07.07.2024, 06:32
(06.07.2024, 21:16)Friedman schrieb: Die Aussagen des fröhlichen Richters zur Finanzverwaltung in dieser Allgemeinheit sind natürlich abwegig. Wer sollte denn die Rechtsbehelfsstellen in der Finanzverwaltung leiten? Numismatiker? Auch in der Steuerfahndung und Buß- und Strafsachenstelle sind Juristen mit ihren sinnlosen Strafrechtskenntnissen selbstverständlich deplatziert. Da bräuchte man besser den Altamtsprüfer als Führungskraft, der ein Semester mal ein paar StGB-Normen vor 30 Jahren hineingeprügelt bekommen hat. Und auch in den Körperschaften und Personengesellschaften braucht man keine Juristen; egal, dass die Hälfte der Amtsprüfer ihre Lebtage lang nie verstehen wird, was Gesamthand bedeutet. Und Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht ist natürlich auch vollkommen zivilrechtsferne Materie.
Mal im Ernst: Der Grund für Juristen in der Finanzverwaltung ist das hohe Maß an Selbstorganisation und die Befähigung zu logischem Denken. Natürlich weiß jeder Sachbearbeiter mehr über doppelte Haushaltsführung und außergewöhnliche Belastung als die allermeisten Juristen. Der Jurist hat dort seine Berechtigung, wo die Finanzbeamten nicht weiterkommen. Das ist dort, wo die EStR und das BMF schweigen. Die meisten Bearbeiter verabscheuen diese Situation, während wir gerade gelernt haben anhand abstrakter Regeln einen Sachverhalt zu beurteilen. Dem Finanzbeamten liegt ein Rechtsdenken näher, dass eher dem Common Law entspricht. Der Jurist ist für die Finanzverwaltung unverzichtbar. Wo er meines Erachtens nichts verloren hat, ist in der allgemeinen Veranlagung.
Und was Führungskompetenz betrifft: Das kann man mE nicht erlernen. Es gibt Leute, die geborene Anführer sind und solche, die der millionenste Kurs nicht zur Menschenführung befähigen würde. Kurse, Bücher etc. sind da nur Hilfsmittel zur Weiterbildung.
In einigen Bereichen wie z. B. Fahndung sowie Bußgeld-/Strafsachen stimme ich ohne weiteres zu. Ansonsten bleibe ich dabei, dass es keinen intrinsischen Qualifikationsvorsprung für Juristen im höheren Dienst der Finanzverwaltung gibt, der das sog. Juristenmonopol dort rechtfertigt. Das gibt es übrigens in dieser ausgeprägten Form auch in praktisch keinem anderen Gebiet der öffentlichen Verwaltung, auch jenen mit hoher normativer Komplexität. Wenn man wirklich meint, dass ein frisch gebackener Volljurist mit durchschnittlichem Examen ohne steuerrechtliche Vorkenntnisse nach kurzem Traineeprogramm in den Aufgaben des höheren Dienstes pauschal besser befähigt ist, als zum einen erfahrene Sachbearbeiter und zum anderen Bewerber ohne juristischen Abschluss, zeugt das vielleicht vor allem vom juristischen Standesdünkel, den manche mit sich rumtragen. Ein Wunder, wenn der Rest der Welt das nicht versteht. Andererseits wird das Ganze sich wahrscheinlich in absehbarer Zeit von selbst erledigen, weil die Verwaltungsbehörden, einschließlich der noch stark das Juristenmonopol verteidigenden Finanzverwaltung, angesichts des Mangels an neuen Juraabsolventen voraussichtlich gezwungen sein werden, ihre Einstellungspraxis für den höheren Dienst zu ändern.
