14.11.2020, 09:15
Heute in einer großen deutschen Tageszeitung: Mal wieder ein Artikel über die aktuelle Überforderung von Staatsanwaltschaft und Richterschaft, bezogen auf die Arbeitslast -
https://www.sueddeutsche.de/karriere/jus...-1.5111414
Ich selbst liebäugele mit dem Justizdienst. Ich weiß, das Thema wurde schon mehrfach in anderen Threads aufgegriffen und ich will auch keine neue Diskussion à la "Ist es besser, in der GK zu arbeiten oder in der Justiz?" starten. Mich würde nur an die BerufseinsteigerInnen unter euch, die es in den Justizdienst verschlagen hat, interessieren: Ist es wirklich so schlimm mit der Überforderung? Oder wird hier sehr polemisch ein Bild gezeichnet, was vielleicht auf NRW und Berlin zutreffen mag, aber nicht auf den Großteil des Rests der Republik?
https://www.sueddeutsche.de/karriere/jus...-1.5111414
Ich selbst liebäugele mit dem Justizdienst. Ich weiß, das Thema wurde schon mehrfach in anderen Threads aufgegriffen und ich will auch keine neue Diskussion à la "Ist es besser, in der GK zu arbeiten oder in der Justiz?" starten. Mich würde nur an die BerufseinsteigerInnen unter euch, die es in den Justizdienst verschlagen hat, interessieren: Ist es wirklich so schlimm mit der Überforderung? Oder wird hier sehr polemisch ein Bild gezeichnet, was vielleicht auf NRW und Berlin zutreffen mag, aber nicht auf den Großteil des Rests der Republik?
Wer Richter auf Probe bzw. Staatsanwalt werden möchte, sollte sich mit dem Karriere-Dossier über die Einstellungschancen und Bewerbungsvoraussetzungen informieren. Das Karriere-Dossier ist als Print-Buch sowie als E-Book für alle 16 Bundesländer erhältlich:
https://www.juristenkoffer.de/richter/karriere-dossier-richter-staatsanwalt-werden.php
Und zur Vorbereitung auf das alles entscheidende Vorstellungsgespräch sollte man auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben.
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Und zur Vorbereitung auf das alles entscheidende Vorstellungsgespräch sollte man auf die vielen hunderten Erfahrungsberichte anderer Juristen zugreifen, die bereits das Bewerbungsverfahren erfolgreich absolviert haben.
14.11.2020, 09:45
Kommt eben darauf an wo man ist und wie man arbeitet.
Ich bin Staatsanwältin in einer mittelgroßen Behörde in Bayern.
Ich arbeite nicht mehr als meine 40 Stunden, gehe freitags immer spätestens um 15:00 Uhr, wir haben schöne Büros, Höhenverstellbare Schreibtische, jeder hat einen eigenen Laptop mit VPN Leitung, Bereitschaftshandy ist moderner als mein eigenes, wir haben mehrere Dienstwägen, die deutlich besser sind als mein eigenes Auto und jeder hat seine eigene Schreibkraft. Man wurde auch sehr gut angelernt und die Vorgesetzten haben auch immer Zeit wenn man ein Problem hat. Ich bin jedenfalls sehr zufrieden u würde mich immer wieder dafür entscheiden.
Für solche Artikel gehen die Reporter wahrscheinlich auch immer in die schlecht ausgestattetsten Behörden mit den schlecht gelauntesten Mitarbeitern.
Ich bin Staatsanwältin in einer mittelgroßen Behörde in Bayern.
Ich arbeite nicht mehr als meine 40 Stunden, gehe freitags immer spätestens um 15:00 Uhr, wir haben schöne Büros, Höhenverstellbare Schreibtische, jeder hat einen eigenen Laptop mit VPN Leitung, Bereitschaftshandy ist moderner als mein eigenes, wir haben mehrere Dienstwägen, die deutlich besser sind als mein eigenes Auto und jeder hat seine eigene Schreibkraft. Man wurde auch sehr gut angelernt und die Vorgesetzten haben auch immer Zeit wenn man ein Problem hat. Ich bin jedenfalls sehr zufrieden u würde mich immer wieder dafür entscheiden.
Für solche Artikel gehen die Reporter wahrscheinlich auch immer in die schlecht ausgestattetsten Behörden mit den schlecht gelauntesten Mitarbeitern.
