10.03.2022, 12:06
Liebe Kollegen,
ich werde bald in einer arbeitsrechtlichen und kleinen Kanzlei in den Beruf einsteigen und würde mich gerne ein wenig vorbereiten. Ich weiß, dass ich mich nicht verrückt machen sollte oder muss, da man noch vieles lernen wird.
Das Individualarbeitsrecht macht mir keine Sorgen, aber ich habe ein wenig Angst, dass ich im Kollektivarbeitsrecht nicht klarkommen könnte, da ich mir nicht ganz vorstellen kann, wie der Arbeitsalltag im Kollektivarbeitsrecht aussehen soll.
Laut zukünftigem Chef ist die Kanzlei eher auf Arbeitnehmer- und Betriebsratsseite tätig. Da stellt sich mir die Frage, wie da die Arbeit im Alltag aussehen soll.
Könnt ihr mir ein wenig vom Arbeitsalltag aus dem Kollektivarbeitsrecht berichten? Was kommt da auf einen zu? Wie arbeitet man da als Anwalt?
Welche Zeitschriften/ Bücher aus der Praxis oder auch gerne Blogs könnt ihr mir empfehlen? Ich versuche mich aktuell über arbeitsrechtliche Urteile auf dem laufenden zu halten und lese mich ein wenig ein.
Für Erfahrungsberichte und Tipps von Arbeitsrechtlern unter euch wäre ich dankbar!
ich werde bald in einer arbeitsrechtlichen und kleinen Kanzlei in den Beruf einsteigen und würde mich gerne ein wenig vorbereiten. Ich weiß, dass ich mich nicht verrückt machen sollte oder muss, da man noch vieles lernen wird.
Das Individualarbeitsrecht macht mir keine Sorgen, aber ich habe ein wenig Angst, dass ich im Kollektivarbeitsrecht nicht klarkommen könnte, da ich mir nicht ganz vorstellen kann, wie der Arbeitsalltag im Kollektivarbeitsrecht aussehen soll.
Laut zukünftigem Chef ist die Kanzlei eher auf Arbeitnehmer- und Betriebsratsseite tätig. Da stellt sich mir die Frage, wie da die Arbeit im Alltag aussehen soll.
Könnt ihr mir ein wenig vom Arbeitsalltag aus dem Kollektivarbeitsrecht berichten? Was kommt da auf einen zu? Wie arbeitet man da als Anwalt?
Welche Zeitschriften/ Bücher aus der Praxis oder auch gerne Blogs könnt ihr mir empfehlen? Ich versuche mich aktuell über arbeitsrechtliche Urteile auf dem laufenden zu halten und lese mich ein wenig ein.
Für Erfahrungsberichte und Tipps von Arbeitsrechtlern unter euch wäre ich dankbar!
10.03.2022, 19:01
genau so habe ich auch angefangen. Reine AN und BR-Kanzlei. Man kann nun sicher versuchen sich da einzulesen. Aber auch aus meiner weiteren Erfahrung nach über 10 Jahren im Arbeitsrecht, kann ich Dir sagen, dass man im kollektiven Arbeitsrecht erst richtig sattelfest wird, wenn man etwa 2 Jahre Berufserfahrung hat. Das weiß aber auch jeder Arbeitsrechtler. Wenn Du Zeitungen lesen willst, dann liegt die NZA nahe. Der BB ist aber auch ganz gut. Wenn ich zu dieser Zeit in eine Kanzlei einsteige, dann würde ich mir mal das Thema BR-Wahl anschauen. Die laufen ja gerade in nahezu allen Betrieben mit BR. Daneben mal über die Kommentierung zum § 99 BetrVG surfen, Mitbestimmung im Rahmen § 87 BetrVG anschauen (besonders Ziffer 1, 6 und das neue brandaktuelle Thema 14) und § 111 BetrVG ist auch ein Klassiker in einer AN/BR-Kanzlei. Da hast Du für den Einstieg zumindest mal die aktuellsten Themen gesehen. Aber bitte nicht verrückt machen lassen. Es ist ein absoluter Glücksfall in einer solchen Kanzlei anzufangen. Man kommt gerade in kleineren Kanzleien schlecht an kollektivrechtliche Fälle ran. Für den weiteren Berufsweg ist es aber sehr interessant. Solche Kollegen sind gesucht. Ich bin nach 2 Jahren in ein Unternehmen gewechselt. Andere Kollegen aus der Kanzlei von damals sind trotz sehr mäßigen Noten nachher in Großkanzleien untergekommen und haben da gut Karriere gemacht. Daher viel Glück beim Start!!!!