07.07.2024, 07:19
Das ist so off topic, aber ich verstehe die Vorwürfe des Fröhlichen Richters nicht, wenn man bedenkt, dass die Finanzverwaltung nicht ausschließlich Juristen im höheren Dienst beschäftigt, sondern eben auch Masterabsolventen aus verschiedenen Richtungen und aufgestiegene Steuerfachleute. Was die Juristen dort angeht, teile ich im Wesentlichen die Darstellung von Friedmann. Sie sind insoweit unverzichtbar. Alle anderen Verwaltungen beschäftigen im übrigen auch Juristen, die neben juristischen Prüfungen noch Führungsverantwortung haben. Innenverwaltung, BAMF, Polizei, Zoll, the list goes on.
Gegen andere Berufe zu schießen, macht die Situation in der Justiz auch nicht besser.
Gegen andere Berufe zu schießen, macht die Situation in der Justiz auch nicht besser.
08.07.2024, 13:59
Ich bin am Sozialgericht und würde mich immer wieder dafür entscheiden. Denn die hier genannten Nachteile, die man als Richter z.B. in der ordentlichen Gerichtsbarkeit hat, habe ich nicht:
- Arbeitsbelastung empfinde ich als völlig moderat, nach jetzt drei Jahren komme ich eigentlich gut mit 30-35 Stunden hin (Spitzen gibt es natürlich)
- ich kann arbeiten wann und wo ich will, ich muss keinerlei Rücksprache mit anderen Richtern oÄ halten, nur für meine Serviceeinheit erreichbar sein
Für mich gibt’s keinen Job, der mehr Freiheiten bietet.
Ich habe in der Ref-Station in der Verwaltung gearbeitet und kann mir das auch immer noch gut vorstellen im Rahmen einer Abordnung. Aber langfristig gibt’s für mich eigentlich nur den Richterjob, vor allem wenn man neben dem Beruf noch andere Sachen hat, die einen erfüllen. Die reine Richtertätigkeit könnte langfristig tatsächlich etwas langweilig sein, da gibt’s in der Verwaltung glaube ich mehr Abwechslung und auch mehr Teamarbeit. Aber dafür gibt’s ja die Abordnung und auch andere Sachen, die man als Richter machen kann (Verwaltungstätigkeit, Prüfer, AG-Leiter, …).
- Arbeitsbelastung empfinde ich als völlig moderat, nach jetzt drei Jahren komme ich eigentlich gut mit 30-35 Stunden hin (Spitzen gibt es natürlich)
- ich kann arbeiten wann und wo ich will, ich muss keinerlei Rücksprache mit anderen Richtern oÄ halten, nur für meine Serviceeinheit erreichbar sein
Für mich gibt’s keinen Job, der mehr Freiheiten bietet.
Ich habe in der Ref-Station in der Verwaltung gearbeitet und kann mir das auch immer noch gut vorstellen im Rahmen einer Abordnung. Aber langfristig gibt’s für mich eigentlich nur den Richterjob, vor allem wenn man neben dem Beruf noch andere Sachen hat, die einen erfüllen. Die reine Richtertätigkeit könnte langfristig tatsächlich etwas langweilig sein, da gibt’s in der Verwaltung glaube ich mehr Abwechslung und auch mehr Teamarbeit. Aber dafür gibt’s ja die Abordnung und auch andere Sachen, die man als Richter machen kann (Verwaltungstätigkeit, Prüfer, AG-Leiter, …).
Wer Richter auf Probe bzw. Staatsanwalt werden möchte, sollte sich mit dem Karriere-Dossier über die Einstellungschancen und Bewerbungsvoraussetzungen informieren. Das Karriere-Dossier ist als Print-Buch sowie als E-Book für alle 16 Bundesländer erhältlich:
https://www.juristenkoffer.de/richter/karriere-dossier-richter-staatsanwalt-werden.php
Und zur Vorbereitung auf das alles entscheidende Vorstellungsgespräch sollte man auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben.
https://www.juristenkoffer.de/richter/karriere-dossier-richter-staatsanwalt-werden.php
Und zur Vorbereitung auf das alles entscheidende Vorstellungsgespräch sollte man auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben.