14.11.2020, 09:46
(14.11.2020, 09:15)Leser schrieb: Heute in einer großen deutschen Tageszeitung: Mal wieder ein Artikel über die aktuelle Überforderung von Staatsanwaltschaft und Richterschaft, bezogen auf die Arbeitslast -
https://www.sueddeutsche.de/karriere/jus...-1.5111414
Ich selbst liebäugele mit dem Justizdienst. Ich weiß, das Thema wurde schon mehrfach in anderen Threads aufgegriffen und ich will auch keine neue Diskussion à la "Ist es besser, in der GK zu arbeiten oder in der Justiz?" starten. Mich würde nur an die BerufseinsteigerInnen unter euch, die es in den Justizdienst verschlagen hat, interessieren: Ist es wirklich so schlimm mit der Überforderung? Oder wird hier sehr polemisch ein Bild gezeichnet, was vielleicht auf NRW und Berlin zutreffen mag, aber nicht auf den Großteil des Rests der Republik?
Was auch immer "BerufseinsteigerInnen" sein mag, kann ich für meinen Teil zur Sache sagen, dass die Behauptung, die Arbeitslast in der Justiz sei heutzutage zu hoch, grundsätzlich sicherlich zutrifft.
Dabei mag es regionale Unterschiede geben. Im Kern ist es aber so, dass die Fragestellungen für die Justiz immer komplexer werden, die manpower aber nicht entsprechend steigt. Wir (StA) stellen mittlerweile auch Dinge "im Zweifel" nochmal ein, weil einfach die Ressourcen fehlen, auch die "Kleinigkeiten" richtig zu bearbeiten. Diese "Kleinigkeiten" wurden dabei in den letzten Jahren immer größer. Besonders plastisch hatte ich die Problematik gestern wieder auf dem Tisch, als ein Herr, der 67 Einträge in Verfahrenslisten hatte, nicht einen einzigen BZR-Eintrag verkraften musste. Da würde man gerne mal was machen, aber es gibt einfach Schwereres, und der LOStA wirkt dann auf entsprechende Aussiebung hin, sodass auch solche Kerle rausfallen können.
Zusammengefasst: Arbeit ist mehr als genug vorhanden. Du wirst auch schnell von deiner Idealvorstellung der Justiz, die du jetzt noch haben magst, auf den harten Boden der Tatsachen geholt. Und der wird immer härter, sollte nicht schleunigst etwas unternommen werden, um vor allem mehr Richter und Staatsanwälte zu gewinnen. Bitte nicht falsch verstehen. Der Job kann trotzdem Spaß machen. Aber befriedigend ist er nicht mehr.
14.11.2020, 09:50
(14.11.2020, 09:46)Gast schrieb: Kommt eben darauf an wo man ist und wie man arbeitet.
Ich bin Staatsanwältin in einer mittelgroßen Behörde in Bayern.
Ich arbeite nicht mehr als meine 40 Stunden, gehe freitags immer spätestens um 15:00 Uhr, wir haben schöne Büros, Höhenverstellbare Schreibtische, jeder hat einen eigenen Laptop mit VPN Leitung, Bereitschaftshandy ist moderner als mein eigenes, wir haben mehrere Dienstwägen, die deutlich besser sind als mein eigenes Auto und jeder hat seine eigene Schreibkraft. Man wurde auch sehr gut angelernt und die Vorgesetzten haben auch immer Zeit wenn man ein Problem hat. Ich bin jedenfalls sehr zufrieden u würde mich immer wieder dafür entscheiden.
Für solche Artikel gehen die Reporter wahrscheinlich auch immer in die schlecht ausgestattetsten Behörden mit den schlecht gelauntesten Mitarbeitern.
Arbeitest du in Hof? :)
14.11.2020, 09:55
Zum Glück nicht, hatte aber auch recht gute Noten und konnte es mir aussuchen. Aber schön, dass es in Hof scheinbar auch gut läuft ?
