01.02.2023, 16:14
(01.02.2023, 14:21)NDS-Jura1 schrieb: Welches gottlose Bundesland setzt seine Proberichter:innen denn bitte im first Year in ein abgesoffenes AG Dezernat?
Ich bin keine für's große Justiz-Bashing und bereue meine Entscheidung nicht, aber das man direkt am Anfang ein abgesoffenes Dezernat bekommt, würde ich keinesfalls als Ausnahme bezeichnen...
01.02.2023, 16:22
Zunächst einmal ein RIESEN Dankeschön an alle Antworten. Ich finde es super sozial, dass ihr Euch die Zeit genommen habt, über meinen Beitrag nachzudenken und darauf zu antworten. Und ich merke direkt, dass es sich gelohnt hat: Denn ihr habt mir geholfen.
An @Patenter Gast: Du hast mich zum Nachdenken gebracht bzw. den Finger in die Wunde gelegt. Denn ich frage mich auch manchmal, ob ich Jura überhaupt will. Ich gebe zu: ich bin vielleicht etwas kompliziert und es ist sicherlich ein persönliches Problem zwischen mir und Jura. Auf der einen Seite macht mir juristisches Arbeiten Spaß. Ich recherchiere gerne aktuelle Rsprg., sammele Argumente, lege das Gesetz aus und schreibe meine Einschätzung nieder. Schriftsätze schreiben hat mir in der Kanzlei Spaß gemacht. Auf der anderen Seite kann ich mir nicht vorstellen, nur das zu tun und erst recht nicht mit dem Druck und der Arbeitsbelastung, die regelmäßig mit Berufen in der klassischen Fallbearbeitung einhergehen (Ri, StA, Anwalt). Außerdem kommt meine soziale und kreative Seite leider überhaupt nicht zur Geltung.
„Out oft he box“ denken, klingt nach einem super Rat. Ich glaube, dass dies Teil meines Problems ist. Ich habe mein Studium nie hinterfragt und mein Leben nicht gelebt, keine Interessen neben dem Studium gepflegt, mir nicht erlaubt in mich hineinzuhorchen, was mir Spaß macht, was mich interessiert, etc. Exakt wie von lila-grün beschrieben, habe ich quasi alles dem Studium untergeordnet, ohne dass ich mich als leidenschaftliche Juristin bezeichnen würde. Aber der Ehrgeiz, die Angst ohne Abschluss da zu stehen und meine Disziplin haben mich angetrieben.
„Nur ein guter Abschluss zwingt dich nicht dazu, dass du dich auf ewig mit jur. Themen beschäftigen musst beruflicht.“ Danke. Tut gut das zu erhören. Und erleichtert irgendwie.
Auch die Frage von @Egal, welche anderen Bereich mich denn interessieren, werde ich mir durch den Kopf gehen lassen. Ich erlaube mir gar nicht richtig darüber nachzudenken, sondern neige eher dazu, zu sagen: Ich habe den jur. Abschluss, bin gut darin, kann dort einen guten Job haben, ich sollte da bleiben. Auch ein sehr dominanter Gedanke von mir: So viele Leute finden Erfüllung in der Juristerei, nimm Dir ein Beispiel und reiß Dich zusammen. (Totaler Quatsch, ich weiß, aber ich kann den Gedanken nicht einfach abstellen.)
An @Lars die Ente: Danke, guter Gedanke! Ich plane aktuell tatsächlich eine Abordnung im Rechtsamt, um genau das auszuprobieren.
An @lila-grün: Ich habe vielmals zu danken für Deinen offen geschriebenen Beitrag. Es hat mich sehr „getröstet“ ihn zu lesen und zu merken, dass man nicht alleine ist. Es war auch sehr wertvoll Deine Erfahrungen zu lesen! Danke dafür! Deine Erfahrungen in der Justiz ähneln sehr den Erfahrungen, die einige meiner Bekannten gemacht haben (drei davon haben auch den Job gewechselt). Letztlich habe ich es auch bei meinem Vater erlebt: Urlaub war kein Urlaub, unter der Woche hat er Abends immer noch irgendwelche Akten bearbeitet, es wurde nicht weniger Arbeit, er war oft angespannt, weil ihm irgendwelche Verfahren durch den Kopf gingen. Das ist sicherlich eine Typ-Sache, wie Du selbst schreibst. Ich bin überzeugt davon, dass viele Leute damit anders umgehen und komplett happy werden. Ich persönlich kann es mir für mich nicht vorstellen, genau aus den von Dir geschilderten Gründen. Von der Persönlichkeit her bin ich nicht so gestrickt wie die von Dir geschilderte Kollegin, sondern eher perfektionistisch veranlagt, sorgfältig, nicht unbedingt entscheidungsfreudig (wobei man das natürlich auch trainieren kann) und sehr sensibel. Wenn mir etwas von der Arbeit durch den Kopf geht, kann ich nicht abschalten und mich anderen Dingen widmen.
