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Die Sache mit der Empathie
hyaene_mit_hut
Senior Member
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Beiträge: 397
Themen: 23
Registriert seit: Jan 2024
#1
28.05.2024, 11:26
Dieser Thread richtet sich maßgeblich an diejenigen, die bereits ins Berufsleben gefunden haben. Andere Erfahrungen sind selbstverständlich auch willkommen.

Seien wir ehrlich: Im Wesentlichen gehen mir die allermeisten Menschen an meinem breiten Poppes vorbei (und zu meinem Nachteil habe ich auch noch nicht herausgefunden, wie ich diesen Umstand halbwegs gesellschaftskonform verpacken kann). Ich bin an der Gesellschaft als soziales Konstrukt interessiert, aber in der Summe nicht wirklich an einzelnen Menschen. Ist doof, ist aber so.

Nun gibt es aber Ausnahmen. Wenige, aber sie sind da. Dadurch, dass ich momentan hauptsächlich im Sozialrecht arbeite, bin ich in Fallgestaltungen eingebunden, hinter denen gelegentlich eine wirklich traurige Geschichte steht, hinter denen ein seit langem völlig im Stich gelasssener Mensch sitzt, nicht selten schwer krank. Einsamkeit, Erkrankung, und auch der Tod begegnen uns oft hier.
In einem über Jahre geführten Rechtsstreit eines Kollegen (gewonnen) rief am Tag der Urteilszustellung der Ehepartner des Klägerss an und teilte uns mit, dass dieser in der Nacht verstorben sei. Wir haben terminal kranke Menschen hier, Menschen mit schweren Geschichten udn Schicksalsschlägen, dass sogar mir anders wird.

Uff. Und dann sitzt du erstmal da. Zur rechtlichen Bearbeitung gehört meiner anzweifelbaren Auffassung nach auch, den Mandanten dort abzuholen, wo er sich befindet. Sich auf ihn einzulassen, zuzuhören, und ihm das Gefühl zu geben, dass ich aufrichtig daran interessiert bin, seine Situation zu erfassen und zu überlegen, welche Lösungswege möglich sein könnten.
Da kann man mir herzlich gerne und berechtigt vorwerfen, dass ich das nicht bei allen Mandanten so handhabe; wer zu mir kommt, um als Reichsbürger den Staat mit wissentlich unbedründeten Klagen zu überziehen, der erntet maximal eine hochgezogene Augenbraue und den Fingerzeig zur Tür von mir. Arbeitsrechtliche Gestaltungen sind in der Mehrheit der Fälle wichtig, aber undramatisch.

Kurzum: Ich bin ein Sensibelchen, das sich nicht so richtig von allem abgrenzen kann, oder das acuh nicht will. Keine Ahnung. Lustigerweise nur in ausgewählten Fällen.
Mich hat es in der Ausbildung immer aufgeregt, dass auch in Bereichen wie dem Familienrecht so eine professionelle Distanz eingehalten wurde, dass das Leid der Menschen völlig in den Hintergrund gedrängt wurde, obwohl das zentrales Element der Fallgestaltung war. Ja, professionell Distanz. Die gehört in den Arbeitsalltag rein.
Und trotzdem finde ich sie manchmal noch schwer, und bin mir in manchen Fällen nicht sicher, ob sie angemessen ist. Ich kann nicht mehr zählen, wie viele Arbeitstage ich vollständig damit verbracht habe, für Mandant:innen Therapieplätze und Psychiater zu besorgen. Ich kenne, glaube ich, so ziemlich jede Praxis im Umkreis von 40 km und habe mit denen telefoniert.
Schwierig. So sieht gewiss kein effektives Arbeiten aus, aber eines, das sich wirklich am Mandanten orientiert. Eine gute Idee? Eher nicht, befürchte ich, aber ich habe ein hinreißend schlechtes Gefühl dafür, was eine schlechte Idee ist.

Daher die Frage: Wie handhabt ihr das, und hat sich das im Laufe der Tätigkeitszeit verändert? Ist Job nunmal Job, un dwer gesellschaftlich etwas tun will, kann das im Ehrenamt (daneben) machen? Berühren Fälle euch persönlich? Oder könnt ihr das in Gänze außenvor lassen? Müsst ihr das?

