22.04.2021, 12:06
Hallo Leute, wie macht ihr das mit den Kosten, wenn der Kläger seine Klage nach § 264 Nr. 2 ZPO beschränkt. Wenn man mit Seiler in Thomas/Putzo von einer Teilrücknahme im Sinne von § 269 ZPO ausgeht, ist die Sache ja eigentlich klar; der Kläger hat dann die Kosten für den mit der Beschränkung zurückgenommenen Teil zu tragen. Nun wird aber auch mit guten Gründen, wie ich finde, angenommen, dass eine Beschränkung nach § 264 Nr. 2 ZPO keine teilweise Klagerücknahme ist; denn dann müsste der Beklagte der Beschränkung ab Eintritt in die mündliche Verhandlung zustimmen, was m.E. im Widerspruch zur angedachten Privilegierung steht. Gleichwohl wäre es m.E. unbillig, wenn der Beklagte nach der Beschränkung alle Kosten zu tragen hätte. Der Gebührenstreitwert würde sich durch die nachträgliche Beschränkung ja nicht verändern, sprich der Beklagte müsste die Gebühren aus 10.000 Euro tragen, obwohl er nach der Beschränkung nur zu 5000 Euro verurteilt wurde. Dieses Ergebnis würde wiederum für die Annahme einer zustimmungsbedürftigen Klagerücknahme sprechen. Eine Alternative wäre die Anwendung von § 96 ZPO. Wenn der Kläger zunächst 10.000 Euro beantragt, dann aber auf 5000 Euro beschränkt, dann bleibt sein ursprüngliches Angriffsmittel ja ohne Erfolg. Wie seht ihr das? BGH Rechtsprechung dazu gibt es ja nach meiner Recherche noch nicht.
22.04.2021, 12:43
(22.04.2021, 12:06)Gast schrieb: Hallo Leute, wie macht ihr das mit den Kosten, wenn der Kläger seine Klage nach § 264 Nr. 2 ZPO beschränkt. Wenn man mit Seiler in Thomas/Putzo von einer Teilrücknahme im Sinne von § 269 ZPO ausgeht, ist die Sache ja eigentlich klar; der Kläger hat dann die Kosten für den mit der Beschränkung zurückgenommenen Teil zu tragen. Nun wird aber auch mit guten Gründen, wie ich finde, angenommen, dass eine Beschränkung nach § 264 Nr. 2 ZPO keine teilweise Klagerücknahme ist; denn dann müsste der Beklagte der Beschränkung ab Eintritt in die mündliche Verhandlung zustimmen, was m.E. im Widerspruch zur angedachten Privilegierung steht. Gleichwohl wäre es m.E. unbillig, wenn der Beklagte nach der Beschränkung alle Kosten zu tragen hätte. Der Gebührenstreitwert würde sich durch die nachträgliche Beschränkung ja nicht verändern, sprich der Beklagte müsste die Gebühren aus 10.000 Euro tragen, obwohl er nach der Beschränkung nur zu 5000 Euro verurteilt wurde. Dieses Ergebnis würde wiederum für die Annahme einer zustimmungsbedürftigen Klagerücknahme sprechen. Eine Alternative wäre die Anwendung von § 96 ZPO. Wenn der Kläger zunächst 10.000 Euro beantragt, dann aber auf 5000 Euro beschränkt, dann bleibt sein ursprüngliches Angriffsmittel ja ohne Erfolg. Wie seht ihr das? BGH Rechtsprechung dazu gibt es ja nach meiner Recherche noch nicht.
Ich habe mir das jetzt nochmal durch den Kopf gehen lassen. Eigentlich sprechen die besseren Gründe doch für die Annahme einer teilweisen Klagerücknahme bzw. teilweisen Erledigung bzw. teilweisen Klageverzicht. Neben den Kosten ist mir nämlich der Widerspruch aufgefallen, der sich daraus ergeben würde, dass der Kläger bei einer Zahlung nach Rechtshängigkeit nicht einfach nach § 264 Nr. 2 ZPO auf den Restbetrag beschränken kann, sondern die Klage für erledigt erklären muss.
22.04.2021, 23:36
Dass die besseren Gründe für die Notwendigkeit einer Klagerücknahme/Erledigungserklärung/Verzichtserklärung in Bezug auf den "wegbeschränkten" Teil sprechen, sehe ich anders.
Die Kostenfrage kann man auch ohne derartige Konstruktionen sachgerecht lösen. Der Umfang eines Teilunterliegens richtet sich nach hM nach dem Gebührenstreitwert. Veranlasst der Kläger durch eine zu hoch angesetzte Klage, die er später nach § 264 Nr. 2 ZPO beschränken muss, höhere Kosten, kann man - bezogen auf den Gebührenstreitwert - auch bei vollständigem Obsiegen mit der beschränkten Klage von einem Teilunterliegen ausgehen.
