18.02.2021, 09:26
Guten Morgen Liebe Juristengemeinde,
Ich hatte gestern Abend eine sehr interessante Diskussion mit meinen Eltern am Abendbrotstisch. Es ging um das Thema, ob die Gerichte zu lasche Strafen aussprechen. Das Thema ist ja schon etwas älter, erlebt aber gerade ja so etwas wie eine neue Renaissance. Auch meine Eltern empfinden es so, dass die Strafen, die ausgesprochen werden, zum Teil viel zu gering ausfallen.
Nun bin ich bislang stets ein Verfechter der bisherigen Strafpraxis gewesen, da höhere Strafen bekanntlich kaum jemanden davon abhalten werden, eine bestimmte Tat zu begehen. Dies scheint bei den meisten Menschen aber gar nicht im Vordergrund zu stehen, sondern der Vergeltungsgedanke. Wie sehr ihr das:
a) Findet ihr die Gerichte verhängen zu geringe Strafen?
b) Braucht es Anpassungen der Gesetze durch Verschiebung der Stragrahmen nach oben oder sollten die bestehenden Rahmen einfach mehr durch die Gerichte ausgeschöpft werden?
--> Ich vertrete eher zweiteres. Schließlich geben die meisten Strafgesetze bereits weite Spielräume vor,die auch die Möglichkeit der Verhängung höherer Strafen offenlassen.
C) Sollte der Vergeltungsgedanke wieder mehr in den Mittelpunkt rücken?
--> Ich persönlich könnte mich damit anfreunden, wenn sich dieser Umstand im Rahmen bewegt und Präventionsgedanken nicht außen vor bleiben. Schließlich finde ich es enorm wichtig, dass Strafen in der Bevölkerung auch zu einer gewissen Akzeptanz führen.
d) Fallen euch Reformmöglichkeiten ein?
--> Mir ist gestern in den Sinn gekommen, ggf nur noch bis 1 Jahr FS eine Bewährung verhängen zu dürfen,denn gerade die Bewährungsstrafe wird vom Ottonormalbürger eher als Freifahrtsschein aufgefasst. Oder ggf Verknüpfung einer Bewährung mit einer Geldstrafe?! Sollten die Altersgrenzen angepasst werden?
Ich freue mich über eine rege Diskussion :)
Max
Ich hatte gestern Abend eine sehr interessante Diskussion mit meinen Eltern am Abendbrotstisch. Es ging um das Thema, ob die Gerichte zu lasche Strafen aussprechen. Das Thema ist ja schon etwas älter, erlebt aber gerade ja so etwas wie eine neue Renaissance. Auch meine Eltern empfinden es so, dass die Strafen, die ausgesprochen werden, zum Teil viel zu gering ausfallen.
Nun bin ich bislang stets ein Verfechter der bisherigen Strafpraxis gewesen, da höhere Strafen bekanntlich kaum jemanden davon abhalten werden, eine bestimmte Tat zu begehen. Dies scheint bei den meisten Menschen aber gar nicht im Vordergrund zu stehen, sondern der Vergeltungsgedanke. Wie sehr ihr das:
a) Findet ihr die Gerichte verhängen zu geringe Strafen?
b) Braucht es Anpassungen der Gesetze durch Verschiebung der Stragrahmen nach oben oder sollten die bestehenden Rahmen einfach mehr durch die Gerichte ausgeschöpft werden?
--> Ich vertrete eher zweiteres. Schließlich geben die meisten Strafgesetze bereits weite Spielräume vor,die auch die Möglichkeit der Verhängung höherer Strafen offenlassen.
C) Sollte der Vergeltungsgedanke wieder mehr in den Mittelpunkt rücken?
--> Ich persönlich könnte mich damit anfreunden, wenn sich dieser Umstand im Rahmen bewegt und Präventionsgedanken nicht außen vor bleiben. Schließlich finde ich es enorm wichtig, dass Strafen in der Bevölkerung auch zu einer gewissen Akzeptanz führen.
d) Fallen euch Reformmöglichkeiten ein?
