05.04.2025, 14:01
Hallo in die Runde,
ich bin frisch verplanter Richter am VG und mit meinem Job zufrieden. Ich arbeite allerdings recht viel im Gegensatz zu vielen (älteren) Kollegen, was wahrscheinlich daran liegt, dass ich an machen Punkten ineffizient arbeite und "Zeit verschwende". Ich verzettel mich oft, weil ich eventuell zu tief für eine Entscheidung bohre und schreibe teilweise seitenlange Hinweise, die im Endeffekt zu nichts führen. Habt ihr Richter hier, ob am VG oder an anderen Gerichten, Tipps für effizientes Arbeiten? Beispielsweise reger Gebrauch von Eröterungsterminen und erst und nur dort Hinweise geben und auf eine unstreitige Erledigung hinwirken? Was habt ihr so für Erfahrungen gemacht? Vermutlich liegt meine Arbeitslast auch daran, dass ich zwar grundsätzlich entscheidungsfreudig bin, aber meine Entscheidungen zu lang und tief begründe. Wie habt ihr da einen Dreh reinbekommen? Bin über Tipps dankbar.
ich bin frisch verplanter Richter am VG und mit meinem Job zufrieden. Ich arbeite allerdings recht viel im Gegensatz zu vielen (älteren) Kollegen, was wahrscheinlich daran liegt, dass ich an machen Punkten ineffizient arbeite und "Zeit verschwende". Ich verzettel mich oft, weil ich eventuell zu tief für eine Entscheidung bohre und schreibe teilweise seitenlange Hinweise, die im Endeffekt zu nichts führen. Habt ihr Richter hier, ob am VG oder an anderen Gerichten, Tipps für effizientes Arbeiten? Beispielsweise reger Gebrauch von Eröterungsterminen und erst und nur dort Hinweise geben und auf eine unstreitige Erledigung hinwirken? Was habt ihr so für Erfahrungen gemacht? Vermutlich liegt meine Arbeitslast auch daran, dass ich zwar grundsätzlich entscheidungsfreudig bin, aber meine Entscheidungen zu lang und tief begründe. Wie habt ihr da einen Dreh reinbekommen? Bin über Tipps dankbar.
Wer Richter auf Probe bzw. Staatsanwalt werden möchte, sollte sich mit dem Karriere-Dossier über die Einstellungschancen und Bewerbungsvoraussetzungen informieren. Das Karriere-Dossier ist als Print-Buch sowie als E-Book für alle 16 Bundesländer erhältlich:
https://www.juristenkoffer.de/richter/karriere-dossier-richter-staatsanwalt-werden.php
Und zur Vorbereitung auf das alles entscheidende Vorstellungsgespräch sollte man auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben.
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Und zur Vorbereitung auf das alles entscheidende Vorstellungsgespräch sollte man auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben.
05.04.2025, 14:36
Du solltest dich auf jeden Fall von der Vorstellung lösen, das „perfekte“ Urteil abliefern zu müssen. Wichtig ist für die Beteiligten erstmal der Tenor und die Frage, wie schnell sie ihn bekommen. Es geht anders als im Examen nicht mehr darum, die eigene Gelehrsamkeit vor Korrektoren auszubreiten, sondern die Beteiligten möglichst noch zu ihren Lebzeiten zu ihrem Recht kommen zu lassen. Von wunderschön geschriebenen Entscheidungen mit Bandwurm-Fundstellen und 8 verschiedenen Begründungssträngen hat am Ende keiner so richtig was, wenn er 5 Jahre darauf warten muss. Dafür gibt es die nächsten Instanzen. Gerade in der Verwaltungsgerichtsbarkeit habe ich eine unzeitgemäße Betulichkeit gepaart mit einer übertriebenen Angst vor Fehlern beobachtet, die in Zeiten gestiegener Arbeitsbelastung nicht mehr richtig in die Landschaft passen. Also ruhig etwas mehr Mut zu einer gewissen Hemdsärmeligkeit und etwas mehr AG als OVG wagen. Erledigungen sind nicht alles, aber ohne sie ist alles nichts

08.04.2025, 09:35
Gerade was schriftliche Hinweise angeht, kann man je nach Dezernatszuschnitt effizient arbeiten. Wenn es - was meistens der Fall ist -Fallkonstellationen gibt, die im Dezernat immer wieder auftauchen, würde ich auch meine Hinweise standardisieren, d.h. sie so formulieren, dass idealerweise nur noch an wenigen Stellen die konkreten Parameter des Falles eingetragen werden müssen und man sie ansonsten als Vorstück immer wieder nutzen kann. Zudem würde ich in den Hinweisen auch deutlich machen, was Du von den Beteiligten willst. Wenn eine Klage offensichtlich keinen Erfolg hat, würde ich das auch so (natürlich im Konjunktiv) schreiben. Zudem würde ich auch ausrechnen und aufnehmen, wie viel Gerichtsgebühren durch eine unstreitige Erledigung gespart werden.
