21.11.2021, 22:59
(21.11.2021, 20:40)Praktiker schrieb: "Entscheidung ergeht am Ende des Sitzungstages" kommt vor, mache ich aber nur bei Beweisbeschlüssen, wo es niemanden kümmert. Für Urteile finde ich es nicht gut, denn der "Sitzungstag" ist nicht definiert, und wer weiß, ob die Türen noch offen sind, wenn man fertig ist? Die Protokolle nähern sich dann mitunter gefährlich der Falschbeurkundung im Amt an, das sollte man lassen.
Es kann auch für Urteile sinnvoll sein, wenn die für die Berufung nötige Beschwer nicht erreicht wird, aber dennoch mündlich verhandelt wurde (entweder weil eine Beweisaufnahme erforderlich war oder eine Partei dies beantragt hat). Dann kann man eine kurze Zusammenfassung der Entscheidungsgründe ins Protokoll diktieren und muss für das schriftliche Urteil keine Entscheidungsgründe mehr verfassen, § 313a Abs. 1 Satz 2.
21.11.2021, 23:05
(21.11.2021, 22:54)Praktiker schrieb:(21.11.2021, 21:22)suavo schrieb: Okay, daran schließt sich die Frage an:
Ein VU muss doch auch im Anwaltsprozess eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, oder? Bastelt die Geschäftsstelle das dann ins Protokoll oder diktiert man die mit?
Weder noch. Verkündet durch Diktat wird nur der Tenor, vgl. 311 II. Die Belehrung steht dann im Urteil. Die macht forumSTAR :)
Ins Protokoll sollte überhaupt nichts gebastelt werden, was nicht diktiert wurde, das kann nämlich strafbar sein.
Ah, also wird ins Protokoll der Tenor diktiert (danach endet das Protokoll) und der Richter verfasst zusätzlich im Büro ein "klassisches" VU mit Belehrung? In die Richtung zielte meine ursprüngliche Frage auch, also ob noch extra ein Urteil verfasst wird oder ob das Protokoll mit Klausel als Vollstreckungstitel fungiert, wie es beim Prozessvergleich der Fall ist.
Vielen Dank für eure Antworten!
21.11.2021, 23:59
(21.11.2021, 23:05)suavo schrieb:(21.11.2021, 22:54)Praktiker schrieb:(21.11.2021, 21:22)suavo schrieb: Okay, daran schließt sich die Frage an:
Ein VU muss doch auch im Anwaltsprozess eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, oder? Bastelt die Geschäftsstelle das dann ins Protokoll oder diktiert man die mit?
Weder noch. Verkündet durch Diktat wird nur der Tenor, vgl. 311 II. Die Belehrung steht dann im Urteil. Die macht forumSTAR :)
Ins Protokoll sollte überhaupt nichts gebastelt werden, was nicht diktiert wurde, das kann nämlich strafbar sein.
Ah, also wird ins Protokoll der Tenor diktiert (danach endet das Protokoll) und der Richter verfasst zusätzlich im Büro ein "klassisches" VU mit Belehrung? In die Richtung zielte meine ursprüngliche Frage auch, also ob noch extra ein Urteil verfasst wird oder ob das Protokoll mit Klausel als Vollstreckungstitel fungiert, wie es beim Prozessvergleich der Fall ist.
Vielen Dank für eure Antworten!
Ja, wobei das schriftliche VU weder Tatbestand noch Entscheidungsgründe hat (§ 313b Abs. 1 Satz 1 ZPO). Üblicherweise bereitet das bereits die Geschäftsstelle vor, wenn das Protokoll nach Diktat geschrieben wird.
22.11.2021, 09:02
Jetzt verstehe ich die Frage.
Nein, der Tenor selbst steht nicht im Protokoll, nur dass das VU ergangen und verkündet worden ist. Das Urteil hängt ganz normal abgefasst hinter dem Protokoll, gleichsam als Anlage. Also nicht wie beim Vergleich.
Was man übrigens auch nicht vergessen darf: das Urteil wird natürlich auch noch unterschrieben. In der Praxis bekommt man die Akte mit Protokoll und VU zurück und unterschreibt beides.
