23.09.2024, 16:20
Hallo, ich bin derzeit in einer westdeutschen Großstadt in einer GK im Finance-Bereich in der Anwaltsstation. Thematisch nicht uninteressant, Team super, Vergütung top...aber immer häufiger habe ich irgendwie das Verlangen, etwas anderes, greifbareres zu tun. Mir ist schon bewusst, dass meine Position objektiv sehr gut ist und ich vermutlich romantisiere. Aber wenn ich mich mit manchen Bekannten vergleiche, die irgendwas in der Industrie gelernt haben (Ausbildung), scheint mir deren Leben doch irgendwie einfacher und mit weniger Sorgen und Kopfzerbrechen? Gleichzeitig ist dennoch Zeit und Geld für Hobbies vorhanden...
Geht/Ging es jemandem hier ähnlich und was habt ihr gemacht? Würde mich mal interessieren...vielleicht hat mir der Ref-Frust gerade auch nur den Spaß an Jura (falls ich den jemals hatte) völlig verdorben, aber ich blicke einigermaßen verunsichert auf meine Zukunft im juristischen Bereich, in dem ich mich ja grundsätzlich immer noch sehe und für den ich mir den ganzen Stress hier antue :D
Geht/Ging es jemandem hier ähnlich und was habt ihr gemacht? Würde mich mal interessieren...vielleicht hat mir der Ref-Frust gerade auch nur den Spaß an Jura (falls ich den jemals hatte) völlig verdorben, aber ich blicke einigermaßen verunsichert auf meine Zukunft im juristischen Bereich, in dem ich mich ja grundsätzlich immer noch sehe und für den ich mir den ganzen Stress hier antue :D
23.09.2024, 16:42
Möchtest Du etwas "greifbareres" im Sinne von inhaltlich etwas, das näher am Leben ist (was auch immer das heißen mag) oder geht es Dir um "weniger Sorgen/Kopfzerbrechen".
23.09.2024, 16:49
Wenn man etwas Handwerkliches hergestellt hat und sich an dem Ergebnis freuen kann, hat das etwas Sinnstiftendes, keine Frage. Das haben wir, wenn wir nicht gerade ein Gesetz schreiben dürfen, in Jura meistens nicht, das ist leider so und muss anderweitig kompensiert werden (Hobby; als ich noch Mietrichter war, konnte ich in der Fußgängerzone immer die Gewerberäume anschauen, die ich aus Räumungsverfahren kannte - aber das ist nicht das Gleiche...). Wer allerdings in der Industrie im Büro sitzt, ist oft auch weit weg vom greifbaren Arbeitsergebnis, da muss man schon Handwerker werden, was wiederum auch Nachteile hat...
23.09.2024, 17:02
(23.09.2024, 16:49)Praktiker schrieb: Wenn man etwas Handwerkliches hergestellt hat und sich an dem Ergebnis freuen kann, hat das etwas Sinnstiftendes, keine Frage. Das haben wir, wenn wir nicht gerade ein Gesetz schreiben dürfen, in Jura meistens nicht, das ist leider so und muss anderweitig kompensiert werden (Hobby; als ich noch Mietrichter war, konnte ich in der Fußgängerzone immer die Gewerberäume anschauen, die ich aus Räumungsverfahren kannte - aber das ist nicht das Gleiche...). Wer allerdings in der Industrie im Büro sitzt, ist oft auch weit weg vom greifbaren Arbeitsergebnis, da muss man schon Handwerker werden, was wiederum auch Nachteile hat...
Ein guter Punkt, das ist es glaube ich, was ich vermisse. Grundsätzlich macht es mich zufrieden Probleme zu lösen: Ich helfe nebenher bei einer Hausrenovierung und dort schaue ich abends zurück und sehe (und spüre ) was ich geschafft habe. Das habe ich so im juristischen nicht - vielleicht liegt das aber auch daran, dass ich als Ref. natürlich nicht so nah/gestaltend an einem Mandat dran bin und auch in der Ausbildung nicht war. Seine Erfüllung in einem Hobby zu finden und den Job als möglichst angenehmes Mittel zum Broterwerb ist wohl die realistische Perspektive...