10.03.2022, 23:31
(10.03.2022, 19:01)Freidenkender schrieb: genau so habe ich auch angefangen. Reine AN und BR-Kanzlei. Man kann nun sicher versuchen sich da einzulesen. Aber auch aus meiner weiteren Erfahrung nach über 10 Jahren im Arbeitsrecht, kann ich Dir sagen, dass man im kollektiven Arbeitsrecht erst richtig sattelfest wird, wenn man etwa 2 Jahre Berufserfahrung hat. Das weiß aber auch jeder Arbeitsrechtler. Wenn Du Zeitungen lesen willst, dann liegt die NZA nahe. Der BB ist aber auch ganz gut. Wenn ich zu dieser Zeit in eine Kanzlei einsteige, dann würde ich mir mal das Thema BR-Wahl anschauen. Die laufen ja gerade in nahezu allen Betrieben mit BR. Daneben mal über die Kommentierung zum § 99 BetrVG surfen, Mitbestimmung im Rahmen § 87 BetrVG anschauen (besonders Ziffer 1, 6 und das neue brandaktuelle Thema 14) und § 111 BetrVG ist auch ein Klassiker in einer AN/BR-Kanzlei. Da hast Du für den Einstieg zumindest mal die aktuellsten Themen gesehen. Aber bitte nicht verrückt machen lassen. Es ist ein absoluter Glücksfall in einer solchen Kanzlei anzufangen. Man kommt gerade in kleineren Kanzleien schlecht an kollektivrechtliche Fälle ran. Für den weiteren Berufsweg ist es aber sehr interessant. Solche Kollegen sind gesucht. Ich bin nach 2 Jahren in ein Unternehmen gewechselt. Andere Kollegen aus der Kanzlei von damals sind trotz sehr mäßigen Noten nachher in Großkanzleien untergekommen und haben da gut Karriere gemacht. Daher viel Glück beim Start!!!!Danke für deinen Beitrag! :) Ich wäre dankbar, wenn du noch darauf eingehen könntest.
"Könnt ihr mir ein wenig vom Arbeitsalltag aus dem Kollektivarbeitsrecht berichten? Was kommt da auf einen zu? Wie arbeitet man da als Anwalt?"
Lieben Dank!
11.03.2022, 01:30
Als RA auf Seiten von AR/BR im kollektiven AR hast Du es im Regelfall mit Betriebsräten zu tun. Meistens kommen die BR-Vorsitzenden vorbei, oder man geht in eine Sitzung des BR in die Firma (heute wahrscheinlich eher teams und Co). Sehr häufig sind Frage nach bestehenden Mitbestimmungsrechten. Da heute vieles technisch ist , kommen aus diesem Bereich einige Fragestellungen (darf der AG das ohne BR-Zustimmung einführen? Was ist mit dem Datenschutz? Sind Auswertungen zulässig? Was müssen wir bei einer Betriebsvereinbarung beachten? Welche Unterlagen muss uns der AG wann zur Verfügung stellen? Wie könnte man sich taktisch für die Verhandlungen aufstellen? etc). Neben reiner Juristerei geht es häufig um das richtige Vorgehen und Taktik. Vielen BR-Gremien fehlt einfach die Erfahrung. Daher wird man sehr häufig auch als Sachverständiger des BR (schau mal in § 80 BetrVG) tätig. Wenn es sich um Umstrukturierungen, Betriebsübergänge etc. handelt dann macht heute kaum noch ein BR das ohne einen Sachverständigen. Nach einem Jahr in der Kanzlei durfte ich dann auch mal als Sachverständiger des BR in eine Einigungsstelle. Das ist anstrengend, aber bis heute finde ich es immer noch spannend. Als Jurist im Unternehmen versucht man die wegen der Kosten zu vermeiden, aber als Anwalt auf BR-Seite sehr lukrativ, da man dann schön 7/10 des Einigungsstellenvorsitzenden abrechnen kann. Vor Gericht war ich in meinen Jahren in der Kanzlei mit kollektiven Themen wegen Einstellungen (Zustimmungsersetzungsverfahren des AG gerade gerne mal bei Leiharbeitnehmern), Verfahren wegen des Verstoßes gegen Betriebsvereinbarungen (unzulässige Auswertungen, Arbeitszeitthemen), Durchsetzen der Freistellung von Kosten bei Schulungen, Einsetzung von Einigungsstellen ins. im Bereich des § 111 BetrVG.
Wenn Du noch mehr Infos möchtest gerne auch eine pm.
Wenn Du noch mehr Infos möchtest gerne auch eine pm.