Zum Protokollurteil: Warum ich das noch nie gemacht habe, ist mir klargeworden, als ich das gelesen habe: https://www.rechtsportal.de/Rechtsprechu...egruendung
Nein, der Tenor selbst steht nicht im Protokoll, nur dass das VU ergangen und verkündet worden ist. Das Urteil hängt ganz normal abgefasst hinter dem Protokoll, gleichsam als Anlage. Also nicht wie beim Vergleich.
Was man übrigens auch nicht vergessen darf: das Urteil wird natürlich auch noch unterschrieben. In der Praxis bekommt man die Akte mit Protokoll und VU zurück und unterschreibt beides.
Zum Protokollurteil: Warum ich das noch nie gemacht habe, ist mir klargeworden, als ich das gelesen habe: https://www.rechtsportal.de/Rechtsprechu...egruendung
22.11.2021, 10:33
So Leute, die letzte Variante geht auch, aber so:
Der KlV stellt die Anträge. Dann wird die Sitzung kurz unterbrochen, der Richter geht kms Büro, schreibt das VU kurz, druckt es aus, kommt zurück in den Saal, verliert dann den Tenor. Im Protokoll steht dann:
"Sodann wird das in der Anlage zum Protokoll zur mündlichen Verhandlung befindliche VU verkündet."
Das VU wird dann zusammen mit dem Protokoll rausgeschickt.
Finde ich eleganter, als das Urteil einfach ins Protokoll zu diktieren
Der KlV stellt die Anträge. Dann wird die Sitzung kurz unterbrochen, der Richter geht kms Büro, schreibt das VU kurz, druckt es aus, kommt zurück in den Saal, verliert dann den Tenor. Im Protokoll steht dann:
"Sodann wird das in der Anlage zum Protokoll zur mündlichen Verhandlung befindliche VU verkündet."
Das VU wird dann zusammen mit dem Protokoll rausgeschickt.
Finde ich eleganter, als das Urteil einfach ins Protokoll zu diktieren
22.11.2021, 23:00
(22.11.2021, 09:02)Praktiker schrieb: Jetzt verstehe ich die Frage.
Nein, der Tenor selbst steht nicht im Protokoll, nur dass das VU ergangen und verkündet worden ist. Das Urteil hängt ganz normal abgefasst hinter dem Protokoll, gleichsam als Anlage. Also nicht wie beim Vergleich.
Machen und ich (und die Kollegen, von den ich es weiß) anders und diktieren den Tenor ins Protokoll.
22.11.2021, 23:17
(22.11.2021, 23:00)Gast schrieb:(22.11.2021, 09:02)Praktiker schrieb: Jetzt verstehe ich die Frage.
Nein, der Tenor selbst steht nicht im Protokoll, nur dass das VU ergangen und verkündet worden ist. Das Urteil hängt ganz normal abgefasst hinter dem Protokoll, gleichsam als Anlage. Also nicht wie beim Vergleich.
Machen und ich (und die Kollegen, von den ich es weiß) anders und diktieren den Tenor ins Protokoll.
Klar wird es diktiert (=vorläufig aufgezeichnet), steht dann aber nicht im Protokoll, sondern in einem eigenen Urteil. Schreibt Ihr es wirklich ins Sitzungsprotokoll, mitsamt großem Rubrum und Rechtsbehelfsbelehrung?
Das habe ich, auch in Berufungssachen, noch nie gesehen. Immer wieder kurios, wie unterschiedlich alles gehandhabt wird!
Sinnvoll finde ich es aber nicht. Auch das normale Urteil steht ja nicht im Verkündungsprotokoll, sondern nur die Formalität der Verkündung wird beurkundet. Warum sollte man das andes tun?
23.11.2021, 08:49
Redet man hier nicht aneinander vorbei? Das Urteil IST der Tenor.
Es ist völlig normal, am Schluss der Sitzung zu verkünden und in Kammersachen auch im prinzip notwendig (zB am SG oder VG).
Der Einwand, das Ende der Sitzung sei ja nicht bekannt ist Unsinn. Erstens weiß der Richter, wie lange Einlass im Gericht gewährt wird bzgl Öffentlichkeit. Zweitens muss die Partei eben dann warten, wenn sie die Verkündung hören möchte.
