14.07.2021, 23:29
(14.07.2021, 16:26)Gast schrieb:(14.07.2021, 15:16)B2021BB schrieb:Das ist ganz und Gar kein Scheinproblem. Unser AG-Leiter hat uns für den Fall, dass wir rechtlich keine Ahnung von einem Fall haben, den Tipp gegeben, die im Fischer fett gedruckten Wörter zur Thematik in einen zusammenhängenden Text zu packen: Gesagt getan: Fall zur Abgrenzung von Betrug/Computerbetrug/Diebstahl...irgendwas mit Supermarkt, Scannerkassen, Strichcodes und eingeweihten Kassierern...in verschiedenen Abwandlungen (wer nachschauen will: Dezember 2019). Bis heute keinen Plan was da die Lösung war. Also einen seitenlangen Besinnungsaufsatz geschrieben in dem alle fettgedruckten Wörter zur Abgrenzung vorkamen. Ergebnis falsch, Klausur neun Punkte, an den Rändern des Besinnungsaufsatz massenweise Haken. Examen ist immer ein bisschen Bullshit-Bingo (oder wie Kaiser es ausdrückt: Stichwort/Schlagwort). Das richtige Schlagwort ersetzt absatzweise Erklärung.(14.07.2021, 14:39)Gast schrieb:(14.07.2021, 14:30)Praktiker schrieb:(14.07.2021, 09:23)B2021BB schrieb: Vielleicht genügen meine beschränkten geistigen Fähigkeiten ja nicht, um diese Aussage nachvollziehen zu können. Aber das macht doch wirklich überhaupt keinen Sinn.
Wenn ich nach Stichworten aus der Lösungsskizze suche, kann ich die doch in einem gut lesbaren Text viel schneller finden. Genauso kann ich einen sinntragenden von einem nicht sinntragenden Nebensatz doch viel schneller unterscheiden. Ich muss mich ja nicht ständig in einer neuen Handschrift "zurechtfinden". Außerdem sollte in einem Textdokument doch viel eher gewährleistet sein, dass nichts "Wichtiges" überlesen wird, nur weil das Schlagwort vielleicht erst im Anschluss an 1-2 nicht sinntragende Nebensätze fällt. Warum sollte es Korrektoren dagegen freuen, in schlecht(er) leserlicher Handschrift Stichworte aus der Lösungsskizze zu finden? Schweift die Aufmerksamkeit der Korrektoren dann etwa so stark ab, dass man etwaige grausliche Formulierungen gar nicht mehr wahrnimmt, weil man den Rest des Textes ab Auffinden des Stichwortes sowieso nicht mehr liest? Sind Korrektoren bei einem Word-Dokument also pikiert darüber, dass die bessere Lesbarkeit dazu führt, dass die Aufmerksamkeit nicht mehr ganz so stark abschweifen kann?
Ich bete, dass ich mit meiner Vermutung falsch liege
Gebet erhört :)
Wenn eine Klausur extrem schlecht zu lesen ist, versucht man die passenden Schlüsselworte zu erahnen, hakt sie ab und nimmt an, dass ganz schlecht lesbare Passagen schon nichts Falsches enthalten werden.
Wenn man alles super lesen kann, gilt das auch für das Drumherum, und es fallen einem plötzlich unsaubere Formulierungen auf oder dass der richtige Begriff gar nicht im richtigen Zusammenhang kommt.
Ich will das aus eigener Erfahrung nicht ausschließen...
Gegenargument: die gut und leicht lesbare Klausur wird unbewusst als besser empfunden, da weniger Mühe aufzuwenden ist.
Meine Vermutung wäre, dass gute Juristen mit schlechter Handschrift profitieren werden, schlechte Juristen mit schlechter Handschrift dagegen eher Nachteile haben werden. Vielleicht gibt es ja wirklich mal eine Studie dazu.
Klingt zumindest logisch. Streng genommen, ist es aber eher das Defizit der Korrektoren, die einfach Schlagworte suchen und sich die Mühe nicht machen, alles zu lesen/zu entziffern.
Die Schlagwortfokussierung und nur halbherziges Lesen der Ausführungen ist bekannt, aber dieser Weg ist natürlich nicht der ideale Weg oder der eigentlich gedachte Weg.
Dann ist das E-Examen aber auch insofern tatsächlich ein Fortschritt, wenn die Klausuren richtig gelesen werden.
Dem würde ich mich anschließen. Die Qualität der Korrektur dürfte durch ein E-Examen tatsächlich steigen, einfach weil mehr gelesen/wahrgenommen wird. Das wiederum dürfte von Vorteil für die Examenskandidaten sein, die die Korrektur dann (hoffentlich) auch besser nachvollziehen können. Wenn der richtige Begriff an der falschen Stelle kommt (und der Korrektor dies in seinem Votum auch entsprechend darlegt), steigt doch automatisch auch die Transparenz der Korrektur. Das Argument, sich nicht mehr hinter schlechter Handschrift "verstecken" zu können, dürfte dagegen keines sein das Argument mit dem (vermuteten) Überlesen falscher Dinge in schlechter Handschrift lässt sich dagegen genauso gut umdrehen: in der schlechten Handschrift geht eine eigentlich gute Begründung ggf. schlicht unter.
