07.08.2022, 12:00
Hallo zusammen,
ich habe vor 3 Jahren mein zweites Stex absolviert und danach zunächst als Anwalt gearbeitet. War mit allem ziemlich zufrieden, außer mit den Arbeitszeiten. Hatte idR zwischen 19 und 20 Uhr Feierabend und viel Freizeit war dementsprechend nicht mehr. Da hatte ich langfristig keine Lust zu und bin dementsprechend zum Staat gewechselt. Bin jetzt seit einem guten Jahr beim Staat und die Situation ist fast genau umgekehrt, mich nervt alles, außer die Arbeitszeiten.
Was mich am meisten stört ist die mangelnde Identifikation mit der Arbeit. Als Anwalt habe ich mich irgendwie auch außerhalb des Dienstes als Anwalt gefühlt, der Zusammenhalt in der Kanzlei war super und insgesamt war die Zeit zwar viel, aber sinnvoll. Jetzt geht man halt ein paar Stunden weniger zur Arbeit, dafür empfinde ich diese Zeit als absolut sinnlos, es zählt nicht, wie man Sachen macht, sondern nur das diese mit möglichst wenig Aufwand erledigt werden. Die Ausstattung ist zweckmäßig, d.h. ich habe n Stift der schreibt und ein Laptop das funktioniert, das war es aber, es ist alles irgendwie schäbig und abgerockt (ohne dabei cool zu sein^^). Aufstiegschancen sind zwar gut, aber allein aufgrund der hier in NRW geltenden Beförderungssperren - z.B. erstmals frühestens ein Jahr nach Ende der Probezeit - sehr sehr langfristig. Also ich bin versorgt, aber nicht zur Leistung motiviert. Zudem ist die Beförderung von A 13 nach A 14 auch kaum der Rede wert. Habe einfach das Gefühl, dass nichts richtig gut läuft oder laufen soll. Ich rufe an den richtigen Stellen mal "hier" und schiebe sonst ne ruhige Kugel und alle halten mich für einen richtigen Macher. Jetzt die nächsten 30 - 40 Berufsjahre aber nur rumsitzen ohne mich mit irgendwas identifizieren zu können würde mich auf lange Sicht wohl in das ein oder andere Loch stürzen... Selbst wenn ich dafür A 15 oder A 16 bekommen sollte.
Ich hätte einfach gerne ein gutes funktionierendes Team und einen AG der meine Arbeit schätzt. Nette Betriebsfeiern und ein ansprechendes Büro, mehr als nur zweckmäßige Ausstattung, will aber nicht gezwungen sein, Freitags um 19 Uhr noch eine Stunde zu bleiben (dabei würde ich das freiwillig hin und wieder durchaus machen). Habt ihr eine Idee wo man solche Umstände findet? Geld wäre mir dabei nicht so wichtig, d.h. ab 70k wäre ich zu haben, wenn der Rest stimmt.
ich habe vor 3 Jahren mein zweites Stex absolviert und danach zunächst als Anwalt gearbeitet. War mit allem ziemlich zufrieden, außer mit den Arbeitszeiten. Hatte idR zwischen 19 und 20 Uhr Feierabend und viel Freizeit war dementsprechend nicht mehr. Da hatte ich langfristig keine Lust zu und bin dementsprechend zum Staat gewechselt. Bin jetzt seit einem guten Jahr beim Staat und die Situation ist fast genau umgekehrt, mich nervt alles, außer die Arbeitszeiten.
Was mich am meisten stört ist die mangelnde Identifikation mit der Arbeit. Als Anwalt habe ich mich irgendwie auch außerhalb des Dienstes als Anwalt gefühlt, der Zusammenhalt in der Kanzlei war super und insgesamt war die Zeit zwar viel, aber sinnvoll. Jetzt geht man halt ein paar Stunden weniger zur Arbeit, dafür empfinde ich diese Zeit als absolut sinnlos, es zählt nicht, wie man Sachen macht, sondern nur das diese mit möglichst wenig Aufwand erledigt werden. Die Ausstattung ist zweckmäßig, d.h. ich habe n Stift der schreibt und ein Laptop das funktioniert, das war es aber, es ist alles irgendwie schäbig und abgerockt (ohne dabei cool zu sein^^). Aufstiegschancen sind zwar gut, aber allein aufgrund der hier in NRW geltenden Beförderungssperren - z.B. erstmals frühestens ein Jahr nach Ende der Probezeit - sehr sehr langfristig. Also ich bin versorgt, aber nicht zur Leistung motiviert. Zudem ist die Beförderung von A 13 nach A 14 auch kaum der Rede wert. Habe einfach das Gefühl, dass nichts richtig gut läuft oder laufen soll. Ich rufe an den richtigen Stellen mal "hier" und schiebe sonst ne ruhige Kugel und alle halten mich für einen richtigen Macher. Jetzt die nächsten 30 - 40 Berufsjahre aber nur rumsitzen ohne mich mit irgendwas identifizieren zu können würde mich auf lange Sicht wohl in das ein oder andere Loch stürzen... Selbst wenn ich dafür A 15 oder A 16 bekommen sollte.
