02.01.2024, 17:33
(02.01.2024, 16:30)AberratioInvictus schrieb:(02.01.2024, 15:56)guga schrieb: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/arb...d-100.htmlTbf 1990 lebten hier auch 5 Millionen weniger Menschen.
Arbeiten lohnt sich nicht! Leute faulenzen lieber mit Bürgergeld!
Erwerbstätigenquote 1991 = 67,8%. Erwerbstätigenquote 2022 = 76,9%.
02.01.2024, 18:50
Hallo,
an der Stelle erstmal dankeschön an alle, die sich bisher beteiligt haben. Zu einigen Punkten habe ich Anmerkungen. Insgesamt hoffe ich, dass dieser Thread sachlich und seriös bleibt, auch wenn er manchmal schon in eine fragwürdige Richtung abgedriftet ist. Die ursprüngliche Absicht ist es eben, die Meinung, welche das Bürgergeld in seiner jetzigen Ausgestaltung kritisiert, mit legitimen und sachlichen Argumenten vertreten zu können.
Das kann ich mir vorstellen, dass es frustrierend für die Befürworter ist, aber wenn wir nicht massiv aneinander vorbei reden, dann überzeugt mich das schlicht und einfach nicht. Insbesondere der Hinweis darauf, dass es bestimmte Konstellationen nicht gibt, ist etwas, was ich nicht nachvollziehen kann.
Bei dem Beispiel mit der Alleinerziehenden mit drei Kindern (im Referendariat und dann im Anschluss mit E13 berufstätig, weil der Vergleich mit der 35 h/Woche überhaupt nur dann Sinn macht, wenn das Ref schon beendet ist) werde ich bleiben; mir wird sonst wieder vorgeworfen, ich vergleiche Äpfel mit Birnen und Hinkelsteinen:
Ref-Gehalt: Netto vll. 1400? Plus dreimal 250 Euro Kindergeld (+ Familienzulage für drei Kinder?), also 2150 (+ Familienzulage?), wovon die Kosten für die Wohnung abgehen, also bei bspw. 800 Euro Miete macht das 1350 (+ Familienzulage? sry da kenn ich mich einfach zu wenig aus)
Dann mit E13 als Beispiel: in Bayern ist 40 h/Woche, da 35 h ist 0,875. Das mal die 2.577 Euro ist 2.255 Euro. Davon abzüglich 800 Euro für eine Wohnung plus 750 Euro Kindergeld ist 2.205 Euro. Das sind 500 Euro mehr als der Satz, der eingangs als Sozialhilfe berechnet wurde. Wohlgemerkt bei einer alleinerziehenden Volljuristin mit 3 Kindern und einer 35h/Woche.
Jetzt in einer teureren Stadt wie bspw. München, wo eine Dreizimmer-Wohnung leicht 1500 Euro kostet, hat der/die Berufstätige mit 35h/Woche mit 2.255 Euro netto und 750 Euro Kindergeld am Ende 1.505 Euro?
Im Ergebnis sehe ich das auch so, dass man den Leuten, die bedürftig sind, ein würdiges Auskommen finanzieren muss. Aber ich bin trotzdem nach wie vor der Meinung, dass der Lohnabstand gewahrt bleiben/ausgebaut werden muss, bspw. eben durch eine massive Senkung der Einkommenssteuer.
Und ich kann es abschließend nur wirklich nochmal betonen, dass ich auch absolut keine menschenfeindlichen oder hetzerischen Positionen darin sehe, die Regelung kritisch zu hinterfragen. Weder beleidige ich damit pauschal bestimmte Gruppen, noch habe ich für so etwas Verständnis oder Sympathie. Allerdings muss ich deshalb nicht automatisch die aktuelle Regelung gut finden und ich bin auch der Meinung, dass unschöne Erfahrungen, die einzelne möglicherweise gemacht haben, aber explizit als nicht repräsentativ bezeichnen, gerne absichtlich falsch verstanden werden als bösartige Hetze.
an der Stelle erstmal dankeschön an alle, die sich bisher beteiligt haben. Zu einigen Punkten habe ich Anmerkungen. Insgesamt hoffe ich, dass dieser Thread sachlich und seriös bleibt, auch wenn er manchmal schon in eine fragwürdige Richtung abgedriftet ist. Die ursprüngliche Absicht ist es eben, die Meinung, welche das Bürgergeld in seiner jetzigen Ausgestaltung kritisiert, mit legitimen und sachlichen Argumenten vertreten zu können.
