09.08.2022, 14:48
Hallo an alle Strafrechtler,
Wie läuft eigentlich eine Pflichtverteidigung Organisatorisch ab. Man bekommt vom Gericht eine Akte zugeteilt und bearbeitet die Akte ganz normal wie man das bei der WahlV kennt. Muss man selbst mit dem Mandanten Kontakt aufnehmen ? Kann man einen Fall auch ablehnen ? Möchte mich in die Liste eintragen lassen aber weiß nicht so genau wie das organisatorisch abläuft..
Über hilfreiche Tipps wäre ich dankbar!
Wie läuft eigentlich eine Pflichtverteidigung Organisatorisch ab. Man bekommt vom Gericht eine Akte zugeteilt und bearbeitet die Akte ganz normal wie man das bei der WahlV kennt. Muss man selbst mit dem Mandanten Kontakt aufnehmen ? Kann man einen Fall auch ablehnen ? Möchte mich in die Liste eintragen lassen aber weiß nicht so genau wie das organisatorisch abläuft..
Über hilfreiche Tipps wäre ich dankbar!
09.08.2022, 22:49
Auch wenn du in der "Liste" (vmtl. meinst du das Gesamtverzeichnis der BRAK, § 142 VI 1 StPO) dein Interesse an Pflichtverteidigungen bekundest, fliegen sie dir nicht einfach zu. Es wird sinnvoll sein, sich bei einigen Strafrichtern am örtlichen Gericht, insbesondere dem Ermittlungsrichter, bekannt zu machen. Wenn du beigeordnet bist, bist du zur Mandatsübernahme berufsrechtlich verpflichtet (§ 49 I BRAO). Du wirst die Pflichtverteidigung auch nicht so leicht wieder los; vor allem dann nicht, wenn der Mandant nicht will (s. § 143a StPO).
An Pflichtverteidigung kommt man natürlich auch, wenn der Beschuldigte einen als Pflichtverteidiger möchte. Dazu muss man sich aber erstmal am Ort einen Namen machen; in der Praxis kommen Pflichtverteidigermandate häufig durch Weiterempfehlungen innerhalb der JVA zustande.
An Pflichtverteidigung kommt man natürlich auch, wenn der Beschuldigte einen als Pflichtverteidiger möchte. Dazu muss man sich aber erstmal am Ort einen Namen machen; in der Praxis kommen Pflichtverteidigermandate häufig durch Weiterempfehlungen innerhalb der JVA zustande.
09.08.2022, 23:26
Genau, bei uns werden auch gerne weniger stressige Verteidiger beigeordnet. Die querulantisch veranlagten Leute, die auf überaus sinnlose Beweisanträge stehen, weniger gerne.
10.08.2022, 02:45
Zitat:Genau, bei uns werden auch gerne weniger stressige Verteidiger beigeordnet. Die querulantisch veranlagten Leute, die auf überaus sinnlose Beweisanträge stehen, weniger gerne.
Bei aller Liebe: Das dürfte (in jeder Hinsicht) auch zumeist im Interesse aller Beteiligten sein, insbesondere auch des Angeklagten. Von dem Querulantentum profitiert der Angeklagte nämlich ganz einfach nicht. Ganz abgesehen davon, dass diese Querulanten auch im Übrigen irgendwie selten was können und Angeklagte in fachlicher Hinsicht damit quasi unverteidigt ist.
Zitat:Man bekommt vom Gericht eine Akte zugeteilt und bearbeitet die Akte
Es gibt genügend dieser Verteidiger (bei Wahlverteidigern allerdings auch), die absolut gar nichts "bearbeiten". Die gehen in die Verhandlung rein und machen das "Freestyle". Diese Mandate sind nicht immer die besten und da ist auch sehr viel langweiliger Strafrichter-Kleinkram dabei. Die Pflichtverteidigung ist dann auch irgendeinem formalen Grund erforderlich. Oder das Tatobejkt war einfach so wertvoll, dass jetzt die Straferwartung sehr hoch ist, auch wenn die Diebstahl im Übrigen total witzlos war.
An so einem Amtsgericht tingeln ja irgendwie den ganzen Tag lang immer die gleichen Nasen herum, und das Tag für Tag. Mitunter übernehmen die eine Pflichtverteidigung dann ganz spontan und bekommen ein paar Minuten vor der Verhandlung erstmals die Anklageschrift zu sehen.
Mit dem Kontakt zu dem Angeklagten ist das auch manchmal so eine Sache. Oft sind die wohnungslos, verzogen, untergetaucht und als Anschrift gibt es allenfalls eine reine Postanschrift bei irgendeinem in der Sozialhilfe tätigen Verein oder einer Notunterkunft. Dann steht der Termin, der Pflichtverteidiger mus kommen und sieht den Angeklagten kurz vor der Verhandlung zum ersten Mal (wenn der überhaupt kommt).
Bei den "besseren" Mandaten war der Angeklagte dann auch gut beraten (oder einfach) erfahren genug, um sich trotz Fall der notwendigen Verteidigung einen Verteidiger ganz frei auszuwählen und sich diesen dann als Pflichtverteidiger beiordnen zu lassen. Dann ist das natürlich ein Mandat wie jedes andere auch. Die "Besonderheit" der Pflichtverteidigung läuft nur im Hintergrund. Praktisch liegt der Unterschied dann nur darin, dass du das Mandat nicht so einfach niederlegen kannst, im Gegenzug aber notfalls deine Kohle (oder einen Teil davon) vom Staat bekommst.
Bei der "echten" Pflichtverteidigung (Angeklagter bekommt einen Verteidiger zugeschoben) gilt Letzteres aber natürlich auch (und wird dann auch eher relevant).
Eine Pflichtverteidigung wider den (anfänglichen!!!) Willen des Verteidigers habe ich aber noch nicht erlebt. Das Wahlrecht des Angeklagten ist kein Wunschkonzert. Und es gibt IMMER Kollgegen, die das Mandat gerne freiwillig übernehmen. Am Ende entscheidet zwar das Gericht. Aber das wird in der Praxis kaum jemals einen Verteidiger wählen, der nicht zuvor seine Bereitschaft erklärt hat oder von dem das Gericht schon weiß, dass der sowieso alles übernimmt.
10.08.2022, 09:35
Bei uns gibts einen, der die Mandanten regelmäßig nur in der HVL sieht. Dann liest er die Anklageschrift, dreht sich lässig um und meint - nicht in allen aber in vielen Fällen - „gestehen Sie mal, wird mildernd berücksichtigt“. Das war auch mal ein Fall, bei dem sich nach Aktenlage nicht unbedingt ergab, dass der Angeklagte überhaupt vor Ort war.