12.10.2023, 15:02
Hallo,
ich werde in diesem Semester zum ersten mal als Korrektorin an einer Uni tätig und korrigiere sowohl Hausarbeiten als auch Klausuren. Leider gibt es keine wirkliche Einführung, wie man denn eigentlich als Korrektor agiert und was man beachten soll. Bevor ich also mehr oder wenigeer ins Blaue hinein korrigiere, wollte ich mal fragen, ob es hier (ehemalige) Korrektoren gibt, die mir etwas zu ihrer Vorgehensweise mitteilen könnten. Bisher kenn ich nur die studentische Seite einer Korrektur und weiß daher, was ich nicht oder besser machen will. Aber darüberhinaus hab ich keine Ahnung, wie ich das Ganze angehen soll.
Vielen Dank!
ich werde in diesem Semester zum ersten mal als Korrektorin an einer Uni tätig und korrigiere sowohl Hausarbeiten als auch Klausuren. Leider gibt es keine wirkliche Einführung, wie man denn eigentlich als Korrektor agiert und was man beachten soll. Bevor ich also mehr oder wenigeer ins Blaue hinein korrigiere, wollte ich mal fragen, ob es hier (ehemalige) Korrektoren gibt, die mir etwas zu ihrer Vorgehensweise mitteilen könnten. Bisher kenn ich nur die studentische Seite einer Korrektur und weiß daher, was ich nicht oder besser machen will. Aber darüberhinaus hab ich keine Ahnung, wie ich das Ganze angehen soll.
Vielen Dank!
12.10.2023, 17:00
Dass du dir diese Frage überhaupt stellst, finde ich schon sehr gut.
Nach meinem Empfinden hängen gute Korrektoren nicht sklavisch an der Lösungsskizze, sondern honorieren auch gute, alternative Ansätze mit entsprechender Begründung/Herleitung. Ich würde also viel Gewicht auf die Qualität der Argumentation legen, weniger auf das Abspulen von Meinungen.
Außerdem würde ich in die Bewertung wesentlich einfließen lassen, ob jemand eine klare, präzise Ausdrucksweise beherrscht.
Wenn das oben gesagte passt, habe ich als Korrektor es sehr gut verschmerzen können, wenn mal ein (nicht verwirklichtes) Delikt nicht geprüft wurde.
Nach meinem Empfinden hängen gute Korrektoren nicht sklavisch an der Lösungsskizze, sondern honorieren auch gute, alternative Ansätze mit entsprechender Begründung/Herleitung. Ich würde also viel Gewicht auf die Qualität der Argumentation legen, weniger auf das Abspulen von Meinungen.
Außerdem würde ich in die Bewertung wesentlich einfließen lassen, ob jemand eine klare, präzise Ausdrucksweise beherrscht.
Wenn das oben gesagte passt, habe ich als Korrektor es sehr gut verschmerzen können, wenn mal ein (nicht verwirklichtes) Delikt nicht geprüft wurde.
12.10.2023, 17:26
Erster Schritt war bei mir immer, erst einmal die Klausur selber in Skizze zu lösen, um ein Gefühl für Schwerpunkte und Schwierigkeit zu bekommen.
Dann habe ich mir ein Schema gemacht, wie ich grob 18 Punkte verteilen würde.
Nach meiner Erfahrung gibt es in wenigen Klausuren hochwertige Alternativlösungen.
Meistens sind das Fälle, wo eine spät geprüfte Anspruchsvoraussetzung den Anspruch entfallen/entstehen lässt. Hier habe ich es mehr honoriert, ob gut argumentiert wurde, als ob der Lösung gefolgt wurde.
"Biegen" die Bearbeiter früh falsch ab, kommt meist wenig Gutes dabei heraus.
Einige Klausuren sind auf den ersten Blick klar ungenügend/mangelhaft. Hier würde ich keine Zeit verschwenden, wenn jemand zwei Seiten Unsinn geschrieben hat. Diese Zeit nehme ich mir lieber für Leute, die auf der Kippe 3/4 oder 8/9 stehen.