14.11.2020, 10:14
(14.11.2020, 09:46)Gast schrieb:(14.11.2020, 09:15)Leser schrieb: Heute in einer großen deutschen Tageszeitung: Mal wieder ein Artikel über die aktuelle Überforderung von Staatsanwaltschaft und Richterschaft, bezogen auf die Arbeitslast -
https://www.sueddeutsche.de/karriere/jus...-1.5111414
Ich selbst liebäugele mit dem Justizdienst. Ich weiß, das Thema wurde schon mehrfach in anderen Threads aufgegriffen und ich will auch keine neue Diskussion à la "Ist es besser, in der GK zu arbeiten oder in der Justiz?" starten. Mich würde nur an die BerufseinsteigerInnen unter euch, die es in den Justizdienst verschlagen hat, interessieren: Ist es wirklich so schlimm mit der Überforderung? Oder wird hier sehr polemisch ein Bild gezeichnet, was vielleicht auf NRW und Berlin zutreffen mag, aber nicht auf den Großteil des Rests der Republik?
Was auch immer "BerufseinsteigerInnen" sein mag, kann ich für meinen Teil zur Sache sagen, dass die Behauptung, die Arbeitslast in der Justiz sei heutzutage zu hoch, grundsätzlich sicherlich zutrifft.
Dabei mag es regionale Unterschiede geben. Im Kern ist es aber so, dass die Fragestellungen für die Justiz immer komplexer werden, die manpower aber nicht entsprechend steigt. Wir (StA) stellen mittlerweile auch Dinge "im Zweifel" nochmal ein, weil einfach die Ressourcen fehlen, auch die "Kleinigkeiten" richtig zu bearbeiten. Diese "Kleinigkeiten" wurden dabei in den letzten Jahren immer größer. Besonders plastisch hatte ich die Problematik gestern wieder auf dem Tisch, als ein Herr, der 67 Einträge in Verfahrenslisten hatte, nicht einen einzigen BZR-Eintrag verkraften musste. Da würde man gerne mal was machen, aber es gibt einfach Schwereres, und der LOStA wirkt dann auf entsprechende Aussiebung hin, sodass auch solche Kerle rausfallen können.
Zusammengefasst: Arbeit ist mehr als genug vorhanden. Du wirst auch schnell von deiner Idealvorstellung der Justiz, die du jetzt noch haben magst, auf den harten Boden der Tatsachen geholt. Und der wird immer härter, sollte nicht schleunigst etwas unternommen werden, um vor allem mehr Richter und Staatsanwälte zu gewinnen. Bitte nicht falsch verstehen. Der Job kann trotzdem Spaß machen. Aber befriedigend ist er nicht mehr.
Wenn gegen jemanden 67 Mal ermittelt wird, er aber immer wieder mit einem blauen Auge davonkommt, hat es für mich nichts mehr mit Rechtsstaatlichkeit zu tun. Jedem ist dabei klar, dass der Herr mit großer Wahrscheinlichkeit mehr als 67 Straftaten in seinem Leben begangen hat und eben nur diese ans Licht gekommen sind.
Dann braucht man sich nicht wundern, wenn es immer mehr Berufskriminelle (Clamkriminalität, Einbrecherbanden etc.) gibt, die das Strafverfolgungsrisiko nicht scheuen, da man eh frühestens ab der fünften aufgedeckten Tat mit ernsthaften Konsequenzen rechnen muss. Bis dahin kann man locker 100 unentdeckte Straftaten begehen. Straftaten lohnen sich also.
Auf der anderen Seite verlieren die Opfer das Vertrauen in den Rechtsstaat. Habe in meinem kurzen Leben bisher vier Straftaten angezeigt, alle wurden ohne große Ermittlungen eingestellt.
Irgendwas scheint in dem System schiefzulaufen.
14.11.2020, 10:22
Es gibt halt die "die Justiz". Es kommt eben auf den Ort (nicht nur das Bundesland) und die jeweilige Kammer an. Grundsätzlich gibt es aber zu wenige "tolle" Orte und immer mehr überlastete Kammern.
