30.07.2020, 15:30
(29.07.2020, 17:34)Gast schrieb: Warum glauben eigentlich so viele Juristen, es gebe für jeden Kandidaten eine "wahre" oder "richtige" Note? Auch hier im Forum scheint das oft durch: da wird davon gesprochen, jemand sei ein "X-Punkte-Kandidat" oder sein "wahres Niveau" liege zwischen den divergierenden Noten des ersten und zweiten Examens.
Dem liegt die Fehlvorstellung zugrunde, die juristische Leistungsfähigkeit lasse sich ganz exakt bestimmen oder messen. Das scheitert aber schon an einer Vielzahl an Faktoren:
- zu den juristischen Fähigkeiten gehören ganz unterschiedliche Teilaspekte: Leseverständnis, Auffassungsgabe, Systemverständnis, Mustererkennung, Strukturierungsfähigkeit, logisches Denken, sprachliches Können, Schwerpunktsetzung - und natürlich spezifisches Wissen in vielerlei Ausprägung
- und natürlich die bekannten variablen Faktoren: Vorbereitung, Stressresistenz, Tagesform, Zufall (Kenntnis des Urteils), Korrektoren usw.
Natürlich gibt es Kandidaten, die in beiden Examina sehr ähnliche Noten haben. Das ist bei n=2 und angesichts der Kenntnis der mündlichen Prüfer (Anchoring-Effekt) aber nicht besonders aussagekräftig (im Sinne von: "der Kandidat hatte im ersten Examen eine 9,0, dann heben wir ihn auch im zweiten von 7,4 auf 9,0" usw.).
Ich habe selbst erlebt, wie unterschiedlich meine Noten teilweise waren:
- im ersten Examen: Probeexamen "nur" 7,5 Punkte. Ernstfall dann: 9,5, Verbesserung: 12,2. Natürlich war ich jetzt stets besser vorbereitet, aber die Note korreliert ja nicht unmittelbar mit dem Lernaufwand. Ich finde, das zeigt eher, dass es illusorisch ist, das Können eines Kandidaten "absolut" zu messen.
- im Ref und zweiten Examen: Noten in Übungsklausuren teilweise völlig unterschiedlich, von Woche zu Woche teilweise 4-6, teilweise 12+Punkte. Im Ernstfall: im Strafrecht ca. 4 Punkte im Schnitt unter meinen Übungsklausuren, im ÖffRecht eher 3 Punkte darüber.
Kurzum: es gibt kein "absolutes", "wahres", "echtes" Niveau eines Kandidaten, das sich in Noten ausdrücken lässt. Die Examina geben nur ein bestimmtes Prüfungsergebnis wieder, das auf vielen Variablen beruht. Davon ausgehend kann man natürlich einschätzen, ob eine Person eher ein schwacher, (über)durchschnittlicher oder guter-sehr guter Kandidat ist. Aber mehr auch nicht.
Direkt nach zwei Sätzen aufgehört zu lesen, das ist ja mal mega anstrengend. Mach einfach 2x VB und alle lassen dich in Ruhe.
30.07.2020, 17:48
(30.07.2020, 08:59)Gast schrieb: Klassische Testtheorie der Psychologie: Jedes Merkmal hat einen wahren Wert. Beim Testen erhält man den wahren Wert plus einen Messfehler. Der Messfehler gleicht sich in der Theorie aus, wenn man den Test sehr oft wiederholt. D.h. deine wahre Note ist die, die du bekommst, wenn du 500 mal Examen schreibst.Besser kann man es nicht zusammen fassen. Die Frage ist ja, wie groß der Messfehler ist. Liegt der eher im Bereich von +/- 1-2 Punkte oder eher im Bereich +/- 3 und mehr Punkte. Ersteres wäre vielleicht noch verkraftbar, wenn auch schon nur mit Bauchschmerzen. Bei einem Messfehler von +/- 3 Punkten muss man das Examen eigentlich abschaffen, weil die Aussagekraft dann nicht über eine ungefähre Richtung hinausgeht. Die ungefähre Richtung kann man sich aber auch durch die Uniklausuren, den Schwerpunkt oder die Leistungen im Ref erschließen. Oder einfach über ne Arbeitsprobe.
