18.09.2021, 11:01
(18.09.2021, 10:39)Gast2 schrieb: PS:
Das heißt nicht, dass Richter/StA ein schlechter Beruf oder die Justiz per se ein schlechter Arbeitgeber ist. Aber damit sich Absolventen ein umfassendes Bild machen können, sollte man halt auch die Schattenseiten des Berufs ansprechen, damit jemand sehen kann, ob ihm die Arbeit langfristig Freude machen wird. Das genannte DRB Positionspapier listet beispielsweise auf S. 23 ff. zahlreiche Themen auf, bei denen Verbesserungsbedarf besteht (Besoldung, Ausgestaltung der Probezeit, Aufstiegs- und Beförderungsmöglichkeiten, Vereinbarkeit von Familie und Beruf (SW: Erprobung), Arbeitsumfeld, Ausstattung, Fortbildung).
Gewerkschaften und sonstige Berufsverbände leben aber auch davon, ungünstige Bedingungen wirklich schlecht darzustellen, um Aufmerksamkeit und Verbesserungsbedarf deutlich zu machen. Ein neutraler Bericht kann von solchen Organisationen nicht erwartet werden, das ist nicht deren Aufgabe. Und ich bin auch Mitglied im DRB. :-)
18.09.2021, 13:10
(18.09.2021, 10:28)Gast2 schrieb:Wo bist Du jetzt, wenn ich fragen darf? :)(17.09.2021, 17:54)RiAG schrieb: Es gibt hier jedes Mal wieder Beiträge, die extrem oberflächlich gegen die Justiz wettern. Wenn man dann fragt, wo genau es hakt, kommt nichts mehr. Sicherlich sind hier auch junge überforderte bzw. unglückliche Richter, einige sind meiner Ansicht nach aber nie Richter gewesen.
Und tatsächlich werden hier eher die Threads erstellen, die unglücklich sind. Das verzehrt natürlich das Bild, dem ich mit meinen Beiträgen etwas entgegensetzen will.
Also Deinen Beitrag finde ich nicht weniger oberflächlich als so manchen Anti-Justiz-Post hier. Deiner Meinung nach besteht die Mehrheit der Postenden, die hier auf Probleme in der Justiz hinweisen, aus gefrusteten Absolventen oder "überforderten Richter". Das finde ich dann auch recht pauschal und undifferenziert. Mag ja sein, dass Du woanders besonders gehaltvolle Beiträge schreibst, aber in diesem Thread halt nicht. Dafür klingt mir das alles zu sehr nach Hurra-Patriotismus. (Wie lange bist Du denn schon Richter?)
Es gibt genug Missstände in der Justiz, die man auch als justizaffiner Mensch - zu der Gruppe zähle ich mich auch - nicht wegbügeln oder schlichtweg zur Einstellungssache erklären kann. Dafür muss man zum Beispiel nur einmal das DRB Positionspapier zur Nachwuchsgewinnung lesen. Oder das im Beck Verlag erschienene Buch "Ende der Wahrheitssuche" lesen. Oder nehmen wir zum Beispiel den Roland Rechtsreport 2019, basierend auf einer Allensbach Umfrage:
Nichtsdestotrotz halten Richter und Staatsanwälte das deutsche Rechtssystem an sich für sehr gut oder gut – und zwar ganze 98 Prozent. Sie klagen allerdings über die angespannte Personalsituation an ihren Dienststellen: 82 Prozent der Richter und sogar 92 Prozent der Staatsanwälte bewerten die Situation negativ. Drei Viertel der befragten Staatsanwälte geben an, es fehle ihnen an Zeit für die Arbeit an ihren Fällen. [...]
Trotz der beklagten Mängel in Sachen Personalausstattung und technische Ausrüstung ist die Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen hoch. 83 Prozent schätzen die selbstbestimmte Arbeitseinteilung, 74 Prozent die abwechslungsreiche Arbeit und 71 Prozent der Befragten sehen eine gute Vereinbarkeit mit dem Familienleben. So würden sich auch 46 Prozent "mit Sicherheit" wieder für ihren Beruf in der Justiz entscheiden, 41 Prozent geben an, ihn "wahrscheinlich" wieder zu wählen.
