14.07.2023, 09:06
Hallo liebe Leidensgenossen.
Nachdem ich das 1. Staatsexamen nun erfolgreich hinter mich bringen konnte, steht die Bewerbung zum Referendariat an. Ich komme aus Hessen und würde regulär in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf aufgenommen werden.
Das (vermeintliche) Problem ist, dass ich vor mehreren Jahren aufgrund einer Trunkenheitsfahrt rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen und Fahrverbot verurteilt wurde. Da war ich leider jung und dumm. Die Verurteilung liegt lange genug zurück, dass sie gem. §§ 45 Abs. 1, 46 Abs. 1, Nr. 1, lit. a BZRG bereits getilgt ist. Dementsprechend dürfte sie auch in meinem Führungszeugnis nicht mehr auftauchen.
§ 26 Abs. 1 JAG (Hessen) sieht allerdings vor, dass in den juristischen Vorbereitungsdienst nicht aufgenommen wird, wer "[...] insbesondere wegen eines [...] vorsätzlichen Vergehens, der Erlangung der Befähigung zum Richteramt nicht würdig ist." Eine zeitliche Begrenzung oder Verweis auf nicht getilgte Vorstrafen ist nicht explizit benannt.
Für das OLG muss ich sowohl ein Führungszeugnis vorlegen, als auch einen Fragebogen beantworten. Im Führungszeugnis wird die Vorstrafe nicht mehr auftauchen. Die Frage im Fragebogen lautet allerdings: "Sind Sie gerichtlich bestraft worden?". Zeitliche Einschränkungen gibt es nicht.
Nun zu meiner Frage. Ich möchte nicht den Fehler begehen, gegenüber dem OLG falsche Angaben zu machen und meine zukünftige Karriere mit einem dauerhaften Risiko versehen. Allerdings könnte ich mir auch vorstellen, dass getilgte Vorstrafen nach dem Gedanken der Resozialisierung einfach "vergessen" werden. Meine Gedanken gehen in Richtung des arbeitsrechtlichen "Recht zur Lüge", was zur Aufnahme in ein Beamtenverhältnis aber natürlich keine Anwendung finden kann.
Meinen zukünftigen Dienstherren würde ich nur ungern ohne Not auf meine vergangenen Verfehlungen hinweisen.
Muss ich eine getilgte Vorstrafe angeben?
Würde die getilgte Vorstrafe noch die Folgen des § 26 Abs. 1 JAG (Hessen) auslösen können? Dann würde ich meinem Dienstherren ja Informationen gegen mich an die Hand geben, die er selbst gar nicht erlangen könnte.
Kommentare zum JAG konnte ich leider nicht finden.
Hat hier jemand Erfahrung, ob getilgte Vorstrafen einer Aufnahme ins Referendariat entgegenstanden? Wenn ja, wie habt ihr es gemacht?
Nachdem ich das 1. Staatsexamen nun erfolgreich hinter mich bringen konnte, steht die Bewerbung zum Referendariat an. Ich komme aus Hessen und würde regulär in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf aufgenommen werden.
Das (vermeintliche) Problem ist, dass ich vor mehreren Jahren aufgrund einer Trunkenheitsfahrt rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen und Fahrverbot verurteilt wurde. Da war ich leider jung und dumm. Die Verurteilung liegt lange genug zurück, dass sie gem. §§ 45 Abs. 1, 46 Abs. 1, Nr. 1, lit. a BZRG bereits getilgt ist. Dementsprechend dürfte sie auch in meinem Führungszeugnis nicht mehr auftauchen.
§ 26 Abs. 1 JAG (Hessen) sieht allerdings vor, dass in den juristischen Vorbereitungsdienst nicht aufgenommen wird, wer "[...] insbesondere wegen eines [...] vorsätzlichen Vergehens, der Erlangung der Befähigung zum Richteramt nicht würdig ist." Eine zeitliche Begrenzung oder Verweis auf nicht getilgte Vorstrafen ist nicht explizit benannt.
Für das OLG muss ich sowohl ein Führungszeugnis vorlegen, als auch einen Fragebogen beantworten. Im Führungszeugnis wird die Vorstrafe nicht mehr auftauchen. Die Frage im Fragebogen lautet allerdings: "Sind Sie gerichtlich bestraft worden?". Zeitliche Einschränkungen gibt es nicht.