Das kann ich mir vorstellen, dass es frustrierend für die Befürworter ist, aber wenn wir nicht massiv aneinander vorbei reden, dann überzeugt mich das schlicht und einfach nicht. Insbesondere der Hinweis darauf, dass es bestimmte Konstellationen nicht gibt, ist etwas, was ich nicht nachvollziehen kann.
Bei dem Beispiel mit der Alleinerziehenden mit drei Kindern (im Referendariat und dann im Anschluss mit E13 berufstätig, weil der Vergleich mit der 35 h/Woche überhaupt nur dann Sinn macht, wenn das Ref schon beendet ist) werde ich bleiben; mir wird sonst wieder vorgeworfen, ich vergleiche Äpfel mit Birnen und Hinkelsteinen:
Ref-Gehalt: Netto vll. 1400? Plus dreimal 250 Euro Kindergeld (+ Familienzulage für drei Kinder?), also 2150 (+ Familienzulage?), wovon die Kosten für die Wohnung abgehen, also bei bspw. 800 Euro Miete macht das 1350 (+ Familienzulage? sry da kenn ich mich einfach zu wenig aus)
Dann mit E13 als Beispiel: in Bayern ist 40 h/Woche, da 35 h ist 0,875. Das mal die 2.577 Euro ist 2.255 Euro. Davon abzüglich 800 Euro für eine Wohnung plus 750 Euro Kindergeld ist 2.205 Euro. Das sind 500 Euro mehr als der Satz, der eingangs als Sozialhilfe berechnet wurde. Wohlgemerkt bei einer alleinerziehenden Volljuristin mit 3 Kindern und einer 35h/Woche.
Jetzt in einer teureren Stadt wie bspw. München, wo eine Dreizimmer-Wohnung leicht 1500 Euro kostet, hat der/die Berufstätige mit 35h/Woche mit 2.255 Euro netto und 750 Euro Kindergeld am Ende 1.505 Euro?
Im Ergebnis sehe ich das auch so, dass man den Leuten, die bedürftig sind, ein würdiges Auskommen finanzieren muss. Aber ich bin trotzdem nach wie vor der Meinung, dass der Lohnabstand gewahrt bleiben/ausgebaut werden muss, bspw. eben durch eine massive Senkung der Einkommenssteuer.
Und ich kann es abschließend nur wirklich nochmal betonen, dass ich auch absolut keine menschenfeindlichen oder hetzerischen Positionen darin sehe, die Regelung kritisch zu hinterfragen. Weder beleidige ich damit pauschal bestimmte Gruppen, noch habe ich für so etwas Verständnis oder Sympathie. Allerdings muss ich deshalb nicht automatisch die aktuelle Regelung gut finden und ich bin auch der Meinung, dass unschöne Erfahrungen, die einzelne möglicherweise gemacht haben, aber explizit als nicht repräsentativ bezeichnen, gerne absichtlich falsch verstanden werden als bösartige Hetze.
02.01.2024, 21:51
1. Würdiges Auskommen ist verfassungsrechtlich verbrieft (siehe BVerfGE zu Hartz IV)
2. Deutschland ist ein reiches Land. Das Vermögen der Superreichen ist seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion massivst angestiegen. Das Verschwinden der Systemkonkurrenz hat zu einer Vermögensungleichverteilung geführt. Es muss hier staatlich eingegriffen werden, es traut sich nur keiner.
3. Lohnabstandsgebot zu Sozialleistungen mag zwar für schwäbische Ritter der Küchentisch-Ökonomie wichtig zu sein; ein Arbeitskraftverlust wird jedoch nicht eintreten. Mehr irrationale Ängste als kritische Analyse des Arbeitsmarkts.
4. In Deutschland sind die Löhne zu niedrig. Der Grund liegt u.a. darin, dass die Organisationsfähigkeit der Gewerkschaften seit den 1990er-Jahr aufgrund von strategischen Fehlern und irrigem Glauben an Sozialpartnerschaft (Widerspruch von Arbeit und Kapital) rapide gesunken ist. In der Metall- und Elektroindustrie, wo ein hoher Organisationsgrad herrscht, werden traumhafte Löhne gezahlt. Woanders funktionieren die Tarifverhandlungen nicht, weil viele Beschäftigte sich nicht mehr organisieren lassen. Alles Individualisten mit Netflix.
5. Juristen sind da ein großes Problem. Für eigene Interessen zu kämpfen, liegt ihnen nicht. RVG seit 2013 nicht verändert, Beratungshilfe ist ein Witz und einige Rechtsgebiete können nicht wirtschaftlich bearbeitet werden. Wenn Referendare lediglich 1.300,00€ monatlich brutto mit einem Hochschulabschluss verdienen, der Lehramts-Referendar aber 1.500,00 € kann man daher nur sagen: Selbst schuld. Und nein, deswegen müssen Hartz IV-Empfänger nicht weniger Geld mit Kindern bekommen.
