05.12.2022, 13:47
Hi. Nachdem sich jetzt auch Taylor Wessing ein Team Wirtschaftsstrafrechtler eingekauft hat, HM dort immer intensiver für sich wirbt und FBD bereits vor geraumer Zeit mit Frau Kämpfer gewachsen ist, stellt sich die Frage, wo die Entwicklung in dem Bereich wohl hingeht. Würdet ihr einem Studenten / Referendaren / Berufseinsteiger dazu raten, sich in dem Bereich zu spezialisieren? Würdet ihr eher in die Premium-Boutique (Feigen Graf, Wessing und Partner, TDWE etc.) oder doch (direkt) zur GK?
05.12.2022, 14:55
Ja, hat Zukunft. Ob man sich deshalb spezialisieren soll? Man sollte sich auf was spezialisieren, was man kann und mag.
Ob Boutique oder GK ist nicht pauschal zu beantworten. GK dürfte i.d.R. den Berufseinsteiger besser bezahlen und es würde - weil manche GKs den Bereich erst aufbauen - auch (etwas) leichter sein, reinzukommen.
Die Tätigkeit in der GK wird i.d.R. deutlich weniger Individualverteidigung beinhalten, evtl. auch völlig ohne Individualverteidigung auskommen. Das heisst nicht notwendigerweise, dass man dann in der GK dauernd Unternehmensverteidigung macht. Die Tätigkeit wird vermutlich teils investigation-lastig sein. Kurzum: Übers Verteidigen lernt man in der Regel in der spezialisierten Kanzlei mehr. Wobei es natürlich Ausnahmen gibt und sich auch in GKs vereinzelt fähige Individual-Verteidiger finden.
Ob Boutique oder GK ist nicht pauschal zu beantworten. GK dürfte i.d.R. den Berufseinsteiger besser bezahlen und es würde - weil manche GKs den Bereich erst aufbauen - auch (etwas) leichter sein, reinzukommen.
Die Tätigkeit in der GK wird i.d.R. deutlich weniger Individualverteidigung beinhalten, evtl. auch völlig ohne Individualverteidigung auskommen. Das heisst nicht notwendigerweise, dass man dann in der GK dauernd Unternehmensverteidigung macht. Die Tätigkeit wird vermutlich teils investigation-lastig sein. Kurzum: Übers Verteidigen lernt man in der Regel in der spezialisierten Kanzlei mehr. Wobei es natürlich Ausnahmen gibt und sich auch in GKs vereinzelt fähige Individual-Verteidiger finden.
05.12.2022, 15:32
Individualverteidigung wird nur eine Nische in der GK bleiben, da es nicht mehr Geschäftsprinzip der GKs entspricht. Man kann wenig leveragen und außerhalb von Spitzenfällen sowieso nicht genug abrechnen.
Investigations wird sicherlich wachsen, da es ähnlich wie die Massenverfahren super geeignet ist, um zu leveragen (viele Associates, die Doc review machen) und es Unternehmen betrifft, man also auch über genügend Budget verfügt.
Es sollte einem nur bewusst sein, dass Investigations mit klassischem Strafrecht und verteidigen natürlich wenig zu tun hat.
Investigations wird sicherlich wachsen, da es ähnlich wie die Massenverfahren super geeignet ist, um zu leveragen (viele Associates, die Doc review machen) und es Unternehmen betrifft, man also auch über genügend Budget verfügt.
Es sollte einem nur bewusst sein, dass Investigations mit klassischem Strafrecht und verteidigen natürlich wenig zu tun hat.
05.12.2022, 21:33
Jobgarantie solange cum/ex läuft (noch mindestens fünf Jahre). Danach muss man mal gucken. Irgendeinen anderen Skandal à la Diesel oder cum/ex wird es schon geben.
06.12.2022, 05:44
Ich habe im Wirtschaftsstrafrecht angefangen und folgende Einschätzung.
Individualverteidigung machen wir nicht. Das hat zwei Gründe: Erstens wird hohe Expertise verlangt, insbesondere in der StPO. Materiellrechtlich sind wir auch sehr fit, aber bei uns ist die Abteilung nicht von Strafrechtlern gegründet worden, keiner der Partner war je Individualverteidiger.
