10.03.2024, 10:03
Ich hatte hier letztens schon gepostet, dass ich gerne den Berufseinstieg in die Justiz machen möchte, am liebsten bei einer Fachgerichtsbarkeit. Die Noten bringe ich entsprechend mit, sodass sich diese (elendige) Diskussion bitte erübrigt.
Für die Fachgerichtsbarkeit spricht mMn:
-hohe Spezialisierung, um auch auf das Fachwissen der Anwälte reagieren zu können-
-weniger Arbeitsbelastung im Vergleich zur ordentlichen Gerichtsbarkeit
-weniger Versetzungsprobleme durchs ganze B-Land
Ich frage mich aber, wohin die Reise gehen soll, genauer in welche Gerichtsbarkeit. Mir geht es im Kern darum eine Gerichtsbarkeit zu wählen, bei der viel juristisch gearbeitet wird, also nicht so wie am AG Pusemuckel letztlich die Beweisaufnahme entscheidet. Dafür habe ich zu großes Interesse an "Jura in Reinform". Welche Gerichtsbarkeit wäre denn hierfür prädestiniert, also wo hat man die meisten Rechtsfragen? Zur Auswahl stehen ja:
-Verwaltungsgericht
-Sozialgericht
-Arbeitsgericht
Im Verwaltungsgericht gilt aber ja das Kammerprinzip. Hier stelle ich mir die Frage, wie sehr sich das auf meine richterlichen Alltag auswirken wird, wie unabhängig bin ich wirklich, muss ich mich "rechtfertigen" für beispielsweise Homeoffice oder oder oder.. Mag eventuell mal jemand berichten?
Für die Fachgerichtsbarkeit spricht mMn:
-hohe Spezialisierung, um auch auf das Fachwissen der Anwälte reagieren zu können-
-weniger Arbeitsbelastung im Vergleich zur ordentlichen Gerichtsbarkeit
-weniger Versetzungsprobleme durchs ganze B-Land
Ich frage mich aber, wohin die Reise gehen soll, genauer in welche Gerichtsbarkeit. Mir geht es im Kern darum eine Gerichtsbarkeit zu wählen, bei der viel juristisch gearbeitet wird, also nicht so wie am AG Pusemuckel letztlich die Beweisaufnahme entscheidet. Dafür habe ich zu großes Interesse an "Jura in Reinform". Welche Gerichtsbarkeit wäre denn hierfür prädestiniert, also wo hat man die meisten Rechtsfragen? Zur Auswahl stehen ja:
-Verwaltungsgericht
-Sozialgericht
-Arbeitsgericht
Im Verwaltungsgericht gilt aber ja das Kammerprinzip. Hier stelle ich mir die Frage, wie sehr sich das auf meine richterlichen Alltag auswirken wird, wie unabhängig bin ich wirklich, muss ich mich "rechtfertigen" für beispielsweise Homeoffice oder oder oder.. Mag eventuell mal jemand berichten?
10.03.2024, 10:42
Nicht dass ich tiefere Kenntnis hätte, aber der Annahme in der (erstinstanzlichen) Arbeitsgerichtsmarkt verstärkt auf "Jura in Reinform" zu treffen stehe ich skeptisch gegenüber.
10.03.2024, 11:06
Also dass was ich aus Protokollen kenne für den nördlichen Raum ist, dass ohne entsprechende Arbeitserfahrung der Einstieg in die SG bzw Arbeitsgerichtsbarkeit sehr schwierig ist. FG ist gleich R2 und geht daher ohne Arbeitserfahrung gar nicht.
VG muss Kapazitäten haben (gibts ja nicht so viele VG-Richter), deswegen oft lange Wartezeiten, oft werden auch Landesbeste in 2. abgelehnt - weil eben nichts frei.
VG muss Kapazitäten haben (gibts ja nicht so viele VG-Richter), deswegen oft lange Wartezeiten, oft werden auch Landesbeste in 2. abgelehnt - weil eben nichts frei.