--> Mir ist gestern in den Sinn gekommen, ggf nur noch bis 1 Jahr FS eine Bewährung verhängen zu dürfen,denn gerade die Bewährungsstrafe wird vom Ottonormalbürger eher als Freifahrtsschein aufgefasst. Oder ggf Verknüpfung einer Bewährung mit einer Geldstrafe?! Sollten die Altersgrenzen angepasst werden?
Ich freue mich über eine rege Diskussion :)
Max
18.02.2021, 09:43
Es sollte nicht härter, sondern zügiger und konsequenter bestraft werden.
Ein Straftäter soll früh merken, dass Straftaten sanktioniert werden, auch wenn nur mild. Das ist nicht der Fall, wenn die ersten 3-5 Bagatelldelikte pauschal eingestellt werden.
Ein Straftäter soll früh merken, dass Straftaten sanktioniert werden, auch wenn nur mild. Das ist nicht der Fall, wenn die ersten 3-5 Bagatelldelikte pauschal eingestellt werden.
18.02.2021, 10:20
Ich bin mir absolut bewusst, dass härtere Strafen keinen höhere Abschreckungswirkung entfalten und nach absoluter hM nicht zu weniger Straftaten führen.
Nichtsdestotrotz bin ich gerade was Wiederholungstaten angeht, für eine massive Erhöhung der Strafen. Vorschweben würde mir eine Regelung, angelehnt an die 3-Strike-Laws aus den USA. Wer drei Verbrechen begeht fährt automatisch lebenslänglich ein, ohne Chance auf frühzeitige Entlassung.
Gleichzeitig bin ich aber dafür, gerade bei Ersttätern maximalen Fokus auf Resozialisierung zu legen. Wer es dann halt nicht rafft und meint, er müsste nach zwei Verbrechensverurteilungen ein drittes Verbrechen begehen, der entscheidet sich eben bewusst und aktiv dafür, nicht mehr Teil der Solidargemeinschaft sein zu wollen.
Nichtsdestotrotz bin ich gerade was Wiederholungstaten angeht, für eine massive Erhöhung der Strafen. Vorschweben würde mir eine Regelung, angelehnt an die 3-Strike-Laws aus den USA. Wer drei Verbrechen begeht fährt automatisch lebenslänglich ein, ohne Chance auf frühzeitige Entlassung.
Gleichzeitig bin ich aber dafür, gerade bei Ersttätern maximalen Fokus auf Resozialisierung zu legen. Wer es dann halt nicht rafft und meint, er müsste nach zwei Verbrechensverurteilungen ein drittes Verbrechen begehen, der entscheidet sich eben bewusst und aktiv dafür, nicht mehr Teil der Solidargemeinschaft sein zu wollen.
18.02.2021, 10:46
wall of text, didnt read.
bevor wir hier gleich wieder zu Kindrsmissbrauch und Hitler kommen, rege ich an, den Thread zuzurammeln und auf den Meeresgrund zu versenken
bevor wir hier gleich wieder zu Kindrsmissbrauch und Hitler kommen, rege ich an, den Thread zuzurammeln und auf den Meeresgrund zu versenken
18.02.2021, 11:20
18.02.2021, 11:24
Also ich beschäftige mich zum Glück seit dem Referendariat nicht mehr mit Strafrecht, aber während meiner Stationen ist mir aufgefallen, dass meines Erachtens ein Missverhältnis besteht, was das Strafmaß für verschiedene Delikte betrifft. So halte ich z.b. das Strafmaß bei Eigentumsdelikten häufig für relativ hoch, jemand klaut bei Rossmann zwei gammlige Parfums und muss dafür in den Knast, natürlich mit Vorstrafen etc. Gerade bei Delikten, die sich aber sehr negativ für das Zusammenleben auswirken, z.b. Körperverletzung, ist die Strafe dann aber häufig relativ niedrig, nur ein paar Tagessätze. Auch wenn mir nicht unbedingt ein besseres System einfällt, finde ich die Geldstrafen auch nicht sonderlich gerächt. Insbesondere Hartz IV Empfänger bekommen damit halt in absoluten Beträgen lächerlich niedrige Strafen, die dann auch über raten über hunderte Monate ab gezahlt werden können und somit überhaupt kein straf Effekt spürbar ist. Wenn man dagegen einigermaßen gut verdient, ist man bei 'Kavaliersdelikten' dann gerne auch mal ein paar 1000 € los
18.02.2021, 11:59
Die Strafhöhen sind auf die unterschiedlichen Delikte ungleich verteilt. Hier wurde schon die Differenz zwischen Delikten gegen Vermögen und gegen Personen genannt. Dafür gibt es eine Erklärung: Das Vermögensdelikt wird eher im Voraus geplant und eher Teil meiner Kebenseinstellung, um nicht zu sagen Teil einer kleinen "Berufsentscheidung", und hier wäge ich im Voraus eher den möglichen Gewinn gegen das Risiko ab. Bedenke auch, dass Vermögensdelikte oft grenzüberschreitend begangen werden. Die rumänischen Autodiebe entscheiden sich eher für Diebstähle in Frankreich, wenn es dort im Falle des Erwischtwerden nur etwas Schimpfe gibt, als für Deutschland, wenn hier direkt eingebuchtet wird. Außerdem gilt, Geld braucht man immer. Die Körperverletzung wird aber eher einmalig begangen, in einer aufgewühlten Situation und im Affekt. In diesen Momenten wägt der Täter nur kaum ab.
