03.12.2023, 12:08
Guten Morgen,
ich liebäugele mit einem Wechsel aus der Anwaltschaft in die Verwaltung. Gründe sind erstmal nicht so relevant.
Ich habe allerdings die Befürchtung, dass ich mit einem Wechsel das juristische Kerngeschäft aufgebe, da viele Stellen in der Verwaltung wohl Führungsaufgaben beinhalten und weniger juristische Fragen, oder? Ich brenne eigentlich für das Zivilrecht, das dürfte bei einem Wechsel in den öD aber ohnehin entfallen.
Hat hier jemand evtl. Erfahrungen damit gemacht? Gibt es in der Verwaltung auch rein juristische Stellen? Hat man evtl. sogar die Möglichkeit, als "Nebentätigkeit" Unterricht auch in zivilrechtlichen Bereichen zu geben?
Ferner würde ich mich allgemein über Erfahrungen aus der Verwaltung freuen. Wie ist der Zusammenhalt, die Arbeitsbelastung und die Arbeit an sich?
Melissa
ich liebäugele mit einem Wechsel aus der Anwaltschaft in die Verwaltung. Gründe sind erstmal nicht so relevant.
Ich habe allerdings die Befürchtung, dass ich mit einem Wechsel das juristische Kerngeschäft aufgebe, da viele Stellen in der Verwaltung wohl Führungsaufgaben beinhalten und weniger juristische Fragen, oder? Ich brenne eigentlich für das Zivilrecht, das dürfte bei einem Wechsel in den öD aber ohnehin entfallen.
Hat hier jemand evtl. Erfahrungen damit gemacht? Gibt es in der Verwaltung auch rein juristische Stellen? Hat man evtl. sogar die Möglichkeit, als "Nebentätigkeit" Unterricht auch in zivilrechtlichen Bereichen zu geben?
Ferner würde ich mich allgemein über Erfahrungen aus der Verwaltung freuen. Wie ist der Zusammenhalt, die Arbeitsbelastung und die Arbeit an sich?
Melissa
04.12.2023, 03:15
Hi,
also um deine Punkte kurz auf den Punkt zu bringen. Es kommt sehr stark darauf an.
Führungskraft bist du an den Landratsämter/Finanzämtern. Dort hast du in der Tat mehr Personalzeugs als das klassische Jura, was nicht bedeutet, dass du dich nicht mit juristischen Fragestellungen auseinandersetzen musst. Dort wirst du dich (surprise surprise) viel im öffentlichen Recht bewegen, gibt aber auch Grundsatzreferate/Rechtsamt oder wie sie je nach Behörde heißen, wo du sämtliche Rechtsfragen bearbeitest, die sonst keinem Referat zugeordnet werden können.
An den Mittelbehörden/ Ministerien wirst du mehr Mitarbeiter sein, als Führungskraft und hast in der Tendenz weniger mit Führungsaufgaben zu tun. Habe jedoch auch Kollegen, die Arbeitsbereichsleiter oder Ähnliches sind, was bedeutet, dass du wiederum "Leute unter dir" hast, die du organisieren muss.
Grundsätzlich würde ich sagen, je höher die Verwaltungsebene, desto weniger "Chef" wirst du erstmal sein.
In vielen Ressorts gilt ein Rotationsprinzip, was bedeutet, dass du alle paar Jahre eine Stelle mal wechseln wirst/musst. Man kann sich somit ohnehin schwer auf eine Lieblingsstelle fokussieren.
Grundsätzlich würde ich sagen, dass du im Kern richtig liegst und die Arbeit in der Verwaltung stark von der des Anwalts abweicht. Es kommt jedoch auch wie gesagt, stark darauf an wo du tätig bist. Bist du in der Abteilung Prozessvertretung an einer Regierung hast du den ganzen Tag Klagen am Hals.
Zivilrecht wird dir in der Tendenz seltener begegnen.
Was für dich vielleicht noch interessant wäre, ist die Arbeit in einem Rechtsamt in einer Kommune, habe meine Station in einer gemacht, und hatte wirklich alles von Arbeitsrecht, AGB Prüfung im Mietrecht zu Baurecht und Kampfmittelbeseitigung. Dort bist du halt eher direkt an der Front und Ansprechpartner für jeden, was gut und schlecht sein kann ;).
Dort gilt leider auch, je größer die Kommune, desto mehr einzelne Referate, desto mehr Aufgabensplittung.
