18.11.2021, 08:50
Guten zusammen,
vielleicht war jemand von Euch ja mal in einer ähnlichen Situation und hat eine gute Idee wie man mit folgendem Problem umgehen soll:
Ich bin seit circa einem halben Jahr Beamter in der Verwaltung. Zuvor habe ich nach ordentlichen Exima ein paar Jahre als Anwalt in einer renommierten Kanzlei gearbeitet. Ich bin allein aufgrund der Arbeitsbelastung und dem damit einhergehenden Mangel an Freizeit gewechselt (war so im Schnitt 60h pw bei der Arbeit, aber ich war stolz auf mich und meine Arbeit und ich habe die zumindest als begrenzt sinnvoll empfunden).
Zunächst mal: Der Wunsch nach geringerer Arbeitsbelastung hat sich erfüllt.
Aber: Die "Arbeit" nervt mich jeden Tag. Zunächst mal, ist die Zeiterfassung (leider) doch mehr Fluch als Segen. Ich finde es maximal komisch für Anwesenheit bezahlt zu werden. Ich schaffe meine Arbeit (und werde für die Inhalte gelobt und gelte als fleißig) locker in 3-5 Stunden ohne mich zu beeilen. Den Rest der Zeit muss ich irgendwie rumkriegen. Hier sparen heute Überstunden an, indem sie einfach länger bleiben, ohne was zu tun zu haben...
Auch ist die Qualität der Arbeit maximal traurig. Selbst die Juristen beherrschen hier nichtmal die Grundlegen juristischen Kenntnisse zB Unterschied zwischen Urteil-Beschluss, Zustellung einfache Post, Senat-Kammer usw. Davon wie man Schreiben/Gutachten strukturiert etc mal ganz abgesehen.
Die Motivation ist bei 0. Zwar stehen die Möglichkeiten A15+ zu werden durchaus gut, jedoch geschieht das in Zeitabständen die mir schlicht zu lang sind um darauf hinzuarbeiten. Auch ist A15 immernoch weniger als das was ich vorher verdient habe (netto). Der Grundgedanke hinter meiner fehlenden Motivation ist: Hätte ich Geld verdienen wollen, wäre ich nicht hier.
Leistungsmotivation aus nicht monetären Gründen kann ebenfalls nicht aufkommen, da hier niemand irgendeinen fachlichen Anspruch verfolgt und gute inhaltliche Arbeit auch nicht gewertschätzt wird. Es ist im Ergebnis einfach egal was man wie tut. Hauptsache man bei jeder Kaffeepause und schimpft auf die dummen Anwälte und die "hohe Arbeitsbelastung". Da muss man sich schon sehr zusammenreißen.
Zudem muss man hier für alles und jeden Verständnis haben.
Der hat einen Arzttermin, die ist seit 6 Wochen krank, die ist gerade in einer Wiedereingliederung, die hat privat Stress etc etc. Ich habe das Gefühl ist einfach niemand der normal einsatzfähig ist.
Auf der anderen Seite: ich bin halt vor 10 zu Hause, habe Zeit für Sport, Familie, Freunde und wenn ich mal n Kratzen im Hals oder Kopfschmerzen habe, bin ich halt mal 2 Tage krank...
vielleicht war jemand von Euch ja mal in einer ähnlichen Situation und hat eine gute Idee wie man mit folgendem Problem umgehen soll:
Ich bin seit circa einem halben Jahr Beamter in der Verwaltung. Zuvor habe ich nach ordentlichen Exima ein paar Jahre als Anwalt in einer renommierten Kanzlei gearbeitet. Ich bin allein aufgrund der Arbeitsbelastung und dem damit einhergehenden Mangel an Freizeit gewechselt (war so im Schnitt 60h pw bei der Arbeit, aber ich war stolz auf mich und meine Arbeit und ich habe die zumindest als begrenzt sinnvoll empfunden).
Zunächst mal: Der Wunsch nach geringerer Arbeitsbelastung hat sich erfüllt.
Aber: Die "Arbeit" nervt mich jeden Tag. Zunächst mal, ist die Zeiterfassung (leider) doch mehr Fluch als Segen. Ich finde es maximal komisch für Anwesenheit bezahlt zu werden. Ich schaffe meine Arbeit (und werde für die Inhalte gelobt und gelte als fleißig) locker in 3-5 Stunden ohne mich zu beeilen. Den Rest der Zeit muss ich irgendwie rumkriegen. Hier sparen heute Überstunden an, indem sie einfach länger bleiben, ohne was zu tun zu haben...