Im Übrigen ist auch mein Eindruck als Verwaltungsrichter, dass teilweise eine völlige Überakademisierung der Verfahren stattfindet und Probleme "gesehen" werden, wo eigentlich keine sind. Da stimme ich den Ausführungen von Spencer vollkommen zu. Es interessiert z.B. niemanden, was das BVerwG 1963 gesagt hat, wenn es Entscheidungen aus 2024 gibt. Genauso wenig ist es etwa relevant, warum man für einen belastenden VA eine Ermächtigungsgrundlage braucht. Das ist völlig klar. Wer sich hier mal die Protokolle und Urteile von Kollegen aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit oder der Sozialgerichtsbarkeit anschaut, die im Rahmen der Asylwelle an den VGs ausgeholfen haben, der sieht, wie man verwaltungsgerichtliche Verfahren ohne irgendwelche "rechtsstaatlichen Einbußen" auch führen kann.
Und noch was zum Asylrecht: je nachdem, welche Länder Du bearbeitest, würde ich an Deiner Stelle durchaus von § 78 Abs. 3 AsylG Gebrauch machen. Gerade in Fällen, in denen das BAMF zu Recht und mit vernünftigem Bescheid ou abgelehnt hat und auch im gerichtlichen Verfahren nichts Neues kommt, macht es überhaupt keinen Sinn, ein komplettes Urteil zu schreiben, nur weil man es (vermeintlich) "schöner" kann.
Im Übrigen ist auch mein Eindruck als Verwaltungsrichter, dass teilweise eine völlige Überakademisierung der Verfahren stattfindet und Probleme "gesehen" werden, wo eigentlich keine sind. Da stimme ich den Ausführungen von Spencer vollkommen zu. Es interessiert z.B. niemanden, was das BVerwG 1963 gesagt hat, wenn es Entscheidungen aus 2024 gibt. Genauso wenig ist es etwa relevant, warum man für einen belastenden VA eine Ermächtigungsgrundlage braucht. Das ist völlig klar. Wer sich hier mal die Protokolle und Urteile von Kollegen aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit oder der Sozialgerichtsbarkeit anschaut, die im Rahmen der Asylwelle an den VGs ausgeholfen haben, der sieht, wie man verwaltungsgerichtliche Verfahren ohne irgendwelche "rechtsstaatlichen Einbußen" auch führen kann.
Und noch was zum Asylrecht: je nachdem, welche Länder Du bearbeitest, würde ich an Deiner Stelle durchaus von § 78 Abs. 3 AsylG Gebrauch machen. Gerade in Fällen, in denen das BAMF zu Recht und mit vernünftigem Bescheid ou abgelehnt hat und auch im gerichtlichen Verfahren nichts Neues kommt, macht es überhaupt keinen Sinn, ein komplettes Urteil zu schreiben, nur weil man es (vermeintlich) "schöner" kann.
08.04.2025, 14:09
(08.04.2025, 09:35)Pontifex Maximus schrieb: Wer sich hier mal die Protokolle und Urteile von Kollegen aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit oder der Sozialgerichtsbarkeit anschaut, die im Rahmen der Asylwelle an den VGs ausgeholfen haben, der sieht, wie man verwaltungsgerichtliche Verfahren ohne irgendwelche "rechtsstaatlichen Einbußen" auch führen kann.