2. Deutschland ist ein reiches Land. Das Vermögen der Superreichen ist seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion massivst angestiegen. Das Verschwinden der Systemkonkurrenz hat zu einer Vermögensungleichverteilung geführt. Es muss hier staatlich eingegriffen werden, es traut sich nur keiner.
3. Lohnabstandsgebot zu Sozialleistungen mag zwar für schwäbische Ritter der Küchentisch-Ökonomie wichtig zu sein; ein Arbeitskraftverlust wird jedoch nicht eintreten. Mehr irrationale Ängste als kritische Analyse des Arbeitsmarkts.
4. In Deutschland sind die Löhne zu niedrig. Der Grund liegt u.a. darin, dass die Organisationsfähigkeit der Gewerkschaften seit den 1990er-Jahr aufgrund von strategischen Fehlern und irrigem Glauben an Sozialpartnerschaft (Widerspruch von Arbeit und Kapital) rapide gesunken ist. In der Metall- und Elektroindustrie, wo ein hoher Organisationsgrad herrscht, werden traumhafte Löhne gezahlt. Woanders funktionieren die Tarifverhandlungen nicht, weil viele Beschäftigte sich nicht mehr organisieren lassen. Alles Individualisten mit Netflix.
5. Juristen sind da ein großes Problem. Für eigene Interessen zu kämpfen, liegt ihnen nicht. RVG seit 2013 nicht verändert, Beratungshilfe ist ein Witz und einige Rechtsgebiete können nicht wirtschaftlich bearbeitet werden. Wenn Referendare lediglich 1.300,00€ monatlich brutto mit einem Hochschulabschluss verdienen, der Lehramts-Referendar aber 1.500,00 € kann man daher nur sagen: Selbst schuld. Und nein, deswegen müssen Hartz IV-Empfänger nicht weniger Geld mit Kindern bekommen.
02.01.2024, 21:56
Das Problem an dem Beispiel ist, dass es eine ungewöhnliche, plakative Situation darstellt. Alleinerziehend mit drei Kindern zu sein, ist eben eine große finanzielle Belastung. In der Realität würden übrigens regelmäßig auch noch Unterhaltsansprüche der Kinder hinzukommen. Selbst wenn man vom Mindestunterhalt ausgeht kommen bei der Familie also nochmal ca 1500 - 2000€ obendrauf.
Und die 3 Kinder der Bürgergeldempfängerin sollten eben auch normales Leben führen können, inklusive bestenfalls Aufstiegschancen (was ihnen oft genug nicht vergönnt ist). Ich finde es gibt in unserer Gesellschaft weitaus größere Ungerechtigkeiten als den Abstand zwischen Bürgergeld und Gehalt im Niedriglohnsektor. Diesen Abstand zu vergrößern durch die Stärkung von Arbeitnehmerrechten im Niedriglohnsektor (zB Mindestlohn, Steuersatz) stößt bei mir auf Zustimmung - die finanziell Ärmsten in unserer Gesellschaft noch ärmer zu machen nicht.
Und die 3 Kinder der Bürgergeldempfängerin sollten eben auch normales Leben führen können, inklusive bestenfalls Aufstiegschancen (was ihnen oft genug nicht vergönnt ist). Ich finde es gibt in unserer Gesellschaft weitaus größere Ungerechtigkeiten als den Abstand zwischen Bürgergeld und Gehalt im Niedriglohnsektor. Diesen Abstand zu vergrößern durch die Stärkung von Arbeitnehmerrechten im Niedriglohnsektor (zB Mindestlohn, Steuersatz) stößt bei mir auf Zustimmung - die finanziell Ärmsten in unserer Gesellschaft noch ärmer zu machen nicht.
02.01.2024, 22:33
da gebe ich dir dahingehend durchaus recht, dass die dargestellte Situation eher plakativ ist. Allerdings wird mir ja ansonsten ständig vorgeworfen, dass ich die Sachen willkürlich durcheinander werfe. Ich bin mittlerweile auch wirklich zu der Erkenntnis gelangt, dass (welch Überraschung) der jeweilige Wohnort einen ganz extremen Unterschied macht. Um einfach bei dem Beispiel mit dem TVL-Beschäftigten zu bleiben; wenn der (ohne Kinder) in München eine Wohnung sucht, dann ist es so, dass auf einer Plattform von den knapp 600 inserierten Zweizimmer-Wohnungen nur gut 40 eine maximale Warmmiete von 1.200 Euro haben. Also im Zweifel wird derjenige dafür mehr zahlen. Bei einem Einkommen von eben diesen 2.577 Euro abzüglich der Miete von vll 1.300 Euro hätte derjenige dann gut 1.270 Euro übrig. Verglichen mit einem Bürgergeldempfänger, der anscheinend mit einem 520-Euro-Job abgabenfrei 184 Euro dazuverdienen kann. Das wären dann wohl zwischen 700 und 800 Euro. Das wäre natürlich weniger, aber halt viel "Freizeit", so populistisch und böse das klingen mag. Ansonsten störe ich mich teilweise an der Begrifflichkeit "arm". Das ist, je nach Bezugspunkt, ein sehr dehnbarer Begriff.