Du schreibst, es kann hilfreich sein, sich zunächst als berufstätige:r Jurist:in zu etablieren und sich seiner Stärken und Qualitäten in der Praxis weiter sicher zu werden. Das denke ich auch! Ich glaube aber auch, dass es darum geht, herauszufinden, was man von seiner Arbeit erwartet und worauf es einem ankommt. Also vielleicht tatsächlich die Frage: Welcher Job passt zu meinem Leben und zu mir? Das denke ich zumindest in Bezug auf mich.
Eine Stimme im Kopf sagt: Du hast gute Examina. Werde Richterin. In der Verwaltung bist du unterfordert, von den Examensnoten her überqualifiziert und Dein juristisches Können ist nicht gefragt. Außerdem ist Deine Arbeit sinnlos und du bewegst nichts. Denk nicht so viel nach, drück Dich nicht vor der Verantwortung, sei erwachsen und stell Dich nicht so an.
Eine andere sagt: Hör auf Dein Bauchgefühl! Gesteh Dir ein, dass Du nicht in die Justiz möchtest. Du bist trotzdem wertvoll und kannst eine andere fordernde Stelle finden. Nur, weil du mit deiner jetzigen Stelle in der Verwaltung nicht glücklich bist, heißt das nicht, dass die Justiz die Lösung ist. Das Leben besteht nicht nur aus Arbeiten. Leg Dir kein Korsett an.
Dieser Gedanke, dass ich aus meinen VB-Examina etwas machen MUSS und eigentlich eine Position mit viel Verantwortung und Entscheidungsmacht besetzen SOLLTE, ist echt stark in mir verwurzelt und ist glaube ich tatsächlich familiär bedingt. (In meiner Verwandtschaft haben alle irgendwelche Karrieren hingelegt und hohe Stellen mit „Status“ bekleidet und es wirkt alles sehr „preußisch“.)
Dir, @lila-grün, wünsche ich viel Erfolg und Glück bei der Jobsuche! In der Verwaltung gibt es sehr viele Einsatzgebiete und gute Leute sind eigentlich sehr wichtig, um die Verwaltung wieder moderner und qualifizierter zu machen. Ich kenne auch viele Juristen, die dort glücklich sind. Ich war es in meinen bisherigen Stellen aber leider überhaupt nicht. (Hier spielt aber sicherlich mein innerer Konflikt auch eine tragende Rolle.) Ich glaube es kommt stark darauf an, was man für Tätigkeiten haben möchte und wie flexibel man diesbezüglich ist. Und man muss sich einfach an gewisse Eigenarten in der Verwaltung gewöhnen. Wenn Du Fragen zur Verwaltung hast, kannst Du mir auch gerne schreiben.
An @Patenter Gast: Du hast mich zum Nachdenken gebracht bzw. den Finger in die Wunde gelegt. Denn ich frage mich auch manchmal, ob ich Jura überhaupt will. Ich gebe zu: ich bin vielleicht etwas kompliziert und es ist sicherlich ein persönliches Problem zwischen mir und Jura. Auf der einen Seite macht mir juristisches Arbeiten Spaß. Ich recherchiere gerne aktuelle Rsprg., sammele Argumente, lege das Gesetz aus und schreibe meine Einschätzung nieder. Schriftsätze schreiben hat mir in der Kanzlei Spaß gemacht. Auf der anderen Seite kann ich mir nicht vorstellen, nur das zu tun und erst recht nicht mit dem Druck und der Arbeitsbelastung, die regelmäßig mit Berufen in der klassischen Fallbearbeitung einhergehen (Ri, StA, Anwalt). Außerdem kommt meine soziale und kreative Seite leider überhaupt nicht zur Geltung.
„Out oft he box“ denken, klingt nach einem super Rat. Ich glaube, dass dies Teil meines Problems ist. Ich habe mein Studium nie hinterfragt und mein Leben nicht gelebt, keine Interessen neben dem Studium gepflegt, mir nicht erlaubt in mich hineinzuhorchen, was mir Spaß macht, was mich interessiert, etc. Exakt wie von lila-grün beschrieben, habe ich quasi alles dem Studium untergeordnet, ohne dass ich mich als leidenschaftliche Juristin bezeichnen würde. Aber der Ehrgeiz, die Angst ohne Abschluss da zu stehen und meine Disziplin haben mich angetrieben.
