23.07.2022, 00:23
Hey,
ich habe das Problem, dass ich sehr oft Rechtsstreits in erster Instanz gewinne, dann kommt die Berufung und dann wird die Vorentscheidung gekippt. Meist kommt schon nach der Berufungsbegründung der Gegenseite ein Hinweis oder eine Terminierung. Selten nur 522, anders als bei meinen Kollegen.
Was mache ich falsch?
Was kann ich besser machen? Mehr in erster Instanz wegvergleichen?
Ist halt auch nicht so der Bringer, dem Mandanten ein cooles erstinstanzliches Urteil zu präsentieren um dann vor dem OLG abzulosen.
Am Besten bitte Ratschläge von erfahrenen Prozessanwälten.
Cheers
ich habe das Problem, dass ich sehr oft Rechtsstreits in erster Instanz gewinne, dann kommt die Berufung und dann wird die Vorentscheidung gekippt. Meist kommt schon nach der Berufungsbegründung der Gegenseite ein Hinweis oder eine Terminierung. Selten nur 522, anders als bei meinen Kollegen.
Was mache ich falsch?
Was kann ich besser machen? Mehr in erster Instanz wegvergleichen?
Ist halt auch nicht so der Bringer, dem Mandanten ein cooles erstinstanzliches Urteil zu präsentieren um dann vor dem OLG abzulosen.
Am Besten bitte Ratschläge von erfahrenen Prozessanwälten.
Cheers
23.07.2022, 03:28
Erste Instanz ist LG? Sind es häufig wiederholend dieselben Gerichte/Kammern/Senate? Einzelrichtersachen? Für den Kläger oder den Beklagten?
Was bedeutet denn "immer"? Wie viel Prozent gewinnst du vor dem LG, wie viele davon gehen in Berufung und wie viele davon werden dann gedreht? Wenn sowieso nur ein kleiner Teil in Berufung geht, dann sind das vielleicht auch einfach nur Fälle, in denen du vor dem LG ungewöhnliches Glück gehabt hast, der andere Anwalt sich seiner Sache aber (zu Recht) sicher ist.
Ganz allgemein kann man glaube ich nur raten, die Rechtsprechung des jeweiligen OLGs gründlich zu durchforsten.
Wenn man davon ausgeht, dass der andere Anwalt einigermaßen verständig ist und er die Chancen ebenso wie du realistisch einschätzt ("kann man so sehen und kann man so sehen"-Fälle), dann gilt nunmal vor Gericht "nur" eine Erfolgschance von circa 50% (in jeder Instanz). Mit der Berufung lässt der andere Anwalt die Münze nochmals werfen.
Was bedeutet denn "immer"? Wie viel Prozent gewinnst du vor dem LG, wie viele davon gehen in Berufung und wie viele davon werden dann gedreht? Wenn sowieso nur ein kleiner Teil in Berufung geht, dann sind das vielleicht auch einfach nur Fälle, in denen du vor dem LG ungewöhnliches Glück gehabt hast, der andere Anwalt sich seiner Sache aber (zu Recht) sicher ist.
Ganz allgemein kann man glaube ich nur raten, die Rechtsprechung des jeweiligen OLGs gründlich zu durchforsten.
Wenn man davon ausgeht, dass der andere Anwalt einigermaßen verständig ist und er die Chancen ebenso wie du realistisch einschätzt ("kann man so sehen und kann man so sehen"-Fälle), dann gilt nunmal vor Gericht "nur" eine Erfolgschance von circa 50% (in jeder Instanz). Mit der Berufung lässt der andere Anwalt die Münze nochmals werfen.
23.07.2022, 03:34
Wenn du den Beklagten vertrittst und der Kläger den örtlichen Gerichtsstand aussuchen konnte, dann hat der Kläger vielleicht auch gezielt einen OLG-Bezrik mit für ihn günstiger Rechtsprechung ausgewählt. Dann war der Verfahrensausgangs sowieso "klar" und dein Überraschungserfolg vor dem LG (das sich dem OLG widersetzt hat) ist nur trügerischer Schein.
Umgekehrt könnte deine Statistik darunter leiden, dass du für den Kläger günstige LGs ausgesucht hast, dessen Sondermeinungen sich beim zugehörigen OLG aber nicht durchgesetzt haben.
Eine genauere Analyse deines Problems wäre wohl nur möglich, wenn man die zugehörigen Urteile auch genauer analysiert und sieht, WARUM du jeweils zunächst gewonnen und dann verloren hast.
Umgekehrt könnte deine Statistik darunter leiden, dass du für den Kläger günstige LGs ausgesucht hast, dessen Sondermeinungen sich beim zugehörigen OLG aber nicht durchgesetzt haben.
Eine genauere Analyse deines Problems wäre wohl nur möglich, wenn man die zugehörigen Urteile auch genauer analysiert und sieht, WARUM du jeweils zunächst gewonnen und dann verloren hast.
23.07.2022, 09:20
Die Frage ist auch viel zu abstrakt gestellt, um ernsthaft über die Ursache diskutieren zu können.
Prüf all die Fälle und such Gemeinsamkeiten.
Und manchmal läuft es eben einfach nicht.
Prüf all die Fälle und such Gemeinsamkeiten.
Und manchmal läuft es eben einfach nicht.