Interessanterweise halten dennoch 42 Prozent den Beruf des Richters oder Staatsanwalts heute für qualifizierte Nachwuchsjuristen für "eher unattraktiv", 47 Prozent bewerten ihn lediglich als "eher attraktiv".
Ich war etwas mehr als sechs Jahre Richter und habe den Beruf insgesamt sehr gerne ausgeübt. Mit 2 x Gut, Zusatzqualifikationen und entsprechenden Beurteilungen war ich auch einer der besser qualifizierten Richter und sicher nicht überfordert. Dennoch habe ich mich nach reiflicher Überlegung für einen Wechsel entschieden, weil ich glaube, dass sich die strukturellen Probleme in der Justiz eher noch verstärken werden.
18.09.2021, 16:52
Ja, also den DRB als neutrale Quelle anzugeben, halte ich auch für falsch. Natürlich gibt es Verbesserungsbedarf. Bei welchem Beruf gibt es den nicht?
Völlig verfehlt finde ich es, fehlende Beförderungsmöglichkeiten bei der Justiz zu kritisieren. Ich bin in einem Flächenstaat und möchte nicht in die Nähe des OLG ziehen. An das LG als VRiLG möchte ich auch nicht. Bleibt noch ständiger Vertreter und Direktor am AG. Ob das klappt, ist mir eigentlich egal. Ich bin Richter geworden, damit ich frei rechtlich arbeiten kann und nicht um Verwaltungsaufgaben zu erledigen. Ich wusste von Anfang an, dass ich vielleicht bei R1 bleibe. Das sollte aber jeder, der in die Justiz geht, wissen. Dafür steigt R1 ja auch höher als zum Beispiel A13.
Zum Thema Bezahlung: Natürlich würde ich mehr Geld nehmen, aber ich will auch nicht mehr arbeiten. Derzeit arbeite ich konstant unter 41 Stunden die Woche. Ich kann in regelmäßigen Abständen auch mal einen Tag freimachen, ohne Urlaub nehmen zu müssen. Das ist für mich Luxus. Da verzichte ich gerne auf 1.000,00 € mehr. Zugegeben: Ich berichte vom AG. Am LG war es stressiger, aber auch da kam ich mit um die 40 Stunden hin.
Büroausstattung ist zumindest hier gut. Darüber kann ich mich also auch nicht beschweren.
Fazit: Ich bin in der Justiz zufrieden. Kann den TE also nur ermutigen, sich ein eigenes Bild zu machen!
Völlig verfehlt finde ich es, fehlende Beförderungsmöglichkeiten bei der Justiz zu kritisieren. Ich bin in einem Flächenstaat und möchte nicht in die Nähe des OLG ziehen. An das LG als VRiLG möchte ich auch nicht. Bleibt noch ständiger Vertreter und Direktor am AG. Ob das klappt, ist mir eigentlich egal. Ich bin Richter geworden, damit ich frei rechtlich arbeiten kann und nicht um Verwaltungsaufgaben zu erledigen. Ich wusste von Anfang an, dass ich vielleicht bei R1 bleibe. Das sollte aber jeder, der in die Justiz geht, wissen. Dafür steigt R1 ja auch höher als zum Beispiel A13.
Zum Thema Bezahlung: Natürlich würde ich mehr Geld nehmen, aber ich will auch nicht mehr arbeiten. Derzeit arbeite ich konstant unter 41 Stunden die Woche. Ich kann in regelmäßigen Abständen auch mal einen Tag freimachen, ohne Urlaub nehmen zu müssen. Das ist für mich Luxus. Da verzichte ich gerne auf 1.000,00 € mehr. Zugegeben: Ich berichte vom AG. Am LG war es stressiger, aber auch da kam ich mit um die 40 Stunden hin.
Büroausstattung ist zumindest hier gut. Darüber kann ich mich also auch nicht beschweren.
Fazit: Ich bin in der Justiz zufrieden. Kann den TE also nur ermutigen, sich ein eigenes Bild zu machen!