10.03.2024, 14:32
Ich kann dir leider nur antworten mit "kommt darauf an".
Das von dir beschriebene Problem mit dem "Fachwissen von Anwälten" dürfte ein Scheinproblem sein und das an jedem Gericht.
Ob du es mit hochspezialisierten GK-Anwälten zu tun haben wirst oder nicht, wird auf deine Zuständigkeit ankommen. Die meisten Rechtsanwälte bei uns scheinen jedenfalls nicht sehr oft am VG zu klagen, was beispielsweise dadurch deutlich wird, dass ein § 80 Ver zu 99% falsch formuliert ist (kein Scherz). Im Ergebnis legt man die Anträge dann eben aus und geht selbst auf Fehlersuche (Amtsermittlung sei Dank). Man hat teilweise das Gefühl, dass der Anwalt nur klagt, weil der Mandant es unbedingt möchte (entsprechend fallen die Argumente aus). Im Ergebnis habe ich aber ein angenehmes Gleichgewicht zwischen "wo hat der sein Examen her, die Klage ist offensichtlich unbegründet" und "interessantes Problem, noch nie gehört, erst mal auf juris". Da es keinen Anwaltszwang gibt, hat man natürlich aber auch unvertretene Kläger mit denen man sich teilweise herumschlagen darf. Beweisaufnahmen gibt es eher seltener, da die meisten Vorgänge ohnehin aktenkundig sind.
Wenn du ausschließlich "Jura in Reinform" machen möchtest, dann müsstest du zu einem Obergericht, die dann keine Massenarbeit mehr haben und sich eher mit Rechtsproblemen auseinandersetzen dürfen (man kann übrigens auch als Wissenschaftlicher Mitarbeiter zum BVerwG).
Da man beim Sozialgericht als Anwalt auch nicht reich wird, nehme ich an, dass entsprechend wenig spezialisierte Anwälte existieren.
Die meiste Ahnung dürften Anwälte haben, die regelmäßig am Arbeitsgericht auftreten. Dort wird aber, soweit ich es gehört habe, primär versucht, Vergleiche zu schließen, da man sonst mit der Arbeit nicht fertig wird.
Das Kammerprinzip am VG hat m.M.n eher Vorteile als Nachteile. Im ersten Jahr darfst du im klassichen Recht nicht Einzelrichter sein (= Welpenschutz). Wie es mit Homeoffice, Entscheidungsfindung, etc. gehandhabt wird, kommt natürlich auch auf den Kammervorsitzenden an.
Das von dir beschriebene Problem mit dem "Fachwissen von Anwälten" dürfte ein Scheinproblem sein und das an jedem Gericht.
Ob du es mit hochspezialisierten GK-Anwälten zu tun haben wirst oder nicht, wird auf deine Zuständigkeit ankommen. Die meisten Rechtsanwälte bei uns scheinen jedenfalls nicht sehr oft am VG zu klagen, was beispielsweise dadurch deutlich wird, dass ein § 80 Ver zu 99% falsch formuliert ist (kein Scherz). Im Ergebnis legt man die Anträge dann eben aus und geht selbst auf Fehlersuche (Amtsermittlung sei Dank). Man hat teilweise das Gefühl, dass der Anwalt nur klagt, weil der Mandant es unbedingt möchte (entsprechend fallen die Argumente aus). Im Ergebnis habe ich aber ein angenehmes Gleichgewicht zwischen "wo hat der sein Examen her, die Klage ist offensichtlich unbegründet" und "interessantes Problem, noch nie gehört, erst mal auf juris". Da es keinen Anwaltszwang gibt, hat man natürlich aber auch unvertretene Kläger mit denen man sich teilweise herumschlagen darf. Beweisaufnahmen gibt es eher seltener, da die meisten Vorgänge ohnehin aktenkundig sind.
Wenn du ausschließlich "Jura in Reinform" machen möchtest, dann müsstest du zu einem Obergericht, die dann keine Massenarbeit mehr haben und sich eher mit Rechtsproblemen auseinandersetzen dürfen (man kann übrigens auch als Wissenschaftlicher Mitarbeiter zum BVerwG).