23.07.2022, 11:48
Ein paar Eckdaten:
- ich vertrete meist die Beklagtenseite
- diverse Rechtsgebiete, teilweise Baurecht aber teilweise auch Verkehrsunfallsachen, Nachbarrecht oder Mietrecht etc.
- ca. 85-90% gewinne ich in erster Instanz (schlechte Sachen vergleiche ich gerne). Gar nicht so selten aber Klagerücknahmen.. In zweiter Instanz habe ich etwa in 1/4 der Fallen 522, im Übrigen meist schlechte Hinweise mit Terminierung. Oft vergleiche ich dann noch schlecht, manchmal nehme ich aber auch das Urteil
- in den meisten Fällen geht es nicht so sehr um Rechtsfragen sondern eher Tatsachenfragen
- Berufung ca. 50% LG, 50% OLG
Ich habe einfach das Gefühl, dass die Qualität meiner rechtlichen Argumentation nur für die erste Instanz reicht :/ Oft komme ich auch auf eher abgefahrene Punkte, die die zweite Instanz dann aber nicht mitmacht.
- ich vertrete meist die Beklagtenseite
- diverse Rechtsgebiete, teilweise Baurecht aber teilweise auch Verkehrsunfallsachen, Nachbarrecht oder Mietrecht etc.
- ca. 85-90% gewinne ich in erster Instanz (schlechte Sachen vergleiche ich gerne). Gar nicht so selten aber Klagerücknahmen.. In zweiter Instanz habe ich etwa in 1/4 der Fallen 522, im Übrigen meist schlechte Hinweise mit Terminierung. Oft vergleiche ich dann noch schlecht, manchmal nehme ich aber auch das Urteil
- in den meisten Fällen geht es nicht so sehr um Rechtsfragen sondern eher Tatsachenfragen
- Berufung ca. 50% LG, 50% OLG
Ich habe einfach das Gefühl, dass die Qualität meiner rechtlichen Argumentation nur für die erste Instanz reicht :/ Oft komme ich auch auf eher abgefahrene Punkte, die die zweite Instanz dann aber nicht mitmacht.
23.07.2022, 14:31
es ist nur meine laienhafte Vermutung aber die Entscheidungen in ersten Instanz sind manchmal rechtlich ziemlich schlecht. ich vermute auch, dass es am Einzelrichter liegt. sobald mehrere drüber schauen, wird es auch rechtlich besser. ich sammle gerade Erfahrungen im Verwaltungsrecht und das Verwaltungsgericht schießt teilweise echte böcke. da greift der VGH sehr häufig korrigierend ein.
23.07.2022, 18:58
Viel wichtiger ist doch: ist das schlimm? Rechtlich sind die Entscheidungen in zweiter Instanz wesentlich besser.
Was wäre also für dich besser gewesen? Dem Mandanten gleich die Klage ausreden? In erster Instanz verlieren und dem Mandanten dann eine Berufung aufschwatzen und dann verlieren? :D
Was wäre also für dich besser gewesen? Dem Mandanten gleich die Klage ausreden? In erster Instanz verlieren und dem Mandanten dann eine Berufung aufschwatzen und dann verlieren? :D
23.07.2022, 20:17
Naja, es kränkt das Ego.
Vielleicht sollte ich einfach noch vergleichsfreudiger sein in erster Instanz. Auch bei gut laufenden Verfahren.
Danke euch auf jeden Fall!
Vielleicht sollte ich einfach noch vergleichsfreudiger sein in erster Instanz. Auch bei gut laufenden Verfahren.
Danke euch auf jeden Fall!
23.07.2022, 20:35
Aus Richtersicht: auch da freut man sich nicht über Abänderungen. Mal hat man etwas übersehen und versteht sie, mal findet man sie zumindest nachvollziehbar, mal kapiert man nicht einmal die Begründung. Da ich viele Verfahren vergleiche und eindeutige Sachen meist rechtskräftig werden, bleiben aber vor allem die zweifelhaften übrig, wo man es so und so sehen kann. Und da sieht es die nächste Instanz eben mitunter anders.
Neulich hat uns der BGH in einer bislang nicht höchstrichterlich entschieden Streitfrage abgeändert - da wäre es natürlich schöner gewesen, er hätte die nach unserer Meinung sehr gute Begründung gehalten. Hat er aber nicht, immerhin gibt es jetzt deutschlandweit Rechtssicherheit (und wir haben keine weiteren Fehler reingebaut, sodass es keine Zurückverweisung gab).
Neulich hat uns der BGH in einer bislang nicht höchstrichterlich entschieden Streitfrage abgeändert - da wäre es natürlich schöner gewesen, er hätte die nach unserer Meinung sehr gute Begründung gehalten. Hat er aber nicht, immerhin gibt es jetzt deutschlandweit Rechtssicherheit (und wir haben keine weiteren Fehler reingebaut, sodass es keine Zurückverweisung gab).
23.07.2022, 20:38
(23.07.2022, 20:17)Franz C. schrieb: Naja, es kränkt das Ego.
Vielleicht sollte ich einfach noch vergleichsfreudiger sein in erster Instanz. Auch bei gut laufenden Verfahren.
Danke euch auf jeden Fall!
Kann gut verstehen, dass das am Ego kratzt. Aber bei Tatsachenfragen hat es ja nur bedingt etwas mit deinem Können zu tun. Vllt. nochmal mehr auf gute Beweisantritte achten, aber wenn die Tatsachen gegen den Mandanten sprechen, kannst du da mE wenig für.