In Bayern gibt es noch die Landesanwaltschaft, die die Prozessvertretung für den Freistaat Bayern in bestimmten Verfahren (frag mich nicht welche Zuständigkeitsverteilung die haben) übernehmen. Da bist du dann wieder Anwalt im Kern und trotzdem in der Verwaltung. Ich gehe aber mal davon aus, dass du in NRW tätig bist und das weniger für dich in Frage kommt.
Unterricht als Nebentätigkeit kannst du klassisch bei den Referendaren machen in der Verwaltungsstation, also wieder nur Verwaltungsrecht.
Ansonsten Arbeitsbelastung wie gesagt kommt stark darauf an wo du bist aber du hast deine offiziellen 40/41 h je nachdem in welchem BL du bist und die werden in der Regel auch eingehalten. Gerade im Bereich Asyl/Gesundheit gibt es mehr Stress in den letzten Jahren bei Kollegen von mir auch mal Wochenendarbeit angeordnet, aber das ist bei weitem nicht die Regel. Man hat grundsätzlich weniger "Termindruck" aber auch hier kommt darauf an, wenn du zB im Ministerium bist und der Minister von eurem Referat ne Stellungnahme bis Montag haben will, dann wird das Freitag halt noch fertig gemacht. Wenn du Planfeststellungsverfahren machst, die sich 4 Jahre ziehen muss es halt mal irgendwann in Quartal X in Jahr X fertig sein.
Meiner Erfahrung nach sind Mittelbehörden (Regierungen, Bezirksregierungen oder wie sie in NRW heißen) in der Tendenz entspannter als untere Verwaltungsbehörden und Ministerien.
Hoffe ich konnte dir halbwegs ein paar Einblicke verschaffen.
LG
also um deine Punkte kurz auf den Punkt zu bringen. Es kommt sehr stark darauf an.
Führungskraft bist du an den Landratsämter/Finanzämtern. Dort hast du in der Tat mehr Personalzeugs als das klassische Jura, was nicht bedeutet, dass du dich nicht mit juristischen Fragestellungen auseinandersetzen musst. Dort wirst du dich (surprise surprise) viel im öffentlichen Recht bewegen, gibt aber auch Grundsatzreferate/Rechtsamt oder wie sie je nach Behörde heißen, wo du sämtliche Rechtsfragen bearbeitest, die sonst keinem Referat zugeordnet werden können.
An den Mittelbehörden/ Ministerien wirst du mehr Mitarbeiter sein, als Führungskraft und hast in der Tendenz weniger mit Führungsaufgaben zu tun. Habe jedoch auch Kollegen, die Arbeitsbereichsleiter oder Ähnliches sind, was bedeutet, dass du wiederum "Leute unter dir" hast, die du organisieren muss.
Grundsätzlich würde ich sagen, je höher die Verwaltungsebene, desto weniger "Chef" wirst du erstmal sein.
In vielen Ressorts gilt ein Rotationsprinzip, was bedeutet, dass du alle paar Jahre eine Stelle mal wechseln wirst/musst. Man kann sich somit ohnehin schwer auf eine Lieblingsstelle fokussieren.
Grundsätzlich würde ich sagen, dass du im Kern richtig liegst und die Arbeit in der Verwaltung stark von der des Anwalts abweicht. Es kommt jedoch auch wie gesagt, stark darauf an wo du tätig bist. Bist du in der Abteilung Prozessvertretung an einer Regierung hast du den ganzen Tag Klagen am Hals.
Zivilrecht wird dir in der Tendenz seltener begegnen.
Was für dich vielleicht noch interessant wäre, ist die Arbeit in einem Rechtsamt in einer Kommune, habe meine Station in einer gemacht, und hatte wirklich alles von Arbeitsrecht, AGB Prüfung im Mietrecht zu Baurecht und Kampfmittelbeseitigung. Dort bist du halt eher direkt an der Front und Ansprechpartner für jeden, was gut und schlecht sein kann ;).
Dort gilt leider auch, je größer die Kommune, desto mehr einzelne Referate, desto mehr Aufgabensplittung.
In Bayern gibt es noch die Landesanwaltschaft, die die Prozessvertretung für den Freistaat Bayern in bestimmten Verfahren (frag mich nicht welche Zuständigkeitsverteilung die haben) übernehmen. Da bist du dann wieder Anwalt im Kern und trotzdem in der Verwaltung. Ich gehe aber mal davon aus, dass du in NRW tätig bist und das weniger für dich in Frage kommt.