Auch ist die Qualität der Arbeit maximal traurig. Selbst die Juristen beherrschen hier nichtmal die Grundlegen juristischen Kenntnisse zB Unterschied zwischen Urteil-Beschluss, Zustellung einfache Post, Senat-Kammer usw. Davon wie man Schreiben/Gutachten strukturiert etc mal ganz abgesehen.
Die Motivation ist bei 0. Zwar stehen die Möglichkeiten A15+ zu werden durchaus gut, jedoch geschieht das in Zeitabständen die mir schlicht zu lang sind um darauf hinzuarbeiten. Auch ist A15 immernoch weniger als das was ich vorher verdient habe (netto). Der Grundgedanke hinter meiner fehlenden Motivation ist: Hätte ich Geld verdienen wollen, wäre ich nicht hier.
Leistungsmotivation aus nicht monetären Gründen kann ebenfalls nicht aufkommen, da hier niemand irgendeinen fachlichen Anspruch verfolgt und gute inhaltliche Arbeit auch nicht gewertschätzt wird. Es ist im Ergebnis einfach egal was man wie tut. Hauptsache man bei jeder Kaffeepause und schimpft auf die dummen Anwälte und die "hohe Arbeitsbelastung". Da muss man sich schon sehr zusammenreißen.
Zudem muss man hier für alles und jeden Verständnis haben.
Der hat einen Arzttermin, die ist seit 6 Wochen krank, die ist gerade in einer Wiedereingliederung, die hat privat Stress etc etc. Ich habe das Gefühl ist einfach niemand der normal einsatzfähig ist.
Auf der anderen Seite: ich bin halt vor 10 zu Hause, habe Zeit für Sport, Familie, Freunde und wenn ich mal n Kratzen im Hals oder Kopfschmerzen habe, bin ich halt mal 2 Tage krank...
18.11.2021, 09:22
Nach allem, was ich aus der Verwaltung mitbekomme, ist es dort sehr heterogen. Es gibt mit Sicherheit Bereiche, wo wenig zu tun ist und auf hohem Niveau gejammert wird, aber es gibt ebenso Einheiten, in denen wirklich viel zu tun ist oder sehr fitte Leute arbeiten.
Du solltest also versuchen, anderswo hinzukommen. In einem Ministerium kann die Welt z.B. vollkommen anders aussehen, wobei es natürlich auch sehr unterschiedliche Ministerien und Referate gibt. Ich würde bei den Personalverantwortlichen deutlich machen, dass Du gern bereit bist, dich stärker zu engagieren, und dafür zu einem Wechsel bereit bist. Vielleicht ergibt sich ja etwas.
Oder Du wechselst in die Justiz weiter, da kannst Du arbeiten, wie Du es für richtig hältst, und bist bestimmt nicht nach 5 Stunden fertig :)
Du solltest also versuchen, anderswo hinzukommen. In einem Ministerium kann die Welt z.B. vollkommen anders aussehen, wobei es natürlich auch sehr unterschiedliche Ministerien und Referate gibt. Ich würde bei den Personalverantwortlichen deutlich machen, dass Du gern bereit bist, dich stärker zu engagieren, und dafür zu einem Wechsel bereit bist. Vielleicht ergibt sich ja etwas.
Oder Du wechselst in die Justiz weiter, da kannst Du arbeiten, wie Du es für richtig hältst, und bist bestimmt nicht nach 5 Stunden fertig :)
18.11.2021, 09:34
Vielleicht hast du die Möglichkeit ins Ministerium zu gehen?
Ich bin Referent im Justizministerium und die Arbeitsbelastung ist okay und abwechslungsreich, da immer wieder Projekte reinkommen. Arbeitszeit ist Vertrauensarbeitszeit und nur ein Präsenztag, sonst Homeoffice.
Ich bin Referent im Justizministerium und die Arbeitsbelastung ist okay und abwechslungsreich, da immer wieder Projekte reinkommen. Arbeitszeit ist Vertrauensarbeitszeit und nur ein Präsenztag, sonst Homeoffice.
18.11.2021, 10:48
(18.11.2021, 08:50)Beamter schrieb: Ich bin allein aufgrund der Arbeitsbelastung und dem damit einhergehenden Mangel an Freizeit gewechselt (war so im Schnitt 60h pw bei der Arbeit, aber ich war stolz auf mich und meine Arbeit und ich habe die zumindest als begrenzt sinnvoll empfunden).