„Nur ein guter Abschluss zwingt dich nicht dazu, dass du dich auf ewig mit jur. Themen beschäftigen musst beruflicht.“ Danke. Tut gut das zu erhören. Und erleichtert irgendwie.
Auch die Frage von @Egal, welche anderen Bereich mich denn interessieren, werde ich mir durch den Kopf gehen lassen. Ich erlaube mir gar nicht richtig darüber nachzudenken, sondern neige eher dazu, zu sagen: Ich habe den jur. Abschluss, bin gut darin, kann dort einen guten Job haben, ich sollte da bleiben. Auch ein sehr dominanter Gedanke von mir: So viele Leute finden Erfüllung in der Juristerei, nimm Dir ein Beispiel und reiß Dich zusammen. (Totaler Quatsch, ich weiß, aber ich kann den Gedanken nicht einfach abstellen.)
An @Lars die Ente: Danke, guter Gedanke! Ich plane aktuell tatsächlich eine Abordnung im Rechtsamt, um genau das auszuprobieren.
An @lila-grün: Ich habe vielmals zu danken für Deinen offen geschriebenen Beitrag. Es hat mich sehr „getröstet“ ihn zu lesen und zu merken, dass man nicht alleine ist. Es war auch sehr wertvoll Deine Erfahrungen zu lesen! Danke dafür! Deine Erfahrungen in der Justiz ähneln sehr den Erfahrungen, die einige meiner Bekannten gemacht haben (drei davon haben auch den Job gewechselt). Letztlich habe ich es auch bei meinem Vater erlebt: Urlaub war kein Urlaub, unter der Woche hat er Abends immer noch irgendwelche Akten bearbeitet, es wurde nicht weniger Arbeit, er war oft angespannt, weil ihm irgendwelche Verfahren durch den Kopf gingen. Das ist sicherlich eine Typ-Sache, wie Du selbst schreibst. Ich bin überzeugt davon, dass viele Leute damit anders umgehen und komplett happy werden. Ich persönlich kann es mir für mich nicht vorstellen, genau aus den von Dir geschilderten Gründen. Von der Persönlichkeit her bin ich nicht so gestrickt wie die von Dir geschilderte Kollegin, sondern eher perfektionistisch veranlagt, sorgfältig, nicht unbedingt entscheidungsfreudig (wobei man das natürlich auch trainieren kann) und sehr sensibel. Wenn mir etwas von der Arbeit durch den Kopf geht, kann ich nicht abschalten und mich anderen Dingen widmen.
Du schreibst, es kann hilfreich sein, sich zunächst als berufstätige:r Jurist:in zu etablieren und sich seiner Stärken und Qualitäten in der Praxis weiter sicher zu werden. Das denke ich auch! Ich glaube aber auch, dass es darum geht, herauszufinden, was man von seiner Arbeit erwartet und worauf es einem ankommt. Also vielleicht tatsächlich die Frage: Welcher Job passt zu meinem Leben und zu mir? Das denke ich zumindest in Bezug auf mich.
Eine Stimme im Kopf sagt: Du hast gute Examina. Werde Richterin. In der Verwaltung bist du unterfordert, von den Examensnoten her überqualifiziert und Dein juristisches Können ist nicht gefragt. Außerdem ist Deine Arbeit sinnlos und du bewegst nichts. Denk nicht so viel nach, drück Dich nicht vor der Verantwortung, sei erwachsen und stell Dich nicht so an.
Eine andere sagt: Hör auf Dein Bauchgefühl! Gesteh Dir ein, dass Du nicht in die Justiz möchtest. Du bist trotzdem wertvoll und kannst eine andere fordernde Stelle finden. Nur, weil du mit deiner jetzigen Stelle in der Verwaltung nicht glücklich bist, heißt das nicht, dass die Justiz die Lösung ist. Das Leben besteht nicht nur aus Arbeiten. Leg Dir kein Korsett an.
Dieser Gedanke, dass ich aus meinen VB-Examina etwas machen MUSS und eigentlich eine Position mit viel Verantwortung und Entscheidungsmacht besetzen SOLLTE, ist echt stark in mir verwurzelt und ist glaube ich tatsächlich familiär bedingt. (In meiner Verwandtschaft haben alle irgendwelche Karrieren hingelegt und hohe Stellen mit „Status“ bekleidet und es wirkt alles sehr „preußisch“.)