@Ex-GK:
Es fällt mir schwer das positiv zu formulieren, aber ich habe glaube ich (evtl. durch Herkunft) unterbewusst das Gefühl, meine Tätigkeit muss für den "normalen Menschen" irgendwie nachvollziehbar und bestenfalls förderlich sein. Ganz mittelbar ist das ja fast jede legale Tätigkeit, schon klar...meine Sorgen/Kopfzerbrechen rühren jetzt mit etwas Abstand vom posten gedacht wahrscheinlich weniger aus der Tätigkeit selbst her, als aus meiner Unsicherheit bzgl. des weiteren Berufsweges. Da meine besagten Freunde nicht jahrelang studiert haben sind die entsprechend seit langer Zeit schon in einem geregelten Job, was mir in meiner aktuellen Situation wohl als begehrenswert erscheint :D
23.09.2024, 17:23
(23.09.2024, 17:02)Reynolds schrieb:(23.09.2024, 16:49)Praktiker schrieb: Wenn man etwas Handwerkliches hergestellt hat und sich an dem Ergebnis freuen kann, hat das etwas Sinnstiftendes, keine Frage. Das haben wir, wenn wir nicht gerade ein Gesetz schreiben dürfen, in Jura meistens nicht, das ist leider so und muss anderweitig kompensiert werden (Hobby; als ich noch Mietrichter war, konnte ich in der Fußgängerzone immer die Gewerberäume anschauen, die ich aus Räumungsverfahren kannte - aber das ist nicht das Gleiche...). Wer allerdings in der Industrie im Büro sitzt, ist oft auch weit weg vom greifbaren Arbeitsergebnis, da muss man schon Handwerker werden, was wiederum auch Nachteile hat...
Ein guter Punkt, das ist es glaube ich, was ich vermisse. Grundsätzlich macht es mich zufrieden Probleme zu lösen: Ich helfe nebenher bei einer Hausrenovierung und dort schaue ich abends zurück und sehe (und spüre ) was ich geschafft habe. Das habe ich so im juristischen nicht - vielleicht liegt das aber auch daran, dass ich als Ref. natürlich nicht so nah/gestaltend an einem Mandat dran bin und auch in der Ausbildung nicht war. Seine Erfüllung in einem Hobby zu finden und den Job als möglichst angenehmes Mittel zum Broterwerb ist wohl die realistische Perspektive...
@Ex-GK:
Es fällt mir schwer das positiv zu formulieren, aber ich habe glaube ich (evtl. durch Herkunft) unterbewusst das Gefühl, meine Tätigkeit muss für den "normalen Menschen" irgendwie nachvollziehbar und bestenfalls förderlich sein. Ganz mittelbar ist das ja fast jede legale Tätigkeit, schon klar...meine Sorgen/Kopfzerbrechen rühren jetzt mit etwas Abstand vom posten gedacht wahrscheinlich weniger aus der Tätigkeit selbst her, als aus meiner Unsicherheit bzgl. des weiteren Berufsweges. Da meine besagten Freunde nicht jahrelang studiert haben sind die entsprechend seit langer Zeit schon in einem geregelten Job, was mir in meiner aktuellen Situation wohl als begehrenswert erscheint :D
Ich hatte mal ein Gespräch mit Partnern einer Praxisgruppe aus dem Umwelt- und Planungsrecht (MK), die dabei zumeist auf Seite der Vorhabenträger tätig waren. Die haben mir - das mit voller Überzeugung und Enthusiasmus (iSv das haben die erkennbar nicht nur so gesagt/so dargestellt) - beschrieben, dass einen das schon stolz mache, wenn man irgendwann dann so eine fertig gestellte Fabrik, Anlage oder was auch immer es letztlich ist sieht, an deren Entstehungsprozess man zwar nicht in physisch erbaulicher Weise mit beteiligt war, aber letztlich durch rechtliche Begleitung genau so einen wesentlichen Bestandteil dazu geleistet hat. Natürlich kann man jetzt auf der Meta-Ebene sagen, dass letztlich nur der physisch erbauende einen Beitrag erbringt, denn alles andere sei ohnehin menschlich künstlich hinzuverkompliziert. Sicherlich ist das ein legitimer Punkt. Allerdings haben diese Regularien - freilich in Grenzen - zumindest einen nicht ganz abwegigen Sinn und Zweck. Folglich ist das mE schon nicht falsch, seinen eigenen Beitrag in dem geschaffenen Werk zu sehen. Der Architekt ist ja auch - wohl unstreitig - mit am Bau des Gebäudes beteiligt, ohne dass er es tatsächlich erbaut. Der die Architektenpläne prüfende Bauingenieur ist - wohl auch unstreitig - mit am Bau des Gebäudes beteiligt, ohne dass er es tatsächlich erbaut. Beide begleiten auch den Genehmigungsprozess - eben mehr in technischer Hinsicht, der Jurist mehr in rechtlicher.