Mal rein aus Interesse, da ich noch nie Klausuren korrigiert habe: ist das mit dem richtigen Begriff im richtigen Zusammenhang nicht eher ein "Scheinproblem"? Wenn man nicht weiß wo die Klausur tatsächlich hinwill, die Informationen des Sachverhalts nicht richtig verwertet und Gesetz/Rechtsprechung nicht korrekt auf diese anzuwenden weiß...dann fällt doch realistisch betrachtet überhaupt kein Schlagwort, oder? Sicher gibt es himmelweite Unterschiede in der Begründungstiefe der Kandidaten. Manche überzeugen mit ihren Ausführungen mehr, manche weniger, manche überhaupt nicht. Was die Korrektur dann aber umso fairer machen würde, weil sie noch stärkere Differenzierungen ermöglicht.
Was mich am E-Examen eher stört: Dadurch wird die fachfremde Bedeutung des "schnellen Schreibens" bzw. "schnellen Tippens" nochmal erhöht. Es ist jetzt schon so, dass man einen signifikanten Vorteil hat, wenn man schnell schreiben kann. Das kann man sicher ein Stück weit trainieren. Aber es ist eben auch eine Talentfrage. Beim Tippen ist es doch dasselbe. Wer sich vor 15 Jahren das Zehn-Finger-System beigebracht hat, hat einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber demjenigen, der sich mit dem Zwei-Finger-Suchsystem durchschlägt (und jetzt kurz vor dem Examen umlernen muss).
Das hätte bei mir definitiv nur funktioniert bei nahezu unlesbarer Handschrift.
Das ist aber in der Tat nicht ganz selten, dass angesichts deutlicher Hinweise im Sachverhalt auswendiggelernte Streitstände abgerufen werden, die sich für sich genommen ganz passabel lesen, doch sich an der Überschrift und dem Prüfungsort zeigt, dass kein Verständnis da war, was das alles überhaupt bedeutet. Auf Zuruf etwas abspulen ohne zu wissen warum und wozu ist aber kein Jura.
14.07.2021, 23:56
Der Unterschied: tippen ist ein Praxis-Skill.
15.07.2021, 09:35
Schnell tippen kann jeder mäßig Begabte innerhalb von 2 Wochen lernen. Digital first, Bedenken second meine Freunde :)
15.07.2021, 09:47
(14.07.2021, 23:29)Praktiker schrieb:(14.07.2021, 16:26)Gast schrieb:(14.07.2021, 15:16)B2021BB schrieb:Das ist ganz und Gar kein Scheinproblem. Unser AG-Leiter hat uns für den Fall, dass wir rechtlich keine Ahnung von einem Fall haben, den Tipp gegeben, die im Fischer fett gedruckten Wörter zur Thematik in einen zusammenhängenden Text zu packen: Gesagt getan: Fall zur Abgrenzung von Betrug/Computerbetrug/Diebstahl...irgendwas mit Supermarkt, Scannerkassen, Strichcodes und eingeweihten Kassierern...in verschiedenen Abwandlungen (wer nachschauen will: Dezember 2019). Bis heute keinen Plan was da die Lösung war. Also einen seitenlangen Besinnungsaufsatz geschrieben in dem alle fettgedruckten Wörter zur Abgrenzung vorkamen. Ergebnis falsch, Klausur neun Punkte, an den Rändern des Besinnungsaufsatz massenweise Haken. Examen ist immer ein bisschen Bullshit-Bingo (oder wie Kaiser es ausdrückt: Stichwort/Schlagwort). Das richtige Schlagwort ersetzt absatzweise Erklärung.(14.07.2021, 14:39)Gast schrieb:(14.07.2021, 14:30)Praktiker schrieb: Gebet erhört :)
Wenn eine Klausur extrem schlecht zu lesen ist, versucht man die passenden Schlüsselworte zu erahnen, hakt sie ab und nimmt an, dass ganz schlecht lesbare Passagen schon nichts Falsches enthalten werden.
Wenn man alles super lesen kann, gilt das auch für das Drumherum, und es fallen einem plötzlich unsaubere Formulierungen auf oder dass der richtige Begriff gar nicht im richtigen Zusammenhang kommt.
Ich will das aus eigener Erfahrung nicht ausschließen...
Gegenargument: die gut und leicht lesbare Klausur wird unbewusst als besser empfunden, da weniger Mühe aufzuwenden ist.
Meine Vermutung wäre, dass gute Juristen mit schlechter Handschrift profitieren werden, schlechte Juristen mit schlechter Handschrift dagegen eher Nachteile haben werden. Vielleicht gibt es ja wirklich mal eine Studie dazu.
Klingt zumindest logisch. Streng genommen, ist es aber eher das Defizit der Korrektoren, die einfach Schlagworte suchen und sich die Mühe nicht machen, alles zu lesen/zu entziffern.