13.03.2022, 13:47
(11.03.2022, 01:30)Freidenkender schrieb: Als RA auf Seiten von AR/BR im kollektiven AR hast Du es im Regelfall mit Betriebsräten zu tun. Meistens kommen die BR-Vorsitzenden vorbei, oder man geht in eine Sitzung des BR in die Firma (heute wahrscheinlich eher teams und Co). Sehr häufig sind Frage nach bestehenden Mitbestimmungsrechten. Da heute vieles technisch ist , kommen aus diesem Bereich einige Fragestellungen (darf der AG das ohne BR-Zustimmung einführen? Was ist mit dem Datenschutz? Sind Auswertungen zulässig? Was müssen wir bei einer Betriebsvereinbarung beachten? Welche Unterlagen muss uns der AG wann zur Verfügung stellen? Wie könnte man sich taktisch für die Verhandlungen aufstellen? etc). Neben reiner Juristerei geht es häufig um das richtige Vorgehen und Taktik. Vielen BR-Gremien fehlt einfach die Erfahrung. Daher wird man sehr häufig auch als Sachverständiger des BR (schau mal in § 80 BetrVG) tätig. Wenn es sich um Umstrukturierungen, Betriebsübergänge etc. handelt dann macht heute kaum noch ein BR das ohne einen Sachverständigen. Nach einem Jahr in der Kanzlei durfte ich dann auch mal als Sachverständiger des BR in eine Einigungsstelle. Das ist anstrengend, aber bis heute finde ich es immer noch spannend. Als Jurist im Unternehmen versucht man die wegen der Kosten zu vermeiden, aber als Anwalt auf BR-Seite sehr lukrativ, da man dann schön 7/10 des Einigungsstellenvorsitzenden abrechnen kann. Vor Gericht war ich in meinen Jahren in der Kanzlei mit kollektiven Themen wegen Einstellungen (Zustimmungsersetzungsverfahren des AG gerade gerne mal bei Leiharbeitnehmern), Verfahren wegen des Verstoßes gegen Betriebsvereinbarungen (unzulässige Auswertungen, Arbeitszeitthemen), Durchsetzen der Freistellung von Kosten bei Schulungen, Einsetzung von Einigungsstellen ins. im Bereich des § 111 BetrVG.
Wenn Du noch mehr Infos möchtest gerne auch eine pm.
Vielen Dank!! Ich habe mir einiges hiervon zwischenzeitlich angeschaut und mich weiter eingelesen. Ich werde auf dein Angebot, dir per PM zu schreiben, noch in Anspruch nehmen! :)
14.03.2022, 00:22
(13.03.2022, 13:47)eflatun schrieb:(11.03.2022, 01:30)Freidenkender schrieb: Als RA auf Seiten von AR/BR im kollektiven AR hast Du es im Regelfall mit Betriebsräten zu tun. Meistens kommen die BR-Vorsitzenden vorbei, oder man geht in eine Sitzung des BR in die Firma (heute wahrscheinlich eher teams und Co). Sehr häufig sind Frage nach bestehenden Mitbestimmungsrechten. Da heute vieles technisch ist , kommen aus diesem Bereich einige Fragestellungen (darf der AG das ohne BR-Zustimmung einführen? Was ist mit dem Datenschutz? Sind Auswertungen zulässig? Was müssen wir bei einer Betriebsvereinbarung beachten? Welche Unterlagen muss uns der AG wann zur Verfügung stellen? Wie könnte man sich taktisch für die Verhandlungen aufstellen? etc). Neben reiner Juristerei geht es häufig um das richtige Vorgehen und Taktik. Vielen BR-Gremien fehlt einfach die Erfahrung. Daher wird man sehr häufig auch als Sachverständiger des BR (schau mal in § 80 BetrVG) tätig. Wenn es sich um Umstrukturierungen, Betriebsübergänge etc. handelt dann macht heute kaum noch ein BR das ohne einen Sachverständigen. Nach einem Jahr in der Kanzlei durfte ich dann auch mal als Sachverständiger des BR in eine Einigungsstelle. Das ist anstrengend, aber bis heute finde ich es immer noch spannend. Als Jurist im Unternehmen versucht man die wegen der Kosten zu vermeiden, aber als Anwalt auf BR-Seite sehr lukrativ, da man dann schön 7/10 des Einigungsstellenvorsitzenden abrechnen kann. Vor Gericht war ich in meinen Jahren in der Kanzlei mit kollektiven Themen wegen Einstellungen (Zustimmungsersetzungsverfahren des AG gerade gerne mal bei Leiharbeitnehmern), Verfahren wegen des Verstoßes gegen Betriebsvereinbarungen (unzulässige Auswertungen, Arbeitszeitthemen), Durchsetzen der Freistellung von Kosten bei Schulungen, Einsetzung von Einigungsstellen ins. im Bereich des § 111 BetrVG.
Wenn Du noch mehr Infos möchtest gerne auch eine pm.