Ich hätte einfach gerne ein gutes funktionierendes Team und einen AG der meine Arbeit schätzt. Nette Betriebsfeiern und ein ansprechendes Büro, mehr als nur zweckmäßige Ausstattung, will aber nicht gezwungen sein, Freitags um 19 Uhr noch eine Stunde zu bleiben (dabei würde ich das freiwillig hin und wieder durchaus machen). Habt ihr eine Idee wo man solche Umstände findet? Geld wäre mir dabei nicht so wichtig, d.h. ab 70k wäre ich zu haben, wenn der Rest stimmt.
07.08.2022, 12:10
Ich kann dich verstehen, aber ich glaube die eine Patentlösung gibt es da nicht.
Es gibt als Anwalt die Möglichkeit Teilzeit zu arbeiten oder bspw. bei Linklaters gibt es das Yourlink Programm mit einer garantierten 40 Std. Woche.
Ansonsten kannst Du dich innerhalb der Behörde auch umschauen, ob es interessantere, motivierte Abteilungen gibt.
Oder, je nach bevorzugtem Rechtsgebiet, kannst Du auch ins Unternehmen wechseln.
Da hast Du eine gute wl Balance und trotzdem Benefits und eine bessere Ausstattung. Je größer das Unternehmen, desto bessere Benefits wird es geben.
Es gibt als Anwalt die Möglichkeit Teilzeit zu arbeiten oder bspw. bei Linklaters gibt es das Yourlink Programm mit einer garantierten 40 Std. Woche.
Ansonsten kannst Du dich innerhalb der Behörde auch umschauen, ob es interessantere, motivierte Abteilungen gibt.
Oder, je nach bevorzugtem Rechtsgebiet, kannst Du auch ins Unternehmen wechseln.
Da hast Du eine gute wl Balance und trotzdem Benefits und eine bessere Ausstattung. Je größer das Unternehmen, desto bessere Benefits wird es geben.
07.08.2022, 14:58
Das mit der Teilzeit-Geschichte würde ich dir auch anraten. Bin aktuell Ref in einer T1-GK und in meinem Team weiß ich von min. 4 Associates, die auf 80% arbeiten, d.h. 4 Tage die Woche. Ich finde, das ist etwas mit dem man sich ganz gut anfreunden kann. 4 Tage Gas geben und dann immer langes Wochenende. Angeblich klappt das auch weit überwiegend mit den freien Tagen
07.08.2022, 15:28
(07.08.2022, 14:58)JuraistlebenNICHT schrieb: Das mit der Teilzeit-Geschichte würde ich dir auch anraten. Bin aktuell Ref in einer T1-GK und in meinem Team weiß ich von min. 4 Associates, die auf 80% arbeiten, d.h. 4 Tage die Woche. Ich finde, das ist etwas mit dem man sich ganz gut anfreunden kann. 4 Tage Gas geben und dann immer langes Wochenende. Angeblich klappt das auch weit überwiegend mit den freien Tagen
Ich kann ja Mal berichten, da ich ein solches Modell habe.
Es klappt ganz gut, Mails kriegt man trotzdem und muss die teilweise (aber nicht häufig) auch Mal kurz bearbeiten, manchmal wird man von Kollegen oder vom Chef auch Mal kurz angerufen, aber alles halb so wild.
Aber ob es dann ein langes Wochenende ist oder ein freier Donnerstag entscheidet der Chef und bei mir wird das öfter Mal gewechselt, was ich persönlich als sehr nervig empfinde.
Da ich aber am Wochenende zum Glück nie arbeite habe ich dadurch die Gelegenheit, Einkäufe, Arzttermine usw an meinem freien Tag zu machen und kann das Wochenende oder meinen Urlaub dann genießen.
07.08.2022, 15:43
Du kannst versuchen, eine herausgehobenere Stelle mit Führungsverantwortung anzustreben. In Ministerien gibt es z.B. Referate, wo die Identifikation mit der Arbeit etwas anders ist.