18.09.2021, 17:01
Klar, ich arbeite jetzt in einem Ministerium. Wie bei der Justiz gibt es hier positive wie negative Aspekte. Auf der Plusseite: Höhere Besoldung, Personalverantwortung, mehr Teamarbeit, bessere Beförderungsschancen, Arbeit in Rechtsgebieten, auf die ich mich bereits im Studium/Ref spezialisiert hatte, prestigeträchtigere Fälle, interdisziplinäres Arbeiten mit anderen Fachrichtungen, jede Überstunde wird durch Freizeitausgleich abgegolten, bessere technische und sonstige Büroausstattung, gegenwärtig fünf Tage, nach CoviD dann drei Tage die Woche Home Office ( in der Justiz technisch nur beschränkt möglich und z.B. an meinem Obergericht nicht so gerne gesehen), Fortbildungen werden binnen kürzester Zeit genehmigt, während man in der Justiz mit x anderen Richtern monatelang auf einer Warteliste steht.
Minusseite: vom Arbeitspensum (Hausspitze) mehr fremdbestimmt, die mündlichen Verhandlungen fehlen, in anderen juristischen Referaten sind teilweise weniger fachlich starke Juristen, keine Arbeit "am Menschen", Prüfungsergebnisse werden natürlich nicht so schulmäßig wie beim Gericht präsentiert. Fachlich weniger breit gefächertes Fortbildungsangebot als als Richter (Das Fortbildungsprogramm der Deutschen Richterkademie ist vielfältiger als alles, was ich bis bisher anderswo gesehen habe - man muss nur die Fahrt nach Trier oder Wustrau auf sich nehmen).
Letztendlich hat jeder Beruf seine Stärken wie Schattenseiten, auf die man hinweisen kann. Im Übrigen kann sich die Wahrnehmung auch ändern. Für mich gab es einige Zeit nichts besseres, als Richter zu sein. Insbesondere nachdem ein sehr starker Kollege von mir, mit dem ich berufsethisch auf einer Wellenlänge lag, die Justiz verlassen hat, bin ich ins Grübeln gekommen. Nach drei weiteren Jahren habe ich dann auch entschieden, dass ich erst einmal wieder in einem anderen Beruf arbeiten möchte. Umgekehrt freue ich mich für jeden, der in der Justiz restlos glücklich ist - die Justiz braucht fachlich starke und motivierte Leute.
Minusseite: vom Arbeitspensum (Hausspitze) mehr fremdbestimmt, die mündlichen Verhandlungen fehlen, in anderen juristischen Referaten sind teilweise weniger fachlich starke Juristen, keine Arbeit "am Menschen", Prüfungsergebnisse werden natürlich nicht so schulmäßig wie beim Gericht präsentiert. Fachlich weniger breit gefächertes Fortbildungsangebot als als Richter (Das Fortbildungsprogramm der Deutschen Richterkademie ist vielfältiger als alles, was ich bis bisher anderswo gesehen habe - man muss nur die Fahrt nach Trier oder Wustrau auf sich nehmen).
Letztendlich hat jeder Beruf seine Stärken wie Schattenseiten, auf die man hinweisen kann. Im Übrigen kann sich die Wahrnehmung auch ändern. Für mich gab es einige Zeit nichts besseres, als Richter zu sein. Insbesondere nachdem ein sehr starker Kollege von mir, mit dem ich berufsethisch auf einer Wellenlänge lag, die Justiz verlassen hat, bin ich ins Grübeln gekommen. Nach drei weiteren Jahren habe ich dann auch entschieden, dass ich erst einmal wieder in einem anderen Beruf arbeiten möchte. Umgekehrt freue ich mich für jeden, der in der Justiz restlos glücklich ist - die Justiz braucht fachlich starke und motivierte Leute.
18.09.2021, 17:12
(18.09.2021, 16:52)RiAG schrieb: Ja, also den DRB als neutrale Quelle anzugeben, halte ich auch für falsch. Natürlich gibt es Verbesserungsbedarf. Bei welchem Beruf gibt es den nicht?
Völlig verfehlt finde ich es, fehlende Beförderungsmöglichkeiten bei der Justiz zu kritisieren.
zu (1) Naja, zum einen ist das ein Totschlagsargument ("Alle Berufsvertretungen übertreiben.", "Trau keiner Statistik, die Du nicht selber gefälscht hast." etc.). Zum anderen hast Du, genauso wie der obige Teilnehmer, ignoriert, dass das DRB Positionspapier nur eine von mehreren Quellen war. Eine Allensbach-Umfrage unter Richtern und StAen ist sicherlich repäsentativer als ein Beitrag in einem Forum, ggf. noch von einem Berufseinsteiger (?).
