15.06.2021, 16:01
Baden-Württemberg SR II - Revisionsgutachten: Ich war's nicht, ich war's doch - ne ich war's doch nicht - frag den Edgar Ehrlich
Sachverhalt
Strafbefehl:
Staatsanwaltschaft legt dem Angeklagten mit Strafbefehl zur Last, dass
1. er im Juni 2020 gegen 21:00 Uhr auf einer übersichtlichen Straße einen LKW überholt habe, obwohl ein Auto sich auf der Gegenspur befand. Beim Überholmanöver musste der Geschädigte stark bremsen, geriet an die Leitplanke und das Auto erlitt einen Schaden von 500 EUR.
2. Am selben Tag habe er bei seiner Vernehmung angegeben, dass sein Freund S gefahren sein, der alkoholisiert war, um ihn somit falsch zu verdächtigen. Wahlweise habe er bei seiner späteren Zeugenvernehmung versucht, die Strafe gegen S zu vereiteln, indem er angab, selbst gefahren zu sein.
3. Irgendwann anders - zumindest nicht am gleichen Tag wie Tat 1- gegen 01:30 Uhr sei der Angeklagte mit seinem "Pedelec" (E-Bike) betrunken durch die Stadt gefahren. Die Blutalkoholprobe um 4:30 Uhr ergab 1,45 Promille.
Urteil AG:
§§ 315c I Nr. 2 b), III Nr. 2, 164 I, 316; 53 StGB
Zusätzlich zu den Feststellung im Strafbefehl hat das AG folgendes festgestellt - um das hier schlank zu halten, wird das nicht wiederholt:
1. Durch das Ausweichmanöver und das Rutschen gegen die Leitplanke wurden der Beifahrer des Angeklagte S sowie die Mitfahrerin des Geschädigten in die "konkrete Gefahr eines Schadens gebracht". Der (geschädigte) Zeuge sagt aus, dass ein 500 EUR Schaden an seinem Wagen entstand.
2. Um von sich selbst abzulenken, hat der Angeklagte seinen Freund S bezichtigt, gefahren sein und somit "wider besseren Wissens" gehandelt.
3. Neben der Alkoholisierung hatte der Angeklagte bei seiner Fahrt mit dem E-Bike keine Fahrausfälle.
Berufung LG Konstanz:
Berufung wird verworfen.
I. Persönliche Verhältnisse
keine Vorstrafen
II. Sachverhalt
Das Berufungsgericht verweist auf die Sachverhaltsfeststellungen des AG
III. Beweiswürdigung
1. Auch wenn keiner der Zeugen den Angeklagten als Fahrer erkannt hat, war er es. Der S beruft sich auf sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 I StPO. Denn es entspricht der "allgemeinen Lebenserfahrung", dass sich niemand in die Gefahr begibt, sich von einem Betrunken fahren zu lassen. Zudem wurde der Angeklagte gegen 22:00 Uhr (eine Stunde nach der Tat) 10km entfernt vom Tatort mit seinem Freund S rauchend aufgefunden.
Mit der Aussage der Fahrerin hinter dem Angeklagten, kann nachgewiesen werden, dass der Angeklagte immer wieder nach rechts und links fuhr, um sich einen Überblick über die Möglichkeit eines Überholmanövers zu verschaffen. Die Sicht war gut. Die Strecke war grundsätzlich grade mit kleiner Kurve, aber übersichtlich. Durch die Schlangenlinien handelte der Angeklagte grob verkehrswidrig und rücksichtlos.
Mit der Aussage des Zeugen, kann nachgewiesen werden, dass das Auto des Geschädigten einen Schaden in Höhe von 3.000 EUR erlitt.
2. Die falsche Verdächtigung kann mit der Aussage des PHM nachgewiesen werden, der den Angeklagten damals nach § 55 II StPO belehrte. Zudem steht nach dem vorgenannten die Täterschaft des Angeklagten fest.
3. Mit der Aussage der Polizisten, kann die Alkoholfahrt mit dem E-Bike nachgewiesen werden.
IV. Strafzumessung
Strafrahmen ergibt sich aus §§ 315c III, 164 I, 316 I StGB.
Strafe bleibt gleicht, auch wenn der Angeklagte tatsächlich keine Vorstrafen aufweist.