Man könnte allerdings auch umgekehrt argumentieren, dass der Beklagte insoweit überhaupt nicht schutzwürdig ist, weil er den "wegbeschränkten" Teil durch eine negative Zwischenfeststellungsklage zurück in den Prozess holen kann; tut er das nicht, muss er mit der Kostenlast leben.
Beide Argumentationslinien sprechen allerdings gegen die Notwendigkeit einer zusätzlichen Prozesshandlung in Bezug auf den "wegbeschränkten" Teil.
(Mit § 96 ZPO wäre ich an dieser Stelle allerdings vorsichtig. Angriffsmittel ist nicht der Sachantrag selbst, sondern Behaupten/Bestreiten/Beweismittel etc.)
Übrigens müsste der Beklagte auch bei Obsiegen des Klägers im Erledigungsstreit Kosten aus einem höheren Streitwert als dem des Erledigungsstreits zahlen, weil (zumindest nach hM) insoweit ein Abschlag beim Streitwert vorzunehmen ist.
Auch die vermeintliche Notwendigkeit einer Erledigungserklärung bei Zahlung nach Rechtshängigkeit scheint mir ein Zirkelschluss zu sein. Warum soll denn eine Erledigungserklärung notwendig sein (dass sie möglich ist, bestreite ich nicht)? Wenn der Beklagte vollständig zahlt, hilft § 264 Nr. 2 ZPO nicht weiter. Dann kommen nur Klagerücknahme oder Erledigungserklärung (oder Verzicht) in Betracht. Wenn er nur teilweise zahlt, trifft § 264 Nr. 2 ZPO doch eigentlich eine ziemlich klare Regelung. Warum die wohl hM an dieser Stelle zusätzlich Klagerücknahme/Erledigungserklärung/Verzicht fordert, erschließt sich mir nicht. Insbesondere das Argument, der Beklagte dürfe ohne seine Zustimmung nicht um ein Urteil gebracht werden, halte ich für eher schwach. Der Beklagte hat nämlich die Möglichkeit, genau das über § 256 II ZPO zu verhindern. Die Möglichkeit hat er nur bei der vollständigen Klagerücknahme nicht; dem trägt § 269 I ZPO Rechnung.
Ich halte deine anfängliche Überlegung also für durchaus berechtigt. Die hM ist hier alles andere als unangreifbar. Für die Klausur hilft allerdings alles nichts, da muss (sollte) der hM gefolgt werden.
Die Kostenfrage kann man auch ohne derartige Konstruktionen sachgerecht lösen. Der Umfang eines Teilunterliegens richtet sich nach hM nach dem Gebührenstreitwert. Veranlasst der Kläger durch eine zu hoch angesetzte Klage, die er später nach § 264 Nr. 2 ZPO beschränken muss, höhere Kosten, kann man - bezogen auf den Gebührenstreitwert - auch bei vollständigem Obsiegen mit der beschränkten Klage von einem Teilunterliegen ausgehen.
Man könnte allerdings auch umgekehrt argumentieren, dass der Beklagte insoweit überhaupt nicht schutzwürdig ist, weil er den "wegbeschränkten" Teil durch eine negative Zwischenfeststellungsklage zurück in den Prozess holen kann; tut er das nicht, muss er mit der Kostenlast leben.
Beide Argumentationslinien sprechen allerdings gegen die Notwendigkeit einer zusätzlichen Prozesshandlung in Bezug auf den "wegbeschränkten" Teil.
(Mit § 96 ZPO wäre ich an dieser Stelle allerdings vorsichtig. Angriffsmittel ist nicht der Sachantrag selbst, sondern Behaupten/Bestreiten/Beweismittel etc.)
Übrigens müsste der Beklagte auch bei Obsiegen des Klägers im Erledigungsstreit Kosten aus einem höheren Streitwert als dem des Erledigungsstreits zahlen, weil (zumindest nach hM) insoweit ein Abschlag beim Streitwert vorzunehmen ist.
Auch die vermeintliche Notwendigkeit einer Erledigungserklärung bei Zahlung nach Rechtshängigkeit scheint mir ein Zirkelschluss zu sein. Warum soll denn eine Erledigungserklärung notwendig sein (dass sie möglich ist, bestreite ich nicht)? Wenn der Beklagte vollständig zahlt, hilft § 264 Nr. 2 ZPO nicht weiter. Dann kommen nur Klagerücknahme oder Erledigungserklärung (oder Verzicht) in Betracht. Wenn er nur teilweise zahlt, trifft § 264 Nr. 2 ZPO doch eigentlich eine ziemlich klare Regelung. Warum die wohl hM an dieser Stelle zusätzlich Klagerücknahme/Erledigungserklärung/Verzicht fordert, erschließt sich mir nicht. Insbesondere das Argument, der Beklagte dürfe ohne seine Zustimmung nicht um ein Urteil gebracht werden, halte ich für eher schwach. Der Beklagte hat nämlich die Möglichkeit, genau das über § 256 II ZPO zu verhindern. Die Möglichkeit hat er nur bei der vollständigen Klagerücknahme nicht; dem trägt § 269 I ZPO Rechnung.