14.11.2020, 11:09
Was sollen 67 Ermittlungsverfahren eigentlich aussagen? Gar nichts. Irgendwas daraus herzuleiten ist echt abenteuerlich. Macht halt weniger unnötige Ermittlungsverfahren. Daraus zu schließen, dass die Person öfter verurteilt werden müsste ist einfach absurd
14.11.2020, 11:31
(14.11.2020, 11:09)Gast schrieb: Was sollen 67 Ermittlungsverfahren eigentlich aussagen? Gar nichts. Irgendwas daraus herzuleiten ist echt abenteuerlich. Macht halt weniger unnötige Ermittlungsverfahren. Daraus zu schließen, dass die Person öfter verurteilt werden müsste ist einfach absurd+1, hatte in meiner Sitzungsvertretung bei der StA auch jemanden, dessen Verfahrensliste über 50 Einträge hatte, der aber noch nicht einmal verurteilt wurde. Das war einfach eine anstrengende Person, die aber genau wusste, was sie darf und was nicht. Hat ne Menge Leute geärgert, aber nie die Grenze überschritten. Auch das Verfahren in "meiner" Sitzung endete mit einem Freispruch, weil der Mensch sein Handeln auf Video aufgezeichnet hatte und nachweisen konnte, dass die ihm vom Anzeigenerstatter und zwei Zeugen zu Last gelegten Taten nie passiert waren. Hat er halt bis zur HV mit gewartet, was sein gutes Recht ist.
Nur weil gegen jemanden oft ermittelt wird, heißt das nicht, dass die Person sich auch irgendwas zu schulden hat kommen lassen. Oft reicht ja schon ein ausgefallener Kleidungsstil, nichtweiße Haut oder der falsche Aufenthaltsort, um auf dem Radar der Strafverfolgungsbehörden zu landen.
14.11.2020, 15:18
(14.11.2020, 09:15)Leser schrieb: Heute in einer großen deutschen Tageszeitung: Mal wieder ein Artikel über die aktuelle Überforderung von Staatsanwaltschaft und Richterschaft, bezogen auf die Arbeitslast -
https://www.sueddeutsche.de/karriere/jus...-1.5111414
Ich selbst liebäugele mit dem Justizdienst. Ich weiß, das Thema wurde schon mehrfach in anderen Threads aufgegriffen und ich will auch keine neue Diskussion à la "Ist es besser, in der GK zu arbeiten oder in der Justiz?" starten. Mich würde nur an die BerufseinsteigerInnen unter euch, die es in den Justizdienst verschlagen hat, interessieren: Ist es wirklich so schlimm mit der Überforderung? Oder wird hier sehr polemisch ein Bild gezeichnet, was vielleicht auf NRW und Berlin zutreffen mag, aber nicht auf den Großteil des Rests der Republik?
Leider wirklich sehr schlimm. Es gibt einfach nicht genug Geld für neue Stellen, wenn das Geld da ist, bleiben die Stellen unbesetzt, die Arbeitsumgebung gleicht der von 1920, die Besoldung ist nicht zufriedenstellend. Über die Arbeitszeiten, die mit zuletzt genanntem korrelieren, braucht man nicht mehr zu sprechen. Die Verfahren, die zu kompliziert sind und die es in sich haben und bei denen es um viel Geld geht und hoher krimineller Energie, werden in der Regel mangels Ressourcen eingestellt. Dafür werden dann lieber die einfachen Akten bearbeitet, die schnell vom Tisch sind und schön in der Statistik aussehen. Um die geht es nämlich auch noch. Sehr wichtig: die Statistik muss stimmen. Deswegen müssen Akten gleichsam wie bei einer Produktionsmaschine in Windeseile zum nächsten Produktionsschritt befördert werden. Wenn sie nach langer Müh und Not schon bei Gericht landen, wirken die Richter dann gern schnell drauf hin die Verfahren einzustellen. Am besten Einstellung, da bei einem Freispruch dennoch etwas durch den Richter zu verfassen ist. Aber auch ein Freispruch ist besser als ein mühseeliges langes Urteil. Das alles mangels Ressourcen. Viele Verteidiger sind super aufgestellt. Dann ist es nicht nur einer, es sind gleich 2 mit unzähligen studentischen Hilfskräften. Das vereinfacht natürlich die Aktenbearbeitung. Auf Seiten der Justiz steht jeweils einer da. Einer gegen fast 600 Seiten und einen Karton voll mit Aktenordnern.
Die Politik hat verschlafen. Die Justiz hat dabei zugeguckt. Am Ende gucken alle der Korrosion zu, keiner will es gewesen sein und das Personal sowie die Bevölkerung sind die leidtragenden. Bitte schön. Hier das realistische Bild.