Unterricht als Nebentätigkeit kannst du klassisch bei den Referendaren machen in der Verwaltungsstation, also wieder nur Verwaltungsrecht.
Ansonsten Arbeitsbelastung wie gesagt kommt stark darauf an wo du bist aber du hast deine offiziellen 40/41 h je nachdem in welchem BL du bist und die werden in der Regel auch eingehalten. Gerade im Bereich Asyl/Gesundheit gibt es mehr Stress in den letzten Jahren bei Kollegen von mir auch mal Wochenendarbeit angeordnet, aber das ist bei weitem nicht die Regel. Man hat grundsätzlich weniger "Termindruck" aber auch hier kommt darauf an, wenn du zB im Ministerium bist und der Minister von eurem Referat ne Stellungnahme bis Montag haben will, dann wird das Freitag halt noch fertig gemacht. Wenn du Planfeststellungsverfahren machst, die sich 4 Jahre ziehen muss es halt mal irgendwann in Quartal X in Jahr X fertig sein.
Meiner Erfahrung nach sind Mittelbehörden (Regierungen, Bezirksregierungen oder wie sie in NRW heißen) in der Tendenz entspannter als untere Verwaltungsbehörden und Ministerien.
Hoffe ich konnte dir halbwegs ein paar Einblicke verschaffen.
LG
04.12.2023, 07:09
Kleine Ergänzung: Zivilrecht gibt es entweder im entsprechenden Referat des Justizministeriums oder im Justiziariat von Ministerien oder als Querschnittsaufgabe obendrauf, aber dann nur punktuell.
04.12.2023, 08:44
Deinem Namen entnehme ich, das du aus NRW kommst. Ich kenne einige Verwaltungsjuristen, die nebenher an der HSPV unterrichten. Und ganz unterschiedlichen Fächern, auch im Zivilrecht.
Ansonsten kann ich mich meinem Vorredner nur anschließen, es kommt wie eigentlich überall sehr darauf an.
Falls dich Lehre allgemein interessiert, an der HSPV sind auch einige Hauptamtler.
Ansonsten kann ich mich meinem Vorredner nur anschließen, es kommt wie eigentlich überall sehr darauf an.
Falls dich Lehre allgemein interessiert, an der HSPV sind auch einige Hauptamtler.
04.12.2023, 11:23
(04.12.2023, 03:15)Illegal_Counsel schrieb: Hi,
also um deine Punkte kurz auf den Punkt zu bringen. Es kommt sehr stark darauf an.
Führungskraft bist du an den Landratsämter/Finanzämtern. Dort hast du in der Tat mehr Personalzeugs als das klassische Jura, was nicht bedeutet, dass du dich nicht mit juristischen Fragestellungen auseinandersetzen musst. Dort wirst du dich (surprise surprise) viel im öffentlichen Recht bewegen, gibt aber auch Grundsatzreferate/Rechtsamt oder wie sie je nach Behörde heißen, wo du sämtliche Rechtsfragen bearbeitest, die sonst keinem Referat zugeordnet werden können.
An den Mittelbehörden/ Ministerien wirst du mehr Mitarbeiter sein, als Führungskraft und hast in der Tendenz weniger mit Führungsaufgaben zu tun. Habe jedoch auch Kollegen, die Arbeitsbereichsleiter oder Ähnliches sind, was bedeutet, dass du wiederum "Leute unter dir" hast, die du organisieren muss.
Grundsätzlich würde ich sagen, je höher die Verwaltungsebene, desto weniger "Chef" wirst du erstmal sein.
In vielen Ressorts gilt ein Rotationsprinzip, was bedeutet, dass du alle paar Jahre eine Stelle mal wechseln wirst/musst. Man kann sich somit ohnehin schwer auf eine Lieblingsstelle fokussieren.
Grundsätzlich würde ich sagen, dass du im Kern richtig liegst und die Arbeit in der Verwaltung stark von der des Anwalts abweicht. Es kommt jedoch auch wie gesagt, stark darauf an wo du tätig bist. Bist du in der Abteilung Prozessvertretung an einer Regierung hast du den ganzen Tag Klagen am Hals.
Zivilrecht wird dir in der Tendenz seltener begegnen.