08.08.2022, 00:25
In was für einer Behörde bist du denn? Es gibt ja nicht nur DIE Behörde. Schon innerhalb einer Behörde können sich je nach Referat und Team die Aufgaben und der Teamspirit unterscheiden.
Ich war in einer Landesbehörde und fand’s super langweilig und eher unkollegial, danach in einer Bundesbehörde und fand es (positiv) sehr anspruchsvoll und hatte die coolsten und besten Kollegen.
Ich war in einer Landesbehörde und fand’s super langweilig und eher unkollegial, danach in einer Bundesbehörde und fand es (positiv) sehr anspruchsvoll und hatte die coolsten und besten Kollegen.
08.08.2022, 08:10
Könntest es sonst mal mit den legal Ablegern der Big4 probieren. Da arbeitest du deine 45h, kannst aber selbst bestimmen, ob du früher anfängst und dann früher Feierabend machst usw.
08.08.2022, 21:22
(08.08.2022, 00:25)Gast schrieb: In was für einer Behörde bist du denn? Es gibt ja nicht nur DIE Behörde. Schon innerhalb einer Behörde können sich je nach Referat und Team die Aufgaben und der Teamspirit unterscheiden.
Ich war in einer Landesbehörde und fand’s super langweilig und eher unkollegial, danach in einer Bundesbehörde und fand es (positiv) sehr anspruchsvoll und hatte die coolsten und besten Kollegen.
Würde mich auch interessieren.
Wegen der starren Arbeitszeiten von 9 bis 19:30+ Uhr denke ich auch über einen Wechsel aus einer Kanzlei in den öffentlichen Dienst nach. Hier würde ich eine Referentenstelle in einem Bundesministerium bzw. Bundesamt in Betracht ziehen und mir davon erhoffen, dass dort spannende Themen und auch noch ein gewisses Leistungsinteresse bei den Beamten/Mitarbeitern vorhanden sind, während man durch weniger Nettoarbeitszeit und mehr Flexibilität (keine dauerhafte Erreichbarkeit; Überstundenabbau) den Beruf mit einem Alltag/Hobbies/Familienleben besser vereinen kann.
09.08.2022, 09:14
Danke für eure Antworten.
Also ich habe in einer Behörde in NRW angefangen, in welcher ich direkt mit Personalverantwortung gestartet bin. Weg ins Ministerium ist ein möglicher „Exit“ Plan. Wobei ich mir auch hier nicht sicher bin, ob das das Richtige ist. Denn auch hier gibt es für entsprechende Leistung nicht mehr Geld und - ja ist ein dummer Gedanke - mehr arbeiten für die gleiche Kohle würde sich irgendwie wie ein Abstieg anfühlen. Und mehr Arbeit als Dienst für den AG scheitert bei mir daran, dass ich mich 0,0 mit meinem AG identifizieren kann. Also die schlechte (sehr zweckmäßige) Ausstattung und der generelle Umgang führt bei mir zu einer richtigen Anti-Haltung. Also so mache ich was nötig ist und damit habe ich meine Schuldigkeit getan. Ich würde aber gerne gerne arbeiten
Was mich aber noch mehr stört ist, dass man hier auch nicht nach seinen jeweiligen Fähigkeiten eingesetzt wird, sondern nach Bedarf (weil dieser inzwischen wohl so riesig ist). Das heißt eine Karriere läuft dann schonmal so: Man kommt als Anwalt mit Fachwissen in ein fachfremdes Referat, dann gehts mal über ein Orga Referat in noch ein anderes fachfremdes Referat hin zu irgendwas anderem. Also ich habe jetzt schon Probleme mich einzuarbeiten, weil ich (bei zahlreichen Kollegen) absehen kann, dass ich spätestens dann wieder wechsele, wenn ich eingearbeitet bin. Also gefühlt habe ich für meinen aktuellen Job keine besonderen Fähigkeiten, die mich zB von einem Berufsanfänger unterscheiden. So kann ich mich/meine Arbeit in dem Job irgendwie nicht wertschätzen.
Als Anwalt hatte ich dagegen das Gefühl mit jedem Monat spürbar besser zu werden und mehr Mehrwert zu schaffen und damit auch zB mein Standing in der Kanzlei zu verbessern/Gehaltswünsche rechtfertigen etc.
Über einen Wechsel zu den Big4 oder ggf. In eine größere Kanzlei mit Teilzeitmöglichkeit werde ich mal nachdenken. Wenn so ein Teilzeit Deal wirklich funktionieren könnte, wäre das schon eine sehr interessante Sache.