Ich danke euch für eure Antworten! Horido und eine schöne, verkürzte Arbeitswoche!
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Egal
Posting Freak
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Beiträge: 1.235
Themen: 1
Registriert seit: Feb 2022
#2
28.05.2024, 21:20
Ich bewundere Kollegen wie dich und finde es gut, dass es euch gibt. Anders bei dem Kollegen als im Thread vor ein paar Tagen stehen dir nicht die Dollarzeichen ins Gesicht geschrieben. Es ist schade, dass unser Rechtsystem so ausgelegt ist, dass sich die Übernahme solcher Fälle und von Sachen mit geringem Streitwert kaum lohnen. Im Arbeits-, Sozial- und teilweise Familienrecht habe ich gleiche und ähnliche Schicksale mitbekommen. Inzwischen arbeite ich schon seit langem auf Arbeitgeberseite und bekomme die Schicksale nicht mehr so hautnah mit, aber es ist schon teilweise tragisch was man dort erlebt.
Engagiere dich bitte weiterhin für die Schwachen in unserer Gesellschaft. Ich finde es toll. Man muss, glaube ich, nur versuchen, die richtige Balance zwischen Geldverdienen und Helfen zu finden.
Vor einigen Jahren vertrat ich eine sehr gute Freundin gegen die Deutsche Rentenversicherung. Weil es eine Freundin war, habe ich mich intensiv reingekniet und am Ende auch gewonnen. Zwei Jahre hat das gedauert und sehr viel Einsatz von mir gekostet. Am Ende gab es dafür 1.500 Euro netto. Ca. 300 Euro mehr hatten wir nach dem Gebührenrahmen gefordert, aber die DRV musste sich selbst im Kostenfestsetzungsverfahren noch quer stellen.
Meine Freundin hatte Glück. Jeder andere Anwalt, der sie nicht persönlich kennt, hätte sich bei weitem nicht so intensiv reingekniet.

Dazu, wie du die Fälle nicht so dicht an dich heranlässt, kann ich dir leider keinen Tipp geben. Ich konnte dies schon immer gut von mir fernhalten. Viele dieser Leute bräuchten jemanden, der mit ihnen zusammen ihr Leben aufräumt. Wenn jemand stirbt, kannst du nur dein Beileid ausdrücken. Mehr kannst du als Anwalt nicht leisten. In gewisser Weise habe ich wohl resigniert. Ich kann unsere Gesellschaft insgesamt nicht besser machen und auch den einzelnen Menschen nicht retten. Das ist das, was ich im Laufe der Jahre gelernt habe.
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Einervonvielen
Junior Member
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Beiträge: 3
Themen: 1
Registriert seit: Jan 2024
#3
29.05.2024, 08:00
Ich rede den Mandanten Mut zu und gebe ihnen die Stellen (kassenärztliche Vereinigung, kirchliche, ehrenamtliche bzw. kommunale Stellen) mit, an die sich die Mandanten dann am besten mit Hilfe von Familie oder Freunden wenden sollen.
Ich weis, dass Mut zu reden nur ein kleiner erster Schritt ist und viele Betroffene komplett zurückgezogen leben. Aber wie du merkst, ist die Zeit für dich nicht wirklich drin, Therapeuthenplätze zu finden. Die potenziellen Anlaufstellen sind von Bundesland zu Bundesland, Bezirk zu Bezirk unterschiedlich vorhanden. Aber lieber einmal diese Stellen suchen, als im Einzelfall Tage zu investieren.
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Freidenkender
Posting Freak
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Beiträge: 770
Themen: 1
Registriert seit: Mar 2022
#4
29.05.2024, 11:19
ich kann es gut nachvollziehen, was in dir vor geht. Ich war auch zwei Jahre als Anwalt im Arbeits- und Sozialrecht unterwegs. Wir haben nur Arbeitnehmer und Betriebsräte vertreten und im Sozialrecht kamen viele Fälle über den DGB-Rechtschutz, die denen zu komplex und schwierig waren. Da sieht man viele Schicksale, die einem ans Herz gehen. Natürlich kann man die 08/15 bearbeiten, aber für mich gehörte da auch mehr dazu. Eigentlich jeder dieser Fälle war ein besonderes Schicksal. 