Nun zu meiner Frage. Ich möchte nicht den Fehler begehen, gegenüber dem OLG falsche Angaben zu machen und meine zukünftige Karriere mit einem dauerhaften Risiko versehen. Allerdings könnte ich mir auch vorstellen, dass getilgte Vorstrafen nach dem Gedanken der Resozialisierung einfach "vergessen" werden. Meine Gedanken gehen in Richtung des arbeitsrechtlichen "Recht zur Lüge", was zur Aufnahme in ein Beamtenverhältnis aber natürlich keine Anwendung finden kann.
Meinen zukünftigen Dienstherren würde ich nur ungern ohne Not auf meine vergangenen Verfehlungen hinweisen.
Muss ich eine getilgte Vorstrafe angeben?
Würde die getilgte Vorstrafe noch die Folgen des § 26 Abs. 1 JAG (Hessen) auslösen können? Dann würde ich meinem Dienstherren ja Informationen gegen mich an die Hand geben, die er selbst gar nicht erlangen könnte.
Kommentare zum JAG konnte ich leider nicht finden.
Hat hier jemand Erfahrung, ob getilgte Vorstrafen einer Aufnahme ins Referendariat entgegenstanden? Wenn ja, wie habt ihr es gemacht?
Ich kann Dir empfehlen, zur Vorbereitung auf das Referendariat das Buch "99 Tipps & Hinweise für ein erfolgreiches Rechtsreferendariat" zu lesen. Das Buch gibt es als Print-Ausgabe und E-Book. Infos hierzu findest Du auf folgender Seite:
https://www.juristenkoffer.de/rechtsreferendariat/99-tipps-hinweise.php
Neben Tipps zur Planung des Referendariats beinhaltet das Buch auch viele hilfreiche Hinweise zur optimalen Examensvorbereitung sowie viele konkrete Tipps für das Schreiben der Klausuren.
https://www.juristenkoffer.de/rechtsreferendariat/99-tipps-hinweise.php
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14.07.2023, 11:39
Wann man trotz einer Verurteilung behaupten darf, man sei nicht vorbestraft, ist grundsätzlich in § 53 BZRG geregelt. Der Umkehrschluss aus Absatz 2 zeigt, dass das regelmäßig auch gegenüber Behörden gilt, sofern diese nicht ein Recht auf unbeschränkte Auskunft (§§ 41 ff. BZRG) haben und die betroffene Person zuvor hierüber belehrt haben.
Ein solches Recht hat etwa die Anwaltskammer im Rahmen des Zulassungsverfahrens zur Anwaltschaft.
Ein solches Recht hat etwa die Anwaltskammer im Rahmen des Zulassungsverfahrens zur Anwaltschaft.
14.07.2023, 12:30
(14.07.2023, 11:39)Tylluan schrieb: Wann man trotz einer Verurteilung behaupten darf, man sei nicht vorbestraft, ist grundsätzlich in § 53 BZRG geregelt. Der Umkehrschluss aus Absatz 2 zeigt, dass das regelmäßig auch gegenüber Behörden gilt, sofern diese nicht ein Recht auf unbeschränkte Auskunft (§§ 41 ff. BZRG) haben und die betroffene Person zuvor hierüber belehrt haben.
Ein solches Recht hat etwa die Anwaltskammer im Rahmen des Zulassungsverfahrens zur Anwaltschaft.
Vielen Dank für Deine Antwort! Ich hab jetzt nochmal reingelesen, komme mit meinem Problem allerdings noch nicht richtig weiter - vielleicht hast Du da noch eine Einsicht.
Grundsätzlich würde die getilgte Verurteilung ja aus § 51 Abs. 1 BZRG einem Verwertungsverbot unterliegen. In meinem Fall wäre dann aber die Ausnahme des § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG einschlägig, sodass die getilgte Verurteilung grundsätzlich gegen mich verwertet werden könnte. Unklar ist mir dann aber, ob das OLG ohne meine freiwillige Offenbarung überhaupt Kenntnis von der Verurteilung erlangen könnte, wenn diese aus dem BZRG getilgt ist.
Falls es hier allein auf meine Offenbarung ankäme, würde ich diese natürlich gern vermeiden, wenn dazu nicht verpflichtet bin.
Nach meiner Lesart ist es so, dass die getilgte Verurteilung aufgrund der Tilgung keine "Eintragung" mehr im Sinne des § 41 Abs. 1 BZRG darstellt. Auch bezieht sich der Abs. 2 des § 53 BZRG nur auf die Abs. 1, Nr. 1 - also Verurteilungen, die zwar nicht in das Führungszeugnis aufzunehmen sind, aber nicht getilgt sind.
