03.02.2023, 20:11
Hey,
ich bin Proberichterin und derzeit hab ich ein Dezernat am AG. Mal ganz davon abgesehen, dass mir das Dezernat komplett absäuft, habe ich Montag die ersten Verhandlungen. Und nun bekomme ich allmählich mega Panik, weil ich mir die Szenarien ausmale:
Funktioniert das Diktiergerät?
Wie protokolliere ich richtig, insbesondere einen Vergleich?
Was mach ich, wenn ein Zeuge nicht kommt? Vertagen? Ordnungsgeld?
Fragen über Fragen. Wie seid ihr in eurer Anfangszeit mit Szenarien umgegangen, wo ihr nicht sofort eine Lösung für hattet? Verhandlung unterbrochen und nachgefragt?
ich bin Proberichterin und derzeit hab ich ein Dezernat am AG. Mal ganz davon abgesehen, dass mir das Dezernat komplett absäuft, habe ich Montag die ersten Verhandlungen. Und nun bekomme ich allmählich mega Panik, weil ich mir die Szenarien ausmale:
Funktioniert das Diktiergerät?
Wie protokolliere ich richtig, insbesondere einen Vergleich?
Was mach ich, wenn ein Zeuge nicht kommt? Vertagen? Ordnungsgeld?
Fragen über Fragen. Wie seid ihr in eurer Anfangszeit mit Szenarien umgegangen, wo ihr nicht sofort eine Lösung für hattet? Verhandlung unterbrochen und nachgefragt?
03.02.2023, 20:19
Kann alle deine Sorgen komplett verstehen. Ich habe versucht, mich auf alles vorzubereiten, was realistischerweise passieren kann. Ansonsten ist es überhaupt kein Problem, wenn du unterbrichst und bei Kollegen nachfragst oder etwas nachliest.
Das Meiste ist einfach eine Routinefrage. Wenn du mal 3-4 Wochen Sitzungen hattest, dann läuft vieles schon ganz automatisch.
Viel Erfolg!
Das Meiste ist einfach eine Routinefrage. Wenn du mal 3-4 Wochen Sitzungen hattest, dann läuft vieles schon ganz automatisch.
Viel Erfolg!
03.02.2023, 22:42
Richterfibel mitnehmen und ansonsten am Schluss der Sitzung entscheiden
04.02.2023, 22:16
1. Es ist völlig normal, dass Du aufgeregt bist. Schlimmer wäre, wenn Du in Selbstüberschätzung unbedacht drauflosgehen würdest.
2. Im Zivilprozess kann man nichts kaputt machen. Antragstellung heilt fast alles, und schlimmstenfalls wird wiedereröffnet.
3. Vorbereitung hilft: ich habe auch noch nach Jahren mein Formular zur Güteverhandlung und Antragstellung genutzt und für jeden Termin ausgefüllt, damit man nichts vergisst und alles Wichtige diktiert.
4. Beim Vergleich nicht vorspielen und genehmigen vergessen...
5. Wenn Überraschendes geschieht, nicht zu unbedachten Aktionen hinreißen lassen: "Danke, das werde ich noch einmal überdenken" geht immer, und wenn es zu durcheinander wird kurz unterbrechen, in Ruhe nachdenken und notfalls Kollegen fragen.
6. Es ist nicht schlimm, zuzugeben: "Das ist meine erste Verhandlung. Wir dürfen es daher nicht übertreiben. Ich habe die Akte von meinem Vorgänger übernommen, fürs Erste ist es nur wichtig, dass wir über ein paar Punkte genauer gesprochen haben".
7. Am Ende Termin "zur Verkündung einer Entscheidung" bestimmen und bis dahin in aller Ruhe überlegen, ob die Sache entscheidungsreif ist, wiedereröffnet und neu terminiert werden muss oder ein Beweisbeschluss ergeht.
Wird schon klappen! Es ist ein toller Beruf, und gerade die mündliche Verhandlung kann richtig Spaß machen. Mit der Zeit wird das alles.
2. Im Zivilprozess kann man nichts kaputt machen. Antragstellung heilt fast alles, und schlimmstenfalls wird wiedereröffnet.
3. Vorbereitung hilft: ich habe auch noch nach Jahren mein Formular zur Güteverhandlung und Antragstellung genutzt und für jeden Termin ausgefüllt, damit man nichts vergisst und alles Wichtige diktiert.
4. Beim Vergleich nicht vorspielen und genehmigen vergessen...
5. Wenn Überraschendes geschieht, nicht zu unbedachten Aktionen hinreißen lassen: "Danke, das werde ich noch einmal überdenken" geht immer, und wenn es zu durcheinander wird kurz unterbrechen, in Ruhe nachdenken und notfalls Kollegen fragen.
6. Es ist nicht schlimm, zuzugeben: "Das ist meine erste Verhandlung. Wir dürfen es daher nicht übertreiben. Ich habe die Akte von meinem Vorgänger übernommen, fürs Erste ist es nur wichtig, dass wir über ein paar Punkte genauer gesprochen haben".
