08.08.2023, 17:33
(08.08.2023, 16:52)18729309932 schrieb:(08.08.2023, 15:43)TraurigerRef schrieb: Fand es keiner verwirrend, dass zwischen Mahnantrag und dem Bearbeiterzeitpunkt drei Jahre vergangen sind? Hätte das das Gericht nicht längst irgendwas normal hinsichtlich des Mahnantrages gemacht? Ich finde das arg merkwürdig, dass drei Jahre da nichts passiert ist und der Antrag trotzdem noch rechtshängig ist
Naja, die Rechtshängigkeit entfällt ja nicht einfach so. Nach der Dispositionsmaxime bewegt sich das Gericht halt nicht, wenn du nichts machst, sogar ein Ruhen des Verfahrens geht nach § 251 ZPO nur auf Antrag. Von daher war das an sich unproblematisch.
Ja, da hast du recht …. Manchmal denke ich unter Druck komisch
08.08.2023, 20:13
(08.08.2023, 16:50)18729309932 schrieb:(08.08.2023, 15:33)Neu schrieb:(08.08.2023, 15:24)Gast123 M-V schrieb:(08.08.2023, 14:30)Konova schrieb: GPA 08.08.2023:
Anwalts- und Kautelarklausur aus dem Maklervertragsrecht
Zuerst war Anspruch des Mandanten auf Maklerprovision wegen der Vermittlung eines Pachtvertrages zu prüfen. Nahezu sämtliche Probleme des Maklervertragsrecht (Anfechtung und Störung der Geschäftsgrundlage beim Hauptvertrag / mangelnde persönliche und inhaltliche Kongruenz zwischen Hauptvertrag und Maklervertrag / Verflechtungseinwand / Beweisprognose hinsichtlich des Abschlusses des Maklervertrages / Kausalität zwischen Maklerleistung und Hauptvertrag / Nachweis der Maklerleistung) waren zu erörtern.
Der Anspruch war vom vorherigen "schläfrigen" Anwalt im Rahmen eines Mahnverfahrens angestrebt worden aber dann über Jahre liegengelassen. Hier war die Unschädlichkeit der nicht rechtzeitigen Anspruchsbegründung nach § 697 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zu erörtern sowie die Unzuständigkeit des Gerichts an welches die Sache abgegeben wurde. Ein Antrag nach § 281 ZPO auf Verweisung war zweckmäßig.
Auch Zinsen in Höhe von 9 PP über dem Basiszins und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten (Gebührenschaden) waren zu prüfen, aber nach § 286 BGB als Verzögerungsschaden zu bejahen, nachdem eine endgültige Leistungsverweigerung noch vor Einschaltung des RA vorlag.
Im Kautelarteil war sodann ein Maklervertrag in AGB zu formulieren und einzelne Klauseln auf ihre Zulässigkeit zu prüfen. Die AGB sollen nur zwischen Unternehmern gelten (§ 310 Abs. 1) wobei die §§ 308, 309 BGB zum Teil über den § 307 BGB nach § 310 Abs. 1 s. 2 BGB einzubeziehen sind. Zu den Klauseln gehörten neben Verschwiegenheits- und Informationspflichten auch Aufrechnungsverbote (§ 309 Nr. 3), die Vereinbarung eines pauschalen Verzuges (§ 309 Nr. 4) sowie auch die Vereinbarung einer sog. Vorkenntnisklausel welche die Kausalität zwischen Maklerleistung und Hauptvertrag auch bei vorhandener Vorkenntnis fingieren soll, sofern diese nicht rechtzeitig angezeigt wird (nach BGH in AGB unzulässig). Der Mandant wollte schließlich auch ohne den Hauptvertragsschluss einen Anspruch auf Provision (nach § 307 BGB unzulässig da mit Grundgedanken des § 652 BGB unvereinbar), oder wenigstens dann Aufwendungsersatz (nach § 652 Abs. 2 BGB ausdrücklich zulässig) auch wenn kein Hauptvertrag zustande kommt. Auch eine Gerichtsstandsvereinbarung war zu formulieren.
Ich habe das alles sehr, sehr ähnlich geprüft. Hoffentliches ein gutes Zeichen...
Ein paar kleine Abweichungen:
- Wie bist du auf den Verflechtungseinwand gekommen? Ich habe in der Akte keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass die Maklerin mit dem Dritten oder dem Vertragspartner verflochten sein könnte. Ich habe allerdings auch in M-V und nicht in HH geschrieben. Stattdessen habe ich noch die Störung der Geschäftsgrundlage des Maklervertrags wegen Covid 19 angesprochen (und verneint).
- Wenn ich mich recht erinnere, wurden auch Zinsen bezüglich der Rechtsanwaltskosten geltend gemacht. Die bestehen insoweit aber nur in Höhe von 5 Prozentpunkten. § 288 Abs. 2 BGB ist mangels "Entgeltforderung" nicht einschlägig.
- Die Aufrechnungsklausel habe ich nicht geprüft. Dazu stand bei uns aber auch nichts in der Akte. Das mit dem Verzug habe ich über § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB gelöst (Zahlung 2 Wochen nach Abschluss des Hauptvertrags). Ich habe mich dann aber noch ein bisschen durch die Kommentierung des § 652 BGB gewühlt. Deswegen habe ich noch eine "Festanhandgabe" (Ausschluss der Kündigung), eine Provisionssicherungsklausel, ein Verbot der Beauftragung weiterer Makler, etc. geprüft. Keine Ahnung, ob das erforderlich war. Die Mandatin wollte ja nur einen "normalen" Maklervertrag, aber ich wollte auch nicht nur einen 3 Seiten-Vertrag entwerfen.
Im Übrigen war es heute zeitlich auch mal wieder sehr sportlich...
Mega, hab auch in MV geschrieben.
Und habe grad andauernd überlegt, wo was zum Aufrechnungsverbot stand. Dank dir bin ich jetzt ein bisschen erleichterter.
Dachte andauernd, HH und MV hätten identische Klausuren.