Was für dich vielleicht noch interessant wäre, ist die Arbeit in einem Rechtsamt in einer Kommune, habe meine Station in einer gemacht, und hatte wirklich alles von Arbeitsrecht, AGB Prüfung im Mietrecht zu Baurecht und Kampfmittelbeseitigung. Dort bist du halt eher direkt an der Front und Ansprechpartner für jeden, was gut und schlecht sein kann ;).
Dort gilt leider auch, je größer die Kommune, desto mehr einzelne Referate, desto mehr Aufgabensplittung.
In Bayern gibt es noch die Landesanwaltschaft, die die Prozessvertretung für den Freistaat Bayern in bestimmten Verfahren (frag mich nicht welche Zuständigkeitsverteilung die haben) übernehmen. Da bist du dann wieder Anwalt im Kern und trotzdem in der Verwaltung. Ich gehe aber mal davon aus, dass du in NRW tätig bist und das weniger für dich in Frage kommt.
Unterricht als Nebentätigkeit kannst du klassisch bei den Referendaren machen in der Verwaltungsstation, also wieder nur Verwaltungsrecht.
Ansonsten Arbeitsbelastung wie gesagt kommt stark darauf an wo du bist aber du hast deine offiziellen 40/41 h je nachdem in welchem BL du bist und die werden in der Regel auch eingehalten. Gerade im Bereich Asyl/Gesundheit gibt es mehr Stress in den letzten Jahren bei Kollegen von mir auch mal Wochenendarbeit angeordnet, aber das ist bei weitem nicht die Regel. Man hat grundsätzlich weniger "Termindruck" aber auch hier kommt darauf an, wenn du zB im Ministerium bist und der Minister von eurem Referat ne Stellungnahme bis Montag haben will, dann wird das Freitag halt noch fertig gemacht. Wenn du Planfeststellungsverfahren machst, die sich 4 Jahre ziehen muss es halt mal irgendwann in Quartal X in Jahr X fertig sein.
Meiner Erfahrung nach sind Mittelbehörden (Regierungen, Bezirksregierungen oder wie sie in NRW heißen) in der Tendenz entspannter als untere Verwaltungsbehörden und Ministerien.
Hoffe ich konnte dir halbwegs ein paar Einblicke verschaffen.
LG
Ganz herlichen Dank für diese tolle und sehr hilfreiche Antwort :) Eine Frage hätte ich noch. Wie kommt man am besten an die Stellen mit jur. Prägung in der Verwaltung heran? Ich sehe bisweilen meist nur diese Trainee-Programme-> gibt es hier auch die Möglichkeit von Direkteinstiegen?
04.12.2023, 11:48
(04.12.2023, 11:23)MelissaNRW schrieb:(04.12.2023, 03:15)Illegal_Counsel schrieb: Hi,
also um deine Punkte kurz auf den Punkt zu bringen. Es kommt sehr stark darauf an.
Führungskraft bist du an den Landratsämter/Finanzämtern. Dort hast du in der Tat mehr Personalzeugs als das klassische Jura, was nicht bedeutet, dass du dich nicht mit juristischen Fragestellungen auseinandersetzen musst. Dort wirst du dich (surprise surprise) viel im öffentlichen Recht bewegen, gibt aber auch Grundsatzreferate/Rechtsamt oder wie sie je nach Behörde heißen, wo du sämtliche Rechtsfragen bearbeitest, die sonst keinem Referat zugeordnet werden können.
An den Mittelbehörden/ Ministerien wirst du mehr Mitarbeiter sein, als Führungskraft und hast in der Tendenz weniger mit Führungsaufgaben zu tun. Habe jedoch auch Kollegen, die Arbeitsbereichsleiter oder Ähnliches sind, was bedeutet, dass du wiederum "Leute unter dir" hast, die du organisieren muss.
Grundsätzlich würde ich sagen, je höher die Verwaltungsebene, desto weniger "Chef" wirst du erstmal sein.
In vielen Ressorts gilt ein Rotationsprinzip, was bedeutet, dass du alle paar Jahre eine Stelle mal wechseln wirst/musst. Man kann sich somit ohnehin schwer auf eine Lieblingsstelle fokussieren.