Ich habe versucht mich da einzubringen und auch mal mehr zu tun, als man als Anwalt eigentlich tun sollte. Ich habe es aber trotzdem immer professionell gesehen. Diese Menschen brauchen Hilfe, aber ich kann nicht den Freund oder Familie ersetzen. Es gibt auch Mandanten, die versuchen dich einzunehmen oder zu instrumentalisieren. Ich bin auch enttäuscht worden, denn da man sich den A... aufgerissen, hat Sachen gemacht die man nicht abrechnen kann oder will und dann kommt nichts zurück, man merkt, dass man belogen und benutzt wurde. Das ging mir dann echt nah.

Bei allem Einsatz für die Mandanten musst du aber trotzdem schaffen, es nicht zu nah an dich heran zu lassen. Sonst wirst du auf Dauer zu viele Sachen "mit nach Hause nehmen" oder Probleme des Mandanten zu deinen eigenen machen. Ich hatte im Jahr ca. 200 neue Mandate, das hälst du auf Dauer nicht aus

Ich bin dann wie Egal ins Unternehmen gewechselt. Das war für mich sogar etwas befreiend. Ich bin jetzt zwar teilweise für diese Schicksale, die ich früher betreut habe, mitverantwortlich, aber mir hilft, dass ich den anderen Blickwinkel noch kenne und so kann man manche Entscheidung beeinflussen im Sinne von AN und AG
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hyaene_mit_hut
Senior Member
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Beiträge: 397
Themen: 23
Registriert seit: Jan 2024
#5
29.05.2024, 19:58
Allen ein ganz liebes Danke für die Antworten! :happy:

Ganz witzig, das Thema ist Recht aktuell: Ich hab heute wieder so eine Problemakte bekommen. Eine Papierakte und da ein echtes Gürteltier, zig Gutachten und noch mehr Krankenberichte. 
Mein Vorteil ist, dass ich nach Jura halt noch Psychologie studiert habe, und solche Berichte jedenfalls ein kleines Bisschen durchdringe. Ich maße mir nicht an, irgendjemanden zu diagnostizieren, aber ich kann zumindest Fehler, Widersprüche und nicht berücksichtigte Paradigmenwechsel leichter erkennen, weswegen mir solche Akten gern gegeben werden, und ich sie auch sehr gerne nehme. 
Und das ist so ein Fall, bei dem jetzt schon ganz klar ist, dass da jede Form von Hilfe erforderlich ist, die das System bereithält. Die Arztberichte sagen das ausdrücklich. Ich kenne die Vereine und Organisationen, die in der Stadt zuständig sind, weil sie nicht weit von mir weg ist. Bin inzwischen mit einigen Mitarbeiter:innen per du, und könnte da relativ einfach Kontakt herstellen. 
Darf ich nicht. Darf ich nicht einmal mehr anbieten. Lange Diskussion gehabt, die Angst vor der Haftung ist das Schlüsselwort. Untergeordnet auch das Zeitmanagement, aber solange ich meine Arbeit schaffe, ist das mein Problem. Und ich halte meine Fristen ein und meinen Schreibtisch sauber, weswegen ich dahingehend wenig Reinreden dulde.
Es ist so nervig. Und auch frustrierend. 
Die Leute an die zuständigen Stellen zu verweisen, reicht bei Demenzen oder deutlich unterdurchschnittlicher Intelligenz (2 willkürliche Beispiele jetzt, losgelöst vom konkreten Fall) nicht. Ich weiß, dass ich dafür nicht zuständig bin, und ich mache mich mal so ehrlich und gestehe, dass ich auch nicht dafür zuständig sein möchte. 
Es ist anstrengend, dass ständig Mandant:innen nach mir Fragen. Letztens hat jemand bei meinem Anwaltsausbilder angerufen, und war ganz entsetzt, dass ich nicht mehr da bin. Ist ja normal nach der Station. Sie hat einen erfahrenen, versierten, in jeder Hinsicht besseren Juristen stehen lassen und ihm das Mandat nicht erteilt, sondern rumtelefoniert, wo ich jetzt bin. 
Ein super schönes Kompliment, aber eben auch mir total unangenehm dem Ausbilder gegenüber. Ich will ihm ja keine Mandantschaft abwerben, und ich bin auch in jeder Hinsicht dahin transparent, dass ich juristisch noch viiiiiel Luft nach oben habe. 
Und es bürdet eben auch Verantwortung auf. Ich kann die gut tragen, aber wenn man ein mal anfängt, wirklich richtig hinzusehen, wie es manchen Menschen geht... dann sieht man sich einer übermächtigen Aufgabe gegenüber. Ich kann nicht mal einige wenige retten, sondern nur Pflaster aufkleben, aber selbst für einige wenige habe ich nicht genug Pflaster.
Ein:e Mandant:in (m/w/d, die große Anonymisierung erklärt sich gleich) hat sich während des Verfahrens aufgrund des Verfahrens im Rahmen der vorliegenden schweren Erkrankung das Leben genommen. Ich mache mir da an keiner Stelle einen Vorwurf, ich habe alles mir mögliche getan und die Biographie sprach dafür, dass es es so kommen würde. Es zeigt aber einfach, wie unglaublich schlecht es manchen Menschen geht. Das ist schon länger her jetzt, aber das ist etwas, das ich mit nach Hause genommen habe. Nicht, weil ich denke, schlechte Arbeit geleistet zu haben, sondern weil es einfach traurig ist, und weil es leider gar nicht so seltene Realität ist. 