Dir, @lila-grün, wünsche ich viel Erfolg und Glück bei der Jobsuche! In der Verwaltung gibt es sehr viele Einsatzgebiete und gute Leute sind eigentlich sehr wichtig, um die Verwaltung wieder moderner und qualifizierter zu machen. Ich kenne auch viele Juristen, die dort glücklich sind. Ich war es in meinen bisherigen Stellen aber leider überhaupt nicht. (Hier spielt aber sicherlich mein innerer Konflikt auch eine tragende Rolle.) Ich glaube es kommt stark darauf an, was man für Tätigkeiten haben möchte und wie flexibel man diesbezüglich ist. Und man muss sich einfach an gewisse Eigenarten in der Verwaltung gewöhnen. Wenn Du Fragen zur Verwaltung hast, kannst Du mir auch gerne schreiben.
01.02.2023, 16:48
(01.02.2023, 16:22)Bepo schrieb: Zunächst einmal ein RIESEN Dankeschön an alle Antworten. Ich finde es super sozial, dass ihr Euch die Zeit genommen habt, über meinen Beitrag nachzudenken und darauf zu antworten. Und ich merke direkt, dass es sich gelohnt hat: Denn ihr habt mir geholfen.
An @Patenter Gast: Du hast mich zum Nachdenken gebracht bzw. den Finger in die Wunde gelegt. Denn ich frage mich auch manchmal, ob ich Jura überhaupt will. Ich gebe zu: ich bin vielleicht etwas kompliziert und es ist sicherlich ein persönliches Problem zwischen mir und Jura. Auf der einen Seite macht mir juristisches Arbeiten Spaß. Ich recherchiere gerne aktuelle Rsprg., sammele Argumente, lege das Gesetz aus und schreibe meine Einschätzung nieder. Schriftsätze schreiben hat mir in der Kanzlei Spaß gemacht. Auf der anderen Seite kann ich mir nicht vorstellen, nur das zu tun und erst recht nicht mit dem Druck und der Arbeitsbelastung, die regelmäßig mit Berufen in der klassischen Fallbearbeitung einhergehen (Ri, StA, Anwalt). Außerdem kommt meine soziale und kreative Seite leider überhaupt nicht zur Geltung.
„Out oft he box“ denken, klingt nach einem super Rat. Ich glaube, dass dies Teil meines Problems ist. Ich habe mein Studium nie hinterfragt und mein Leben nicht gelebt, keine Interessen neben dem Studium gepflegt, mir nicht erlaubt in mich hineinzuhorchen, was mir Spaß macht, was mich interessiert, etc. Exakt wie von lila-grün beschrieben, habe ich quasi alles dem Studium untergeordnet, ohne dass ich mich als leidenschaftliche Juristin bezeichnen würde. Aber der Ehrgeiz, die Angst ohne Abschluss da zu stehen und meine Disziplin haben mich angetrieben.
„Nur ein guter Abschluss zwingt dich nicht dazu, dass du dich auf ewig mit jur. Themen beschäftigen musst beruflicht.“ Danke. Tut gut das zu erhören. Und erleichtert irgendwie.
Auch die Frage von @Egal, welche anderen Bereich mich denn interessieren, werde ich mir durch den Kopf gehen lassen. Ich erlaube mir gar nicht richtig darüber nachzudenken, sondern neige eher dazu, zu sagen: Ich habe den jur. Abschluss, bin gut darin, kann dort einen guten Job haben, ich sollte da bleiben. Auch ein sehr dominanter Gedanke von mir: So viele Leute finden Erfüllung in der Juristerei, nimm Dir ein Beispiel und reiß Dich zusammen. (Totaler Quatsch, ich weiß, aber ich kann den Gedanken nicht einfach abstellen.)
An @Lars die Ente: Danke, guter Gedanke! Ich plane aktuell tatsächlich eine Abordnung im Rechtsamt, um genau das auszuprobieren.
An @lila-grün: Ich habe vielmals zu danken für Deinen offen geschriebenen Beitrag. Es hat mich sehr „getröstet“ ihn zu lesen und zu merken, dass man nicht alleine ist. Es war auch sehr wertvoll Deine Erfahrungen zu lesen! Danke dafür! Deine Erfahrungen in der Justiz ähneln sehr den Erfahrungen, die einige meiner Bekannten gemacht haben (drei davon haben auch den Job gewechselt). Letztlich habe ich es auch bei meinem Vater erlebt: Urlaub war kein Urlaub, unter der Woche hat er Abends immer noch irgendwelche Akten bearbeitet, es wurde nicht weniger Arbeit, er war oft angespannt, weil ihm irgendwelche Verfahren durch den Kopf gingen. Das ist sicherlich eine Typ-Sache, wie Du selbst schreibst. Ich bin überzeugt davon, dass viele Leute damit anders umgehen und komplett happy werden. Ich persönlich kann es mir für mich nicht vorstellen, genau aus den von Dir geschilderten Gründen. Von der Persönlichkeit her bin ich nicht so gestrickt wie die von Dir geschilderte Kollegin, sondern eher perfektionistisch veranlagt, sorgfältig, nicht unbedingt entscheidungsfreudig (wobei man das natürlich auch trainieren kann) und sehr sensibel. Wenn mir etwas von der Arbeit durch den Kopf geht, kann ich nicht abschalten und mich anderen Dingen widmen.
