusammen arbeiten sollte, da auch hier ein gewisses Suchtpotenzial besteht. Aber: wenn ihr den Verdacht habt, ADHS zu haben, dann bitte sprecht das mit Expert:innen ab. Und wenn ihr weg geschickt werdet, weil ihr "doch schon ein bestandenes Jurastudium habt" und so "wirkt, als hättet ihr euer Leben auf der Reihe", sucht euch jemand anderen. Ich wünschte wirklich, ich hätte die Diagnose samt Therapie und medikamentöser Einstellung früher erhalten. Ich bereite mich derzeit aufs StB-Examen vor und merke einen so, so erheblichen Unterschied in meiner Arbeitsweise und Konzentrationsfähigkeit, dass ich es nur schwer in Worte fassen kann.
Also: nehmt euch bitte selbst ernst, ignoriert die Menschen, die euch sagen, ihr solltet euch bloß mehr anstrengen und dass es nun mal ein schwieriges Studium sei. Das Leben ist zu kurz um sich so zu quälen.
Liebe Grüße
2468
17.03.2024, 15:24
(16.03.2024, 13:40)2468 schrieb: Hallo miteinander,
ich dachte, ich gebe auch einmal meinen Senf dazu. Ich habe vor einiger Zeit nach wirklich jahrelanger Therapeutensuche die ADHS-Diagnose gestellt bekommen. Einerseits war ich sehr erleichtert, dass der Verdacht endlich von einer fachlich kompetenten Person bestätigt wurde, andererseits nimmt mich der Gedanke, wie viel leichter mir die Examina und mein Leben generell gefallen wären, hätte ich die Diagnose früher erhalten, nach wie vor mit.
Mittlerweile bin ich medikamentös eingestellt und es ist ein unfassbarer Game Changer. Während des Studiums und Refs habe ich gemerkt, dass meine Arbeitsweise erheblich von der meiner Kolleg:innen abweicht und ich ganz anders zu funktionieren scheine als der Rest. Natürlich habe ich das eher negativ wahrgenommen, was darin resultierte, dass ich mich jahrelang geknechtet habe, weil ich immer das Gefühl hatte, hinterher zu laufen und nie zu genügen. Kein Neurologie, Psychiater, Psychotherapeut hat mich ernst genommen, immer mit dem Argument, dass ich mein Leben doch unter Kontrolle hätte und das Studium laufen würde. Es wurde verkannt, dass ich erheblich hinter meinem Potenzial geblieben bin bzw. große Anstrengungen unternehmen musste, im dieses in unserer neurotypischen Welt zu entfalten (mal abgesehen von den Symptomen einer Depression und Essstörung). Ich war auch während des Berufseinstiegs nur bedingt leistungsfähig, ab ca. 16/17 Uhr war meine Konzentration weg, ich wurde immer frustrierter, da mein Job mir wirklich Spaß macht, ab einem gewissen Punkt aber einfach keine, überhaupt keine, kognitive Leistung mehr abrufbar war.
Turns out, dass ich mich durch die Jahre der Schufterei und vor allem der fehlenden Rücksicht auf mein Gehirn, das einfach anders funktioniert, in ein "ADHS-Burn out" manövriert hatte. Irgendwann helfen auch keine Coping-Mechanismen, die man sich über die Jahre hinweg angeeignet hat, mehr. Zusammen mit meiner Therapeutin habe ich daran gearbeitet, weniger zu tun und nicht immer bei allem 120 % zu geben. Beide Examina habe mich mit durchschnittlichen Noten abgelegt, obwohl ich weiß, dass ich zu viel besseren Noten fähig gewesen wäre. Das hat mich lange belastet, mittlerweile bin ich cool damit - zu einer Großkanzlei oder zum Staat wollte ich sowieso nie. Ich sehe nun aber, wie mühelos ich den roten Faden behalten kann, wie leicht es ist, nach kurzen Unterbrechungen wieder konzentriert weiter zu arbeiten und wie unfassbar es ist, dass man Aufgaben einfach beginnen kann, ohne sich erst einen 10minütigen Pep-Talk geben zu müssen, obwohl man die Aufgaben eigentlich mag.
Schon klar - nicht für jeden wirken die Medikamente so positiv wie bei mir und immer gilt natürlich auch, dass man eng mit der Therapeutin bzw. dem Therapeuten zusammen arbeiten sollte, da auch hier ein gewisses Suchtpotenzial besteht. Aber: wenn ihr den Verdacht habt, ADHS zu haben, dann bitte sprecht das mit Expert:innen ab. Und wenn ihr weg geschickt werdet, weil ihr "doch schon ein bestandenes Jurastudium habt" und so "wirkt, als hättet ihr euer Leben auf der Reihe", sucht euch jemand anderen. Ich wünschte wirklich, ich hätte die Diagnose samt Therapie und medikamentöser Einstellung früher erhalten. Ich bereite mich derzeit aufs StB-Examen vor und merke einen so, so erheblichen Unterschied in meiner Arbeitsweise und Konzentrationsfähigkeit, dass ich es nur schwer in Worte fassen kann.
