15.05.2022, 20:29
Ich schaue gerade in das Kaiserskript "Die ör-Klausur im Assessorexamen" und finde ein Formulierungsbeispiel dort etwas merkwürdig. (Rn. 242)
Und zwar wird für die Entscheidungsgründe bei einer rechtmäßigen Ermessenentscheidung folgendes ausgeführt:
In den Obersatz kommt, dass die Klage unbegründet ist, weil dem Kläger der geltend gemachte Anspruch nicht zusteht. Dann wird geschrieben, dass 1. die formellen Anspruchsvoraussetzungen und 2. die materiellen Tatbestandsvoraussetzungen jeweils vorliegen (mit weiteren Ausführungen), und dann als 3.: "Der Beklagte hat sein Versagungsermessen aber, soweit das Gericht prüfen kann, in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt."
Das ist doch eigentlich aber kein korrekter Urteilsstil, oder? Die Klage ist unbegründet, weil der Beklagte sein Versagungsermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt hat. Was mit den formellen/materiellen Voraussetzungen der Norm ist, hat damit nichts zu tun.
Und zwar wird für die Entscheidungsgründe bei einer rechtmäßigen Ermessenentscheidung folgendes ausgeführt:
In den Obersatz kommt, dass die Klage unbegründet ist, weil dem Kläger der geltend gemachte Anspruch nicht zusteht. Dann wird geschrieben, dass 1. die formellen Anspruchsvoraussetzungen und 2. die materiellen Tatbestandsvoraussetzungen jeweils vorliegen (mit weiteren Ausführungen), und dann als 3.: "Der Beklagte hat sein Versagungsermessen aber, soweit das Gericht prüfen kann, in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt."
Das ist doch eigentlich aber kein korrekter Urteilsstil, oder? Die Klage ist unbegründet, weil der Beklagte sein Versagungsermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt hat. Was mit den formellen/materiellen Voraussetzungen der Norm ist, hat damit nichts zu tun.
15.05.2022, 22:42
Da hast du streng genommen recht. Die Darstellung im Kaiserskript entspricht aber der verwaltungsgerichtlichen Praxis und wird in der Klausur erst recht erwartet, weil dort auf alle Probleme eingegangen werden soll.
Juristisch ließe sich hierzu anführen, dass nur wenn der Tatbestand der Ermächtigungsgrundlage erfüllt ist, sich der Behörde überhaupt ein Ermessen eröffnet, dessen Ausübung gerichtlich überprüft werden kann. Auch kann die Ermächtigungsgrundlage auf die Ermessensprüfung Einfluss nehmen, etwa bei einer durch sie intendierten Ermessensausübung. Man kann diese Prüfungspunkte also nicht mit der Begründung dahinstehen lassen, dass jedenfalls das Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden sei und die Klageabweisung nur darauf beruhe.
Juristisch ließe sich hierzu anführen, dass nur wenn der Tatbestand der Ermächtigungsgrundlage erfüllt ist, sich der Behörde überhaupt ein Ermessen eröffnet, dessen Ausübung gerichtlich überprüft werden kann. Auch kann die Ermächtigungsgrundlage auf die Ermessensprüfung Einfluss nehmen, etwa bei einer durch sie intendierten Ermessensausübung. Man kann diese Prüfungspunkte also nicht mit der Begründung dahinstehen lassen, dass jedenfalls das Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden sei und die Klageabweisung nur darauf beruhe.
16.05.2022, 09:18
Die Behörden machen die meisten Sachen ja auch nicht einmal, sondern wiederkehrend. Es nützt denen also durchaus, etwas mehr als zwingend nötig zu schreiben.
16.05.2022, 15:54
Im öffentlichen Recht wird kein strenger Urteilsstil angewendet.
Das schreibt explizit auch Kintz in seinem Lehrbuch zum öffentlichen Recht. Man handelt üblicherweise auch Sachen ab, die strenggenommen nicht erforderlich wären, aber im üblichen Schema zu prüfen sind.
Das heißt natürlich nicht, dass du nun anfangen solltest, in den Gutachtenstil zu verfallen. Es ist aber viel eher als im Zivilrecht möglich, auch Prüfungspunkte abzuklappern, die eigentlich nicht erforderlich wären.
Im Übrigen wird die reine Lehre des Urteilsstils nicht einmal im Zivilrecht in den Lösungsskizzen der Klausuren streng durchgehalten. Mir sind schon mehrfach Urteilsklausuren untergekommen, in denen seitenlang Sachen geprüft wurden nur um dann zu sagen: "darauf kommt es aber nicht an, weil ...". Persönlich würde ich so aber nicht verfahren. Im Zivilrecht solltest du dich streng an § 313 III ZPO halten (Die Entscheidungsgründe enthalten eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht) und alles Überflüssige ins Hilfsgutachten packen. Dann kann dir keiner ans Bein pinkeln.
Das schreibt explizit auch Kintz in seinem Lehrbuch zum öffentlichen Recht. Man handelt üblicherweise auch Sachen ab, die strenggenommen nicht erforderlich wären, aber im üblichen Schema zu prüfen sind.
Das heißt natürlich nicht, dass du nun anfangen solltest, in den Gutachtenstil zu verfallen. Es ist aber viel eher als im Zivilrecht möglich, auch Prüfungspunkte abzuklappern, die eigentlich nicht erforderlich wären.
Im Übrigen wird die reine Lehre des Urteilsstils nicht einmal im Zivilrecht in den Lösungsskizzen der Klausuren streng durchgehalten. Mir sind schon mehrfach Urteilsklausuren untergekommen, in denen seitenlang Sachen geprüft wurden nur um dann zu sagen: "darauf kommt es aber nicht an, weil ...". Persönlich würde ich so aber nicht verfahren. Im Zivilrecht solltest du dich streng an § 313 III ZPO halten (Die Entscheidungsgründe enthalten eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht) und alles Überflüssige ins Hilfsgutachten packen. Dann kann dir keiner ans Bein pinkeln.