23.09.2024, 17:33
(23.09.2024, 17:02)Reynolds schrieb:(23.09.2024, 16:49)Praktiker schrieb: Wenn man etwas Handwerkliches hergestellt hat und sich an dem Ergebnis freuen kann, hat das etwas Sinnstiftendes, keine Frage. Das haben wir, wenn wir nicht gerade ein Gesetz schreiben dürfen, in Jura meistens nicht, das ist leider so und muss anderweitig kompensiert werden (Hobby; als ich noch Mietrichter war, konnte ich in der Fußgängerzone immer die Gewerberäume anschauen, die ich aus Räumungsverfahren kannte - aber das ist nicht das Gleiche...). Wer allerdings in der Industrie im Büro sitzt, ist oft auch weit weg vom greifbaren Arbeitsergebnis, da muss man schon Handwerker werden, was wiederum auch Nachteile hat...
Ein guter Punkt, das ist es glaube ich, was ich vermisse. Grundsätzlich macht es mich zufrieden Probleme zu lösen: Ich helfe nebenher bei einer Hausrenovierung und dort schaue ich abends zurück und sehe (und spüre ) was ich geschafft habe. Das habe ich so im juristischen nicht - vielleicht liegt das aber auch daran, dass ich als Ref. natürlich nicht so nah/gestaltend an einem Mandat dran bin und auch in der Ausbildung nicht war. Seine Erfüllung in einem Hobby zu finden und den Job als möglichst angenehmes Mittel zum Broterwerb ist wohl die realistische Perspektive...
@Ex-GK:
Es fällt mir schwer das positiv zu formulieren, aber ich habe glaube ich (evtl. durch Herkunft) unterbewusst das Gefühl, meine Tätigkeit muss für den "normalen Menschen" irgendwie nachvollziehbar und bestenfalls förderlich sein. Ganz mittelbar ist das ja fast jede legale Tätigkeit, schon klar...meine Sorgen/Kopfzerbrechen rühren jetzt mit etwas Abstand vom posten gedacht wahrscheinlich weniger aus der Tätigkeit selbst her, als aus meiner Unsicherheit bzgl. des weiteren Berufsweges. Da meine besagten Freunde nicht jahrelang studiert haben sind die entsprechend seit langer Zeit schon in einem geregelten Job, was mir in meiner aktuellen Situation wohl als begehrenswert erscheint :D
Ach, jeder macht sich Sorgen ;) nur nicht jeder über die gleichen Dinge. Das Ding mit der GK und den "normalen Menschen" ist einfach, dass die Mandanten in der Regel weit weg von diesen sind - man beschäftigt sich also naturgemäß mit Dingen, die für die Durchschnittsperson völlig unbekannt/irrelevant/uninteressant sind. Dann sind Unternehmen ja auch eher die bösen Kapitalisten und damit bist Du dann eh schon raus. Ich kann Dich aber verstehen, ich bin aus eher idealistischen Gründen Juristin geworden und mache nichts, was für den "normalen Menschen" unmittelbar förderlich ist (mittelbar schon) und hatte die ein oder andere kleine Sinnkrise deswegen. Aber am Ende macht mir mein Job inhaltlich viel Spaß und für mich ist in Ordnung, dass die meisten Menschen nicht verstehen (wollen), dass jeder Teil der Wirtschaft durchaus etwas "für die Menschen" macht.
Ein Gedanke: in der GK hatte ich oft das Gefühl, bisschen zu sehr im Elfenbeinturm zu sitzen. Ich mache M&A und fand immer schade, wenn Projekte vorbei waren, wenn ich gerade so richtig angefangen habe zu verstehen, was die Zielgesellschaft/Mandant so macht und wie deren business funktioniert. Ich bin dann in ein Industrieunternehmen gegangen (inzwischen in einem anderen); je nachdem in welchem Bereich Du arbeitest, hast Du dann auch mal was "greifbares". ZB wenn Du den Vertrag für den Bau eines neuen Gebäudes gemacht hast und das dann steht. Vielleicht wäre sowas auch was für Dich?
23.09.2024, 17:48
(23.09.2024, 17:33)Ex-GK schrieb:(23.09.2024, 17:02)Reynolds schrieb:(23.09.2024, 16:49)Praktiker schrieb: Wenn man etwas Handwerkliches hergestellt hat und sich an dem Ergebnis freuen kann, hat das etwas Sinnstiftendes, keine Frage. Das haben wir, wenn wir nicht gerade ein Gesetz schreiben dürfen, in Jura meistens nicht, das ist leider so und muss anderweitig kompensiert werden (Hobby; als ich noch Mietrichter war, konnte ich in der Fußgängerzone immer die Gewerberäume anschauen, die ich aus Räumungsverfahren kannte - aber das ist nicht das Gleiche...). Wer allerdings in der Industrie im Büro sitzt, ist oft auch weit weg vom greifbaren Arbeitsergebnis, da muss man schon Handwerker werden, was wiederum auch Nachteile hat...