Vielen Dank!! Ich habe mir einiges hiervon zwischenzeitlich angeschaut und mich weiter eingelesen. Ich werde auf dein Angebot, dir per PM zu schreiben, noch in Anspruch nehmen! :)
Helfe jungen Kollegen:innen sehr gerne :) melde Dich einfach
15.03.2022, 22:26
Guten Abend,
Herzlichen Glückwunsch zu deinem neuen Job.
Die Erfahrung wird mit der Zeit kommen, aber es ist eine gute Idee, schon jetzt Zeitschriften zu lesen (z. B. NZA).
Lass dich nicht zu sehr hetzen und vor allem nicht zu sehr stressen, deine Kollegen werden da sein, um dich zu führen.
Viel Glück!
Herzlichen Glückwunsch zu deinem neuen Job.
Die Erfahrung wird mit der Zeit kommen, aber es ist eine gute Idee, schon jetzt Zeitschriften zu lesen (z. B. NZA).
Lass dich nicht zu sehr hetzen und vor allem nicht zu sehr stressen, deine Kollegen werden da sein, um dich zu führen.
Viel Glück!
15.03.2022, 22:53
(15.03.2022, 22:26)Rouldym schrieb: Guten Abend,
Herzlichen Glückwunsch zu deinem neuen Job.
Die Erfahrung wird mit der Zeit kommen, aber es ist eine gute Idee, schon jetzt Zeitschriften zu lesen (z. B. NZA).
Lass dich nicht zu sehr hetzen und vor allem nicht zu sehr stressen, deine Kollegen werden da sein, um dich zu führen.
Viel Glück!
Vielen Dank! Heute war auch schon der erste Arbeitstag und ich musste direkt ein paar Anfragen von Personalleitern beantworten wie was man bei einer Kündigung beachten muss oder ein Kündigungsschreiben erstellen. Fast alles konnte ich bei Hensche oder Haufe oder sonst wo bei google recherchieren.
Mir ist anhand der Tätigkeit der Kollegen auch aufgefallen, dass man im Kollektivarbeitsrecht wohl sehr beratend tätig ist. Es hat mir schon ein wenig geholfen, ein paar Wochen vorher mich ein wenig einzulesen :)
Das einzige, wobei ich mir Sorgen mache ist, dass ich mich bei einer Beratung total vertue und mich blamiere. Aber mir der Zeit kommt die Erfahrung, wie auch ihr hier bereits betont habt.
16.03.2022, 10:58
erst einmal Glückwunsch zu dem gelungenen Einstand. Das mit der Unsicherheit gibt sich. Und wenn man sich doch mal unwohl fühlt mit einer spontanen Rückmeldung, dann den Mandanten kurz vertrösten ("sehr interessanter Fall, da habe ich erst kürzlich was zu gelesen, das schau ich noch mal eben nach uns melde mich gleich wieder"). Kleiner Tipp noch: Hensche und Haufe sind schon gut, aber das hat der Mandant vielleicht selber schon gefunden. Ich würde mir einfach noch einen Erfurter Kommentar an den Platz legen. Da hast Du alles dabei und bist gut aufgestellt, wenn es mal etwas tiefer gehen soll
Und nun viel Spaß im neuen Job und ich finde es toll, dass es eine/n neue/n Mitstreiter/in im Arbeitsrecht gibt. Viel Erfolg dabei!!!!
Und nun viel Spaß im neuen Job und ich finde es toll, dass es eine/n neue/n Mitstreiter/in im Arbeitsrecht gibt. Viel Erfolg dabei!!!!
16.03.2022, 12:06
(16.03.2022, 10:58)Freidenkender schrieb: erst einmal Glückwunsch zu dem gelungenen Einstand. Das mit der Unsicherheit gibt sich. Und wenn man sich doch mal unwohl fühlt mit einer spontanen Rückmeldung, dann den Mandanten kurz vertrösten ("sehr interessanter Fall, da habe ich erst kürzlich was zu gelesen, das schau ich noch mal eben nach uns melde mich gleich wieder"). Kleiner Tipp noch: Hensche und Haufe sind schon gut, aber das hat der Mandant vielleicht selber schon gefunden. Ich würde mir einfach noch einen Erfurter Kommentar an den Platz legen. Da hast Du alles dabei und bist gut aufgestellt, wenn es mal etwas tiefer gehen soll
Und nun viel Spaß im neuen Job und ich finde es toll, dass es eine/n neue/n Mitstreiter/in im Arbeitsrecht gibt. Viel Erfolg dabei!!!!
Bei Haufe sieht man (im kostenlosen Teil) oft auch keine Quellen. Das nervt finde ich, weil man so nicht verifizieren kann, ob das überhaupt stimmt, was da steht. Hatte schon 1-2x das Erlebnis, dass das nicht (100%) richtig war.