Das war auch immer mein Eindruck, wenn ich VG-Akten beigezogen habe ;) Auch schön: 12 Seiten Tatbestand bei unzulässiger Klage und solche Sachen. Ist ja nicht so, dass der Kläger den Prozessverlust leichter verkraftet, wenn das Urteil sehr lange ist...
08.04.2025, 14:27
Schreibt ihr denn grundsätzlich Hinweise am VG? Oder macht ihr eher Termine zur Erörterung der Sach- und Rechtslage?
08.04.2025, 16:08
Kommt auf das Verfahren und das Rechtsgebiet an. Da es aber selten mehr als einen Termin zur mV gibt und häufig (nur) um Rechtsfragen gestritten wird, lohnt sich ein ET häufig kaum. Da kann man dann auch direkt die mV vorbereiten und durchführen.
Gestern, 21:41
Hallo zusammen, ich bin selbst neue Richterin an einem VG und stelle mir ähnliche Fragen wie der Threadersteller. Die Tipps und Hinweise, gerade was die Länge der Urteile angeht, habe ich auch schon häufiger gehört, aber ich frage mich, wie ich dahinkomme. Denn gleichzeitig habe ich schon das Gefühl, dass als Proberichter durch den Bewertungsdruck dennoch hohe Erwartungen an die Entscheidungen gestellt werden. Mir würden konkretere Tipps helfen: Wie schreibt ihr ein Urteil? Wie stellt ihr sicher, euch nicht zu lange mit der Suche nach ähnlichen Entscheidungen, passenden Maßstäben oder Vorlagen zu verlieren? Oder seht ihr dabei schon das Problem und schreibt alles selbst? wie viel Zeit nehmt ihr euch für ein Urteil?
Vor 4 Stunden
(Gestern, 21:41)Bingo schrieb: Hallo zusammen, ich bin selbst neue Richterin an einem VG und stelle mir ähnliche Fragen wie der Threadersteller. Die Tipps und Hinweise, gerade was die Länge der Urteile angeht, habe ich auch schon häufiger gehört, aber ich frage mich, wie ich dahinkomme. Denn gleichzeitig habe ich schon das Gefühl, dass als Proberichter durch den Bewertungsdruck dennoch hohe Erwartungen an die Entscheidungen gestellt werden. Mir würden konkretere Tipps helfen: Wie schreibt ihr ein Urteil? Wie stellt ihr sicher, euch nicht zu lange mit der Suche nach ähnlichen Entscheidungen, passenden Maßstäben oder Vorlagen zu verlieren? Oder seht ihr dabei schon das Problem und schreibt alles selbst? wie viel Zeit nehmt ihr euch für ein Urteil?
Vom Üblichen abzuweichen, erfordert in der Tat etwas Mut. Und ja: wenn Du weißt, dass Dein Beurteiler auf einen bestimmten Stil steht, ist es nachvollziehbar, sich - jedenfalls in den Urteilen, die er zu sehen bekommt - daran zu halten.
Aber steht Dein Präsident wirklich darauf, dass statt eines einschlägigen BVerwG-Urteils fünf zitiert werden? Will er wirklich irrelevante Informationen im Tatbestand lesen? Findet er ausufernde Urteile wirklich wichtiger als Erledigungen?
Aber gleich eine Warnung: Ein kurzer Tatbestand macht nicht weniger, sondern mehr Arbeit. Weil man ordnen, gewichten und präzisieren muss, anstatt den Akteninhalt runterzudiktieren. Und eine gute Sitzungsleitung fällt nicht vom Himmel, sondern kostet Vorbereitungszeit.
Entscheidend ist, dass Dein Urteil und die Verfahrensleitung nicht faul rüberkommt, sondern effektiv auf das Wesentliche konzentriert. Nur darum geht es: Es macht auch aus Sicht der Parteien und der Berufungsinstanz keinen Sinn, Unwichtiges breit und das Wesentliche kurz zu behandeln.
So eine Verfahrensweise wir insgesamt Zeit sparen. Wo nötig, wirst Du aber auch mal länger brauchen. Zeit zu sparen ist nur ein Nebeneffekt. Primär geht es immer um ein faires Verfahren und ein zügiges, richtiges Urteil.