Dann habe ich mir ein Schema gemacht, wie ich grob 18 Punkte verteilen würde.
Nach meiner Erfahrung gibt es in wenigen Klausuren hochwertige Alternativlösungen.
Meistens sind das Fälle, wo eine spät geprüfte Anspruchsvoraussetzung den Anspruch entfallen/entstehen lässt. Hier habe ich es mehr honoriert, ob gut argumentiert wurde, als ob der Lösung gefolgt wurde.
"Biegen" die Bearbeiter früh falsch ab, kommt meist wenig Gutes dabei heraus.
Einige Klausuren sind auf den ersten Blick klar ungenügend/mangelhaft. Hier würde ich keine Zeit verschwenden, wenn jemand zwei Seiten Unsinn geschrieben hat. Diese Zeit nehme ich mir lieber für Leute, die auf der Kippe 3/4 oder 8/9 stehen.
13.10.2023, 07:25
Da niemand eine mehrstündige Klausur insgesamt bewerten kann, teilt man sie in Einzelklausuren auf, also z.B. je Tatkomplex oder Aufgabe. Die bewertet man jeweils für sich und bildet dann den Mittelwert - ggf. zuzüglich Bonus oder Malus.
13.10.2023, 11:37
Auch wenn es Zeit kostet, habe ich immer versucht, Verbesserungsvorschläge in die Randbemerkungen einzubauen. Leider war dann der Stundenlohn auch grottig. Ich hab trotzdem lange korrigiert, weil es wirklich eine gute Übung für dich selbst ist.
Mein Rat: werde dir drüber klar, was du willst. Guter Stundenlohn: kleb an der Lösungsskizze und beruhige dein Gewissen damit, dass ohnehin nur geschätzt 10% mehr als die Note lesen, die du drunter schreibst. Fachliche Entwicklung für dich & die Klausurschreiber: investiere ein bisschen Zeit und durchdenke die Klausur komplett, das macht deine Randbemerkungen besser
Mein Rat: werde dir drüber klar, was du willst. Guter Stundenlohn: kleb an der Lösungsskizze und beruhige dein Gewissen damit, dass ohnehin nur geschätzt 10% mehr als die Note lesen, die du drunter schreibst. Fachliche Entwicklung für dich & die Klausurschreiber: investiere ein bisschen Zeit und durchdenke die Klausur komplett, das macht deine Randbemerkungen besser
17.10.2023, 12:00
Der wohl wichtigste Tipp:
Korrigier nur in Rechtsgebieten, die du auch selbst beherrschst. Nicht unbedingt im Sinne von "Du könntest jedes Problem daherbeten" sondern im Sinne von "Gebiet tatsächlich verstanden"
Dann kapierst du auch, wenn einer falsch abbiegt, ob das in irgendeiner Form Sinn ergibt oder nicht und kannst das entsprechend honorieren.
Ich hatte damals bewusst nur im Strafrecht korrigiert, auch wenn ich nicht der 15+ Punkte Kandidat war, sondern "nur" der 9-10 Punkte Kandidat. Trotzdem konnte ich unterscheiden, was ist eine 14 P Klausur, was eine 9 P Klausur, was eine 2 oder 4 P Klausur.
Fehlt dir das Verständnis dafür, kannst du dich noch so sehr anstrengen, das wird nix.
Klingt zwar alles simpel, haben aber gefühlt 50% der Korrektoren nicht und daraus entsteht dann der Willküreindruck.
Ich hab mir trotz "strenger" Bewertung bei 4 Korrektureinsätzen mit je 40 Klausuren/Hausarbeiten nie ne Remo gefangen, also kanns nicht mies gewesen sein ;)
Korrigier nur in Rechtsgebieten, die du auch selbst beherrschst. Nicht unbedingt im Sinne von "Du könntest jedes Problem daherbeten" sondern im Sinne von "Gebiet tatsächlich verstanden"
Dann kapierst du auch, wenn einer falsch abbiegt, ob das in irgendeiner Form Sinn ergibt oder nicht und kannst das entsprechend honorieren.