Also ich habs eigentlich auch so gemacht, wie ihr. Hoffe ebenfalls, dass das ein gutes Zeichen ist. --> vorab, ich habe im GPA Bereich geschrieben
Habe ebenfalls Verweisung nach HH beantragt § 281 I ZPO, da Freiburg in keinem Fall zuständig war, insb. § 29 BGB nicht. Ich meine auch, dass die o.g. Fundstelle überhaupt erstmal ein Wahlrecht und damit die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts voraussetzt, hier aber (-). Zudem Streitverkündung ggü. der "Rechtsanwaltspraxis" (mE GbR §§ 705 ff. BGB), die vorher mandatiert war wegen Regress aus §§ 280 I, 675, 611 BGB aufgrund der Kosten aus § 281 III ZPO.
Anspruchsbegründung kann eingereicht werden, §§ 697 I, III ZPO, dann terminiert Gericht, bzw. verweist in unserem Fall per Beschluss.
Materiell ging bei mir der Anspruch aus § 652 I 1 BGB ebenfalls durch, insb
- beim Hauptvertrag keine persönliche Kongruenz von Auftragnehmerin und Pächter nötig, wenn jedenfalls wirtschaftlich eng verbunden (hier (+), da eine Firmengruppe, gleicher Geschäftsführer)
- keine Verflechtung, da lediglich Cousin, persönliche Beziehung/Verwandschaft reicht ohne weitere Umstände nicht aus (Palandt)
- kein Verstoß gg. § 654 BGB, da offengelegt war, dass die Maklerin auch für die Verpächterin gearbeitet hat
- Durchschlag der Irrtumsanfechtung als ex-tunc Einwand (-), da kein Irrtum über Tatsachen, sondern es wurden zukünftige Umstände geltend gemacht
- Durchschlag von ex nunc Einwänden per se (-), daher Aufhebungsvereinbarung irrelvant, auch Störung der Geschäftsgrundlage würde nicht duchschlagen, zudem wohl normatives Element (-)
Gebührenschaden (+) aus §§ 280, 286 BGB, da jedenfalls nach Weigerung im Verzug
Zinsanspruch bei mir gem. §§ 353, 354 HGB iHv 5% ab 12.02.2020 (ein Tag nach Pachtvertragsschluss, da hiermit Maklerlohn fällig wird), da Handelsgeschäft (beide als GmbH Formkaufleute) und gem. §§ 280, 286, 288 II BGB iHv 9 PP über BZS ab 14.04., da in der Rechnung vom 31.03. eine Frist von zwei Wochen gesetzt wurde.
AGB Prüfung bei mir ähnlich, aber kaum noch Zeit, stand aber gefühlt alles im Palandt. Gerichtsstandsklausel musste man wohl eine Ausnahme für Nichtkaufleutemachen für AGB Konformität, da Kunden zwar immer Unternehmer, aber nicht sicher, dass immer Kaufleute (Setzt § 38 ZPO voraus). Aufrechnungsverbot geht aber, wenn man unbestrittene und rk Forderungen ausnimmt. Daneben Schriftform wegen § 38 ZPO, also doppelte SK.
Alles in allem machbar, aber zeitlich sehr sportlich.
Anträge im SS waren dann
1. Verweisung
2. Zahlung 50.000 +RA Kosten nebst Zinsen iHv 5% ab 12.02.2020 und iHv 9 PP ü BZS ab 14.04.2020
3. Streitverkündung ggü. RAe
4. VU im schriftlichen Vorverfahren § 331 ZPO
Ach, genau. Die Streitverkündung habe ich auch noch kurz angeprüft, aber im Ergebnis als nicht zweckmäßig abgelehnt, da durch die Verweisung heutzutage (wohl) faktisch keine zusätzlichen Kosten mehr anfallen (vgl. § 4 GKG, § 20 RVG).
10.08.2023, 14:17
GPA 10.08.2023 StR 1:
3 Handlungsabschnitte waren zu prüfen auf 18 Seiten Akte:
Sämtliche Handlungsabschnitte waren in der Beweiswürdigung recht eindeutig, da es übereinstimmende Zeugenaussagen und eine geständige Einlassung gab (Einlassung auch verwertbar, da S zwar nicht belehrt, aber wegen Kenntnis des Schweigerechts)
1. Handlungsabschnitt:
Der Beschuldigte S, ein Strafrichter a.D und "letzte Generation"-Sympathisant, blockiert zunächst mit seinem Bollerwagen und seiner Person die Zufahrt eines Automobilherstellers um so gezielt einen Stau für die an- und abfahrenden LKW herbeizuführen. Vorher besprüht er noch eine Wand des Werkes mit wasserlöslicher Farbe.
Hier war § 240 StGB in seiner klassischen Variante der zweiten-Reihe-Rechtsprechung in mittelbarer Täterschaft der Gewaltanwendung zu prüfen, auch die Verwerflichkeit nach § 240 Abs. 2 StGB war ausführlich zu erörtern, da S für den Klimanotstand demonstriert (Unbeachtlichkeit von sog. Fernzielen); § 303 StGB scheitert bereits an einer Substanzverletzung; § 123 StGB war aufgrund der Blockade auf noch öffentlicher Straße nicht einschlägig; auch war S alleine, sodass von keiner Versammlung und dem Schutz des Art. 8 GG oder des VersG ausgegangen werden konnte
2. Handlungsabschnitt:
S klebt sich diesmal aus Klimaprotest mit Händen und nacktem Gesäß an einen Kreisverkehr vor seiner Haustür und blockiert über mindestens 60 min die Fahrbahn in alle Richtungen.
Hier war erneut der § 240 StGB zu prüfen, obwohl hier in Abweichung zu 1. der S sich festklebte, sodass nach neuer Rspr. des BVerfG der S nicht nur mittelbar durch den ersten blockierten PKW nötigt, sondern bereits eine unmittelbare Gewaltanwendung gegen den ersten PKW vorliegt (insoweit abweichung zur klassischen zweite-reihe-rechtsprechung).