Zu Lasten des Angeklagten geht das "gefährliche Überholmanöver" und, dass es nur "vom Zufall abhing, dass keine Verletzungen eingetreten sind". Zudem ist dem Angeklagten der Hohe Sachschaden von 3.500 EUR anzulasten.
Protokoll der Berufungsverhandlung:
1. Eine Eintragung im BZR wegen Trunkenheit im Verkehr.
2. Verteidiger stellt Beweisantrag für die Tatsache, dass der Angeklagte im Zeitpunkt des Unfalls in der Kneipe mit dem Kneipenwirt Edgar Ehrlich saß, dort trank und den Sieg des FC Bayern München feierte.
Das Gericht lehnt den Beweisantrag ab: Nach allgemeiner Lebenserfahrung kann der Zeuge sich nicht mehr an den Tag erinnern, da er niemals vernommen wurde und seit der Tat schon 9 Monate vergangen sind.
I. Zulässigkeit der Revision
1. Statthaftigkeit, § 333 StPO gegen Strafkammer
2. Rechtsmittelberechtigung und Beschwer
- Einlegung durch Verteidiger, § 297 StPO
- Beschwer mit Geldstrafe und §§ 69, 69a StGB
3. Frist und Form der Einlegung, § 341 StPO
- am selben Tag des Berufungsurteils beim LG Konstanz
4. Frist und Form der Begründung, §§ 344, 345 StPO
- Zustellung Urteil am 16.04.2021 --> Einlegung am 30.04.2021 = innerhalb Monatsfrist (+)
II. Begründetheit der Revision
1. Verfahrenshindernisse
a) Zulässigkeit der Berufung, §§ 312 ff. StPO
- laut Aufgabentext form- und fristgerecht
b) fehlende Anklage für die Bestrafung nach § 315c StGB?
- Strafbefehl wirft für Tat 1 nur § 316 StGB vor
--> § 315c StGB aber lediglich Änderung Tatmodalitäten
--> damit von zur Last gelegter prozessualer Tat erfasst (=gesamte Fahrt mit Umständen in Strafbefehl und auch nicht genannten Umständen, die untrennbar mit dem Lebenssachverhalt verbunden sind)
c) Umgrenzungsfunktion missachtet durch Wahlfeststellung?
- Zulässigkeit = nur die eine oder die andere Tat möglich (= § 164 I oder § 258 I, III StGB) und nicht etwas anderes (wie Freispruch)
--> hier entweder: Angeklagter fuhr und hat § 164 I StGB oder Angeklagter fuhr nicht und deswegen § 258 III StGB
- Bestimmtheit Strafbefehl und Eröffnungsbeschluss (Strafbefehl stellt Eröffnungsbeschluss dar), §§ 407 I 4, 409, 408 III 1, 207 StPO
2. Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzungen
a) § 338 Nr. 7 StPO (-)
- vermeintliche unvollständiges Urteil (wegen lediglich Verweis auf Sachverhaltsdarstellungen AG Urteil) nicht von Norm erfasst
b) § 244 III 3 Nr. 4 StPO (+)
aa) fehlerhafte Ablehnung Beweisantrag?
- Prüfungsumfang Revisionsgericht: nur, ob Begründung vorhanden und ob mit dieser hätte abgelehnt werden dürfen --> keine Ersetzung Ablehnungsgrund; keine Rekonstruktion der Hauptverhandlung ("HV")
- Voraussetzung für Ablehnung Zeuge wegen zu langer Zeit: Unmöglichkeit der Erinnerung, nicht nur (auch hohe) Wahrscheinlichkeit, dass keine Erinnerungen --> sehr strenger Maßstab, da Vorwegnahme Beweiswürdigung
- zudem: kein Erfahrungswert bzgl. Zeitraum des Erinnerungsvermögens eines Zeugens
- Folge: Ablehnung fehlerhaft, da auf "Lebenserfahrung" der Nichtkenntnis gestützt
bb) Beruhen des Urteils auf Fehler
- (+), da nicht auszuschließen, dass Edgar Ehrlich Angeklagten entlastet
c) Inbegriffsrüge nach § 261 StPO (-)
- Prüfungsumfang Revisionsgericht: keine Rekonstruktion der HV, nur mit zulässigen Beweismitteln prüfbar = Urteilsurkunde und ggf. Protokoll --> Protokoll setzt voraus, dass § 273 III StPO (=wörtliche Protokollierung)
--> Beweisangebot der Mitschrift des Verteidigers kein zulässiges Beweismittel
--> kein § 273 III StPO
- Aussage Zeuge nicht zulässig nachprüfbar
d) Beweisverwertungsverbot bzgl. der Aussage des PHM zur falschen Verdächtigung, §§ 261, 55 II StPO (-)
- Angeklagter lediglich als Zeuge belehrt
--> Aufdrängung Vernehmung und Belehrung als Beschuldigter?