30.07.2020, 21:56
(30.07.2020, 15:30)Gast schrieb:(29.07.2020, 17:34)Gast schrieb: Warum glauben eigentlich so viele Juristen, es gebe für jeden Kandidaten eine "wahre" oder "richtige" Note? Auch hier im Forum scheint das oft durch: da wird davon gesprochen, jemand sei ein "X-Punkte-Kandidat" oder sein "wahres Niveau" liege zwischen den divergierenden Noten des ersten und zweiten Examens.
Dem liegt die Fehlvorstellung zugrunde, die juristische Leistungsfähigkeit lasse sich ganz exakt bestimmen oder messen. Das scheitert aber schon an einer Vielzahl an Faktoren:
- zu den juristischen Fähigkeiten gehören ganz unterschiedliche Teilaspekte: Leseverständnis, Auffassungsgabe, Systemverständnis, Mustererkennung, Strukturierungsfähigkeit, logisches Denken, sprachliches Können, Schwerpunktsetzung - und natürlich spezifisches Wissen in vielerlei Ausprägung
- und natürlich die bekannten variablen Faktoren: Vorbereitung, Stressresistenz, Tagesform, Zufall (Kenntnis des Urteils), Korrektoren usw.
Natürlich gibt es Kandidaten, die in beiden Examina sehr ähnliche Noten haben. Das ist bei n=2 und angesichts der Kenntnis der mündlichen Prüfer (Anchoring-Effekt) aber nicht besonders aussagekräftig (im Sinne von: "der Kandidat hatte im ersten Examen eine 9,0, dann heben wir ihn auch im zweiten von 7,4 auf 9,0" usw.).
Ich habe selbst erlebt, wie unterschiedlich meine Noten teilweise waren:
- im ersten Examen: Probeexamen "nur" 7,5 Punkte. Ernstfall dann: 9,5, Verbesserung: 12,2. Natürlich war ich jetzt stets besser vorbereitet, aber die Note korreliert ja nicht unmittelbar mit dem Lernaufwand. Ich finde, das zeigt eher, dass es illusorisch ist, das Können eines Kandidaten "absolut" zu messen.
- im Ref und zweiten Examen: Noten in Übungsklausuren teilweise völlig unterschiedlich, von Woche zu Woche teilweise 4-6, teilweise 12+Punkte. Im Ernstfall: im Strafrecht ca. 4 Punkte im Schnitt unter meinen Übungsklausuren, im ÖffRecht eher 3 Punkte darüber.
Kurzum: es gibt kein "absolutes", "wahres", "echtes" Niveau eines Kandidaten, das sich in Noten ausdrücken lässt. Die Examina geben nur ein bestimmtes Prüfungsergebnis wieder, das auf vielen Variablen beruht. Davon ausgehend kann man natürlich einschätzen, ob eine Person eher ein schwacher, (über)durchschnittlicher oder guter-sehr guter Kandidat ist. Aber mehr auch nicht.
Direkt nach zwei Sätzen aufgehört zu lesen, das ist ja mal mega anstrengend. Mach einfach 2x VB und alle lassen dich in Ruhe.
Zu viel mimimi auch. Im Leben muss man eben liefern, wenn es gilt. Viele Gelegenheiten kommen nicht wieder, zumindest aber keine beliebig oft.
30.07.2020, 22:03
Ja, wir sind nunmal eine Leistungsgesellschaft. Deal with it.
31.07.2020, 09:11
(30.07.2020, 22:03)Gast schrieb: Ja, wir sind nunmal eine Leistungsgesellschaft. Deal with it.