Auch ein RTW wird von S blockiert, der einen zuvor einen Herz- und Hirninfarkt erlittenen Patienten transportiert. Nach Gutachten und Zeugenaussagen stellt sich jedoch heraus, dass der RTW teilweise defekt war und der Patient schon vor dem Eintreffen des RTW im Stau am Hirntod verstorben ist, sodass es an der Zurechnung der Verzögerung durch den S für den Tod des Patienten fehlt.
Hier war zum Tötungsvorsatz für § 212 StGB (Abgrenzung Eventualvorsatz / bewusste Fahrlässigkeit) sowie zur objektiven Zurechnung auszuführen. Auch die fahrlässige Tötung nach § 222 StGB scheitert entsprechend am Pflichtwidrigkeitszusammenhang. Damit blieb es bei § 240 StGB.
Ebenso scheitert mangels konkreter Gefahr der § 315b StGB. §§ 183 f. StGB waren wohl obsolet aber denkbar zu prüfen (scheitern jedoch da nur das Gesäß nackt war und keine sexuelle Handlung vorlag). Auch eine Sachbeschädigung der Straße scheidet aus.
3. Handlungsabschnitt:
S beleidigt die ihn vernehmende Staatsanwältin mit den Worten " alle Staatsanwälte und Richter im Saarland (Ort des Geschehens) sind korrupt".
Prüfung des § 185 StGB, wobei auf die Besonderheiten der Beleidigung unter Kollektivbezeichnungen einzugehen war unter Abwägung des Art. 5 GG. Strafantrag nach § 194 Abs. 1 StGB war gestellt, welcher neben den Antrag des Dienstherrn aus § 194 Abs. 3 StGB tritt der unterbliebt.
B-Gutachten war entsprechend kurz, Anklage wohl zum Strafrichter und ggf. noch Schöffengericht, aber S war nicht vorbestraft. Örtliche Zuständigkeit war nach § 7 und § 8 StPO zwischen zwei Orten wählbar. U-Haft und notwendige Verteidigung scheiden wohl aus, auch bei Schöffengerichtsanklage, da S Volljurist ist und Strafrichter aD, mithin sich selbst verteidigen kann.
3 Handlungsabschnitte waren zu prüfen auf 18 Seiten Akte:
Sämtliche Handlungsabschnitte waren in der Beweiswürdigung recht eindeutig, da es übereinstimmende Zeugenaussagen und eine geständige Einlassung gab (Einlassung auch verwertbar, da S zwar nicht belehrt, aber wegen Kenntnis des Schweigerechts)
1. Handlungsabschnitt:
Der Beschuldigte S, ein Strafrichter a.D und "letzte Generation"-Sympathisant, blockiert zunächst mit seinem Bollerwagen und seiner Person die Zufahrt eines Automobilherstellers um so gezielt einen Stau für die an- und abfahrenden LKW herbeizuführen. Vorher besprüht er noch eine Wand des Werkes mit wasserlöslicher Farbe.
Hier war § 240 StGB in seiner klassischen Variante der zweiten-Reihe-Rechtsprechung in mittelbarer Täterschaft der Gewaltanwendung zu prüfen, auch die Verwerflichkeit nach § 240 Abs. 2 StGB war ausführlich zu erörtern, da S für den Klimanotstand demonstriert (Unbeachtlichkeit von sog. Fernzielen); § 303 StGB scheitert bereits an einer Substanzverletzung; § 123 StGB war aufgrund der Blockade auf noch öffentlicher Straße nicht einschlägig; auch war S alleine, sodass von keiner Versammlung und dem Schutz des Art. 8 GG oder des VersG ausgegangen werden konnte
2. Handlungsabschnitt:
S klebt sich diesmal aus Klimaprotest mit Händen und nacktem Gesäß an einen Kreisverkehr vor seiner Haustür und blockiert über mindestens 60 min die Fahrbahn in alle Richtungen.
Hier war erneut der § 240 StGB zu prüfen, obwohl hier in Abweichung zu 1. der S sich festklebte, sodass nach neuer Rspr. des BVerfG der S nicht nur mittelbar durch den ersten blockierten PKW nötigt, sondern bereits eine unmittelbare Gewaltanwendung gegen den ersten PKW vorliegt (insoweit abweichung zur klassischen zweite-reihe-rechtsprechung).
Auch ein RTW wird von S blockiert, der einen zuvor einen Herz- und Hirninfarkt erlittenen Patienten transportiert. Nach Gutachten und Zeugenaussagen stellt sich jedoch heraus, dass der RTW teilweise defekt war und der Patient schon vor dem Eintreffen des RTW im Stau am Hirntod verstorben ist, sodass es an der Zurechnung der Verzögerung durch den S für den Tod des Patienten fehlt.
Hier war zum Tötungsvorsatz für § 212 StGB (Abgrenzung Eventualvorsatz / bewusste Fahrlässigkeit) sowie zur objektiven Zurechnung auszuführen. Auch die fahrlässige Tötung nach § 222 StGB scheitert entsprechend am Pflichtwidrigkeitszusammenhang. Damit blieb es bei § 240 StGB.
Ebenso scheitert mangels konkreter Gefahr der § 315b StGB. §§ 183 f. StGB waren wohl obsolet aber denkbar zu prüfen (scheitern jedoch da nur das Gesäß nackt war und keine sexuelle Handlung vorlag). Auch eine Sachbeschädigung der Straße scheidet aus.
3. Handlungsabschnitt:
S beleidigt die ihn vernehmende Staatsanwältin mit den Worten " alle Staatsanwälte und Richter im Saarland (Ort des Geschehens) sind korrupt".
Prüfung des § 185 StGB, wobei auf die Besonderheiten der Beleidigung unter Kollektivbezeichnungen einzugehen war unter Abwägung des Art. 5 GG. Strafantrag nach § 194 Abs. 1 StGB war gestellt, welcher neben den Antrag des Dienstherrn aus § 194 Abs. 3 StGB tritt der unterbliebt.
B-Gutachten war entsprechend kurz, Anklage wohl zum Strafrichter und ggf. noch Schöffengericht, aber S war nicht vorbestraft. Örtliche Zuständigkeit war nach § 7 und § 8 StPO zwischen zwei Orten wählbar. U-Haft und notwendige Verteidigung scheiden wohl aus, auch bei Schöffengerichtsanklage, da S Volljurist ist und Strafrichter aD, mithin sich selbst verteidigen kann.