--> (-), da keine Kenntnis über Fahrer des Autos im Zeitpunkt der Vernehmung
--> (-) bzgl. falscher Verdächtigung, da Strafbarkeit durch Aussage selbst und damit nicht vorher Beschuldigter
e) § 265 I StPO bzgl. Verurteilung zu § 315c anstelle wie im Strafbefehl § 316 StGB bzgl. Unfallfahrt
- nach Bearbeitervermerk Hinweis nach § 265 I StPO erfolgt
- Wenn Unfallfahrt nicht im Strafbefehl: fehlender Strafbefehl und Eröffnungsbeschluss = unbehebbares Verfahrenshindernis = Einstellung nach § 354 I StPO
f) Zwischenergebnis
- Bzgl. Tat Ziff. 1 und 2 beruht Urteil auf Fehler und ist mit Feststellungen aufzuheben
3. Sachlichrechtliche Gesetzesverletzungen
- Prüfungsumfang: falsche Rechtsanwendung auf festgestellten Sachverhalt (allgemeine Sachrüge) und Feststellungen frei von Widersprüchen, nicht lückenhaft, plausible Schlussfolgerungen und kein Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze (Darstellungsrüge)
a) Darstellungsrüge
aa) Sachverhalt
- Verweis auf AG Urteil zulässig, wenn kein Abweichen Berufungsgericht vom Schuldspruch (+)
bb) Beweiswürdigung
(1) Fahrereigenschaft Angeklagter
- keine Auseinandersetzung mit § 55 StPO durch S = Zulässigkeit der nachteiligen Schlussfolgerungen bezogen auf S = Aufdrängen der Grund der Verweigerung (=entweder selbst gefahren oder § 323c StPO)
- keine Lebenserfahrung für Fahrereigenschaft, weil S betrunken, da nicht selten auch Betrunkene fahren
(2) grobe Verkehrswidrigkeit
- Schlangenlinien Fahren hinterm LKW, um Sicht zu verschaffen = grob verkehrswidrig = unlogisch, da nach § 5 II StVO Überholmanöver nur bei freier Bahn erlaubt und Übersichtverschaffung durch rechts und links Vorbeigucken am LKW alltagsüblich
(3) Sachschaden 3.500 EUR
- widersprüchlich, da nach Sachverhalt des AG - auf den Bezug genommen wird - 500 EUR festgestellt
cc) Strafzumessung
(1) Angabe Strafrahmen (+)
- nur "ergibt sich aus §§ 315c, 164 I, 316 StGB" ausreichend
(2) Beibehaltung Einzelstrafen, obwohl keine Vorstrafe (+)
- im AG Vorstrafe festgestellt --> liegt eigentlich nicht vor
- Beibehaltung Einzelstrafen auch ohne Vorstrafe nicht unlogisch
(3) konkrete Würdigung nach § 46 StGB
- gesamte Umstände des festgestellten Sachverhalts
- Zu Lasten = "grob verkehrswidriges Verhalten" + "Ausbleiben Verletzungen nur aufgrund Zufall" = TB-Merkmale = Würdigung zu Lasten gem. § 46 III StGB unzulässig
- Würdigung hoher Schaden von 3.500 EUR unzulässig, da nach Feststellung 500 EUR und damit widersprüchlich
dd) Beruhen
- Urteil beruht im Gesamtstrafenausspruch auf den Fehlern
- Urteil beruht hinsichtlich Verurteilung §§ 315c, 164 I StGB auf der fehlerhaften Beweiswürdigung
b) allgemeine Sachrüge
- Prüfungsumfang: Urteilsfeststellung (SV) tragen jeweiligen Verurteilungen
aa) § 315c I Nr. 2 b), III Nr. 2 StGB
(1) falsche überholt, § 5 II StVO (+)
- Gegenverkehr = Überholmanöver nur ohne Beeinträchtigung erlaubt
(2) grob verkehrswidrig
- Überholen bei Gegenverkehr (+)
(3) rücksichtlos
- um schneller voranzukommen und Irrelevanz Interessen Gegenverkehr (+)
(4) konkrete Gefahr (-)
- 500 EUR = kein erheblicher Schaden (-)
--> keine weiteren Feststellungen zum Wert Kfz und möglicher Schaden
- Leib oder Leben