Also: nehmt euch bitte selbst ernst, ignoriert die Menschen, die euch sagen, ihr solltet euch bloß mehr anstrengen und dass es nun mal ein schwieriges Studium sei. Das Leben ist zu kurz um sich so zu quälen.
Liebe Grüße
2468
Hallo 2468,
ich freue mich, dass sir die Medikation so gut hilft.
Manchmal ist es schwierig, das funktionierende Medikament zu finden, und es muss viel mit der Dosis rumprobiert werden. Bei dir scheint es gut geklappt zu haben. Das kann - und ist offenbar - eine gute Erleichterung.
Einige Dinge sind allerdings bei der gegenwärtigen versorgungsmedizinischen Situation nicht so einfach, wie es bei dir klingt.
Eine Testung zu erhalten, ist in weiten Teilen Deutschlands gegenwärtig mit laaaaaangen Wartezeiten verbunden. Ich rede hier von 12 Monaten aufwärts. Einige etablierten Institute nehmen keine neuen Termine mehr an, weil die Wartelisten übervoll sind. Natürlich ist eine Testung sinnvoll. Aber das geht nicht mal eben.
Daneben löst das nicht alle Problematiken, die im Ref entstehen.
Ich bin bereits zu Beginn des Einführungskurses zu allen Richtern (wir hatten 3) hingegangen und habe die Sachlage erklärt, damit sie meine Hibbeligkeit nicht als Unhöflichkeit auffassen oä. Auch meine AG war von Beginn an informiert, weil ich einfach doch manchmal arg anstrengend bin und einige Verhaltensweisen habe, die als unfreundlich interpretiert werden können. Ich gehe z bsp nie in der Pause mit den anderen raus, weil ich echt den Moment der Ruhe brauche, und die AG schon absolut überreizend für mich ist. Wenn sich jemand dauerhaft so rausnimmt, ist es einfacher, das kurz zu erklären, als dass es komisch rüberkommt.
Es ist meiner Auffassung nach immer sehr respektvoll und entgegenkommend aufgenommen worden. Auch die meisten Einzelausbilder freundlich reagiert, mein letzter und ich haben das gerne zum Anlass genommen, Witze zu machen (der war aber auch n super lustiger Typ, wir haben so viel gelacht).
Die Problematik des Nachteilsausgleichs wird ja sehr unterschiedlich bewertet hier. Es wird keiner gewährleistet, weil das Denken verlangsamt sein kann, weil es eben elementarer Bestandteil der Prüfung ist, innerhalb einer bestimmten Zeit zu einem bestimmten Ergebnis zu kommen. Es wird ja auch kein Nachteilsausgleich bei einer Mathematikklausur gewährleistet, wenn man nicht rechnen kann.
Es können allerdings andere Nachteilsausgleiche geltend gemacht werden. Einen Einzelraum etwa. In einem etwas anders gelagerten Fall (Tinnitus) würde mal das Abspielen leiser Klaviermusik gewährt.
Eine Schreibzeitverlängerung gibt es bei LRS (weil hier die Denkleistung gleichschnell bleiben muss, nur die Sachverhaltsverschriftlichung eben länger dauert, ggf auch, weil die Situationsverfassung durch verlangsamten Lesen auch etwas länger dauert).
Ich halte das für legitim.
21.04.2024, 21:27
Ich krame diesen Thread mal aus. Vielleicht hilft es ja jemanden.
Ich bin 41 und SydikusRAin und RAin seit 2017.
Habe meine ADHS-Diagnose ganz frisch und reflektiere gerade viel über meine Ausbildung.
Unizeit 2002-2008 - 1. StEx 9 Punkte aber mit vieeeel Quälerei am Ende der Examenszeit. Bis zum Examen eher mäßiger Einsatz (außer mein interessengetriebenes Law/Language US law Programm und Moot Court - Auslandsstudium in den USA). Ich konnte keine Stunde an einem Ort lernen, bin vom HiWi Büro, zur Bib, nach Hause … - Examen ohne Rep
2. Dann wollte ich auf keinen Fall ins Ref - bekam eine WissMit Stelle und promovierte. Nicht aus Lust an der Wissenschaft, sondern Flucht vorm Ref und cooler Job. Nach 3 Jahren habe ich die Diss abgebrochen. Davor hatte ich eine lange, böse depressive Episode inkl. zu viel Alkohol & Feiern zur Zerstreuung.