Du schreibst, es kann hilfreich sein, sich zunächst als berufstätige:r Jurist:in zu etablieren und sich seiner Stärken und Qualitäten in der Praxis weiter sicher zu werden. Das denke ich auch! Ich glaube aber auch, dass es darum geht, herauszufinden, was man von seiner Arbeit erwartet und worauf es einem ankommt. Also vielleicht tatsächlich die Frage: Welcher Job passt zu meinem Leben und zu mir? Das denke ich zumindest in Bezug auf mich.
Eine Stimme im Kopf sagt: Du hast gute Examina. Werde Richterin. In der Verwaltung bist du unterfordert, von den Examensnoten her überqualifiziert und Dein juristisches Können ist nicht gefragt. Außerdem ist Deine Arbeit sinnlos und du bewegst nichts. Denk nicht so viel nach, drück Dich nicht vor der Verantwortung, sei erwachsen und stell Dich nicht so an.
Eine andere sagt: Hör auf Dein Bauchgefühl! Gesteh Dir ein, dass Du nicht in die Justiz möchtest. Du bist trotzdem wertvoll und kannst eine andere fordernde Stelle finden. Nur, weil du mit deiner jetzigen Stelle in der Verwaltung nicht glücklich bist, heißt das nicht, dass die Justiz die Lösung ist. Das Leben besteht nicht nur aus Arbeiten. Leg Dir kein Korsett an.
Dieser Gedanke, dass ich aus meinen VB-Examina etwas machen MUSS und eigentlich eine Position mit viel Verantwortung und Entscheidungsmacht besetzen SOLLTE, ist echt stark in mir verwurzelt und ist glaube ich tatsächlich familiär bedingt. (In meiner Verwandtschaft haben alle irgendwelche Karrieren hingelegt und hohe Stellen mit „Status“ bekleidet und es wirkt alles sehr „preußisch“.)
Dir, @lila-grün, wünsche ich viel Erfolg und Glück bei der Jobsuche! In der Verwaltung gibt es sehr viele Einsatzgebiete und gute Leute sind eigentlich sehr wichtig, um die Verwaltung wieder moderner und qualifizierter zu machen. Ich kenne auch viele Juristen, die dort glücklich sind. Ich war es in meinen bisherigen Stellen aber leider überhaupt nicht. (Hier spielt aber sicherlich mein innerer Konflikt auch eine tragende Rolle.) Ich glaube es kommt stark darauf an, was man für Tätigkeiten haben möchte und wie flexibel man diesbezüglich ist. Und man muss sich einfach an gewisse Eigenarten in der Verwaltung gewöhnen. Wenn Du Fragen zur Verwaltung hast, kannst Du mir auch gerne schreiben.
Der Thread hat ja dann doch noch eine andere Wendung genommen - vielleicht lohnt es sich mal in einen anderen Thread hier im Forum zu gucken - da war auch jemand, der (jetzt mal ganz knapp und banal formuliert) auch mit Scheuklappen durchs Studium/Ref ist und eigentlich nur irgendwelche vermeintlichen Erwartungen anderer erfüllen wollte und sich damit effektiv selbst ständig unter Druck gesetzt hat. Die Person stand dann auch vor der Frage: wer bin ich und was will ich eigentlich. Im dem Thread wurden viele, meiner Meinung nach, sehr wertvolle Tipps gegeben.
https://www.forum-zur-letzten-instanz.de...p?tid=9671
01.02.2023, 20:23
(31.01.2023, 16:30)Bepo schrieb: Hallo liebe Mitleser,
Kurz zu mir: Ende 20, zwei Prädikatsexamina, seit 3 Jahren im Job (6 Monate in Kanzlei und seitdem in Verwaltung, erst untere Bundesbehörde, jetzt Landesverwaltung).
Kurz zum Problem: ich weiß nicht was ich will.
Im Studium dachte ich immer, ich würde Richterin werden (weil Vater auch Richter war). Ich habe nie nach links und rechts geschaut, immer Scheuklappen gehabt, Hauptsache Prädikat schaffen. Das Studium hat mir wenig Spaß gemacht, nur mein ehrgeiziger Anteil ist darin aufgegangen. Man hatte immer ein Ziel und hat darauf hin gearbeitet. Darin bin ich gut. Ich empfand es aber auch als sehr anstrengend und belastend.