Zweitens wirft es perspektivisch weniger Umsatz ab. Berate ich Unternehmen Y in einer Ermittlung, ist es uninteressant auf einen Mitarbeiter zu setzen. Ausnahme sind da wohl die Riesenverfahren bzgl. der absoluten Topmanager, aber diese sind zu selten, als dass es sich lohnen würde den Manager und nicht das Unternehmen als Mandanten zu haben.
Man darf bei der Frage der Spezialisierung nicht den Fehler machen, nur an Rechtsgebiete zu denken. Erstens hängt bei vielen Kanzleien Wirtschaftsstrafrecht mit Compliance untrennbar zusammen. Compliance wird nicht mehr "verschwinden" und hier ist bei der Regulierungswut von Bund und Union kein Ende in Sicht. Eine Spezialisierung ist ohne weiteres möglich.
Ganz davon abgesehen haben wir einige Partner, die absolute Top-Spezialisten sind. Nicht materiellrechtlich, sondern in bestimmten Branchen. Es wird immer wichtiger, die Automobilbranche, oder den Gesundheitssektor oder den Energiesektor zu kennen. Die rechtlichen Fragen zu Compliance und Strafrechtsthemen sind oftmals nicht so kompliziert wie die Realitäten und die Umsetzung in bestimmten deutschen Unternehmen. Alleine die Machtstrukturen in bestimmten Rechtsabteilungen sind bedeutend komplexer und oftmals schlechthin irrational.
Individualverteidigung machen wir nicht. Das hat zwei Gründe: Erstens wird hohe Expertise verlangt, insbesondere in der StPO. Materiellrechtlich sind wir auch sehr fit, aber bei uns ist die Abteilung nicht von Strafrechtlern gegründet worden, keiner der Partner war je Individualverteidiger.
Zweitens wirft es perspektivisch weniger Umsatz ab. Berate ich Unternehmen Y in einer Ermittlung, ist es uninteressant auf einen Mitarbeiter zu setzen. Ausnahme sind da wohl die Riesenverfahren bzgl. der absoluten Topmanager, aber diese sind zu selten, als dass es sich lohnen würde den Manager und nicht das Unternehmen als Mandanten zu haben.
Man darf bei der Frage der Spezialisierung nicht den Fehler machen, nur an Rechtsgebiete zu denken. Erstens hängt bei vielen Kanzleien Wirtschaftsstrafrecht mit Compliance untrennbar zusammen. Compliance wird nicht mehr "verschwinden" und hier ist bei der Regulierungswut von Bund und Union kein Ende in Sicht. Eine Spezialisierung ist ohne weiteres möglich.
Ganz davon abgesehen haben wir einige Partner, die absolute Top-Spezialisten sind. Nicht materiellrechtlich, sondern in bestimmten Branchen. Es wird immer wichtiger, die Automobilbranche, oder den Gesundheitssektor oder den Energiesektor zu kennen. Die rechtlichen Fragen zu Compliance und Strafrechtsthemen sind oftmals nicht so kompliziert wie die Realitäten und die Umsetzung in bestimmten deutschen Unternehmen. Alleine die Machtstrukturen in bestimmten Rechtsabteilungen sind bedeutend komplexer und oftmals schlechthin irrational.
06.12.2022, 23:34
(06.12.2022, 05:44)Friedman schrieb: Ich habe im Wirtschaftsstrafrecht angefangen und folgende Einschätzung.
Individualverteidigung machen wir nicht. Das hat zwei Gründe: Erstens wird hohe Expertise verlangt, insbesondere in der StPO. Materiellrechtlich sind wir auch sehr fit, aber bei uns ist die Abteilung nicht von Strafrechtlern gegründet worden, keiner der Partner war je Individualverteidiger.
Zweitens wirft es perspektivisch weniger Umsatz ab. Berate ich Unternehmen Y in einer Ermittlung, ist es uninteressant auf einen Mitarbeiter zu setzen. Ausnahme sind da wohl die Riesenverfahren bzgl. der absoluten Topmanager, aber diese sind zu selten, als dass es sich lohnen würde den Manager und nicht das Unternehmen als Mandanten zu haben.