Je mehr ich hier schreibe, umso mehr merke ich, dass ich mich an dem Job wahrscheinlich aufreiben werde. Das Geld ist mir wurscht, für mich ist das Leben ne sehr geile Sache, seit ich nichts mehr aus dem Müll essen muss, und ich hab auch keine großen finanziellen Ziele. Mir macht die Aussicht, nicht viel zu verdienen, nicht wirklich was aus. Aber das Gefühl, zu wissen, dass noch so viele darauf warten, dass man sich endlich ihrer Sache annimmt, und dass es sonst nicht gerne die Leute wissen... das wird mir früher oder später das Genick brechen, glaube ich...

Ach, verdammt. Das, was ich mache, mache ich aus tiefster Überzeugung, mit großer Leidenschaft, und mit ner Menge mit-leiden. Ich weiß nicht, wie lange das gesund sein wird.
Ich muss da noch eine Menge drüber nachdenken. Eure Kommentare helfen mir dabei. Danke noch einmal dafür!
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 29.05.2024, 20:04 von hyaene_mit_hut. Bearbeitungsgrund: Rechtschreibfehler behoben, so gut es ging )
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Freidenkender
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#6
29.05.2024, 22:26
mal so mit meiner Lebenserfahrung: ich glaube du kannst Menschen wirklich helfen, aber du musst deine Grenzen erkennen. Wie du selbst schon merkst, das kann dich auffressen und am Ende gibst du dann zu viel von dir selbst. Du kannst nicht allen helfen, du kannst die Fehler des Systems nicht ausgleichen.

Wenn du wirklich in diesen Bereich in der Zukunft hinein gehen willst, dann rate ich dir, dass du dir dafür die Richtige Kanzlei mit der/m richtigen Partner:in suchst, die auf dich "aufpasst". Du bist noch im Ref, aber du gehst schon so tief in die Fälle rein, dass mir das ein Signal wäre, vorsichtig zu sein. Du bist ein erwachsener, reflektierter Mensch, der offenbar auch Grenzen erkennen kann. Bleib hier bitte wachsam
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Praktiker
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Themen: 0
Registriert seit: Apr 2021
#7
30.05.2024, 19:26
Man muss sich realistische Ziele setzen. Wer als Strafrichter den Anspruch hat, die Menschen zu ändern und jeden Bewährungsbruch als persönliche Niederlage erlebt, wird nicht glücklich. Wem die Menschen egal sind, aber auch nicht. Auf die Mitte kommt es an - und wenn man die normalen Fälle mit Routine weg schafft, kann man sich auch mal intensiv in eine Sache Reinknien, wenn es jemandem hilft.
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hyaene_mit_hut
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Themen: 23
Registriert seit: Jan 2024
#8
05.06.2024, 20:55
Hallo zusammen und vielen Dank für eure Rückmeldungen! Ich habe sie zeitnah gelesen, komme aber erst jetzt dazu, zu antworten.