Dann würde ich ja keiner Offenbarungspflicht unterliegen - fühlt sich allerdings sehr seltsam an, dann tatsächlich eine Frage des Fragebogens materiell "falsch" beantworten zu dürfen.
Ich bin mir nicht sicher ob meine Sorgen so "dumm" sind, dass es dazu einfach keine Infos gibt - getilgt ist getilgt, könnte man ja meinen Wenn hier auch niemand weiter weiß, werde ich mich wohl um einen Beratungstermin bei einem Fachanwalt für Beamtenrecht bemühen.
14.07.2023, 13:20
(14.07.2023, 12:30)Hessen_2023 schrieb:(14.07.2023, 11:39)Tylluan schrieb: Wann man trotz einer Verurteilung behaupten darf, man sei nicht vorbestraft, ist grundsätzlich in § 53 BZRG geregelt. Der Umkehrschluss aus Absatz 2 zeigt, dass das regelmäßig auch gegenüber Behörden gilt, sofern diese nicht ein Recht auf unbeschränkte Auskunft (§§ 41 ff. BZRG) haben und die betroffene Person zuvor hierüber belehrt haben.
Ein solches Recht hat etwa die Anwaltskammer im Rahmen des Zulassungsverfahrens zur Anwaltschaft.
Vielen Dank für Deine Antwort! Ich hab jetzt nochmal reingelesen, komme mit meinem Problem allerdings noch nicht richtig weiter - vielleicht hast Du da noch eine Einsicht.
Grundsätzlich würde die getilgte Verurteilung ja aus § 51 Abs. 1 BZRG einem Verwertungsverbot unterliegen. In meinem Fall wäre dann aber die Ausnahme des § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG einschlägig, sodass die getilgte Verurteilung grundsätzlich gegen mich verwertet werden könnte. Unklar ist mir dann aber, ob das OLG ohne meine freiwillige Offenbarung überhaupt Kenntnis von der Verurteilung erlangen könnte, wenn diese aus dem BZRG getilgt ist.
Falls es hier allein auf meine Offenbarung ankäme, würde ich diese natürlich gern vermeiden, wenn dazu nicht verpflichtet bin.
Nach meiner Lesart ist es so, dass die getilgte Verurteilung aufgrund der Tilgung keine "Eintragung" mehr im Sinne des § 41 Abs. 1 BZRG darstellt. Auch bezieht sich der Abs. 2 des § 53 BZRG nur auf die Abs. 1, Nr. 1 - also Verurteilungen, die zwar nicht in das Führungszeugnis aufzunehmen sind, aber nicht getilgt sind.
Dann würde ich ja keiner Offenbarungspflicht unterliegen - fühlt sich allerdings sehr seltsam an, dann tatsächlich eine Frage des Fragebogens materiell "falsch" beantworten zu dürfen.
Ich bin mir nicht sicher ob meine Sorgen so "dumm" sind, dass es dazu einfach keine Infos gibt - getilgt ist getilgt, könnte man ja meinen Wenn hier auch niemand weiter weiß, werde ich mich wohl um einen Beratungstermin bei einem Fachanwalt für Beamtenrecht bemühen.
Also ich frage mich, ob bei 60 TS überhaupt eine Eintragung ins BZR erfolgt. Selbst wenn, dafür dass § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG greift ist eine zusätzliche Voraussetzung, dass die Einstellung zu einer erheblichen Gefährdung der Allgemeinheit führen würde. Das dürfte hier nicht der Fall sein.
Dass § 26 Abs. 1 S. 2 JAG (Hessen) eingreift kann ich mir nicht vorstellen. Zu sagen jemand wäre persönlich ungeeignet oder unwürdig bei 60 TS wegen Trunkenheitsfahrt wäre schon ziemlich krass. Im Hinblick auf Art. 12 GG wären meiner Meinung nach schwerere Taten erforderlich.
Schau mal in welchen Fällen Unwürdigkeit bejaht wurde: [...] die Summe (zehn Verurteilungen), die Bandbreite und Qualität (Staatsschutzdelikte, wie das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Straftaten gegen die öffentliche Ordnung wie Volksverhetzung, mehrfache Beleidigung und Straftaten, die die Anwendung körperlicher Gewalt beinhalten, wie Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) sowie die auf Unbelehrbarkeit hinweisende Abfolge der über einen Zeitraum von mittlerweile mehr als zehn Jahren in regelmäßigen Abständen begangenen Straftaten bzw. zu verzeichnenden strafrechtlichen Verurteilungen [...] (OVG NRW, Beschluss vom 12.08.15 - 6 B 722/15- )
Davon bist du meilenweit entfernt.