Aber auch ungeachtet dieser noch zu erklärbaren Differenz gibt es erkennbare Unterschiede. Oft dürften die auch einfach darauf zurückzuführen sein, dass der Gesetzgeber selber keinen Plan hat. Insbesondere im Sexualstrafrecht (und dort ganz besonderes alles, was mit Kindern zu tun hat) kann man sich profilieren, wenn man nur immer höhere Strafen fordert. Das macht zumeist keinen Sinn und das muss es auch nicht. So kommen irrsinnige Ergebnisse zustande. Die Verteilugen der Strafrahmen verfolgt kein einheitliches Konzept. Natürlich ist es dann eine Folge, dass einige Delikte zu hoch/niedrig bestraft werden.
Ein Problem sehe ich mit dem in Deutschland sehr großzügigem Umgang mit Bewährungen. De facto wird auch alles oberhalb der 12 Monate zur Bewährung ausgesetzt. Und es wird darauf geachtet, dass die 24 Monate noch eingehalten werden. Eine Bewährungsstrafe ist je nach Täter und Tat aber eigentlich gar keine Strafe.
Wer mit Bewährung rechnen kann, für den geht die Abschreckung wirklich gegen Null. Wer auf Vergeltung gehofft hat (das darf man machen und Vergeltung ist nunmal ein wesentlicher Gedanke in unserem Zusammenleben, ob wir wollen oder nicht), der sieht nichts von Vergeltung, wenn der Täter quasi unbehelligt bleibt. Und auch die Sicherheit erhöhen Freiheitsstrafen ohne Bewährung, da der Täter während des Vollzugs nunmal an der begehung weiterer Taten gehindert ist (diese Atempause kann schon viel ausmachen).
Andererseits: Man hofft ja doch auch immer auf ein "verständnisvolles" Strafrecht.
Aber auch ungeachtet dieser noch zu erklärbaren Differenz gibt es erkennbare Unterschiede. Oft dürften die auch einfach darauf zurückzuführen sein, dass der Gesetzgeber selber keinen Plan hat. Insbesondere im Sexualstrafrecht (und dort ganz besonderes alles, was mit Kindern zu tun hat) kann man sich profilieren, wenn man nur immer höhere Strafen fordert. Das macht zumeist keinen Sinn und das muss es auch nicht. So kommen irrsinnige Ergebnisse zustande. Die Verteilugen der Strafrahmen verfolgt kein einheitliches Konzept. Natürlich ist es dann eine Folge, dass einige Delikte zu hoch/niedrig bestraft werden.
Ein Problem sehe ich mit dem in Deutschland sehr großzügigem Umgang mit Bewährungen. De facto wird auch alles oberhalb der 12 Monate zur Bewährung ausgesetzt. Und es wird darauf geachtet, dass die 24 Monate noch eingehalten werden. Eine Bewährungsstrafe ist je nach Täter und Tat aber eigentlich gar keine Strafe.