Zu (2) Dann hast Du das Positionspapier leider nicht gelesen, denn das, was Du schreibst, hat dort niemand behauptet: Ab Seite 26:
"Viele Richter und Staatsanwälte bleiben ihr ganzes Leben im Einstiegsamt. Es gibt nur wenige sogenannte Aufstiegs- oder Beförderungsmöglichkeiten. Das ist grundsätzlich gewollt [...] Für die bestehenden Beförderungsmöglichkeiten in in der Justiz muss es klare, allgemeingültige und transparente Regelungen und Verfahrensweisen geben. [...] Vorhandene Personalentwicklungskonzepte müssen konsequent angewandt werden. [...] Die Beförderungen, die möglich sind, dürfen nicht als parteipolitisches Steuerungsinstrument missbraucht werden."
Ansonsten bleibe ich bei meiner obigen Aussage. Richter ist in vielen Aspekten ein toller Beruf, in anderen besteht - wie bei vielen anderen Berufen - noch Verbesserungsbedarf.
18.09.2021, 17:17
(18.09.2021, 17:01)Gast2 schrieb: Klar, ich arbeite jetzt in einem Ministerium. Wie bei der Justiz gibt es hier positive wie negative Aspekte. Auf der Plusseite: Höhere Besoldung, Personalverantwortung, mehr Teamarbeit, bessere Beförderungsschancen, Arbeit in Rechtsgebieten, auf die ich mich bereits im Studium/Ref spezialisiert hatte, prestigeträchtigere Fälle, interdisziplinäres Arbeiten mit anderen Fachrichtungen, jede Überstunde wird durch Freizeitausgleich abgegolten, bessere technische und sonstige Büroausstattung, gegenwärtig fünf Tage, nach CoviD dann drei Tage die Woche Home Office ( in der Justiz technisch nur beschränkt möglich und z.B. an meinem Obergericht nicht so gerne gesehen), Fortbildungen werden binnen kürzester Zeit genehmigt, während man in der Justiz mit x anderen Richtern monatelang auf einer Warteliste steht.
Minusseite: vom Arbeitspensum (Hausspitze) mehr fremdbestimmt, die mündlichen Verhandlungen fehlen, in anderen juristischen Referaten sind teilweise weniger fachlich starke Juristen, keine Arbeit "am Menschen", Prüfungsergebnisse werden natürlich nicht so schulmäßig wie beim Gericht präsentiert. Fachlich weniger breit gefächertes Fortbildungsangebot als als Richter (Das Fortbildungsprogramm der Deutschen Richterkademie ist vielfältiger als alles, was ich bis bisher anderswo gesehen habe - man muss nur die Fahrt nach Trier oder Wustrau auf sich nehmen).
Letztendlich hat jeder Beruf seine Stärken wie Schattenseiten, auf die man hinweisen kann. Im Übrigen kann sich die Wahrnehmung auch ändern. Für mich gab es einige Zeit nichts besseres, als Richter zu sein. Insbesondere nachdem ein sehr starker Kollege von mir, mit dem ich berufsethisch auf einer Wellenlänge lag, die Justiz verlassen hat, bin ich ins Grübeln gekommen. Nach drei weiteren Jahren habe ich dann auch entschieden, dass ich erst einmal wieder in einem anderen Beruf arbeiten möchte. Umgekehrt freue ich mich für jeden, der in der Justiz restlos glücklich ist - die Justiz braucht fachlich starke und motivierte Leute.
Höhere Besoldung aber auch nur bei A15 oder? Kenne ich mich aber auch nicht mit aus und weiß nicht, welche Zulage ihr da am Ministerium bekommt.
Bei einem Ministerium würde mich persönlich aber die politische Abhängigkeit stören. Würde es nicht gut finden, wenn alle paar Jahre ein anderer (politischer) Wind im Haus herrscht. Gibt aber natürlich auch einige politisch stabile Länder und ich habe nie in einem Ministerium gearbeitet.
Lange Wartezeit auf Fortbildungen gibt es hier nicht. Aber das wird wohl von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein.
Schön, dass dir dein Job jetzt gefällt!
18.09.2021, 18:25
Und von da aus (!) noch bessere Chancen?