Da man beim Sozialgericht als Anwalt auch nicht reich wird, nehme ich an, dass entsprechend wenig spezialisierte Anwälte existieren.
Die meiste Ahnung dürften Anwälte haben, die regelmäßig am Arbeitsgericht auftreten. Dort wird aber, soweit ich es gehört habe, primär versucht, Vergleiche zu schließen, da man sonst mit der Arbeit nicht fertig wird.
Das Kammerprinzip am VG hat m.M.n eher Vorteile als Nachteile. Im ersten Jahr darfst du im klassichen Recht nicht Einzelrichter sein (= Welpenschutz). Wie es mit Homeoffice, Entscheidungsfindung, etc. gehandhabt wird, kommt natürlich auch auf den Kammervorsitzenden an.
10.03.2024, 15:36
Zum Inhaltlichen hat mein Vorredner schon das Wichtigste gesagt. Der Spezialisierungsgrad richtet sich beim VG auch nach dessen Grösse: je mehr Kammern, desto spezialisierter sind diese, da weniger Rechtsgebiete auf diese entfallen.
Das Kammerprinzip finde ich grundsätzlich gut, kann aber auch sehr blöd werden, wenn du einen unangenehmen/autoritären Vorsitzenden erwischst. Als Proberichter ist das Mangels echter Unabhängigkeit natürlich doppelt blöd, als erfahrener Lebenszeitrichter kann man sich da zumindest ein Stück weit rausziehen. Für Homeoffice brauchst du zB formal keine Erlaubnis. Auch bist du grundsätzlich dein eigener Herr beim Arbeitspensum, solange dir die nächste Beurteilung und Beförderung egal ist. Wenn nicht, kann eine solche Kammerkonstellation allerdings mitunter zu sehr unschönen Deformationserscheinungen der Beisitzer führen. In dieser Hinsicht bin ich leider mittlerweile um einige Illusionen ärmer, was meinen Glauben an die innere Unabhängigkeit einiger (jüngerer) Kollegen angeht… Aber letztlich kann jeder selbst entscheiden, was er mitmacht und was nicht. Ideal ist es natürlich, wenn du einen Vorsitzenden erwischst, der sich als Primus inter Pares begreift und es versteht, durch eine positive und weitgehend selbstbestimmte (die meisten Sachen werden eh auf den Einzelrichter übertragen) Arbeitsatmosphäre zu motivieren. In diesem Fall würde ich eine Kammertätigkeit immer einer reinen Einzelrichtertätigkeit vorziehen.
Das Kammerprinzip finde ich grundsätzlich gut, kann aber auch sehr blöd werden, wenn du einen unangenehmen/autoritären Vorsitzenden erwischst. Als Proberichter ist das Mangels echter Unabhängigkeit natürlich doppelt blöd, als erfahrener Lebenszeitrichter kann man sich da zumindest ein Stück weit rausziehen. Für Homeoffice brauchst du zB formal keine Erlaubnis. Auch bist du grundsätzlich dein eigener Herr beim Arbeitspensum, solange dir die nächste Beurteilung und Beförderung egal ist. Wenn nicht, kann eine solche Kammerkonstellation allerdings mitunter zu sehr unschönen Deformationserscheinungen der Beisitzer führen. In dieser Hinsicht bin ich leider mittlerweile um einige Illusionen ärmer, was meinen Glauben an die innere Unabhängigkeit einiger (jüngerer) Kollegen angeht… Aber letztlich kann jeder selbst entscheiden, was er mitmacht und was nicht. Ideal ist es natürlich, wenn du einen Vorsitzenden erwischst, der sich als Primus inter Pares begreift und es versteht, durch eine positive und weitgehend selbstbestimmte (die meisten Sachen werden eh auf den Einzelrichter übertragen) Arbeitsatmosphäre zu motivieren. In diesem Fall würde ich eine Kammertätigkeit immer einer reinen Einzelrichtertätigkeit vorziehen.