--> Urteil verwendet im Sachverhalt lediglich "durch Ausweichmanöver konkret gefährdet" = keine überprüfbare Tatsachengrundlage (-)
bb) § 164 I StGB
(1) Verdächtigung rechtswidriger Tat
- nach Urteilsfeststellungen Angeklagter gefahren = Verdächtigung S des § 315c I Nr. 1a) StGB
(2) objektiv falsche Verdächtigung
- da nach SV Angeklagter gefahren auch objektiv falsch
(3) Absicht der Verfahrenseinleitung
- "um von sich abzulenken" = Verfahrenseinleitung als notwendiges Zwischenziel (+/-)
(4) Wider besseren Wissens bzgl. Tatbegehung
- da nach Feststellung selber gefahren (+)
Anmerkung: Feststellungen zur subjektiven Seite waren grenzwertig, deswegen kann hier auch vertreten werden, dass die Feststellungen die subjektive Seite nicht tragen.
cc) § 316 StGB
(1) Fahrzeug im öffentlichen Verkehr geführt
- Ort nicht in Feststellungen genannt, damit bereits (-), da Privatgelände straffrei
- Fahrrad vom Tatbestand erfasst
(2) Fahruntüchtigkeit
- nach Urteilsfeststellungen keine Fahrfehler = nur absolute Fahruntüchtigkeit möglich
- 1,45 Promille mit Rückrechnung = 1,55 Promille bei Tat
- 1,6 oder 1,1 Promille-Grenze bei E-Bike?
--> 1,6 Promille-Grenze, da nicht gleiche Leistungsfähigkeit notwendig wie mit Kfz
(3) Zwischenergegbnis
- TB nicht erfüllt; andere Feststellungen nicht zu erwarten; eigene Entscheidung Revisionsgericht (§ 354 I StPO = Freispruch)
Entscheidungsentwurf (wohl keine Klausuraufgabe)
Das Urteil des LG Konstanz wird aufgehoben. Soweit der Angeklagte wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilt wurde, wird er freigesprochen. Im Übrigen wird die Sache unter Aufhebung der Feststellungen - bis auf die Feststellungen zur fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr, welche aufrechterhalten bleiben - an eine andere Kammer des LG Konstanz zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
15.06.2021, 16:14
@ Dartus: War die E-Bike Fahrt nicht an einem anderen Tag? Ich hatte es so verstanden, dass die Frage einer prozessualen Tat (§§ 265 oder 266) hinsichtlich der Falschaussage auf dem Polizeirevier und der Fahrt mit dem Überholmanöver zu diskutieren war?! Vielleicht war der Sachverhalt im GPA Bereich diesbezüglich auch anders! LG, ein Fan aus dem Norden!
15.06.2021, 16:17
(15.06.2021, 16:14)Gast schrieb: @ Dartus: War die E-Bike Fahrt nicht an einem anderen Tag? Ich hatte es so verstanden, dass die Frage einer prozessualen Tat (§§ 265 oder 266) hinsichtlich der Falschaussage auf dem Polizeirevier und der Fahrt mit dem Überholmanöver zu diskutieren war?! Vielleicht war der Sachverhalt im GPA Bereich diesbezüglich auch anders! LG, ein Fan aus dem Norden!
Ja, die E-Bike-Fahrt war an einem anderen Tag. Für Tat 1 war im Strafbefehl § 316 StGB vorgeworfen. Das AG verurteilte diesbezüglich wegen § 315c StGB. Sonst wich das AG nicht von der rechtliche Wertung des Strafbefehls ab, soweit ich mich erinnere. Oder meinst du, dass die E-Bike-Fahrt nicht im Strafbefehl angegeben war?
15.06.2021, 16:27
Bei mir haben die Feststellungen grob verkehrswidrig bei 315c nicht hergegeben. Hatte den Fischer so verstanden, dass das nur für Überholen gilt, wo außerordentlich schlechte Sicht bestand. Mit der nur leichten Rechtskurve und der Sichtfehleinschätzung von 70m hab ich das abgelehnt.