Ich hatte damals bewusst nur im Strafrecht korrigiert, auch wenn ich nicht der 15+ Punkte Kandidat war, sondern "nur" der 9-10 Punkte Kandidat. Trotzdem konnte ich unterscheiden, was ist eine 14 P Klausur, was eine 9 P Klausur, was eine 2 oder 4 P Klausur.
Fehlt dir das Verständnis dafür, kannst du dich noch so sehr anstrengen, das wird nix.
Klingt zwar alles simpel, haben aber gefühlt 50% der Korrektoren nicht und daraus entsteht dann der Willküreindruck.
Ich hab mir trotz "strenger" Bewertung bei 4 Korrektureinsätzen mit je 40 Klausuren/Hausarbeiten nie ne Remo gefangen, also kanns nicht mies gewesen sein ;)
17.10.2023, 16:34
Also wenn ich mir hier die Antworten durchlesen, dann geh ich davon aus, dass die Vergütung bei euren Korrekturen eine sehr geringe oder gar keine Rolle gespielt hat. Denn wer mit derartigem Aufwand Klausuren korrigiert, der kommt nur schwer über Mindestlohnniveau.
Also ich finde das ehrenhaft, sich das dann "anzutuen" und den juristischen Nachwuchs weiterzubringen. Ich könnte mir das pr mich aber nicht vorstellen und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass mehr als 10% der Korrektoren so tätig sind.
Also ich finde das ehrenhaft, sich das dann "anzutuen" und den juristischen Nachwuchs weiterzubringen. Ich könnte mir das pr mich aber nicht vorstellen und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass mehr als 10% der Korrektoren so tätig sind.
17.10.2023, 18:28
Ich habe meist am Ende noch einmal die Klausuren verglichen, die ich gleich/ähnlich bepunktet habe. Meist verschiebt sich der Maßstab nach einigen Klausuren und so kann man noch einmal den eigenen Maßstab evaluieren.
17.10.2023, 18:59
Ich habe mir am Anfang in Word erstmal eine kleine Lösungsskizze mit dem tatsächlichen Lösungsvorschlag gemacht (also so Stichpunktemäßig).
Danach hab ich mir die Klausuren vorgenommen und Randbemerkungen gemacht.
Dabei habe ich die Klausuren in drei Kategorien unterteilt (Gut, Mittel, Durchgefallen).
Zum Ende habe ich dann mit Hilfe der Randbemerkungen für jede Klausur ein kleines Feedback geschrieben und die Endnoten vergeben.
Falls zuviele bearbeiter durchgefallen sind, habe ich den entsprechenden Lehrstuhl kontaktiert.
Für Grundstudiumsklausuren hat das so 20 Minuten pro Klausur gedauert, wobei das echt immer gut variieren kann. Öffentlich-rechtliche Klausuren dauern meiner Erfahrung nach stets länger, während es bei Zivilrechtlichen auch mal ganz schnell gehen kann (insbesondere im Grundstudium, wenn die Leute offensichtlich zu wenig gelernt haben).
hab mir auch (zum Glück) noch nie ne Remo gefangen
Danach hab ich mir die Klausuren vorgenommen und Randbemerkungen gemacht.
Dabei habe ich die Klausuren in drei Kategorien unterteilt (Gut, Mittel, Durchgefallen).
Zum Ende habe ich dann mit Hilfe der Randbemerkungen für jede Klausur ein kleines Feedback geschrieben und die Endnoten vergeben.
Falls zuviele bearbeiter durchgefallen sind, habe ich den entsprechenden Lehrstuhl kontaktiert.
Für Grundstudiumsklausuren hat das so 20 Minuten pro Klausur gedauert, wobei das echt immer gut variieren kann. Öffentlich-rechtliche Klausuren dauern meiner Erfahrung nach stets länger, während es bei Zivilrechtlichen auch mal ganz schnell gehen kann (insbesondere im Grundstudium, wenn die Leute offensichtlich zu wenig gelernt haben).
hab mir auch (zum Glück) noch nie ne Remo gefangen