10.08.2023, 14:50
In der Hektik habe ich blöderweise § 115 III StGB und § 323c II StGB vergessen: Habt ihr die gesehen und wie seid / wäret ihr damit umgegangen?
10.08.2023, 15:09
(10.08.2023, 14:17)Konova schrieb: GPA 10.08.2023 StR 1:
3 Handlungsabschnitte waren zu prüfen auf 18 Seiten Akte:
Sämtliche Handlungsabschnitte waren in der Beweiswürdigung recht eindeutig, da es übereinstimmende Zeugenaussagen und eine geständige Einlassung gab (Einlassung auch verwertbar, da S zwar nicht belehrt, aber wegen Kenntnis des Schweigerechts)
1. Handlungsabschnitt:
Der Beschuldigte S, ein Strafrichter a.D und "letzte Generation"-Sympathisant, blockiert zunächst mit seinem Bollerwagen und seiner Person die Zufahrt eines Automobilherstellers um so gezielt einen Stau für die an- und abfahrenden LKW herbeizuführen. Vorher besprüht er noch eine Wand des Werkes mit wasserlöslicher Farbe.
Hier war § 240 StGB in seiner klassischen Variante der zweiten-Reihe-Rechtsprechung in mittelbarer Täterschaft der Gewaltanwendung zu prüfen, auch die Verwerflichkeit nach § 240 Abs. 2 StGB war ausführlich zu erörtern, da S für den Klimanotstand demonstriert (Unbeachtlichkeit von sog. Fernzielen); § 303 StGB scheitert bereits an einer Substanzverletzung; § 123 StGB war aufgrund der Blockade auf noch öffentlicher Straße nicht einschlägig; auch war S alleine, sodass von keiner Versammlung und dem Schutz des Art. 8 GG oder des VersG ausgegangen werden konnte
2. Handlungsabschnitt:
S klebt sich diesmal aus Klimaprotest mit Händen und nacktem Gesäß an einen Kreisverkehr vor seiner Haustür und blockiert über mindestens 60 min die Fahrbahn in alle Richtungen.
Hier war erneut der § 240 StGB zu prüfen, obwohl hier in Abweichung zu 1. der S sich festklebte, sodass nach neuer Rspr. des BVerfG der S nicht nur mittelbar durch den ersten blockierten PKW nötigt, sondern bereits eine unmittelbare Gewaltanwendung gegen den ersten PKW vorliegt (insoweit abweichung zur klassischen zweite-reihe-rechtsprechung).
Auch ein RTW wird von S blockiert, der einen zuvor einen Herz- und Hirninfarkt erlittenen Patienten transportiert. Nach Gutachten und Zeugenaussagen stellt sich jedoch heraus, dass der RTW teilweise defekt war und der Patient schon vor dem Eintreffen des RTW im Stau am Hirntod verstorben ist, sodass es an der Zurechnung der Verzögerung durch den S für den Tod des Patienten fehlt.
Hier war zum Tötungsvorsatz für § 212 StGB (Abgrenzung Eventualvorsatz / bewusste Fahrlässigkeit) sowie zur objektiven Zurechnung auszuführen. Auch die fahrlässige Tötung nach § 222 StGB scheitert entsprechend am Pflichtwidrigkeitszusammenhang. Damit blieb es bei § 240 StGB.
Ebenso scheitert mangels konkreter Gefahr der § 315b StGB. §§ 183 f. StGB waren wohl obsolet aber denkbar zu prüfen (scheitern jedoch da nur das Gesäß nackt war und keine sexuelle Handlung vorlag). Auch eine Sachbeschädigung der Straße scheidet aus.
3. Handlungsabschnitt:
S beleidigt die ihn vernehmende Staatsanwältin mit den Worten " alle Staatsanwälte und Richter im Saarland (Ort des Geschehens) sind korrupt".
Prüfung des § 185 StGB, wobei auf die Besonderheiten der Beleidigung unter Kollektivbezeichnungen einzugehen war unter Abwägung des Art. 5 GG. Strafantrag nach § 194 Abs. 1 StGB war gestellt, welcher neben den Antrag des Dienstherrn aus § 194 Abs. 3 StGB tritt der unterbliebt.
B-Gutachten war entsprechend kurz, Anklage wohl zum Strafrichter und ggf. noch Schöffengericht, aber S war nicht vorbestraft. Örtliche Zuständigkeit war nach § 7 und § 8 StPO zwischen zwei Orten wählbar. U-Haft und notwendige Verteidigung scheiden wohl aus, auch bei Schöffengerichtsanklage, da S Volljurist ist und Strafrichter aD, mithin sich selbst verteidigen kann.
Den 1. Handlungsabschnitt habe ich im Wesentlichen auch so geprüft. Der Teil zur Sachbeschädigung war bei uns - in M-V - nicht enthalten. Ich habe noch § 34 StGB und den zivilen Ungehorsam als Rechtfertigungsgrund angesprochen.
Im 2. Handlungsabschnitt habe ich unter anderem noch § 113 Abs. 1 StGB geprüft (und bejaht!). Zudem bin ich noch auf § 115 Abs. 3 StGB und auf § 323c Abs. 2 StGB eingegangen (jeweils verneint). Außerdem habe ich die Akte so verstanden, dass die Person im Rettungswagen schon vor dem Erreichen des Kreisverkehrs hirntot war (?). Deswegen bin ich jeweils (z. B. bei § 212 Abs. 1 StGB, §§ 315 b, 315 III StGB) auf die Versuchsstrafbarkeit gesprungen. Da bin ich mir aber nicht sicher.
Im 3. Handlungsabschnitt fand ich den Teil zum Strafantrag irgendwie missverständlich (telefonischer oder schriftlicher Strafantrag?). Ich habe einfach mal unterstellt, dass der Strafantrag in Ordnung war und dann noch ein bisschen im prozessualen Gutachten zu § 170 Abs. 2 StPO bei fehlendem Strafantrag ausgeführt.