Grundsätzlich würde ich sagen, dass du im Kern richtig liegst und die Arbeit in der Verwaltung stark von der des Anwalts abweicht. Es kommt jedoch auch wie gesagt, stark darauf an wo du tätig bist. Bist du in der Abteilung Prozessvertretung an einer Regierung hast du den ganzen Tag Klagen am Hals.
Zivilrecht wird dir in der Tendenz seltener begegnen.
Was für dich vielleicht noch interessant wäre, ist die Arbeit in einem Rechtsamt in einer Kommune, habe meine Station in einer gemacht, und hatte wirklich alles von Arbeitsrecht, AGB Prüfung im Mietrecht zu Baurecht und Kampfmittelbeseitigung. Dort bist du halt eher direkt an der Front und Ansprechpartner für jeden, was gut und schlecht sein kann ;).
Dort gilt leider auch, je größer die Kommune, desto mehr einzelne Referate, desto mehr Aufgabensplittung.
In Bayern gibt es noch die Landesanwaltschaft, die die Prozessvertretung für den Freistaat Bayern in bestimmten Verfahren (frag mich nicht welche Zuständigkeitsverteilung die haben) übernehmen. Da bist du dann wieder Anwalt im Kern und trotzdem in der Verwaltung. Ich gehe aber mal davon aus, dass du in NRW tätig bist und das weniger für dich in Frage kommt.
Unterricht als Nebentätigkeit kannst du klassisch bei den Referendaren machen in der Verwaltungsstation, also wieder nur Verwaltungsrecht.
Ansonsten Arbeitsbelastung wie gesagt kommt stark darauf an wo du bist aber du hast deine offiziellen 40/41 h je nachdem in welchem BL du bist und die werden in der Regel auch eingehalten. Gerade im Bereich Asyl/Gesundheit gibt es mehr Stress in den letzten Jahren bei Kollegen von mir auch mal Wochenendarbeit angeordnet, aber das ist bei weitem nicht die Regel. Man hat grundsätzlich weniger "Termindruck" aber auch hier kommt darauf an, wenn du zB im Ministerium bist und der Minister von eurem Referat ne Stellungnahme bis Montag haben will, dann wird das Freitag halt noch fertig gemacht. Wenn du Planfeststellungsverfahren machst, die sich 4 Jahre ziehen muss es halt mal irgendwann in Quartal X in Jahr X fertig sein.
Meiner Erfahrung nach sind Mittelbehörden (Regierungen, Bezirksregierungen oder wie sie in NRW heißen) in der Tendenz entspannter als untere Verwaltungsbehörden und Ministerien.
Hoffe ich konnte dir halbwegs ein paar Einblicke verschaffen.
LG
Ganz herlichen Dank für diese tolle und sehr hilfreiche Antwort :) Eine Frage hätte ich noch. Wie kommt man am besten an die Stellen mit jur. Prägung in der Verwaltung heran? Ich sehe bisweilen meist nur diese Trainee-Programme-> gibt es hier auch die Möglichkeit von Direkteinstiegen?
Um es zu beantworten: idR besetzt du nicht dauerhaft eine ganz bestimmte Stelle, sondern wechselst. Das betrifft auch die Zeit ab Lebenszeiternennung. Das liegt allein schon daran, dass man eine gewisse Flexibilität erhalten muss. Geht zb Stelleninhaberin Y in Elternzeit, wirst du eben ihr Nachfolger im Referat Z, das deutlich juristischer für dich als hD Beamter ist, während die Kollegin Y nach der Elternzeit vielleicht eine ganz andere Stelle einnimmt.
04.12.2023, 16:02
(04.12.2023, 11:23)MelissaNRW schrieb:(04.12.2023, 03:15)Illegal_Counsel schrieb: Hi,
also um deine Punkte kurz auf den Punkt zu bringen. Es kommt sehr stark darauf an.
Führungskraft bist du an den Landratsämter/Finanzämtern. Dort hast du in der Tat mehr Personalzeugs als das klassische Jura, was nicht bedeutet, dass du dich nicht mit juristischen Fragestellungen auseinandersetzen musst. Dort wirst du dich (surprise surprise) viel im öffentlichen Recht bewegen, gibt aber auch Grundsatzreferate/Rechtsamt oder wie sie je nach Behörde heißen, wo du sämtliche Rechtsfragen bearbeitest, die sonst keinem Referat zugeordnet werden können.