Zunächst mal: Der Wunsch nach geringerer Arbeitsbelastung hat sich erfüllt.
Was soll man dazu sagen. Monokausale Gründe bei der Berufswahl machen selten glücklich.
Wie schon andere gesagt haben, Bereich/Behörde wechseln und schauen, dass du woanders etwas mehr zu tun hast. Das Gehaltsgefälle wird sich dadurch aber natürlich nicht schließen. Was war der Grund, wieso du nicht eine kleinere Kanzlei oder in ein Unternehmen gewechselt bist?
18.11.2021, 11:11
Kannst du dich nicht einfach während der "freien" Arbeitszeit mit etwas beschäftigen, worauf du Bock hast und was du sonst zuhause erledigen würdest?
Ich weiß nicht, was in der Verwaltung alles geduldet wird, aber vielleicht eine Hantelbank ins Büro stellen, irgendwelche Modelle bauen oder sich in eine Programmiersprache einarbeiten, ein Buch schreiben, Gaming-Laptop mitnehmen und zocken... idk
Kommt natürlich darauf an, wie frequentiert dein Büro ist. Aber rein theoretisch kannst du doch fast alles tun, was du auch in deinem Wohnzimmer tun kannst, wenn du alleine bist?
Ich weiß nicht, was in der Verwaltung alles geduldet wird, aber vielleicht eine Hantelbank ins Büro stellen, irgendwelche Modelle bauen oder sich in eine Programmiersprache einarbeiten, ein Buch schreiben, Gaming-Laptop mitnehmen und zocken... idk
Kommt natürlich darauf an, wie frequentiert dein Büro ist. Aber rein theoretisch kannst du doch fast alles tun, was du auch in deinem Wohnzimmer tun kannst, wenn du alleine bist?
18.11.2021, 13:48
Also mal ganz grundsätzlich: ja, Klischee hin oder her, es gibt in der Vewaltung definitiv mancherorts die Zustände, die der TE hier recht plastisch beschreibt. Und es gibt natürlich Dienstkräfte, die sich exakt deshalb für diese Laufbahn entschieden haben - nur schweigen diese einfach darüber und genießen es. Die zahlreichen Möglichkeiten, sich sinnlose Präsenzzeit im Büro zu vertreiben, wurden ja bereits genannt, und mit der Corona-bedingt immer weiter zurückgehenden Präsenzkultur gibt es im Homeoffice natürlich sogar noch ganz andere Optionen.
Fakt ist aber auch: der TE gehört offensichtlich nicht zu dieser Sorte von Dienstkräften, sondern im Gegenteil, er leidet darunter und steuert möglicherweise bereits akut auf einen Bore-out zu! Insofern ist hier in jedem Fall Handlungsbedarf zu sehen.
Und da kommt der andere sehr richtige Punkt ins Spiel: die Verwaltung ist in der Tat sehr heterogen und es gibt dort auch fachlich am Hochreck arbeitende, hoch kompetente und motivierte Teams. Ich selber habe das Glück, einem solchen anzugehören, und es ist das beste, was mir beruflich passieren konnte. Die inhaltlich faszinierende Arbeit, die komfortablen Rahmenbedingungen des öD, die tollen Kollegen (darunter übrigens ein recht großer Anteil GK-Aussteiger und vereinzelt sogar Ex-Justiz) - ohne hier jetzt einen Werbevortrag für den Beruf des Verwaltungsjuristen halten zu wollen, ist es für mich eine Daseinsform, die alle Vorteile der verschiedenen Optionen auf einen Nenner bringt.
Vielleicht, lieber TE, gelingt es Dir ja auch in "Deiner" Verwaltung einen solchen Ort zu finden - oder ggf. durch einen Dienstherrenwechsel? Ich will es Dir jedenfalls von Herzen wünschen. Die Playstation im Büro kann eine gangbare Alternative sein, aber sie muss nicht die Deine sein.
Fakt ist aber auch: der TE gehört offensichtlich nicht zu dieser Sorte von Dienstkräften, sondern im Gegenteil, er leidet darunter und steuert möglicherweise bereits akut auf einen Bore-out zu! Insofern ist hier in jedem Fall Handlungsbedarf zu sehen.