Nach dem 2. Examen habe ich endlich wieder angefangen zu leben, der ganze Ballast viel ab. Es fühlt sich auch heute - 3 Jahre nach dem Examen - noch grandios an, einen Feierabend zu haben, am Wochenende frei zu haben und nicht ständig diesen Druck zu haben. Rückblickend kann ich die Studiumszeit kein bisschen positiv sehen.
Ich finde aber nichts womit ich zufrieden bin. Kanzlei hat mir nicht gefallen, der wirtschaftliche Druck und der Dienstleister-Gedanke (immer das machen, was der Mandant will) hat mich sehr gestört. In der Justiz habe ich mich beworben, wurde auch genommen und habe dann aber zurückgezogen, weil ich so ein starkes Widerstandsgefühl hatte, als es ernster wurde. Es hat sich angefühlt als würde ich mir ein Korsett anlegen und ich wollte auf keinen Fall wieder so leben wie im Referendariat in der Zivilstation (abends bis in die Puppen am Urteil sitzen, Erledigungsdruck, private Verabredungen nicht genießen können, da Urteile im Nacken). Dafür ist Jura für mich zu wenig Leidenschaft.
In der Verwaltung gehe ich allerdings ein wie eine Primel. Ich bin so dermaßen desillusioniert. Wahnsinn wie viele Menschen in einem Apparat arbeiten können und nichts bewegen. Es wird geredet und geplant und geredet und geplant - aber es passiert NICHTS. Die Arbeit erscheint mir extrem sinnlos und man fühlt sich ständig unterfordert. Mir fehlt auch das klassische juristische Arbeiten.
Ich kann mich trotzdem nicht bewegen, da ich einfach nicht weiß wohin mit mir. Immer wieder denke ich an die Justiz, aber gleichzeitig macht mir die Arbeitsbelastung und riesige Verantwortung Sorge und ich merke, dass ich dazu nicht bereit bin und einen Widerstand empfinde. Die Verwaltung ist leider (zumindest in den Bereichen, in denen ich bin) das andere Extrem. Man entwickelt sich nicht, hat keine fachlichen Herausforderungen, trifft keine Entscheidungen. Es gibt Tage, da fühle ich mich wie eine Rosine. Auf der einen Seite möchte ich mich mit der Verwaltung anfreunden, da sie gute Arbeitsbedingungen bietet, familienfreundlich ist, die Verbeamtung attraktiv ist. Und gleichzeitig finde ich alles so frustrierend, da alle immer nur von ihrer hohen Arbeitsbelastung sprechen, tatsächlich aber kein sinnvoller Beitrag für die Gesellschaft geleistet wird, unfassbar viele Arbeiten für den Papierkorb angefertigt werden, zig Meetings stattfinden, zu Themen, die man in der Wirtschaft in 5 Minuten geklärt hätte, viele Kollegen keine Motivation (mehr) haben, richtig was zu bewegen und am Ende des Tages einfach kein Outcome da ist.
Gibt es überhaupt Bereiche in der Verwaltung, in denen wirklich richtig gearbeitet wird und bestenfalls auch juristisch?
Habt ihr Gedanken/Tipps zu meiner Situation? Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht? Wo hat es euch berufliche hin verschlagen und warum seid ihr dort wo ihr seid glücklich?
Ich danke jedem von Herzen, der sich diesen kleinen Roman durchgelesen hat! :-)
Deinen Erfahrungsbericht begrüße ich aktuell sehr, da ich von der Justiz in die Verwaltung wechsel und das Korsett, das du beschreibst definitiv bestätigen kann. Umso mehr freue ich mich tatsächlich bald nicht mehr ausschließlich juristisch zu arbeiten. Ich würde dir evtl raten eine Abordnung innerhalb der Verwaltung zu probieren. Wo bist du denn aktuell? Kannst du ggf. das Ressort wechseln?
06.02.2023, 12:06
(01.02.2023, 20:23)ProbeRi schrieb:(31.01.2023, 16:30)Bepo schrieb: Hallo liebe Mitleser,
Kurz zu mir: Ende 20, zwei Prädikatsexamina, seit 3 Jahren im Job (6 Monate in Kanzlei und seitdem in Verwaltung, erst untere Bundesbehörde, jetzt Landesverwaltung).
Kurz zum Problem: ich weiß nicht was ich will.
Im Studium dachte ich immer, ich würde Richterin werden (weil Vater auch Richter war). Ich habe nie nach links und rechts geschaut, immer Scheuklappen gehabt, Hauptsache Prädikat schaffen. Das Studium hat mir wenig Spaß gemacht, nur mein ehrgeiziger Anteil ist darin aufgegangen. Man hatte immer ein Ziel und hat darauf hin gearbeitet. Darin bin ich gut. Ich empfand es aber auch als sehr anstrengend und belastend.