Ich bin im prozessualen Gutachten zudem noch kurz auf Nr. 15 MiStra eingegangen. Das Ministerium wollte den Ausgang des Verfahrens zwar nicht wirklich wissen, aber ich dachte mir "sicher ist sicher". Von der Verfolgung der Beleidigung habe ich gem. § 154 Abs. 1 Nr. 1 StPO abgesehen. Zudem bin ich bei der Auswahl der Beweismittel noch auf Nr. 111 Abs. 2 RiStBV eingegangen. Es gab immerhin theoretisch 75 Zeugen oder so.
Abschlussverfügung und Anklageschrift waren dann insgesamt verhältnismäßig schlank.
Die eigentliche Überraschung: Zeitlich alles in allem wirklich eine sehr faire Klausur - außer natürlich ich habe etwas übersehen.
10.08.2023, 15:19
(10.08.2023, 15:09)Gast123 M-V schrieb:(10.08.2023, 14:17)Konova schrieb: GPA 10.08.2023 StR 1:
3 Handlungsabschnitte waren zu prüfen auf 18 Seiten Akte:
Sämtliche Handlungsabschnitte waren in der Beweiswürdigung recht eindeutig, da es übereinstimmende Zeugenaussagen und eine geständige Einlassung gab (Einlassung auch verwertbar, da S zwar nicht belehrt, aber wegen Kenntnis des Schweigerechts)
1. Handlungsabschnitt:
Der Beschuldigte S, ein Strafrichter a.D und "letzte Generation"-Sympathisant, blockiert zunächst mit seinem Bollerwagen und seiner Person die Zufahrt eines Automobilherstellers um so gezielt einen Stau für die an- und abfahrenden LKW herbeizuführen. Vorher besprüht er noch eine Wand des Werkes mit wasserlöslicher Farbe.
Hier war § 240 StGB in seiner klassischen Variante der zweiten-Reihe-Rechtsprechung in mittelbarer Täterschaft der Gewaltanwendung zu prüfen, auch die Verwerflichkeit nach § 240 Abs. 2 StGB war ausführlich zu erörtern, da S für den Klimanotstand demonstriert (Unbeachtlichkeit von sog. Fernzielen); § 303 StGB scheitert bereits an einer Substanzverletzung; § 123 StGB war aufgrund der Blockade auf noch öffentlicher Straße nicht einschlägig; auch war S alleine, sodass von keiner Versammlung und dem Schutz des Art. 8 GG oder des VersG ausgegangen werden konnte
2. Handlungsabschnitt:
S klebt sich diesmal aus Klimaprotest mit Händen und nacktem Gesäß an einen Kreisverkehr vor seiner Haustür und blockiert über mindestens 60 min die Fahrbahn in alle Richtungen.
Hier war erneut der § 240 StGB zu prüfen, obwohl hier in Abweichung zu 1. der S sich festklebte, sodass nach neuer Rspr. des BVerfG der S nicht nur mittelbar durch den ersten blockierten PKW nötigt, sondern bereits eine unmittelbare Gewaltanwendung gegen den ersten PKW vorliegt (insoweit abweichung zur klassischen zweite-reihe-rechtsprechung).
Auch ein RTW wird von S blockiert, der einen zuvor einen Herz- und Hirninfarkt erlittenen Patienten transportiert. Nach Gutachten und Zeugenaussagen stellt sich jedoch heraus, dass der RTW teilweise defekt war und der Patient schon vor dem Eintreffen des RTW im Stau am Hirntod verstorben ist, sodass es an der Zurechnung der Verzögerung durch den S für den Tod des Patienten fehlt.
Hier war zum Tötungsvorsatz für § 212 StGB (Abgrenzung Eventualvorsatz / bewusste Fahrlässigkeit) sowie zur objektiven Zurechnung auszuführen. Auch die fahrlässige Tötung nach § 222 StGB scheitert entsprechend am Pflichtwidrigkeitszusammenhang. Damit blieb es bei § 240 StGB.
Ebenso scheitert mangels konkreter Gefahr der § 315b StGB. §§ 183 f. StGB waren wohl obsolet aber denkbar zu prüfen (scheitern jedoch da nur das Gesäß nackt war und keine sexuelle Handlung vorlag). Auch eine Sachbeschädigung der Straße scheidet aus.
3. Handlungsabschnitt:
S beleidigt die ihn vernehmende Staatsanwältin mit den Worten " alle Staatsanwälte und Richter im Saarland (Ort des Geschehens) sind korrupt".
Prüfung des § 185 StGB, wobei auf die Besonderheiten der Beleidigung unter Kollektivbezeichnungen einzugehen war unter Abwägung des Art. 5 GG. Strafantrag nach § 194 Abs. 1 StGB war gestellt, welcher neben den Antrag des Dienstherrn aus § 194 Abs. 3 StGB tritt der unterbliebt.
B-Gutachten war entsprechend kurz, Anklage wohl zum Strafrichter und ggf. noch Schöffengericht, aber S war nicht vorbestraft. Örtliche Zuständigkeit war nach § 7 und § 8 StPO zwischen zwei Orten wählbar. U-Haft und notwendige Verteidigung scheiden wohl aus, auch bei Schöffengerichtsanklage, da S Volljurist ist und Strafrichter aD, mithin sich selbst verteidigen kann.
Den 1. Handlungsabschnitt habe ich im Wesentlichen auch so geprüft. Der Teil zur Sachbeschädigung war bei uns - in M-V - nicht enthalten. Ich habe noch § 34 StGB und den zivilen Ungehorsam als Rechtfertigungsgrund angesprochen.
Im 2. Handlungsabschnitt habe ich unter anderem noch § 113 Abs. 1 StGB geprüft (und bejaht!). Zudem bin ich noch auf § 115 Abs. 3 StGB und auf § 323c Abs. 2 StGB eingegangen (jeweils verneint). Außerdem habe ich die Akte so verstanden, dass die Person im Rettungswagen schon vor dem Erreichen des Kreisverkehrs hirntot war (?). Deswegen bin ich jeweils (z. B. bei § 212 Abs. 1 StGB, §§ 315 b, 315 III StGB) auf die Versuchsstrafbarkeit gesprungen. Da bin ich mir aber nicht sicher.