3. Ref - fand ich dann eigentlich ganz gut. Fand eine tolle Kommilitonin und Freundin, die auch schon etwas älter war. Sie ist eine hervorragende Juristin und war immer für mich da. Im Ref bekam ich zwei Kinder - ich muss größenwahnsinnig gewesen sein. Nach über 9 Jahren zwischen 1. und 2. Examen bestand ich das 2. Examen mit 5 Punkten. Ich war am Boden. Heute frage ich mich wie ich nur so ungnädig mit mir sein konnte. Ich habe es geschafft mit Baby und Kleinkind. Nicht selbstverständlich.
4. Knapp 4 Jahre RAin für IT-Recht (noch Teilzeit)
5. Seit 2 Jahren Senior Legal Counsel in der TechBranche. Ich liebe meinen schnellen, sehr komplexen Job und arbeite gern und viel mit der IT. Lerne mir selbst neue Sachen (LegalOps).
Erst nach der Diagnose meines Sohnes im letzten Jahr, kam ich auf die Idee, dass ich betroffen sein könnte. Ich dachte immer eher an andere psych Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen. Noch nehme ich keine Medikamente, werde das aber angehen, weil der Alltag mit Job und zwei (neurodiversen) Kindern sehr anstrengend ist.
Was natürlich nicht so cool als Juristin ist, ich mache relativ viele Flüchtigkeitsfehler, prokrastiniere unliebsame Sachen und und und. Aber es geht. Ich habe eine Arbeitsumgebung, die sehr gut zu mir passt. 1. viele neue Sachen 2. nah an IT/Produkt 3. 100% HomeOffice 4. sehr flexibel, keine festen Arbeitszeiten 5. niemand macht mir Vorgaben und ich arbeite sehr effizient.
Long story short. Am Ende ist alles gut, aber es war / ist auch sehr anstrengend. Mich würde interessieren was andere Juristin*innen mit ADHS so für Jobs haben und ob sie zufrieden sind.
Ich bin 41 und SydikusRAin und RAin seit 2017.
Habe meine ADHS-Diagnose ganz frisch und reflektiere gerade viel über meine Ausbildung.
Unizeit 2002-2008 - 1. StEx 9 Punkte aber mit vieeeel Quälerei am Ende der Examenszeit. Bis zum Examen eher mäßiger Einsatz (außer mein interessengetriebenes Law/Language US law Programm und Moot Court - Auslandsstudium in den USA). Ich konnte keine Stunde an einem Ort lernen, bin vom HiWi Büro, zur Bib, nach Hause … - Examen ohne Rep
2. Dann wollte ich auf keinen Fall ins Ref - bekam eine WissMit Stelle und promovierte. Nicht aus Lust an der Wissenschaft, sondern Flucht vorm Ref und cooler Job. Nach 3 Jahren habe ich die Diss abgebrochen. Davor hatte ich eine lange, böse depressive Episode inkl. zu viel Alkohol & Feiern zur Zerstreuung.
3. Ref - fand ich dann eigentlich ganz gut. Fand eine tolle Kommilitonin und Freundin, die auch schon etwas älter war. Sie ist eine hervorragende Juristin und war immer für mich da. Im Ref bekam ich zwei Kinder - ich muss größenwahnsinnig gewesen sein. Nach über 9 Jahren zwischen 1. und 2. Examen bestand ich das 2. Examen mit 5 Punkten. Ich war am Boden. Heute frage ich mich wie ich nur so ungnädig mit mir sein konnte. Ich habe es geschafft mit Baby und Kleinkind. Nicht selbstverständlich.
4. Knapp 4 Jahre RAin für IT-Recht (noch Teilzeit)
5. Seit 2 Jahren Senior Legal Counsel in der TechBranche. Ich liebe meinen schnellen, sehr komplexen Job und arbeite gern und viel mit der IT. Lerne mir selbst neue Sachen (LegalOps).
Erst nach der Diagnose meines Sohnes im letzten Jahr, kam ich auf die Idee, dass ich betroffen sein könnte. Ich dachte immer eher an andere psych Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen. Noch nehme ich keine Medikamente, werde das aber angehen, weil der Alltag mit Job und zwei (neurodiversen) Kindern sehr anstrengend ist.
Was natürlich nicht so cool als Juristin ist, ich mache relativ viele Flüchtigkeitsfehler, prokrastiniere unliebsame Sachen und und und. Aber es geht. Ich habe eine Arbeitsumgebung, die sehr gut zu mir passt. 1. viele neue Sachen 2. nah an IT/Produkt 3. 100% HomeOffice 4. sehr flexibel, keine festen Arbeitszeiten 5. niemand macht mir Vorgaben und ich arbeite sehr effizient.
Long story short. Am Ende ist alles gut, aber es war / ist auch sehr anstrengend. Mich würde interessieren was andere Juristin*innen mit ADHS so für Jobs haben und ob sie zufrieden sind.