14.07.2023, 14:19
Auch im Führungszeugnis stehen meines Wissens nach nur Strafen ab 90 TS. Uns wurde am Anfang der Strafstation mal gesagt, dass man erst ab 90 TS als "vorbestraft" gilt auch.
Unter 90 TS stehen Geldstragen wohl nur im erweiterten Führungszeugnis. Die Führungszeugnisse zur Vorlage bei Behörden sind einfache Führungszeugnisse.
Unter 90 TS stehen Geldstragen wohl nur im erweiterten Führungszeugnis. Die Führungszeugnisse zur Vorlage bei Behörden sind einfache Führungszeugnisse.
14.07.2023, 16:31
VGH Hessen, 1 B 924/21
Das lässt mich darauf schließen, dass dor 53 BZRG hier nicht hilft, weil es keine Offenbarung von dir aus, sondern Antwort auf zulässige Frage ist.
War es denn 316 mit Vorsatz? IdR wird doch eh Fahrlässigkeit angenommen bei Ersttätern. Einmal besoffen gefahren vor Jahren wird aber schon nach Art 12 kaum ausreichen. Anders ggfl, wenn herauskommt dass du es verschwiegen hast (siehe genannte Entscheidung)
Das lässt mich darauf schließen, dass dor 53 BZRG hier nicht hilft, weil es keine Offenbarung von dir aus, sondern Antwort auf zulässige Frage ist.
War es denn 316 mit Vorsatz? IdR wird doch eh Fahrlässigkeit angenommen bei Ersttätern. Einmal besoffen gefahren vor Jahren wird aber schon nach Art 12 kaum ausreichen. Anders ggfl, wenn herauskommt dass du es verschwiegen hast (siehe genannte Entscheidung)
14.07.2023, 17:20
(14.07.2023, 14:19)Okt2022 schrieb: Auch im Führungszeugnis stehen meines Wissens nach nur Strafen ab 90 TS. Uns wurde am Anfang der Strafstation mal gesagt, dass man erst ab 90 TS als "vorbestraft" gilt auch.
Unter 90 TS stehen Geldstragen wohl nur im erweiterten Führungszeugnis. Die Führungszeugnisse zur Vorlage bei Behörden sind einfache Führungszeugnisse.
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14.07.2023, 17:27
Also vorbestraft ist man mit jeder Vorstrafe. Das BZRG kennt den Begriff "vorbestraft" nicht. Nur sollen halt Bagatellen nicht überall bekannt werden. Da der TE nicht zur Vorlage eines FZ, sondern einer Auskunft aufgefordert wurde, dürfte ihm das daher nicht helfen.
14.07.2023, 22:10
(14.07.2023, 16:31)Drin schrieb: VGH Hessen, 1 B 924/21
Das lässt mich darauf schließen, dass dor 53 BZRG hier nicht hilft, weil es keine Offenbarung von dir aus, sondern Antwort auf zulässige Frage ist.
War es denn 316 mit Vorsatz? IdR wird doch eh Fahrlässigkeit angenommen bei Ersttätern. Einmal besoffen gefahren vor Jahren wird aber schon nach Art 12 kaum ausreichen. Anders ggfl, wenn herauskommt dass du es verschwiegen hast (siehe genannte Entscheidung)
Dieses Urteil passt hier mE nicht wirklich. Einerseits wurde nur entschieden, dass § 53 BZRG bei der Frage nach eingestellten Verfahren nicht greift (weil es an einer Verurteilung fehlt, Rn. 46-48) und andererseits wäre die Regelung des BZRG weitestgehend ausgehöhlt, wenn sie nur freiwillige Auskünfte oder Antworten auf ohnehin unzulässige Fragen erfassen würde.
15.07.2023, 07:48
Joa, wenn aber eingestellte Verfahren auf Nachfrage mitgeteilt werden müssen, würde ich I. Wege eines erst recht-schlusses davon ausgehen, dass die hessischen Gerichte das für Verurteilungen auch bejahen. Der Punkt ist einfach: will man wirklich 2 Jahre in Sorge leben, dass es irgendwie rauskommt und dann in Erklärungsnot geraten? Wie gesagt, die VGe werden Unehrlichkeit kaum zu schätzen wissen. Dass die Frage zulässig ist, ist mE wie gesagt ein erst-recht-schluss.