Und da kommt der andere sehr richtige Punkt ins Spiel: die Verwaltung ist in der Tat sehr heterogen und es gibt dort auch fachlich am Hochreck arbeitende, hoch kompetente und motivierte Teams. Ich selber habe das Glück, einem solchen anzugehören, und es ist das beste, was mir beruflich passieren konnte. Die inhaltlich faszinierende Arbeit, die komfortablen Rahmenbedingungen des öD, die tollen Kollegen (darunter übrigens ein recht großer Anteil GK-Aussteiger und vereinzelt sogar Ex-Justiz) - ohne hier jetzt einen Werbevortrag für den Beruf des Verwaltungsjuristen halten zu wollen, ist es für mich eine Daseinsform, die alle Vorteile der verschiedenen Optionen auf einen Nenner bringt.
Vielleicht, lieber TE, gelingt es Dir ja auch in "Deiner" Verwaltung einen solchen Ort zu finden - oder ggf. durch einen Dienstherrenwechsel? Ich will es Dir jedenfalls von Herzen wünschen. Die Playstation im Büro kann eine gangbare Alternative sein, aber sie muss nicht die Deine sein.
18.11.2021, 17:09
18.11.2021, 17:37
Ich arbeite in einer Bundesbehörde und empfinde die Arbeit als sehr sinnstiftend, vielseitig und teilweise sehr anspruchsvoll.
Es scheint also tatsächlich sehr davon abzuhängen wo man da so ist. Sprich mal mit Vorgesetzten/ Personalabteilung! Oder tatsächlich einen Behördenwechsel anstreben?
Es scheint also tatsächlich sehr davon abzuhängen wo man da so ist. Sprich mal mit Vorgesetzten/ Personalabteilung! Oder tatsächlich einen Behördenwechsel anstreben?
18.11.2021, 23:11
Lässt sich nachvollziehen was du sagst. Nichts ist schlimmer, als sich auf der Arbeit zu langweilen. Das wurde bei mir aber immer weniger, je länger ich in meiner Stelle gearbeitet habe, weil meine Kollegen mich immer mehr wahrgenommen haben und ich mehr mit eingebunden wurde, mehr Anfragen, Einladungen zu Gesprächen usw. bekommen habe. Aber klar, Freitags ist generell wenig los, und da Corona-bedingt jetzt alle möglichst Home-Office machen, ist in meiner Behörde auch gerade generell weniger Betrieb. Trotzdem stehe ich bequem bei 80 Überstunden nach weniger als 1 Jahr Arbeit, und kann es mir dank Gleitzeit leisten an den saure-Gurken-Tagen einfach früher zu gehen. Diese Woche ist z.B. mein Chef im (vierwöchigen) Urlaub und ein weiterer Kollege krank, also landet quasi alles bei mir, und ich komme nur dazu das eilige halbwegs wegzuarbeiten, während sich die Widerspruchsakten und Anfragen im Schrank stapeln...
Ist also wohl von Behörde zu Behörde verschieden. Ich würde auch nicht zu viel auf Klischees geben. Ja, Verwaltung ist keine Anwaltstätigkeit, und sicher insgesamt entspannter, aber nur mit dem Vorsatz, so wenig wie möglich zu arbeiten, dorthin zu wechseln, ist im Durchschnitt die falsche Prämisse.
Ist also wohl von Behörde zu Behörde verschieden. Ich würde auch nicht zu viel auf Klischees geben. Ja, Verwaltung ist keine Anwaltstätigkeit, und sicher insgesamt entspannter, aber nur mit dem Vorsatz, so wenig wie möglich zu arbeiten, dorthin zu wechseln, ist im Durchschnitt die falsche Prämisse.
18.11.2021, 23:37
Ich finde die Schilderung unglaubwürdig: Eine der nervigsten Sachen in der Kanzlei ist die Abrechnung. Chefs erwarten am Liebsten 100 % Billables, aber man hat administrativen Aufwand, Weiterbildungsaufwand und (je nach Mandantenstruktur und Stundensätzen öfter oder seltener) zu kleine Budgets, sodass man eben nicht alles abrechnen kann. Wer gewissenhaft ist, arbeitet in der Kanzlei deutlich länger als er/sie billt. Dazu kommt die übliche Überstundenabgeltung. Da finde ich den Ansatz Arbeitszeit = Anwesenheitszeit deutlich fairer. Und übrigens machen gerade in Kanzleien fachliche Minderleister mit Manschettenknöpfen und Verkaufstalent am schnellsten Karriere.