Ein guter Punkt, das ist es glaube ich, was ich vermisse. Grundsätzlich macht es mich zufrieden Probleme zu lösen: Ich helfe nebenher bei einer Hausrenovierung und dort schaue ich abends zurück und sehe (und spüre ) was ich geschafft habe. Das habe ich so im juristischen nicht - vielleicht liegt das aber auch daran, dass ich als Ref. natürlich nicht so nah/gestaltend an einem Mandat dran bin und auch in der Ausbildung nicht war. Seine Erfüllung in einem Hobby zu finden und den Job als möglichst angenehmes Mittel zum Broterwerb ist wohl die realistische Perspektive...
@Ex-GK:
Es fällt mir schwer das positiv zu formulieren, aber ich habe glaube ich (evtl. durch Herkunft) unterbewusst das Gefühl, meine Tätigkeit muss für den "normalen Menschen" irgendwie nachvollziehbar und bestenfalls förderlich sein. Ganz mittelbar ist das ja fast jede legale Tätigkeit, schon klar...meine Sorgen/Kopfzerbrechen rühren jetzt mit etwas Abstand vom posten gedacht wahrscheinlich weniger aus der Tätigkeit selbst her, als aus meiner Unsicherheit bzgl. des weiteren Berufsweges. Da meine besagten Freunde nicht jahrelang studiert haben sind die entsprechend seit langer Zeit schon in einem geregelten Job, was mir in meiner aktuellen Situation wohl als begehrenswert erscheint :D
Ach, jeder macht sich Sorgen ;) nur nicht jeder über die gleichen Dinge. Das Ding mit der GK und den "normalen Menschen" ist einfach, dass die Mandanten in der Regel weit weg von diesen sind - man beschäftigt sich also naturgemäß mit Dingen, die für die Durchschnittsperson völlig unbekannt/irrelevant/uninteressant sind. Dann sind Unternehmen ja auch eher die bösen Kapitalisten und damit bist Du dann eh schon raus. Ich kann Dich aber verstehen, ich bin aus eher idealistischen Gründen Juristin geworden und mache nichts, was für den "normalen Menschen" unmittelbar förderlich ist (mittelbar schon) und hatte die ein oder andere kleine Sinnkrise deswegen. Aber am Ende macht mir mein Job inhaltlich viel Spaß und für mich ist in Ordnung, dass die meisten Menschen nicht verstehen (wollen), dass jeder Teil der Wirtschaft durchaus etwas "für die Menschen" macht.
Ein Gedanke: in der GK hatte ich oft das Gefühl, bisschen zu sehr im Elfenbeinturm zu sitzen. Ich mache M&A und fand immer schade, wenn Projekte vorbei waren, wenn ich gerade so richtig angefangen habe zu verstehen, was die Zielgesellschaft/Mandant so macht und wie deren business funktioniert. Ich bin dann in ein Industrieunternehmen gegangen (inzwischen in einem anderen); je nachdem in welchem Bereich Du arbeitest, hast Du dann auch mal was "greifbares". ZB wenn Du den Vertrag für den Bau eines neuen Gebäudes gemacht hast und das dann steht. Vielleicht wäre sowas auch was für Dich?
Im Wesentlichen Zustimmung. Zum letzten Absatz jedoch: Das ist mE noch mehr ein M&A-Problem als ein GK Problem. Denn man begeleitet eben gerade den Kauf und/oder Zusammenschluss und dann ist das Projekt ja fertig, wenn man so möchte. In anderen Gebieten kann da ggf. durchaus eine längerfristiges Verhältnis bestehen bspw. Arbeitsrecht, öffentliches Wirtschaftsrecht, allgemein auch im Verwaltungsrecht/Verfassungsrecht/öffR, wo man bei manchen Läden (insb. den großen/bekannten 2-3) oft wiederkehrende Mandanten hat (auf Behörden/Staatsseite). Aber klar, Inhouse bist du natürlich dauerhaft in die Abläufe eines UN eingebunden, Interessenverband (Wirtschaftsverbände, Arbeitgeberverbände) stelle ich mir insofern auch vergleichbar vor. Gerade in den stärker regulierten Branche, bei denen nicht selten Regulierungsfragen auch zunächst versucht werden über den Verband zu klären (Kostenfaktor) bzw. erste Informationen zu erhalten.