15.06.2021, 16:29
(15.06.2021, 16:17)Dartus-BW schrieb:(15.06.2021, 16:14)Gast schrieb: @ Dartus: War die E-Bike Fahrt nicht an einem anderen Tag? Ich hatte es so verstanden, dass die Frage einer prozessualen Tat (§§ 265 oder 266) hinsichtlich der Falschaussage auf dem Polizeirevier und der Fahrt mit dem Überholmanöver zu diskutieren war?! Vielleicht war der Sachverhalt im GPA Bereich diesbezüglich auch anders! LG, ein Fan aus dem Norden!
Ja, die E-Bike-Fahrt war an einem anderen Tag. Für Tat 1 war im Strafbefehl § 316 StGB vorgeworfen. Das AG verurteilte diesbezüglich wegen § 315c StGB. Sonst wich das AG nicht von der rechtliche Wertung des Strafbefehls ab, soweit ich mich erinnere. Oder meinst du, dass die E-Bike-Fahrt nicht im Strafbefehl angegeben war?
Ich verstehe folgenden Teil deiner Lösung nicht:
"b) fehlende Anklage für die Bestrafung nach § 315c StGB?
- Strafbefehl wirft für Tat 1 nur § 316 StGB vor
--> § 315c StGB aber lediglich Änderung Tatmodalitäten"Es geht doch vielmehr um die Frage, ob der Sachverhalt, der im Strafbefehl einen § 164 StGB anklagt, eine prozessuale Tat mit der "§315c StGB" Fahrt darstellt. Wenn ja, dann ist nur ein Hinweis nach § 265 StPO notwendig (ansonsten Verfahrensrüge nach § 337). Liegt jedoch keine prozessuale Tat vor, dann ist die Umgrenzungsfunktion der Anklage nicht eingehalten.. Ich sehe keine Zusammenhang zwischen der § 316er Pedelec-Fahrt und der § 315c Vw Golf Fahrt!
15.06.2021, 16:33
Also wenn ich mich richtig erinnere war bei uns (Sachsen) der Strafbefehl für die (eigentliche) 315er Tat nur Wahlfeststellung zwischen falscher Verdächtigung und Strafvereitelung. 316 betraf ein ganz anderes Delikt (E-Bike) und hatte nichts mit der abgeurteilten Tat zu tun.
Mag aber sein, dass sich die Sachverhalte da unterschieden haben.
Mag aber sein, dass sich die Sachverhalte da unterschieden haben.
15.06.2021, 16:33
Es kam mir auch seltsam fair vor. Das muss bedeuten, dass ich irgendwas ganz Schlimmes übersehen hab

15.06.2021, 16:41
Für die Frage, ob § 265 I StPO ausreicht oder eine Nachtragsanklage erforderlich ist, ist folgendes relevant:
Ist die verurteilte Tat von der prozessualen Tat des Strafbefehls (§ 264 StPO) miterfasst, dann reicht ein Hinweis aus. Ist die Tat hingegen nicht von der mit Strafbefehl zur Last gelegten prozessualen Tat umfasst, reicht ein Hinweis nicht aus und es fehlt an einer Anklage für die verurteilte Tat. Das wäre bspw. der Fall, wenn du eine Anklage wegen Körperverletzung erhältst und das Gericht dich dann wegen Körperverletzung und Brandstiftung (welche 5 Wochen später stattgefunden haben soll) verurteilt.
In BW lag Wahlfeststellungen zwischen § 264 I oder § 258 I, III StGB vor. Es spielte also keine Rolle, ob die falsche Verdächtigung eine prozessuale Tat mit der "Unfallfahrt" bildete. Die Frage der prozessualen Tat stellte sich lediglich, weil - verbessert mich, wenn ich hier falsch liege - der Strafbefehl die Unfallfahrt als § 316 StGB bewertete und das Gericht aber wegen der Unfallfahrt nach § 315c StGB verurteilte.