08.07.2024, 15:09
(08.07.2024, 13:59)VerzweifelterJurist schrieb: Ich bin am Sozialgericht und würde mich immer wieder dafür entscheiden. Denn die hier genannten Nachteile, die man als Richter z.B. in der ordentlichen Gerichtsbarkeit hat, habe ich nicht:
- Arbeitsbelastung empfinde ich als völlig moderat, nach jetzt drei Jahren komme ich eigentlich gut mit 30-35 Stunden hin (Spitzen gibt es natürlich)
- ich kann arbeiten wann und wo ich will, ich muss keinerlei Rücksprache mit anderen Richtern oÄ halten, nur für meine Serviceeinheit erreichbar sein
Für mich gibt’s keinen Job, der mehr Freiheiten bietet.
Ich habe in der Ref-Station in der Verwaltung gearbeitet und kann mir das auch immer noch gut vorstellen im Rahmen einer Abordnung. Aber langfristig gibt’s für mich eigentlich nur den Richterjob, vor allem wenn man neben dem Beruf noch andere Sachen hat, die einen erfüllen. Die reine Richtertätigkeit könnte langfristig tatsächlich etwas langweilig sein, da gibt’s in der Verwaltung glaube ich mehr Abwechslung und auch mehr Teamarbeit. Aber dafür gibt’s ja die Abordnung und auch andere Sachen, die man als Richter machen kann (Verwaltungstätigkeit, Prüfer, AG-Leiter, …).
Magst du erzählen, in welchem Bundesland du tätig bist? Das finde ich zur Einordnung der Arbeitsbelastung immer wichtig.
Und hast du damals zwischen VerwG und SozialG geschwankt und dich wegen der "Kammerfreiheit" für das SozialG entschieden oder was waren da die Gründe?
08.07.2024, 15:41
(08.07.2024, 13:59)VerzweifelterJurist schrieb: Ich bin am Sozialgericht und würde mich immer wieder dafür entscheiden. Denn die hier genannten Nachteile, die man als Richter z.B. in der ordentlichen Gerichtsbarkeit hat, habe ich nicht:
- Arbeitsbelastung empfinde ich als völlig moderat, nach jetzt drei Jahren komme ich eigentlich gut mit 30-35 Stunden hin (Spitzen gibt es natürlich)
- ich kann arbeiten wann und wo ich will, ich muss keinerlei Rücksprache mit anderen Richtern oÄ halten, nur für meine Serviceeinheit erreichbar sein
Für mich gibt’s keinen Job, der mehr Freiheiten bietet.
Ich habe in der Ref-Station in der Verwaltung gearbeitet und kann mir das auch immer noch gut vorstellen im Rahmen einer Abordnung. Aber langfristig gibt’s für mich eigentlich nur den Richterjob, vor allem wenn man neben dem Beruf noch andere Sachen hat, die einen erfüllen. Die reine Richtertätigkeit könnte langfristig tatsächlich etwas langweilig sein, da gibt’s in der Verwaltung glaube ich mehr Abwechslung und auch mehr Teamarbeit. Aber dafür gibt’s ja die Abordnung und auch andere Sachen, die man als Richter machen kann (Verwaltungstätigkeit, Prüfer, AG-Leiter, …).
Auch von mir Danke für den Input. Mich würde auch interessieren, weshalb du dich gegen VG und für SG entschieden hast und wie spannend/ abwechslungsreich die Verfahren am SG sind. Wäre toll, wenn du einen kurzen Einblick in den Arbeitsalltag geben könntest :)
08.07.2024, 19:34
„Und hast du damals zwischen VerwG und SozialG geschwankt und dich wegen der "Kammerfreiheit" für das SozialG entschieden oder was waren da die Gründe?“
Tatsächlich genau das. Außerdem wollte ich kein AsylR machen. Und ich hatte den Eindruck, dass am VG auch viel Unspannendes entschieden wird und eben nicht nur POR oder so „coole“ Fälle, wie man sie aus dem Studium kennt. Und der Standort des SG hat mir besser gepasst als der vom VG (wollte aus familiären Gründen in der Nähe der Heimat bleiben). Eine Freundin war Richterin am SG in NRW und hatte sehr positiv berichtet, daher hatte ich mich einfach mal beworben. Wäre aber bestimmt auch am VG glücklich geworden.