Ich habe die Tage seit der Threaderstellung genutzt, um mir mein Arbeitsverhältnis mal etwas aus der Distanz anzuschauen.
Das offensichtlichste Ergebnis: Meine Arbeit ist so überhaupt gar nicht wirtschaftlich. Damit habt ihr absolut Recht. Ich habe momentan eine Sache, die noch den morgigen Tag wenigstens 6 Stunden in Anspruch nehmen wird, und dann hab ich an der Sache bestimmt 30 Stunden gesessen. Ich musste mich komplett in die Validität von Beschwerdesimulationstests bei Wahnerkrankung und Psychose einlesen. Um die Fachartikel zu verstehen, musste ich mich erstmal in die Testverfahren und Regelungen zur Auswertung inklusive der Ausnahmen einlesen. Uff. Supersuperspannend, ein tolles Forschungsthema, aber wenn man dahingehende auf Null steht (mein Spezialgebiet sind Persönlichkeitsstörungen, nicht psychotische Erkrankungen), dann fordert das intensive Recherche. Daneben zwei oder drei Mandantengespräche, Arbeitszeugnisse und Schriftsätze in anderen Sachen. Mir schwirrt der Kopf, ich werde das Wochenende auch echt brauchen, um da die Knoten wieder zu entwirren. Ich liebe diese Arbeit, es ist so spannend, und so schön, wenn man Gutachten auseinandernehmen kann. Ich habe während der Seminararbeit damals einen fundamentalen Fehler in einer Dissertation gefunden, da hab ich mich genauso gefreut. Nicht, weil ich jemandem einen Fehler unter die Nase reiben kann, sondern weil es ist, als fände man ein seltenes Sammlerstück.
Bezahlen würde mich keiner dafür. Das ist mir klar. 
Bei einem Fall die Tage habe ich mich mal darauf beschränkt, die Kontaktadresse rauszugehen, und mich bewusst zurückgehalten. Die Mandantschaft kriegt das alleine hin, Kontakt aufzunehmen, da geht nichts verloren. Aber es ist mir, glaube ich, echt zu sehr zu eigen geworden, "komm ich mach eben schnell" zu sagen und die Sache zu erledigen. Ich habe das Gefühl, da genau hinsehen zu müssen, um einerseits mich nicht im Mikro managing zu verlieren, und zum anderen der Mandantschaft auch nicht alles abzunehmen. Ich bin ja nicht deren Mama, und die sind nicht hilflos (meistens jedenfalls nicht).
Die Fälle verschwinden schneller wieder aus den eigenen Gedanken. Emotionen verblassen schneller wieder. 
Wahrscheinlich ein guter Ansatz.

Ansonsten bin ich nach wie vor orientierungslos, was das gesunde Maß angeht. Ich hab mir wohl vor drei oder vier Wochen die Kniescheibe gebrochen und noch was im Knie gerissen. Hat viel gutes Zureden gebraucht, damit ich endlich zum Doc gegangen bin, der mir empfahl, in die Notaufnahme zu gehen. Jo, nö. Ich laufe/humpelt/krieche damit jetzt die ganzen Wochen rum, dann kann ich auch noch die 2 Wochen bis zum MRT und CT warten. Das ist doch affig, wenn ich jetzt da hingehe. Ich geh arbeiten, danke und tschüss, einen schönen Tag zusammen. 
Ja, ungefähr so haben meine Kolleg:innen auch geguckt. Ich finde, dass das eine völlig gangbare Lösung ist. Wenn ich mich nach den körperlichen Einschränkungen richte, die ich habe, kann ich gar nicht mehr arbeiten, weil irgendwas immer ist. Im Moment schon echt viel, aber so isses halt. Unfälle passieren, wenn man so ein Körperklaus ist wie ich.

Vielleicht ist das ein ADHS Ding, vielleicht ist das ein Autismus Ding, vielleicht bin ich einfach hoffnungslos bescheuert und nicht in der Lage, zu sehen, wie sehr. Aber ich liebe das, was ich tun darf. Und ich sehe, dass man Menschen helfen kann. Nicht immer so, wie sie wollen, aber man kann ihnen das Gefühl vermitteln, dass sie ernstgenommen worden sind und gesehen und gehört wurden. 

Im Moment passt mein Kollege etwas darauf auf, dass ich irgendwann Feierabend mache und gehe. Auch einen Tag frei nehme in der Woche zum Lernen. Als es einen Todesfall gab, durfte ich eine Woche ganz Zuhause bleiben (kein Grund für Beileidsbekundungen, stand mir nicht nah, aber ist mir nah gegangen, weil mein Papa eben so krank ist). Ich schätze, in Arbeitsumfeldern, die das Ergebnis wertschätzen, aber die die persönlichen Kosten dafür nicht interessiert, würde ich momentan heillos untergehen. 
Da muss ich dranbleiben. Das muss ich noch besser auf die Kette kriegen. Alles andere würde bedeuten, ausnutzbar zu sein, und auch ausgenutzt zu werden. 
Das soll's ja nun nicht sein.
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