02.01.2024, 23:18
Doof nur, dass das Amt einem Bürgergeldempfänger auch keine 1.300€ Miete in München zahlt. Stichwort Mietobergrenze.
02.01.2024, 23:24
ja, aber das heißt ja auch nicht, dass es in München generell keine Wohnungen unter 1.300 Euro gibt, da hab ich jetzt vorhin explizit Zwei-Zimmer gesucht. Wobei man da natürlich auch sagen kann, dass der Tarifbeschäftigte (als Volljurist) über seine Verhältnisse lebt, wenn er sich kein Ein-Zimmer-Appartement nimmt.
Ich finde es schon dahingehend schwierig, einen Vergleich ziehen zu können, weil wenn der Beschäftigte eine Wohnung über der besagten Mietobergrenze hat, dann heißt es, dass man das ja nicht vergleichen kann, das sei ja dann natürlich was ganz anderes.
Wenn der Beschäftigte eine Wohnung nimmt, die ihm auch vom Amt zugewiesen werden könnte (was die ganze Studium/+Ausbildung ja wieder irgendwie ad absurdum führt) heißt es, dass er ja mehr Geld zur Verfügung hat. Und selbst, wenn die (je nach Stadt) rund 500 bis 790 Euro nicht überschritten werden (in günstigen Städten auch weniger, muss fairerweise gesagt werden), sind das im Ergebnis im Zweifel gut tausend Euro, die der Beschäftigte monatlich mehr verdient, wenn er Vollzeit 40h/Woche arbeitet und der Bürgergeldempfänger einen 520-Job für 10h/Woche macht.
Ich finde es schon dahingehend schwierig, einen Vergleich ziehen zu können, weil wenn der Beschäftigte eine Wohnung über der besagten Mietobergrenze hat, dann heißt es, dass man das ja nicht vergleichen kann, das sei ja dann natürlich was ganz anderes.
Wenn der Beschäftigte eine Wohnung nimmt, die ihm auch vom Amt zugewiesen werden könnte (was die ganze Studium/+Ausbildung ja wieder irgendwie ad absurdum führt) heißt es, dass er ja mehr Geld zur Verfügung hat. Und selbst, wenn die (je nach Stadt) rund 500 bis 790 Euro nicht überschritten werden (in günstigen Städten auch weniger, muss fairerweise gesagt werden), sind das im Ergebnis im Zweifel gut tausend Euro, die der Beschäftigte monatlich mehr verdient, wenn er Vollzeit 40h/Woche arbeitet und der Bürgergeldempfänger einen 520-Job für 10h/Woche macht.
03.01.2024, 00:03
Und? 700€ oder 1.700€ monatlich zur Verfügung zu haben, das macht doch schon einen großen Unterschied.
03.01.2024, 00:14
ja, aber der Unterschied ergibt sich ja eben erst dann, wenn man wohnungstechnisch auf dem Level eines Sozialhilfeempfängers mietet und gleichzeitig auch wöchentlich 30 Stunden weniger zur freien Verfügung hat. Das sehe ich schlicht nicht als die große Motivation, eine (akademische) Ausbildung zu machen und dann eine entsprechende Tarifstelle anzutreten. Wenn die konkrete Perspektive dann ist, dass man tausend Euro mehr im Monat hat als man mit Bürgergeld hätte, dafür aber in der gleichen Preisklasse eine Mietwohnung zu bewohnen und wöchentlich viermal so lange zu arbeiten.
03.01.2024, 00:23
Ja, wenn man in München lebt und Zeit seines Lebens auf einer 40.000 Euro Stelle sitzen bleibt… Aber was soll der Plan sein? Arbeitslose mit 350 Euro abspeisen, die heutzutage kaum zum Leben reichen? Siehe BVerfG Urteil. Oder soll jeder, der arbeitet mind. 60.000 Euro brutto erhalten, d.h. 30 Euro Mindestlohn?