Im 3. Handlungsabschnitt fand ich den Teil zum Strafantrag irgendwie missverständlich (telefonischer oder schriftlicher Strafantrag?). Ich habe einfach mal unterstellt, dass der Strafantrag in Ordnung war und dann noch ein bisschen im prozessualen Gutachten zu § 170 Abs. 2 StPO bei fehlendem Strafantrag ausgeführt.
Ich bin im prozessualen Gutachten zudem noch kurz auf Nr. 15 MiStra eingegangen. Das Ministerium wollte den Ausgang des Verfahrens zwar nicht wirklich wissen, aber ich dachte mir "sicher ist sicher". Von der Verfolgung der Beleidigung habe ich gem. § 154 Abs. 1 Nr. 1 StPO abgesehen. Zudem bin ich bei der Auswahl der Beweismittel noch auf Nr. 111 Abs. 2 RiStBV eingegangen. Es gab immerhin theoretisch 75 Zeugen oder so.
Abschlussverfügung und Anklageschrift waren dann insgesamt verhältnismäßig schlank.
Die eigentliche Überraschung: Zeitlich alles in allem wirklich eine sehr faire Klausur - außer natürlich ich habe etwas übersehen.
Ich hab noch 239 StGB kurz angesprochen und 129 StGB aber beides abgelehnt … er war ja nicht Mitglied der letzten Generation , sodass es nickt draufkommt ob es eine kriminelle Vereinigung ist ….
Beides eher abwegig , aber ich hatte Zeit :D
10.08.2023, 15:21
(10.08.2023, 15:09)Gast123 M-V schrieb:(10.08.2023, 14:17)Konova schrieb: GPA 10.08.2023 StR 1:
3 Handlungsabschnitte waren zu prüfen auf 18 Seiten Akte:
Sämtliche Handlungsabschnitte waren in der Beweiswürdigung recht eindeutig, da es übereinstimmende Zeugenaussagen und eine geständige Einlassung gab (Einlassung auch verwertbar, da S zwar nicht belehrt, aber wegen Kenntnis des Schweigerechts)
1. Handlungsabschnitt:
Der Beschuldigte S, ein Strafrichter a.D und "letzte Generation"-Sympathisant, blockiert zunächst mit seinem Bollerwagen und seiner Person die Zufahrt eines Automobilherstellers um so gezielt einen Stau für die an- und abfahrenden LKW herbeizuführen. Vorher besprüht er noch eine Wand des Werkes mit wasserlöslicher Farbe.
Hier war § 240 StGB in seiner klassischen Variante der zweiten-Reihe-Rechtsprechung in mittelbarer Täterschaft der Gewaltanwendung zu prüfen, auch die Verwerflichkeit nach § 240 Abs. 2 StGB war ausführlich zu erörtern, da S für den Klimanotstand demonstriert (Unbeachtlichkeit von sog. Fernzielen); § 303 StGB scheitert bereits an einer Substanzverletzung; § 123 StGB war aufgrund der Blockade auf noch öffentlicher Straße nicht einschlägig; auch war S alleine, sodass von keiner Versammlung und dem Schutz des Art. 8 GG oder des VersG ausgegangen werden konnte
2. Handlungsabschnitt:
S klebt sich diesmal aus Klimaprotest mit Händen und nacktem Gesäß an einen Kreisverkehr vor seiner Haustür und blockiert über mindestens 60 min die Fahrbahn in alle Richtungen.
Hier war erneut der § 240 StGB zu prüfen, obwohl hier in Abweichung zu 1. der S sich festklebte, sodass nach neuer Rspr. des BVerfG der S nicht nur mittelbar durch den ersten blockierten PKW nötigt, sondern bereits eine unmittelbare Gewaltanwendung gegen den ersten PKW vorliegt (insoweit abweichung zur klassischen zweite-reihe-rechtsprechung).
Auch ein RTW wird von S blockiert, der einen zuvor einen Herz- und Hirninfarkt erlittenen Patienten transportiert. Nach Gutachten und Zeugenaussagen stellt sich jedoch heraus, dass der RTW teilweise defekt war und der Patient schon vor dem Eintreffen des RTW im Stau am Hirntod verstorben ist, sodass es an der Zurechnung der Verzögerung durch den S für den Tod des Patienten fehlt.
Hier war zum Tötungsvorsatz für § 212 StGB (Abgrenzung Eventualvorsatz / bewusste Fahrlässigkeit) sowie zur objektiven Zurechnung auszuführen. Auch die fahrlässige Tötung nach § 222 StGB scheitert entsprechend am Pflichtwidrigkeitszusammenhang. Damit blieb es bei § 240 StGB.
Ebenso scheitert mangels konkreter Gefahr der § 315b StGB. §§ 183 f. StGB waren wohl obsolet aber denkbar zu prüfen (scheitern jedoch da nur das Gesäß nackt war und keine sexuelle Handlung vorlag). Auch eine Sachbeschädigung der Straße scheidet aus.
3. Handlungsabschnitt:
S beleidigt die ihn vernehmende Staatsanwältin mit den Worten " alle Staatsanwälte und Richter im Saarland (Ort des Geschehens) sind korrupt".
Prüfung des § 185 StGB, wobei auf die Besonderheiten der Beleidigung unter Kollektivbezeichnungen einzugehen war unter Abwägung des Art. 5 GG. Strafantrag nach § 194 Abs. 1 StGB war gestellt, welcher neben den Antrag des Dienstherrn aus § 194 Abs. 3 StGB tritt der unterbliebt.
B-Gutachten war entsprechend kurz, Anklage wohl zum Strafrichter und ggf. noch Schöffengericht, aber S war nicht vorbestraft. Örtliche Zuständigkeit war nach § 7 und § 8 StPO zwischen zwei Orten wählbar. U-Haft und notwendige Verteidigung scheiden wohl aus, auch bei Schöffengerichtsanklage, da S Volljurist ist und Strafrichter aD, mithin sich selbst verteidigen kann.