Die Schlagwortfokussierung und nur halbherziges Lesen der Ausführungen ist bekannt, aber dieser Weg ist natürlich nicht der ideale Weg oder der eigentlich gedachte Weg.
Dann ist das E-Examen aber auch insofern tatsächlich ein Fortschritt, wenn die Klausuren richtig gelesen werden.
Dem würde ich mich anschließen. Die Qualität der Korrektur dürfte durch ein E-Examen tatsächlich steigen, einfach weil mehr gelesen/wahrgenommen wird. Das wiederum dürfte von Vorteil für die Examenskandidaten sein, die die Korrektur dann (hoffentlich) auch besser nachvollziehen können. Wenn der richtige Begriff an der falschen Stelle kommt (und der Korrektor dies in seinem Votum auch entsprechend darlegt), steigt doch automatisch auch die Transparenz der Korrektur. Das Argument, sich nicht mehr hinter schlechter Handschrift "verstecken" zu können, dürfte dagegen keines sein das Argument mit dem (vermuteten) Überlesen falscher Dinge in schlechter Handschrift lässt sich dagegen genauso gut umdrehen: in der schlechten Handschrift geht eine eigentlich gute Begründung ggf. schlicht unter.
Mal rein aus Interesse, da ich noch nie Klausuren korrigiert habe: ist das mit dem richtigen Begriff im richtigen Zusammenhang nicht eher ein "Scheinproblem"? Wenn man nicht weiß wo die Klausur tatsächlich hinwill, die Informationen des Sachverhalts nicht richtig verwertet und Gesetz/Rechtsprechung nicht korrekt auf diese anzuwenden weiß...dann fällt doch realistisch betrachtet überhaupt kein Schlagwort, oder? Sicher gibt es himmelweite Unterschiede in der Begründungstiefe der Kandidaten. Manche überzeugen mit ihren Ausführungen mehr, manche weniger, manche überhaupt nicht. Was die Korrektur dann aber umso fairer machen würde, weil sie noch stärkere Differenzierungen ermöglicht.
Was mich am E-Examen eher stört: Dadurch wird die fachfremde Bedeutung des "schnellen Schreibens" bzw. "schnellen Tippens" nochmal erhöht. Es ist jetzt schon so, dass man einen signifikanten Vorteil hat, wenn man schnell schreiben kann. Das kann man sicher ein Stück weit trainieren. Aber es ist eben auch eine Talentfrage. Beim Tippen ist es doch dasselbe. Wer sich vor 15 Jahren das Zehn-Finger-System beigebracht hat, hat einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber demjenigen, der sich mit dem Zwei-Finger-Suchsystem durchschlägt (und jetzt kurz vor dem Examen umlernen muss).
Das hätte bei mir definitiv nur funktioniert bei nahezu unlesbarer Handschrift.
Das ist aber in der Tat nicht ganz selten, dass angesichts deutlicher Hinweise im Sachverhalt auswendiggelernte Streitstände abgerufen werden, die sich für sich genommen ganz passabel lesen, doch sich an der Überschrift und dem Prüfungsort zeigt, dass kein Verständnis da war, was das alles überhaupt bedeutet. Auf Zuruf etwas abspulen ohne zu wissen warum und wozu ist aber kein Jura.
Was natürlich nie der richtige Weg sein sollte.
Aber "sollen" und "sein" sind da ja leider häufig auseinander...
15.07.2021, 09:56
Finde die Argumente gegen das E-Examen derartig schwach, dass es beinahe fassungslos macht.
15.07.2021, 12:39
15.07.2021, 13:23
15.07.2021, 14:50
(15.07.2021, 13:23)Gast schrieb:(15.07.2021, 12:39)Gast schrieb:(14.07.2021, 23:56)HerrKules schrieb: Der Unterschied: tippen ist ein Praxis-Skill.
Ebenso schnell mit der Hand schreiben zu können, etwa in mündlichen Verhandlungen und Hauptverhandlungen.
wieso, ist da laptop-/tabletverbot?
wieso, ist da stiftverbot? (Gar nicht so einfach, dieses argumentative und orthographische Level, Respekt!)
15.07.2021, 22:05
(15.07.2021, 14:50)Gast schrieb:Nein, aber niemand außer einem selber muss es lesen können. Das ist zumindest bei mir ein extremer Unterschied was die Geschwindigkeit angeht.(15.07.2021, 13:23)Gast schrieb:(15.07.2021, 12:39)Gast schrieb:(14.07.2021, 23:56)HerrKules schrieb: Der Unterschied: tippen ist ein Praxis-Skill.
Ebenso schnell mit der Hand schreiben zu können, etwa in mündlichen Verhandlungen und Hauptverhandlungen.
wieso, ist da laptop-/tabletverbot?
wieso, ist da stiftverbot? (Gar nicht so einfach, dieses argumentative und orthographische Level, Respekt!)
11.01.2022, 21:15
Hallo,
gibt es hier jemanden, der schonmal am E-Examen (Sachsen) teilgenommen hat und über seine Erfahrung berichten kann?
gibt es hier jemanden, der schonmal am E-Examen (Sachsen) teilgenommen hat und über seine Erfahrung berichten kann?