Bin in NRW.
Ich habe eine Kammer für Krankenversicherungsrecht und Schwerbehindertenrecht. Finde KR sehr spannend und sind sehr abwechslungsreiche Fälle auch mit immer neuen rechtlichen Problemen, SB ist tatsächlich rechtlich eher langweilig / unproblematisch. So ist es aber insgesamt eine gute Mischung aus Verfahren, wo es nur um reine Rechtsfragen geht und man mit spezialisierten Anwälten streitet und Verfahren, wo es eher darum geht den unvertretenen Klägern die Rechtslage zu erklären und man nach Gutachten entscheidet. Schwierige Kläger habe ich selten, aber man hat am SG - so vermute ich - deutlich mehr mit Menschen / Einzelschicksalen zu tun als am VG. Am SG sind es auch häufiger existenzielle Fragen. Muss man mögen.
Zu Sozialrecht hatte ich vorher übrigens keinerlei Bezug, bin aber trotzdem schnell reingekommen.
Tatsächlich genau das. Außerdem wollte ich kein AsylR machen. Und ich hatte den Eindruck, dass am VG auch viel Unspannendes entschieden wird und eben nicht nur POR oder so „coole“ Fälle, wie man sie aus dem Studium kennt. Und der Standort des SG hat mir besser gepasst als der vom VG (wollte aus familiären Gründen in der Nähe der Heimat bleiben). Eine Freundin war Richterin am SG in NRW und hatte sehr positiv berichtet, daher hatte ich mich einfach mal beworben. Wäre aber bestimmt auch am VG glücklich geworden.
Bin in NRW.
Ich habe eine Kammer für Krankenversicherungsrecht und Schwerbehindertenrecht. Finde KR sehr spannend und sind sehr abwechslungsreiche Fälle auch mit immer neuen rechtlichen Problemen, SB ist tatsächlich rechtlich eher langweilig / unproblematisch. So ist es aber insgesamt eine gute Mischung aus Verfahren, wo es nur um reine Rechtsfragen geht und man mit spezialisierten Anwälten streitet und Verfahren, wo es eher darum geht den unvertretenen Klägern die Rechtslage zu erklären und man nach Gutachten entscheidet. Schwierige Kläger habe ich selten, aber man hat am SG - so vermute ich - deutlich mehr mit Menschen / Einzelschicksalen zu tun als am VG. Am SG sind es auch häufiger existenzielle Fragen. Muss man mögen.
Zu Sozialrecht hatte ich vorher übrigens keinerlei Bezug, bin aber trotzdem schnell reingekommen.
08.07.2024, 19:35
Ich kann tatsächlich auch kurzen Input zum BAMF geben:
Mit der geregelten Arbeitszeit kommt man hin und niemand dort hat unzufrieden oder überlastet gewirkt. Grade in der Rechtsabteilung war es ganz nice. Man konnte einiges delegieren und hat sich selbst um schwierigere Fragestellungen/ Fallgestaltungen gekümmert. Interesse für die Materie muss natürlich da sein.
Komplette e-Akte und HO ohne Probleme möglich. Alles sehr modern.
Soweit meine Erfahrung aus der Ref-Station.
Hätte ich nicht direkt eine Einladung zur StA bekommen wäre ich wohl zum BAMF gegangen.
Mit der geregelten Arbeitszeit kommt man hin und niemand dort hat unzufrieden oder überlastet gewirkt. Grade in der Rechtsabteilung war es ganz nice. Man konnte einiges delegieren und hat sich selbst um schwierigere Fragestellungen/ Fallgestaltungen gekümmert. Interesse für die Materie muss natürlich da sein.
Komplette e-Akte und HO ohne Probleme möglich. Alles sehr modern.
Soweit meine Erfahrung aus der Ref-Station.
Hätte ich nicht direkt eine Einladung zur StA bekommen wäre ich wohl zum BAMF gegangen.