Also ich habe in einer Behörde in NRW angefangen, in welcher ich direkt mit Personalverantwortung gestartet bin. Weg ins Ministerium ist ein möglicher „Exit“ Plan. Wobei ich mir auch hier nicht sicher bin, ob das das Richtige ist. Denn auch hier gibt es für entsprechende Leistung nicht mehr Geld und - ja ist ein dummer Gedanke - mehr arbeiten für die gleiche Kohle würde sich irgendwie wie ein Abstieg anfühlen. Und mehr Arbeit als Dienst für den AG scheitert bei mir daran, dass ich mich 0,0 mit meinem AG identifizieren kann. Also die schlechte (sehr zweckmäßige) Ausstattung und der generelle Umgang führt bei mir zu einer richtigen Anti-Haltung. Also so mache ich was nötig ist und damit habe ich meine Schuldigkeit getan. Ich würde aber gerne gerne arbeiten
Was mich aber noch mehr stört ist, dass man hier auch nicht nach seinen jeweiligen Fähigkeiten eingesetzt wird, sondern nach Bedarf (weil dieser inzwischen wohl so riesig ist). Das heißt eine Karriere läuft dann schonmal so: Man kommt als Anwalt mit Fachwissen in ein fachfremdes Referat, dann gehts mal über ein Orga Referat in noch ein anderes fachfremdes Referat hin zu irgendwas anderem. Also ich habe jetzt schon Probleme mich einzuarbeiten, weil ich (bei zahlreichen Kollegen) absehen kann, dass ich spätestens dann wieder wechsele, wenn ich eingearbeitet bin. Also gefühlt habe ich für meinen aktuellen Job keine besonderen Fähigkeiten, die mich zB von einem Berufsanfänger unterscheiden. So kann ich mich/meine Arbeit in dem Job irgendwie nicht wertschätzen.
Als Anwalt hatte ich dagegen das Gefühl mit jedem Monat spürbar besser zu werden und mehr Mehrwert zu schaffen und damit auch zB mein Standing in der Kanzlei zu verbessern/Gehaltswünsche rechtfertigen etc.
Über einen Wechsel zu den Big4 oder ggf. In eine größere Kanzlei mit Teilzeitmöglichkeit werde ich mal nachdenken. Wenn so ein Teilzeit Deal wirklich funktionieren könnte, wäre das schon eine sehr interessante Sache.
09.08.2022, 09:26
Ergänzend nur mal ein Beispeil was ich so meine:
Zu Beginn meiner Tätigkeit sollte ich einen erfahrenen Kollegen mal zu Gericht begleiten, um zu sehen wie es so läuft.
War eine größere Sache und erheblicher finanzieller Auswirkung, aufgrund der Komplexität sollte ein Sepzi aus dem Ministerium mit. Ne Woche vorher wurde der krank. Nach Kenntnis dessen wurde der Kollege aus dem Amt krank. Ergebnis: Sache kam zu einem weiteren Vertreter, den ich unterstützen sollte. Wir hatten noch zwei Tage zur Einarbeitung und beide keine Ahnung. Jeden Tag hat der Kollege pünktlich seinen Stift fallen lassen und darauf verwiesen, dass 8.12 Stunden jetzt rum sind. Ergebnis, wir sahen vor Gericht richtig dumm aus und haben verloren (wobei es zugegeben vorher schon schlecht aussah). Aber es war nichtmal der Ehrgeiz vorhanden, vor Gericht / vor der Gegenseite kompetent zu erscheinen. Dann kann man es halt auch gleich alles lassen.
Zu Beginn meiner Tätigkeit sollte ich einen erfahrenen Kollegen mal zu Gericht begleiten, um zu sehen wie es so läuft.
War eine größere Sache und erheblicher finanzieller Auswirkung, aufgrund der Komplexität sollte ein Sepzi aus dem Ministerium mit. Ne Woche vorher wurde der krank. Nach Kenntnis dessen wurde der Kollege aus dem Amt krank. Ergebnis: Sache kam zu einem weiteren Vertreter, den ich unterstützen sollte. Wir hatten noch zwei Tage zur Einarbeitung und beide keine Ahnung. Jeden Tag hat der Kollege pünktlich seinen Stift fallen lassen und darauf verwiesen, dass 8.12 Stunden jetzt rum sind. Ergebnis, wir sahen vor Gericht richtig dumm aus und haben verloren (wobei es zugegeben vorher schon schlecht aussah). Aber es war nichtmal der Ehrgeiz vorhanden, vor Gericht / vor der Gegenseite kompetent zu erscheinen. Dann kann man es halt auch gleich alles lassen.