28.06.2022, 08:00
(27.06.2022, 22:29)Anwalt22 schrieb: Vielen Dank für eure Antworten!
es sind monatlich bislang etwa im Schnitt 16.000-20.000€ Umsatz.
Mandate dürfen wir keine ablehnen. Das heißt, ich muss alles nehmen. Da ist von Beratungen bis höheren Gebühren alles dabei. Von zähen Fitnessstudiogeschichten bis zu langwierigen Bauprozessen. Wir lagern bereits viel aus, allerdings sind auch unsere ReFas komplett überlastet. Prorisieren geht bei uns auch wirklich nicht.
Es hält sich die Waage. Gerichtlich wie außergerichtlich. In jedem Fall mit Mandantengesprächen. In jedem Fall eine Erstaufnahme, dann ein richtiges Beratungsgespräch nach Durchsicht der Unterlagen, dann die eigentliche Arbeit, dazwischen gefühlt hunderte von Telefonaten. Selbst wenn es nur um eine Replik geht, kommt die Bitte nach Rücksprache die ich schlicht nicht ablehnen darf. Dazu noch die Übernahme von Vorschlägen der Mandanten. Es ist also nicht nur die Anzahl an Mandanten, sondern vielmehr das ganze Rumgetänzel. Und die Erwartungshaltung. Wenn man eine E-Mail des Mandanten mal zwei Tage nicht beantwortet kommen zig Anrufe und Beschwerden gilt zu vermeiden.
Ich habe mit meiner Chefin schon gesprochen. Man wird belächelt oder es wird gesagt, bei den Partnern sei es auch zu viel. Aber geändert wird nichts.
Mein Problem war/ist, dass ich nicht weiß ob das normal ist, da das mein erster richtiger Job ist nach dem Examen.
Sorry, vermutlich nicht deine Schuld, aber die Arbeitsweise macht bei der Anzahl an Mandaten keinen Sinn.
Ich habe selbst in einer kleinen Kanzlei angefangen, in der wir Privatpersonen beraten haben. Die teilten am Telefon mit, worum es geht, man (ich) führte ein Erstgespräch von ca. 1h und dann fertigte ich Klage oder was auch immer anstand, tatsächlich ohne die Mandanten nach Änderungen zu fragen.
Am Anfang fragte ich meinen Chef, ob ich den Mandanten die Klage/den Schriftsatz zur Durchsicht schicken sollte. Mein Chef lachte und sagte natürlich nein, weil wir keine Zeit hätten die vielen Änderungswünsche einzuarbeiten.
Man kann darüber streiten, ob das sinnvoll ist, aber er hat Recht. Die Mandanten sind juristische Laien und gerade das, was von Privatleuten an Anmerkungen kommt, sind einfach nur persönliche Anmerkungen und unsachliche Äußerungen über den Gegner oder den Sachverhalt, die man im Schriftsatz in der Regel nicht haben möchte.
Ich muss dazu sagen, dass wir fast ausschließlich nur in einem Rechtsgebiet tätig waren. Das macht es natürlich einfach, das Erstgespräch so ausführlich zu führen, das man alles erfasst und abschließend berät.
Dann: (fast) alle Telefonate von Mandanten abblocken. Jeder von uns kennt das, wenn man gerade an einem Schriftsatz oder anderem sitzt und 20mal rausgerissen wird. Das ist ineffektiv und man braucht viel länger als man müsste. Das Sekretariat soll abfragen, worum es geht. Nur ganz dringliche, unaufschiebbare Telefonate werden durchgestellt. Was unaufschiebbar ist entscheidet nach Dienstwanweisung das Sekretariat bzw. im Notfall du. Anfragen bitte per Mail. So kannst du entscheiden, wann du antwortest und in welchem Umfang.
Ich hatte mal einen Mandanten, der wurde (vor Corona) in Kurzarbeit geschickt, hatte somit viel Zeit und rief nahezu täglich an. Einmal sogar kauend am Frühstückstisch, was ich seinen Kaugeräuschen entnehmen konnte. Ab da sagte ich der Sekretärin, dass Herr X nicht mehr durchgestellt wird. Punkt.
Das geht nämlich gar nicht, und man muss sich die Mandanten dahingehend erziehen, dass sie nicht solche Erwartungshaltungen entwickeln oder ständig anrufen. Aus dem gleichen Grund beantwortet man auch die E-Mails nicht alle asap, sondern lässt die nicht dringlichen Sachen auch mal 2-3 Tage liegen.
Ein Gerichtsverfahren dauert mehrere Monate bis Jahre. Da passiert nicht alle Tage etwas. Vielleicht kannst du das deinen Mandanten direkt am Anfang sagen.
Wenn du zu meinem Vorschlägen andere Anweisungen von deinen Chefs hast, würde ich das ansprechen und mir tatsächlich eine andere Stelle suchen, wenn es sich nicht bessert. Die Anzahl an Mandaten und die Überlastung des Sekretariats spricht sowieso dafür, dass ihr unterbesetzt seit. Vermutlich fehlen mindestens eine Refa und ein Rechtsanwalt.
Ich arbeite mittlerweile seit vielen Jahren in einer WP-Gesellschaft. Wir betreuen fast ausschließlich Firmen und das ist ein ganz anderes Arbeiten. Die Geschäftsführer und Prokuristen der Firmen haben selber genug zu tun, als dass sie mich täglich anrufen würden. Die haben auch meine Durchwahl und bekommen Schriftsätze, bevor sie rausgehen. Von denen bekomme ich nämlich nur noch ein OK oder Anmerkungen zum Sachverhalt, wenn ich dort etwas falsch verstanden habe. Deswegen möchte ich auch nicht mehr in eine kleine Kanzlei. Zu viel Emotionen, zu viel Rumgenerve, was mich von der Arbeit abhält.
28.06.2022, 08:02
Das ist für eine kleinere Kanzlei und wenig Berufserfahrung echt ordentlicher Umsatz. Und ihr rechnet doch bestimmt relativ viel nach RVG ab? Da muss eine neue Kollegin / ein neuer Kollege eingestellt werden :)