Den 1. Handlungsabschnitt habe ich im Wesentlichen auch so geprüft. Der Teil zur Sachbeschädigung war bei uns - in M-V - nicht enthalten. Ich habe noch § 34 StGB und den zivilen Ungehorsam als Rechtfertigungsgrund angesprochen.
Im 2. Handlungsabschnitt habe ich unter anderem noch § 113 Abs. 1 StGB geprüft (und bejaht!). Zudem bin ich noch auf § 115 Abs. 3 StGB und auf § 323c Abs. 2 StGB eingegangen (jeweils verneint). Außerdem habe ich die Akte so verstanden, dass die Person im Rettungswagen schon vor dem Erreichen des Kreisverkehrs hirntot war (?). Deswegen bin ich jeweils (z. B. bei § 212 Abs. 1 StGB, §§ 315 b, 315 III StGB) auf die Versuchsstrafbarkeit gesprungen. Da bin ich mir aber nicht sicher.
Im 3. Handlungsabschnitt fand ich den Teil zum Strafantrag irgendwie missverständlich (telefonischer oder schriftlicher Strafantrag?). Ich habe einfach mal unterstellt, dass der Strafantrag in Ordnung war und dann noch ein bisschen im prozessualen Gutachten zu § 170 Abs. 2 StPO bei fehlendem Strafantrag ausgeführt.
Ich bin im prozessualen Gutachten zudem noch kurz auf Nr. 15 MiStra eingegangen. Das Ministerium wollte den Ausgang des Verfahrens zwar nicht wirklich wissen, aber ich dachte mir "sicher ist sicher". Von der Verfolgung der Beleidigung habe ich gem. § 154 Abs. 1 Nr. 1 StPO abgesehen. Zudem bin ich bei der Auswahl der Beweismittel noch auf Nr. 111 Abs. 2 RiStBV eingegangen. Es gab immerhin theoretisch 75 Zeugen oder so.
Abschlussverfügung und Anklageschrift waren dann insgesamt verhältnismäßig schlank.
Die eigentliche Überraschung: Zeitlich alles in allem wirklich eine sehr faire Klausur - außer natürlich ich habe etwas übersehen.
Wieso hast du den § 113 bejaht? Den habe ich (dummerweise) nur im 1. HK mangels Gewalt abgelehnt. Im 2. HK dürfte es jedenfalls am "Widerstandleisten" fehlen, da hierfür ein aktives Tun erforderlich ist, glaube ich.
Habe im zweiten HK ebenfalls Totschlag geprüft und verneint, in Vollendung mangels Kausalität (weil der M um 16:40 verstorben ist, der Krankenwagen aber frühestens um 16:45 in der Klinik gewesen wäre, daher ebenso fahrl. Tötung (-)) und im Versuch mangels konkretem Vorsatz hinsichtlich eines Tatopfers im Handlungszeitpunkt, § 315b ebenso (-), da schon keine verkehrsspezifische Gefahr durch die Blockade. § 323 II StGB habe ich bejaht, wieso hast du das verneint?
Bei mir blieben
1. Nötigung
2. Nötigung und § 323 II in TE
3. Beleidigung (im GPA Bereich war § 154 StPO ausgeschlossen)
10.08.2023, 15:34
(10.08.2023, 15:21)18729309932 schrieb:(10.08.2023, 15:09)Gast123 M-V schrieb:(10.08.2023, 14:17)Konova schrieb: GPA 10.08.2023 StR 1:
3 Handlungsabschnitte waren zu prüfen auf 18 Seiten Akte:
Sämtliche Handlungsabschnitte waren in der Beweiswürdigung recht eindeutig, da es übereinstimmende Zeugenaussagen und eine geständige Einlassung gab (Einlassung auch verwertbar, da S zwar nicht belehrt, aber wegen Kenntnis des Schweigerechts)
1. Handlungsabschnitt:
Der Beschuldigte S, ein Strafrichter a.D und "letzte Generation"-Sympathisant, blockiert zunächst mit seinem Bollerwagen und seiner Person die Zufahrt eines Automobilherstellers um so gezielt einen Stau für die an- und abfahrenden LKW herbeizuführen. Vorher besprüht er noch eine Wand des Werkes mit wasserlöslicher Farbe.
Hier war § 240 StGB in seiner klassischen Variante der zweiten-Reihe-Rechtsprechung in mittelbarer Täterschaft der Gewaltanwendung zu prüfen, auch die Verwerflichkeit nach § 240 Abs. 2 StGB war ausführlich zu erörtern, da S für den Klimanotstand demonstriert (Unbeachtlichkeit von sog. Fernzielen); § 303 StGB scheitert bereits an einer Substanzverletzung; § 123 StGB war aufgrund der Blockade auf noch öffentlicher Straße nicht einschlägig; auch war S alleine, sodass von keiner Versammlung und dem Schutz des Art. 8 GG oder des VersG ausgegangen werden konnte
2. Handlungsabschnitt:
S klebt sich diesmal aus Klimaprotest mit Händen und nacktem Gesäß an einen Kreisverkehr vor seiner Haustür und blockiert über mindestens 60 min die Fahrbahn in alle Richtungen.
Hier war erneut der § 240 StGB zu prüfen, obwohl hier in Abweichung zu 1. der S sich festklebte, sodass nach neuer Rspr. des BVerfG der S nicht nur mittelbar durch den ersten blockierten PKW nötigt, sondern bereits eine unmittelbare Gewaltanwendung gegen den ersten PKW vorliegt (insoweit abweichung zur klassischen zweite-reihe-rechtsprechung).
Auch ein RTW wird von S blockiert, der einen zuvor einen Herz- und Hirninfarkt erlittenen Patienten transportiert. Nach Gutachten und Zeugenaussagen stellt sich jedoch heraus, dass der RTW teilweise defekt war und der Patient schon vor dem Eintreffen des RTW im Stau am Hirntod verstorben ist, sodass es an der Zurechnung der Verzögerung durch den S für den Tod des Patienten fehlt.