Wer mit Bewährung rechnen kann, für den geht die Abschreckung wirklich gegen Null. Wer auf Vergeltung gehofft hat (das darf man machen und Vergeltung ist nunmal ein wesentlicher Gedanke in unserem Zusammenleben, ob wir wollen oder nicht), der sieht nichts von Vergeltung, wenn der Täter quasi unbehelligt bleibt. Und auch die Sicherheit erhöhen Freiheitsstrafen ohne Bewährung, da der Täter während des Vollzugs nunmal an der begehung weiterer Taten gehindert ist (diese Atempause kann schon viel ausmachen).
Andererseits: Man hofft ja doch auch immer auf ein "verständnisvolles" Strafrecht.
18.02.2021, 12:11
Na, wer erinnert sich noch an die erste Vorlesung Strafrecht AT, Strafzwecktheorien?
Das was hier unter dem Vergeltungsgesichtspunkt beschrieben wurde entspricht der positvien Generalprävention.
Ansonsten ist die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung und Bestrafung relevanter als die Strafhöhe. Da helfen eher eine bessere Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden.
Auf die negative Spezialprävention bezogen sind aus psychologischer Sicht sog. unzureichende Strafen auf lange Sicht in bestimmten Fällen sogar zielfürender als besonders hohe.
Durch eine hohe Strafe hat der Verurteilte eine externe Rechtfertigung, warum er ein bestimmtes Verhalten nicht mehr machen sollte. Das führt weniger zu einer Einstellungsänderung sondern eher dazu, sich nicht erwischen zu lassen.
Wenn dagegen eine sog. "unzureichende Strafe" verhängt wird kann dies (bei Ersttätern!) eher zu einer Einstellungsänderung führen, da eine externe Rechtfertigung für eine Verhaltensänderung fehlt. Wenn der Verurteilte trotz eher milder Strafe keine Straftaten mehr begeht entsteht kognitive Dissonanz, die durch eine Änderung der inneren Einstellung aufgelöst werden kann. Die Krux ist es also, eine Strafe festzulegen, die gerade so ausreicht eine Verhaltensänderung herbeizuführen. In der Praxis ist das natürlich sehr schwer punktgenau zu bestimmen und bei Wiederholungstätern ist oft eh Hopfen und Malz verloren.
Aber bevor man pauschal nach härteren Strafen schreit sollte man sicht hiermit schon auseinander gesetzt haben.
Das was hier unter dem Vergeltungsgesichtspunkt beschrieben wurde entspricht der positvien Generalprävention.
Ansonsten ist die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung und Bestrafung relevanter als die Strafhöhe. Da helfen eher eine bessere Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden.
Auf die negative Spezialprävention bezogen sind aus psychologischer Sicht sog. unzureichende Strafen auf lange Sicht in bestimmten Fällen sogar zielfürender als besonders hohe.
Durch eine hohe Strafe hat der Verurteilte eine externe Rechtfertigung, warum er ein bestimmtes Verhalten nicht mehr machen sollte. Das führt weniger zu einer Einstellungsänderung sondern eher dazu, sich nicht erwischen zu lassen.
Wenn dagegen eine sog. "unzureichende Strafe" verhängt wird kann dies (bei Ersttätern!) eher zu einer Einstellungsänderung führen, da eine externe Rechtfertigung für eine Verhaltensänderung fehlt. Wenn der Verurteilte trotz eher milder Strafe keine Straftaten mehr begeht entsteht kognitive Dissonanz, die durch eine Änderung der inneren Einstellung aufgelöst werden kann. Die Krux ist es also, eine Strafe festzulegen, die gerade so ausreicht eine Verhaltensänderung herbeizuführen. In der Praxis ist das natürlich sehr schwer punktgenau zu bestimmen und bei Wiederholungstätern ist oft eh Hopfen und Malz verloren.
Aber bevor man pauschal nach härteren Strafen schreit sollte man sicht hiermit schon auseinander gesetzt haben.
18.02.2021, 12:18
Der Kopf muss ab!
18.02.2021, 14:01
Strafen für Sexualstraftäter hoch und Drogen (den Erwerb und Konsum, nicht den Handel) komplett entkriminalisieren.