Nach dem 2. Examen habe ich endlich wieder angefangen zu leben, der ganze Ballast viel ab. Es fühlt sich auch heute - 3 Jahre nach dem Examen - noch grandios an, einen Feierabend zu haben, am Wochenende frei zu haben und nicht ständig diesen Druck zu haben. Rückblickend kann ich die Studiumszeit kein bisschen positiv sehen.
Ich finde aber nichts womit ich zufrieden bin. Kanzlei hat mir nicht gefallen, der wirtschaftliche Druck und der Dienstleister-Gedanke (immer das machen, was der Mandant will) hat mich sehr gestört. In der Justiz habe ich mich beworben, wurde auch genommen und habe dann aber zurückgezogen, weil ich so ein starkes Widerstandsgefühl hatte, als es ernster wurde. Es hat sich angefühlt als würde ich mir ein Korsett anlegen und ich wollte auf keinen Fall wieder so leben wie im Referendariat in der Zivilstation (abends bis in die Puppen am Urteil sitzen, Erledigungsdruck, private Verabredungen nicht genießen können, da Urteile im Nacken). Dafür ist Jura für mich zu wenig Leidenschaft.
In der Verwaltung gehe ich allerdings ein wie eine Primel. Ich bin so dermaßen desillusioniert. Wahnsinn wie viele Menschen in einem Apparat arbeiten können und nichts bewegen. Es wird geredet und geplant und geredet und geplant - aber es passiert NICHTS. Die Arbeit erscheint mir extrem sinnlos und man fühlt sich ständig unterfordert. Mir fehlt auch das klassische juristische Arbeiten.
Ich kann mich trotzdem nicht bewegen, da ich einfach nicht weiß wohin mit mir. Immer wieder denke ich an die Justiz, aber gleichzeitig macht mir die Arbeitsbelastung und riesige Verantwortung Sorge und ich merke, dass ich dazu nicht bereit bin und einen Widerstand empfinde. Die Verwaltung ist leider (zumindest in den Bereichen, in denen ich bin) das andere Extrem. Man entwickelt sich nicht, hat keine fachlichen Herausforderungen, trifft keine Entscheidungen. Es gibt Tage, da fühle ich mich wie eine Rosine. Auf der einen Seite möchte ich mich mit der Verwaltung anfreunden, da sie gute Arbeitsbedingungen bietet, familienfreundlich ist, die Verbeamtung attraktiv ist. Und gleichzeitig finde ich alles so frustrierend, da alle immer nur von ihrer hohen Arbeitsbelastung sprechen, tatsächlich aber kein sinnvoller Beitrag für die Gesellschaft geleistet wird, unfassbar viele Arbeiten für den Papierkorb angefertigt werden, zig Meetings stattfinden, zu Themen, die man in der Wirtschaft in 5 Minuten geklärt hätte, viele Kollegen keine Motivation (mehr) haben, richtig was zu bewegen und am Ende des Tages einfach kein Outcome da ist.
Gibt es überhaupt Bereiche in der Verwaltung, in denen wirklich richtig gearbeitet wird und bestenfalls auch juristisch?
Habt ihr Gedanken/Tipps zu meiner Situation? Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht? Wo hat es euch berufliche hin verschlagen und warum seid ihr dort wo ihr seid glücklich?
Ich danke jedem von Herzen, der sich diesen kleinen Roman durchgelesen hat! :-)
Deinen Erfahrungsbericht begrüße ich aktuell sehr, da ich von der Justiz in die Verwaltung wechsel und das Korsett, das du beschreibst definitiv bestätigen kann. Umso mehr freue ich mich tatsächlich bald nicht mehr ausschließlich juristisch zu arbeiten. Ich würde dir evtl raten eine Abordnung innerhalb der Verwaltung zu probieren. Wo bist du denn aktuell? Kannst du ggf. das Ressort wechseln?
Entschuldige die späte Rückmeldung.
Mir hilft dein Beitrag und ich finde es interessant, dass andere Personen es ebenfalls als Korsett empfinden.