Ich halte deine anfängliche Überlegung also für durchaus berechtigt. Die hM ist hier alles andere als unangreifbar. Für die Klausur hilft allerdings alles nichts, da muss (sollte) der hM gefolgt werden.
23.04.2021, 17:51
(22.04.2021, 23:36)Landvogt schrieb: Dass die besseren Gründe für die Notwendigkeit einer Klagerücknahme/Erledigungserklärung/Verzichtserklärung in Bezug auf den "wegbeschränkten" Teil sprechen, sehe ich anders.
Die Kostenfrage kann man auch ohne derartige Konstruktionen sachgerecht lösen. Der Umfang eines Teilunterliegens richtet sich nach hM nach dem Gebührenstreitwert. Veranlasst der Kläger durch eine zu hoch angesetzte Klage, die er später nach § 264 Nr. 2 ZPO beschränken muss, höhere Kosten, kann man - bezogen auf den Gebührenstreitwert - auch bei vollständigem Obsiegen mit der beschränkten Klage von einem Teilunterliegen ausgehen.
Man könnte allerdings auch umgekehrt argumentieren, dass der Beklagte insoweit überhaupt nicht schutzwürdig ist, weil er den "wegbeschränkten" Teil durch eine negative Zwischenfeststellungsklage zurück in den Prozess holen kann; tut er das nicht, muss er mit der Kostenlast leben.
Beide Argumentationslinien sprechen allerdings gegen die Notwendigkeit einer zusätzlichen Prozesshandlung in Bezug auf den "wegbeschränkten" Teil.
(Mit § 96 ZPO wäre ich an dieser Stelle allerdings vorsichtig. Angriffsmittel ist nicht der Sachantrag selbst, sondern Behaupten/Bestreiten/Beweismittel etc.)
Übrigens müsste der Beklagte auch bei Obsiegen des Klägers im Erledigungsstreit Kosten aus einem höheren Streitwert als dem des Erledigungsstreits zahlen, weil (zumindest nach hM) insoweit ein Abschlag beim Streitwert vorzunehmen ist.
Auch die vermeintliche Notwendigkeit einer Erledigungserklärung bei Zahlung nach Rechtshängigkeit scheint mir ein Zirkelschluss zu sein. Warum soll denn eine Erledigungserklärung notwendig sein (dass sie möglich ist, bestreite ich nicht)? Wenn der Beklagte vollständig zahlt, hilft § 264 Nr. 2 ZPO nicht weiter. Dann kommen nur Klagerücknahme oder Erledigungserklärung (oder Verzicht) in Betracht. Wenn er nur teilweise zahlt, trifft § 264 Nr. 2 ZPO doch eigentlich eine ziemlich klare Regelung. Warum die wohl hM an dieser Stelle zusätzlich Klagerücknahme/Erledigungserklärung/Verzicht fordert, erschließt sich mir nicht. Insbesondere das Argument, der Beklagte dürfe ohne seine Zustimmung nicht um ein Urteil gebracht werden, halte ich für eher schwach. Der Beklagte hat nämlich die Möglichkeit, genau das über § 256 II ZPO zu verhindern. Die Möglichkeit hat er nur bei der vollständigen Klagerücknahme nicht; dem trägt § 269 I ZPO Rechnung.
Ich halte deine anfängliche Überlegung also für durchaus berechtigt. Die hM ist hier alles andere als unangreifbar. Für die Klausur hilft allerdings alles nichts, da muss (sollte) der hM gefolgt werden.
Vielen Dank. Ich bin hin- und hergerissen. Intuitiv bin ich immer - bis ich im Putzo gelesen haben - davon ausgegangen, dass § 264 Nr. 2 ZPO für sich allein steht, also eine Klagerücknahme etc. nicht notwendig ist. Du hast Recht, dass Argument mit der Umstellung nach Zahlung ist keines. Es stellt sich natürlich auch die Frage, ob eine reine Beschränkung des Klageantrages - ohne Änderung des Klagegrundes - überhaupt eine Klagerücknahme sein kann; es wird ja kein Streitgegenstand zurückgenommen? Leider habe ich im Ref. nur wenig Zeit, mich mit solchen Fragen zu beschäftigten, sodass ich einfach deinen Tipp folge und es mit der hM halte.
23.04.2021, 19:20
Fragen über Fragen... vielleicht mal einen Aufsatz dazu in der JuS verfassen? :-D