Man darf bei der Frage der Spezialisierung nicht den Fehler machen, nur an Rechtsgebiete zu denken. Erstens hängt bei vielen Kanzleien Wirtschaftsstrafrecht mit Compliance untrennbar zusammen. Compliance wird nicht mehr "verschwinden" und hier ist bei der Regulierungswut von Bund und Union kein Ende in Sicht. Eine Spezialisierung ist ohne weiteres möglich.
Ganz davon abgesehen haben wir einige Partner, die absolute Top-Spezialisten sind. Nicht materiellrechtlich, sondern in bestimmten Branchen. Es wird immer wichtiger, die Automobilbranche, oder den Gesundheitssektor oder den Energiesektor zu kennen. Die rechtlichen Fragen zu Compliance und Strafrechtsthemen sind oftmals nicht so kompliziert wie die Realitäten und die Umsetzung in bestimmten deutschen Unternehmen. Alleine die Machtstrukturen in bestimmten Rechtsabteilungen sind bedeutend komplexer und oftmals schlechthin irrational.
Was meinst du mit dem letzten Satz genau? Würde mich näher interessieren.
07.12.2022, 09:11
(06.12.2022, 23:34)omnimodo schrieb:Manchmal haben insbesondere Investigationen etwas GoT-mäßiges an sich. Einzelne Abteilungen versuchen sich gegenseitig auszuspielen, Informationen werden vorenthalten, es wird schlichtweg gelogen, Buhmänner gesucht, rechtlich unhaltbare Ansichten bis zum bitteren Ende verteidigt, sehenden Auges in rechtswidriges Verhalten marschiert. Die Organisation und Hierarchie insbesondere großer Unternehmen hat manchmal nichts mit den tatsächlichen Strukturen zu tun. Man braucht in den Unternehmen "seinen Mann" und muss den bei Laune halten. Investigationen sind lästig und es ist ein täglicher Kampf dem Mandanten vor Augen zu halten, dass man nicht selbst der Störfaktor ist, sondern die Lösung. Bei der Vielzahl neuer, übergriffiger Gesetze ist das aber mitunter vielleicht schlechterdings gelogen und Noncompliance mitunter rechnerisch lohnender.(06.12.2022, 05:44)Friedman schrieb: Ich habe im Wirtschaftsstrafrecht angefangen und folgende Einschätzung.
Individualverteidigung machen wir nicht. Das hat zwei Gründe: Erstens wird hohe Expertise verlangt, insbesondere in der StPO. Materiellrechtlich sind wir auch sehr fit, aber bei uns ist die Abteilung nicht von Strafrechtlern gegründet worden, keiner der Partner war je Individualverteidiger.
Zweitens wirft es perspektivisch weniger Umsatz ab. Berate ich Unternehmen Y in einer Ermittlung, ist es uninteressant auf einen Mitarbeiter zu setzen. Ausnahme sind da wohl die Riesenverfahren bzgl. der absoluten Topmanager, aber diese sind zu selten, als dass es sich lohnen würde den Manager und nicht das Unternehmen als Mandanten zu haben.
Man darf bei der Frage der Spezialisierung nicht den Fehler machen, nur an Rechtsgebiete zu denken. Erstens hängt bei vielen Kanzleien Wirtschaftsstrafrecht mit Compliance untrennbar zusammen. Compliance wird nicht mehr "verschwinden" und hier ist bei der Regulierungswut von Bund und Union kein Ende in Sicht. Eine Spezialisierung ist ohne weiteres möglich.
Ganz davon abgesehen haben wir einige Partner, die absolute Top-Spezialisten sind. Nicht materiellrechtlich, sondern in bestimmten Branchen. Es wird immer wichtiger, die Automobilbranche, oder den Gesundheitssektor oder den Energiesektor zu kennen. Die rechtlichen Fragen zu Compliance und Strafrechtsthemen sind oftmals nicht so kompliziert wie die Realitäten und die Umsetzung in bestimmten deutschen Unternehmen. Alleine die Machtstrukturen in bestimmten Rechtsabteilungen sind bedeutend komplexer und oftmals schlechthin irrational.
Was meinst du mit dem letzten Satz genau? Würde mich näher interessieren.