Hier war zum Tötungsvorsatz für § 212 StGB (Abgrenzung Eventualvorsatz / bewusste Fahrlässigkeit) sowie zur objektiven Zurechnung auszuführen. Auch die fahrlässige Tötung nach § 222 StGB scheitert entsprechend am Pflichtwidrigkeitszusammenhang. Damit blieb es bei § 240 StGB.
Ebenso scheitert mangels konkreter Gefahr der § 315b StGB. §§ 183 f. StGB waren wohl obsolet aber denkbar zu prüfen (scheitern jedoch da nur das Gesäß nackt war und keine sexuelle Handlung vorlag). Auch eine Sachbeschädigung der Straße scheidet aus.
3. Handlungsabschnitt:
S beleidigt die ihn vernehmende Staatsanwältin mit den Worten " alle Staatsanwälte und Richter im Saarland (Ort des Geschehens) sind korrupt".
Prüfung des § 185 StGB, wobei auf die Besonderheiten der Beleidigung unter Kollektivbezeichnungen einzugehen war unter Abwägung des Art. 5 GG. Strafantrag nach § 194 Abs. 1 StGB war gestellt, welcher neben den Antrag des Dienstherrn aus § 194 Abs. 3 StGB tritt der unterbliebt.
B-Gutachten war entsprechend kurz, Anklage wohl zum Strafrichter und ggf. noch Schöffengericht, aber S war nicht vorbestraft. Örtliche Zuständigkeit war nach § 7 und § 8 StPO zwischen zwei Orten wählbar. U-Haft und notwendige Verteidigung scheiden wohl aus, auch bei Schöffengerichtsanklage, da S Volljurist ist und Strafrichter aD, mithin sich selbst verteidigen kann.
Den 1. Handlungsabschnitt habe ich im Wesentlichen auch so geprüft. Der Teil zur Sachbeschädigung war bei uns - in M-V - nicht enthalten. Ich habe noch § 34 StGB und den zivilen Ungehorsam als Rechtfertigungsgrund angesprochen.
Im 2. Handlungsabschnitt habe ich unter anderem noch § 113 Abs. 1 StGB geprüft (und bejaht!). Zudem bin ich noch auf § 115 Abs. 3 StGB und auf § 323c Abs. 2 StGB eingegangen (jeweils verneint). Außerdem habe ich die Akte so verstanden, dass die Person im Rettungswagen schon vor dem Erreichen des Kreisverkehrs hirntot war (?). Deswegen bin ich jeweils (z. B. bei § 212 Abs. 1 StGB, §§ 315 b, 315 III StGB) auf die Versuchsstrafbarkeit gesprungen. Da bin ich mir aber nicht sicher.
Im 3. Handlungsabschnitt fand ich den Teil zum Strafantrag irgendwie missverständlich (telefonischer oder schriftlicher Strafantrag?). Ich habe einfach mal unterstellt, dass der Strafantrag in Ordnung war und dann noch ein bisschen im prozessualen Gutachten zu § 170 Abs. 2 StPO bei fehlendem Strafantrag ausgeführt.
Ich bin im prozessualen Gutachten zudem noch kurz auf Nr. 15 MiStra eingegangen. Das Ministerium wollte den Ausgang des Verfahrens zwar nicht wirklich wissen, aber ich dachte mir "sicher ist sicher". Von der Verfolgung der Beleidigung habe ich gem. § 154 Abs. 1 Nr. 1 StPO abgesehen. Zudem bin ich bei der Auswahl der Beweismittel noch auf Nr. 111 Abs. 2 RiStBV eingegangen. Es gab immerhin theoretisch 75 Zeugen oder so.
Abschlussverfügung und Anklageschrift waren dann insgesamt verhältnismäßig schlank.
Die eigentliche Überraschung: Zeitlich alles in allem wirklich eine sehr faire Klausur - außer natürlich ich habe etwas übersehen.
Wieso hast du den § 113 bejaht? Den habe ich (dummerweise) nur im 1. HK mangels Gewalt abgelehnt. Im 2. HK dürfte es jedenfalls am "Widerstandleisten" fehlen, da hierfür ein aktives Tun erforderlich ist, glaube ich.
Habe im zweiten HK ebenfalls Totschlag geprüft und verneint, in Vollendung mangels Kausalität (weil der M um 16:40 verstorben ist, der Krankenwagen aber frühestens um 16:45 in der Klinik gewesen wäre, daher ebenso fahrl. Tötung (-)) und im Versuch mangels konkretem Vorsatz hinsichtlich eines Tatopfers im Handlungszeitpunkt, § 315b ebenso (-), da schon keine verkehrsspezifische Gefahr durch die Blockade. § 323 II StGB habe ich bejaht, wieso hast du das verneint?
Bei mir blieben
1. Nötigung
2. Nötigung und § 323 II in TE
3. Beleidigung (im GPA Bereich war § 154 StPO ausgeschlossen)
Das AG Berlin-Tiergarten hat § 113 Abs. 1 StGB in einem Fall mal bejaht (26.04.2023 - BeckRS 2023, 13582). Ich fand die Begründung ganz überzeugend. Da ist aber sicher beides vertretbar.
Den Teil mit dem Toschlag etc. habe ich ganz ähnlich geprüft. Es beruhigt etwas, dass du das rechtsmedizinische Gutachten genauso verstanden hast.
§ 323c II StGB habe ich mangels Unglücksfall ("in diesen Situationen") verneint. Der Patient war ja schon tot.
10.08.2023, 15:51
In wie vielen Fällen habt ihr die Nötigung jeweils bejaht? Bzw habt ihr das überhaupt problematisiert?
10.08.2023, 15:55
(10.08.2023, 15:51)JuraNRW§§ schrieb: In wie vielen Fällen habt ihr die Nötigung jeweils bejaht? Bzw habt ihr das überhaupt problematisiert?
Im TK I in 25 Fällen (es sind 26 Fahrzeuge und ich habe das erste nicht mitgezählt, Argumentation s. oben).
Im TK II in "mind. 50 Fällen" (erstes mitgezählt, es sind 50 Zeugen vorhanden)