Ich bin aktuell in einem Fachreferat aus Ministerialebene (Land). Davor war ich in einer unteren Bundesbehörde, ebenfalls in einem Fachreferat. Nun habe ich mich um eine Anordnung in ein Rechtsamt bemüht, vielleicht wird mir das besser gefallen. Für mich muss die Tätigkeit nicht 100% juristisch sein, aber den ganzen Tag nur Email Verteiler zu erstellen, simple Bürgeranfragen zu beantworten, absolut unwichtige E-Mail Entwürfe zu formulieren, die dann aber in der Hühnerleiter zerpflückt werden, weil jeder einen anderen Schreibstil hat und es gerne anders formulieren möchte - das kann es nicht sein. Es macht keinen Spaß, man bewegt nichts, man ist nicht gefordert, man trägt 0 Verantwortung, man fühlt sich ein bisschen wie ein Praktikant. Ich denke mir manchmal, ich könnte 2 Wochen krank sein und es würde nicht auffallen
Ich muss aber dazu sagen, dass ich von anderen Leuten in der Verwaltung schon anderes gehört habe. Manche sind sehr glücklich und auch gefordert. Ich glaube es hängt sehr davon ab, wo man landet.
Mein Ziel ist es nicht, Verwaltungs-Bashing zu betreiben. Ich bin nur teilweise sehr desillusioniert und hatte vielleicht auch Pech mit meinen bisherigen Stellen.
Weißt du denn schon wo du hin möchtest?
06.02.2023, 15:06
Etwas globaler betrachtet. Du hast ein "white girl Problem". Dir wurde alles in den Schoß gelegt, hast deinem Richter Das nachgeeifert. Während des Studiums nicht "gelebt" und es deshalb gemacht, um es deinem Das oder anderen zu beweisen. Das Problem ist, dass du Jura nicht magst. Was möchtest du generell im Leben? Du liest dich nicht belastbar an. Vielleicht wäre es ratsam, wenn du dir professionelle Hilfe holst und kuckst, was wirklich deine Interessen sind. Du musst nicht im Jura Bereich arbeiten. ich wünsche Dir, dass du dein Glück findest!
06.02.2023, 15:59
(06.02.2023, 15:06)Jura5000 schrieb: Etwas globaler betrachtet. Du hast ein "white girl Problem". Dir wurde alles in den Schoß gelegt, hast deinem Richter Das nachgeeifert. Während des Studiums nicht "gelebt" und es deshalb gemacht, um es deinem Das oder anderen zu beweisen. Das Problem ist, dass du Jura nicht magst. Was möchtest du generell im Leben? Du liest dich nicht belastbar an. Vielleicht wäre es ratsam, wenn du dir professionelle Hilfe holst und kuckst, was wirklich deine Interessen sind. Du musst nicht im Jura Bereich arbeiten. ich wünsche Dir, dass du dein Glück findest!
Danke für deinen Beitrag. Genau wegen Beiträgen wie dem von dir habe ich ehrlich gesagt lange überlegt, ob ich hier überhaupt herein schreibe. Mir wurde nichts in den Schoß gelegt, ich habe hart für das gearbeitet, was ich erreicht habe.
Und es ist nicht so, dass ich juristisches arbeiten garnicht mag. Da habe ich mich vielleicht missverständlich ausgedrückt. Ich kann Jura durchaus was abgewinnen. Das macht die Situation ja auch knifflig für mich.
Es hilft mir wenig, wenn mir gesagt wird, dass es ein White Girl Problem ist...
Aber ja, sich zu fragen was man generell im Leben möchte, ist immer gut.
06.02.2023, 16:05
(06.02.2023, 15:06)Jura5000 schrieb: Etwas globaler betrachtet. Du hast ein "white girl Problem". Dir wurde alles in den Schoß gelegt, hast deinem Richter Das nachgeeifert. Während des Studiums nicht "gelebt" und es deshalb gemacht, um es deinem Das oder anderen zu beweisen. Das Problem ist, dass du Jura nicht magst. Was möchtest du generell im Leben? Du liest dich nicht belastbar an. Vielleicht wäre es ratsam, wenn du dir professionelle Hilfe holst und kuckst, was wirklich deine Interessen sind. Du musst nicht im Jura Bereich arbeiten. ich wünsche Dir, dass du dein Glück findest!
Wow. Was für ein Paradebeispiel für die fehlende Sozialkompetenz in unserem Fachbereich... Da erkennt jemand, dass der eingeschlagene Weg sich im Nachhinein nicht als der beste ergeben hat, denkt laut über mögliche Alternativen nach und fragt um Rat. Und was ist die Reaktion? "Luxus Probleme, du bist selbst schuld, du bist das Problem..." Ist mir einfach nur unverständlich.
06.02.2023, 16:06
Glaube kaum, dass jemand, wer 2 so starke Examina abgelegt hat, wenig belastbar sein kann.
06.02.2023, 17:10
Was man im Leben wirklich möchte, merkt man schon rechtzeitig. Es ist ganz normal, dass man mal Zeiten des Zweifels und der Orientierungslosigkeit hat.