7. Am Ende Termin "zur Verkündung einer Entscheidung" bestimmen und bis dahin in aller Ruhe überlegen, ob die Sache entscheidungsreif ist, wiedereröffnet und neu terminiert werden muss oder ein Beweisbeschluss ergeht.
Wird schon klappen! Es ist ein toller Beruf, und gerade die mündliche Verhandlung kann richtig Spaß machen. Mit der Zeit wird das alles.
04.02.2023, 23:37
Vielen Dank für die ausführlichen Tipps.
Aber was lieber Praktiker meinst du genau damit, dass du dir ein Formular für die mdl. Verhandlung bzw den Ablauf erstellt hast? Magst du das mal ein wenig näher erläutern? Und jetzt noch zwei ganz konkrete Fragen, weil mir die echt im Kopf herumschwirren.
1. Angenommen ich habe vor der mdl. Verhandlung keine Zeugen geladen und auch keinen Beweisbeschluss gemacht. Nun bringt aber eine Partei n Zeugen mit. Kann ich den dann einfach so vernehmen oder muss ich n Beweisbeschluss erst machen?
2. Was mache ich, wenn ein Zeuge nicht kommt? Hat dann automatisch die beweisebelastete Partei den Kürzeren gezogen und mir als Richterin kann das egal sein?
Aber was lieber Praktiker meinst du genau damit, dass du dir ein Formular für die mdl. Verhandlung bzw den Ablauf erstellt hast? Magst du das mal ein wenig näher erläutern? Und jetzt noch zwei ganz konkrete Fragen, weil mir die echt im Kopf herumschwirren.
1. Angenommen ich habe vor der mdl. Verhandlung keine Zeugen geladen und auch keinen Beweisbeschluss gemacht. Nun bringt aber eine Partei n Zeugen mit. Kann ich den dann einfach so vernehmen oder muss ich n Beweisbeschluss erst machen?
2. Was mache ich, wenn ein Zeuge nicht kommt? Hat dann automatisch die beweisebelastete Partei den Kürzeren gezogen und mir als Richterin kann das egal sein?
05.02.2023, 01:35
Ich bin zwar nicht der Vorposter, kann dir zu deinen Fragen aber Folgendes mitgeben:
1) Du brauchst für eine Zeugenvernehmung generell keinen Beweisbeschluss. Keinen Beweisbeschluss zu machen hat zudem den Vorteil, dass du kein konkretes Beweisthema benennen musst. Ich persönlich lade Zeugen deshalb auch grundsätzlich meist ohne Beweisbeschluss. Wenn eine Partei einen spontan verfügbaren Zeugen mitbringt, kannst du ihn also grundsätzlich vernehmen. Kommt natürlich darauf an, ob dir der entsprechend zu beweisende Vortrag konkret genug und überhaupt entscheidungsrelevant ist. Zudem solltest du der jeweils anderen Partei Gelegenheit geben, vor der Vernehmung des Zeugen Stellung zu nehmen.
2) Wenn ein Zeuge nicht kommt und der Rechtsstreit deshalb nicht entscheidungsreif ist, musst du einen neuen Termin machen. Dazu den Zeugen neu laden (falls bisher noch nicht geschehen, spätestens jetzt mit PZU). Fehlt der Zeuge unentschuldigt, zusätzlich Ordnungsgeld verhängen (falls er nicht mit PZU geladen war, lässt sich der Zugang der Ladung allerdings nicht zweifelsfrei nachweisen).
Zum Thema Checkliste: Man kann sich den typischen Ablauf der Verhandlung, die insoweit notwendigen Protokollinhalte und die einschlägigen Standardformulierungen vorab notieren. Beispielsweise würde dann da zum Thema Zeugen stehen:
"Es erscheint nach Aufruf um X Uhr der Zeuge Y. Der Zeuge wird über seine Wahrheitspflicht belehrt und erklärt, die Belehrung verstanden zu haben. Zur Person erklärt der Zeuge..."
Dazu schreibst du dir dann den Wortlaut für die Belehrung und die vom Zeugen abzufragenden Personalien.
1) Du brauchst für eine Zeugenvernehmung generell keinen Beweisbeschluss. Keinen Beweisbeschluss zu machen hat zudem den Vorteil, dass du kein konkretes Beweisthema benennen musst. Ich persönlich lade Zeugen deshalb auch grundsätzlich meist ohne Beweisbeschluss. Wenn eine Partei einen spontan verfügbaren Zeugen mitbringt, kannst du ihn also grundsätzlich vernehmen. Kommt natürlich darauf an, ob dir der entsprechend zu beweisende Vortrag konkret genug und überhaupt entscheidungsrelevant ist. Zudem solltest du der jeweils anderen Partei Gelegenheit geben, vor der Vernehmung des Zeugen Stellung zu nehmen.
2) Wenn ein Zeuge nicht kommt und der Rechtsstreit deshalb nicht entscheidungsreif ist, musst du einen neuen Termin machen. Dazu den Zeugen neu laden (falls bisher noch nicht geschehen, spätestens jetzt mit PZU). Fehlt der Zeuge unentschuldigt, zusätzlich Ordnungsgeld verhängen (falls er nicht mit PZU geladen war, lässt sich der Zugang der Ladung allerdings nicht zweifelsfrei nachweisen).