An den Mittelbehörden/ Ministerien wirst du mehr Mitarbeiter sein, als Führungskraft und hast in der Tendenz weniger mit Führungsaufgaben zu tun. Habe jedoch auch Kollegen, die Arbeitsbereichsleiter oder Ähnliches sind, was bedeutet, dass du wiederum "Leute unter dir" hast, die du organisieren muss.
Grundsätzlich würde ich sagen, je höher die Verwaltungsebene, desto weniger "Chef" wirst du erstmal sein.
In vielen Ressorts gilt ein Rotationsprinzip, was bedeutet, dass du alle paar Jahre eine Stelle mal wechseln wirst/musst. Man kann sich somit ohnehin schwer auf eine Lieblingsstelle fokussieren.
Grundsätzlich würde ich sagen, dass du im Kern richtig liegst und die Arbeit in der Verwaltung stark von der des Anwalts abweicht. Es kommt jedoch auch wie gesagt, stark darauf an wo du tätig bist. Bist du in der Abteilung Prozessvertretung an einer Regierung hast du den ganzen Tag Klagen am Hals.
Zivilrecht wird dir in der Tendenz seltener begegnen.
Was für dich vielleicht noch interessant wäre, ist die Arbeit in einem Rechtsamt in einer Kommune, habe meine Station in einer gemacht, und hatte wirklich alles von Arbeitsrecht, AGB Prüfung im Mietrecht zu Baurecht und Kampfmittelbeseitigung. Dort bist du halt eher direkt an der Front und Ansprechpartner für jeden, was gut und schlecht sein kann ;).
Dort gilt leider auch, je größer die Kommune, desto mehr einzelne Referate, desto mehr Aufgabensplittung.
In Bayern gibt es noch die Landesanwaltschaft, die die Prozessvertretung für den Freistaat Bayern in bestimmten Verfahren (frag mich nicht welche Zuständigkeitsverteilung die haben) übernehmen. Da bist du dann wieder Anwalt im Kern und trotzdem in der Verwaltung. Ich gehe aber mal davon aus, dass du in NRW tätig bist und das weniger für dich in Frage kommt.
Unterricht als Nebentätigkeit kannst du klassisch bei den Referendaren machen in der Verwaltungsstation, also wieder nur Verwaltungsrecht.
Ansonsten Arbeitsbelastung wie gesagt kommt stark darauf an wo du bist aber du hast deine offiziellen 40/41 h je nachdem in welchem BL du bist und die werden in der Regel auch eingehalten. Gerade im Bereich Asyl/Gesundheit gibt es mehr Stress in den letzten Jahren bei Kollegen von mir auch mal Wochenendarbeit angeordnet, aber das ist bei weitem nicht die Regel. Man hat grundsätzlich weniger "Termindruck" aber auch hier kommt darauf an, wenn du zB im Ministerium bist und der Minister von eurem Referat ne Stellungnahme bis Montag haben will, dann wird das Freitag halt noch fertig gemacht. Wenn du Planfeststellungsverfahren machst, die sich 4 Jahre ziehen muss es halt mal irgendwann in Quartal X in Jahr X fertig sein.
Meiner Erfahrung nach sind Mittelbehörden (Regierungen, Bezirksregierungen oder wie sie in NRW heißen) in der Tendenz entspannter als untere Verwaltungsbehörden und Ministerien.
Hoffe ich konnte dir halbwegs ein paar Einblicke verschaffen.
LG
Ganz herlichen Dank für diese tolle und sehr hilfreiche Antwort :) Eine Frage hätte ich noch. Wie kommt man am besten an die Stellen mit jur. Prägung in der Verwaltung heran? Ich sehe bisweilen meist nur diese Trainee-Programme-> gibt es hier auch die Möglichkeit von Direkteinstiegen?
Ich kann nur für Hessen sprechen, aber da gibt es auch Stellen bei denen man direkt einsteigt. Ich mache aktuell zwar ein solches Trainee-Programm, hatte mich aber z.B. auch bei einem Schulamt und einer anderen Behörde beworben. Wenn man da aber nicht bereits im Beamtenverhältnis ist, fängt man als Angestellte an und wird nach Ablauf von einem Jahr erst verbeamtet. So wie ich es gehört habe, sitzt man dann auch auf Stelle. Man rotiert dann auch nicht. Ähnliches habe ich auch von kleineren Kommunalverwaltungen gehört. Wobei zumindest dort wo ich wohne bei letzterem glaube nicht mehr verbeamtet wird.