Es ist völlig normal, am Schluss der Sitzung zu verkünden und in Kammersachen auch im prinzip notwendig (zB am SG oder VG).
Der Einwand, das Ende der Sitzung sei ja nicht bekannt ist Unsinn. Erstens weiß der Richter, wie lange Einlass im Gericht gewährt wird bzgl Öffentlichkeit. Zweitens muss die Partei eben dann warten, wenn sie die Verkündung hören möchte.
23.11.2021, 10:00
(23.11.2021, 08:49)Gast schrieb: Redet man hier nicht aneinander vorbei? Das Urteil IST der Tenor.
Es ist völlig normal, am Schluss der Sitzung zu verkünden und in Kammersachen auch im prinzip notwendig (zB am SG oder VG).
Der Einwand, das Ende der Sitzung sei ja nicht bekannt ist Unsinn. Erstens weiß der Richter, wie lange Einlass im Gericht gewährt wird bzgl Öffentlichkeit. Zweitens muss die Partei eben dann warten, wenn sie die Verkündung hören möchte.
"Unsinn" ist etwas hart formuliert, oder?
Nochmal von vorne (lustig, dass dieses Thema so heiß diskutiert wird):
Nur beim VU IST das Urteil der Tenor, und auch da nur, wenn man über Rubrum, Belehrung und Unterschrift hinwegsieht.
Ich versuche es mal ganz von vorne:
Normalerweise erfolgt die vorgeschriebene Urteilsverkündung so, dass der niedergeschriebene Tenor vorgelesen wird oder darauf Bezug genommen wird, 311 II 1, 2 ZPO. Die Verkündung, durch die der Urteilsentwurf erst zum Urteil wird, kann als wesentliche Förmlichkeit nur durch das Sitzungsprotokoll bewiesen werden, 160 III Nr. 7 ZPO. Demgemäß gibt es ein schriftliches Urteil und die Tatsache der Verkündung im Protokoll.
U.a. beim VU gibt es jetzt die Besonderheit, dass der Tenor bei der Verkündung noch nicht schriftlich fixiert sein muss, 311 II 3 ZPO. Auch hier steht im Protokoll erst einmal nur, dass verkündet wurde, nicht der Tenor selbst. Der wird - so kenne ich es - diktiert und dann mit Rubrum, Belehrung und Unterschrift ausgedruckt, sodass es im Endeffekt sich darstellt, als wäre das Urteil geschrieben gewesen: schriftliches Urteil plus Feststellung der Tatsache der Verkündung im Protokoll.
Verkündet wird im Termin oder in einem Verkündungstermin, 310 I 1 ZPO. Den Begriff des Sitzungstages kennt die ZPO nicht. Das Ende des Sitzungstages als Zwischending zwischen Terminsende und VT kann man gleichwohl machen, wenn man sicherstellt, dass die Öffentlichkeit dann noch besteht, insbesondere mit dem Schreiben nicht länger braucht als die Türen offen bleiben, die Sache wiederaufruft und sich vor allem wieder in den Sitzungssaal begibt und nicht am Schreibtisch bleibt. Die Erfahrung zeigt, dass das nicht immer beachtet wird, aber mitunter wahrheitswidrig im Protokoll beurkundet. Das ist bedenklich.
Und jetzt gibt es noch den Sonderfall des Protokollurteils. Ich habe ja gepostet, was der BGH da verlangt. Ob das auch beim VU geht, habe ich nicht geprüft, es scheint mir aber mindestens sinnlos.
Edit: Zum Ende des Sitzungstages und Protokollurteil vgl. noch BGH NJW 2004, 1666. Ich sage ja nicht, dass das nicht geht, sondern dass es fehleranfällig ist, wie man dort sieht, und daher nicht ratsam.
23.11.2021, 21:53
Bei uns steht der Tenor des VUs tatsächlich vollständig im Protokoll, nicht aber Rubrum und Rechtsbehelfsbelehrung. Der Tenor wird ja auch diktiert. Das schriftliche VU mit Rubrum und Rechtsbehelfsbelehrung bereitet dann die Geschäftsstelle zur Zustellung an die Parteien vor.