Zum Thema Checkliste: Man kann sich den typischen Ablauf der Verhandlung, die insoweit notwendigen Protokollinhalte und die einschlägigen Standardformulierungen vorab notieren. Beispielsweise würde dann da zum Thema Zeugen stehen:
"Es erscheint nach Aufruf um X Uhr der Zeuge Y. Der Zeuge wird über seine Wahrheitspflicht belehrt und erklärt, die Belehrung verstanden zu haben. Zur Person erklärt der Zeuge..."
Dazu schreibst du dir dann den Wortlaut für die Belehrung und die vom Zeugen abzufragenden Personalien.
05.02.2023, 10:07
Genau so.
Kleine Ergänzung: Wenn plötzlich Zeugen mitgebracht werden (sehr selten!), ist das eine Situation, wo Du dich kurz zurückziehen und nachdenken kannst: ist die Frage überhaupt beweisbedürftig? Ist die Behauptung konkret genug? Wer ist beweisbelastet - nicht zuerst den Gegenbeweis erheben! Und überhaupt: ist genügend Zeit eingeplant? Bevor sich alle nachfolgenden Termine verschieben, lieber Termin zur Beweisaufnahme bestimmen und den Zeugen laden.
Zum Formular:
Zum Aufruf kommt die Sache ...
Bei Aufruf sind erschienen ... (Parteien und Vertreter, damit man dann nicht anfangen muss zu blättern)
Es wird in die Güteverhandlung eingetreten und der Sach- und Streitstand erörtert.
... (Kern des Sachverhalts notieren, ggf. Unklarheiten klarstellen lassen)
Das Gericht weist auf Folgendes hin: ... (nötige Hinweise)
... Idee für gütliche Einigung
Wegen Scheiterns der Güteverhandlung wird in die mündliche Verhandlung eingetreten.
Der Kläger stellt den Antrag ..., der Beklagte ... (auch hier AS notieren, damit man nicht hektisch rumblättern muss.
Beschlossen und verkündet:
1. ggf. Schriftsatz-Fristen
2. Termin zur Beweisaufnahme / Verkündung einer Entscheidung wird bestimmt auf ...
3. ggf. Laden von Zeugen
Für Beweisaufnahme habe ich ein eigenes Formular, wo ich nicht nur die Formalien (Zeugenbelehrung, Verzicht auf Vorspielen usw.) stehen habe, sondern auch soweit bekannt die persönlichen Daten (kommt viel besser, wenn man den Zeugen kennt und er nur nicken und noch Alter ergänzen muss, und schneller geht es auch) und natürlich das eintrage, was ich von ihm erfahren muss.
VU kannst Du dir auch eine Liste machen (VU-Antrag! Streitwert! Vollstreckbare Ausfertigung!), u.U. auch von typischen Vergleichen (Räumungsvergleich).
Kleine Ergänzung: Wenn plötzlich Zeugen mitgebracht werden (sehr selten!), ist das eine Situation, wo Du dich kurz zurückziehen und nachdenken kannst: ist die Frage überhaupt beweisbedürftig? Ist die Behauptung konkret genug? Wer ist beweisbelastet - nicht zuerst den Gegenbeweis erheben! Und überhaupt: ist genügend Zeit eingeplant? Bevor sich alle nachfolgenden Termine verschieben, lieber Termin zur Beweisaufnahme bestimmen und den Zeugen laden.
Zum Formular:
Zum Aufruf kommt die Sache ...
Bei Aufruf sind erschienen ... (Parteien und Vertreter, damit man dann nicht anfangen muss zu blättern)
Es wird in die Güteverhandlung eingetreten und der Sach- und Streitstand erörtert.
... (Kern des Sachverhalts notieren, ggf. Unklarheiten klarstellen lassen)
Das Gericht weist auf Folgendes hin: ... (nötige Hinweise)
... Idee für gütliche Einigung
Wegen Scheiterns der Güteverhandlung wird in die mündliche Verhandlung eingetreten.
Der Kläger stellt den Antrag ..., der Beklagte ... (auch hier AS notieren, damit man nicht hektisch rumblättern muss.
Beschlossen und verkündet:
1. ggf. Schriftsatz-Fristen
2. Termin zur Beweisaufnahme / Verkündung einer Entscheidung wird bestimmt auf ...
3. ggf. Laden von Zeugen
Für Beweisaufnahme habe ich ein eigenes Formular, wo ich nicht nur die Formalien (Zeugenbelehrung, Verzicht auf Vorspielen usw.) stehen habe, sondern auch soweit bekannt die persönlichen Daten (kommt viel besser, wenn man den Zeugen kennt und er nur nicken und noch Alter ergänzen muss, und schneller geht es auch) und natürlich das eintrage, was ich von ihm erfahren muss.
VU kannst Du dir auch eine Liste machen (VU-Antrag! Streitwert! Vollstreckbare Ausfertigung!), u.U. auch von typischen Vergleichen (Räumungsvergleich).