Ist die verurteilte Tat von der prozessualen Tat des Strafbefehls (§ 264 StPO) miterfasst, dann reicht ein Hinweis aus. Ist die Tat hingegen nicht von der mit Strafbefehl zur Last gelegten prozessualen Tat umfasst, reicht ein Hinweis nicht aus und es fehlt an einer Anklage für die verurteilte Tat. Das wäre bspw. der Fall, wenn du eine Anklage wegen Körperverletzung erhältst und das Gericht dich dann wegen Körperverletzung und Brandstiftung (welche 5 Wochen später stattgefunden haben soll) verurteilt.
In BW lag Wahlfeststellungen zwischen § 264 I oder § 258 I, III StGB vor. Es spielte also keine Rolle, ob die falsche Verdächtigung eine prozessuale Tat mit der "Unfallfahrt" bildete. Die Frage der prozessualen Tat stellte sich lediglich, weil - verbessert mich, wenn ich hier falsch liege - der Strafbefehl die Unfallfahrt als § 316 StGB bewertete und das Gericht aber wegen der Unfallfahrt nach § 315c StGB verurteilte.
15.06.2021, 16:46
(15.06.2021, 16:41)Dartus-BW schrieb: Für die Frage, ob § 265 I StPO ausreicht oder eine Nachtragsanklage erforderlich ist, ist folgendes relevant:
Ist die verurteilte Tat von der prozessualen Tat des Strafbefehls (§ 264 StPO) miterfasst, dann reicht ein Hinweis aus. Ist die Tat hingegen nicht von der mit Strafbefehl zur Last gelegten prozessualen Tat umfasst, reicht ein Hinweis nicht aus und es fehlt an einer Anklage für die verurteilte Tat. Das wäre bspw. der Fall, wenn du eine Anklage wegen Körperverletzung erhältst und das Gericht dich dann wegen Körperverletzung und Brandstiftung (welche 5 Wochen später stattgefunden haben soll) verurteilt.
In BW lag Wahlfeststellungen zwischen § 264 I oder § 258 I, III StGB vor. Es spielte also keine Rolle, ob die falsche Verdächtigung eine prozessuale Tat mit der "Unfallfahrt" bildete. Die Frage der prozessualen Tat stellte sich lediglich, weil - verbessert mich, wenn ich hier falsch liege - der Strafbefehl die Unfallfahrt als § 316 StGB bewertete und das Gericht aber wegen der Unfallfahrt nach § 315c StGB verurteilte.
Ich kann nach der Klausur nicht mehr selbst denken. Kommt es hier darauf an, ob der 29.05 als er dann selbst dieses Schreiben geschrieben hat, dass er gefahren ist, darauf an, ob es eine prozessuale Tat ist? Oder was war mit dem Schreiben zu tun?
15.06.2021, 16:47
(15.06.2021, 16:41)Dartus-BW schrieb: Für die Frage, ob § 265 I StPO ausreicht oder eine Nachtragsanklage erforderlich ist, ist folgendes relevant:
Ist die verurteilte Tat von der prozessualen Tat des Strafbefehls (§ 264 StPO) miterfasst, dann reicht ein Hinweis aus. Ist die Tat hingegen nicht von der mit Strafbefehl zur Last gelegten prozessualen Tat umfasst, reicht ein Hinweis nicht aus und es fehlt an einer Anklage für die verurteilte Tat. Das wäre bspw. der Fall, wenn du eine Anklage wegen Körperverletzung erhältst und das Gericht dich dann wegen Körperverletzung und Brandstiftung (welche 5 Wochen später stattgefunden haben soll) verurteilt.
In BW lag Wahlfeststellungen zwischen § 264 I oder § 258 I, III StGB vor. Es spielte also keine Rolle, ob die falsche Verdächtigung eine prozessuale Tat mit der "Unfallfahrt" bildete. Die Frage der prozessualen Tat stellte sich lediglich, weil - verbessert mich, wenn ich hier falsch liege - der Strafbefehl die Unfallfahrt als § 316 StGB bewertete und das Gericht aber wegen der Unfallfahrt nach § 315c StGB verurteilte.
Ich hatte es so verstanden, dass der Strafbefehl die Pedelec Fahrt als § 316 StGB bewertete und keinerlei Angaben zur Unfallfahrt gemacht hat, sondern nurnoch nur zur anschließenden Vernehmung! sprich folgende Sachverhalte im Strafbefehl: 1. Wahlfeststellung: Falsche Verdächtigung/§ 258 mit dem Brief 2-3 Tage später und 2. die Pedelec Fahrt!