Thema verfehlt, würde ich sagen. Die Frage des Threaderstellers zielt doch gerade auch darauf ab, ob das Examen die Leistungsfähigeit eines Kandidaten korrekt widerspiegelt. Damit wird nicht das Leistungsprinzip in Frage gestellt, sondern die Methode, wie Leistungsfähigkeit gemessen wird.
31.07.2020, 09:21
(31.07.2020, 09:11)Gast schrieb:(30.07.2020, 22:03)Gast schrieb: Ja, wir sind nunmal eine Leistungsgesellschaft. Deal with it.
Thema verfehlt, würde ich sagen. Die Frage des Threaderstellers zielt doch gerade auch darauf ab, ob das Examen die Leistungsfähigeit eines Kandidaten korrekt widerspiegelt. Damit wird nicht das Leistungsprinzip in Frage gestellt, sondern die Methode, wie Leistungsfähigkeit gemessen wird.
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Deal with THAT, Gast above!
03.08.2020, 15:52
(31.07.2020, 09:21)Gast schrieb:(31.07.2020, 09:11)Gast schrieb:(30.07.2020, 22:03)Gast schrieb: Ja, wir sind nunmal eine Leistungsgesellschaft. Deal with it.
Thema verfehlt, würde ich sagen. Die Frage des Threaderstellers zielt doch gerade auch darauf ab, ob das Examen die Leistungsfähigeit eines Kandidaten korrekt widerspiegelt. Damit wird nicht das Leistungsprinzip in Frage gestellt, sondern die Methode, wie Leistungsfähigkeit gemessen wird.
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Deal with THAT, Gast above!
Leistung zeigen heißt auch, Leistung in dem Moment zu zeigen, in dem es drauf ankommt. Olympia ist auch nur alle 4 Jahre, wer da einen schlechten Tag hat, bekommt keine Goldmedaille.
03.08.2020, 23:02
(03.08.2020, 15:52)Gast schrieb:(31.07.2020, 09:21)Gast schrieb:(31.07.2020, 09:11)Gast schrieb:(30.07.2020, 22:03)Gast schrieb: Ja, wir sind nunmal eine Leistungsgesellschaft. Deal with it.
Thema verfehlt, würde ich sagen. Die Frage des Threaderstellers zielt doch gerade auch darauf ab, ob das Examen die Leistungsfähigeit eines Kandidaten korrekt widerspiegelt. Damit wird nicht das Leistungsprinzip in Frage gestellt, sondern die Methode, wie Leistungsfähigkeit gemessen wird.
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Deal with THAT, Gast above!
Leistung zeigen heißt auch, Leistung in dem Moment zu zeigen, in dem es drauf ankommt. Olympia ist auch nur alle 4 Jahre, wer da einen schlechten Tag hat, bekommt keine Goldmedaille.
Absolut richtig. Und was man ganz klar herausarbeiten muss: Der Wettkampf wird nicht wiederholt, wenn einer keine Medaille holt, oder auch nicht so oft, bis jeder eine hat. Auf den Punkt liefern können ist auch eine Form von Qualität.
04.08.2020, 08:26
(03.08.2020, 23:02)Ommel schrieb:(03.08.2020, 15:52)Gast schrieb:(31.07.2020, 09:21)Gast schrieb:(31.07.2020, 09:11)Gast schrieb:(30.07.2020, 22:03)Gast schrieb: Ja, wir sind nunmal eine Leistungsgesellschaft. Deal with it.
Thema verfehlt, würde ich sagen. Die Frage des Threaderstellers zielt doch gerade auch darauf ab, ob das Examen die Leistungsfähigeit eines Kandidaten korrekt widerspiegelt. Damit wird nicht das Leistungsprinzip in Frage gestellt, sondern die Methode, wie Leistungsfähigkeit gemessen wird.
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Deal with THAT, Gast above!
Leistung zeigen heißt auch, Leistung in dem Moment zu zeigen, in dem es drauf ankommt. Olympia ist auch nur alle 4 Jahre, wer da einen schlechten Tag hat, bekommt keine Goldmedaille.
Absolut richtig. Und was man ganz klar herausarbeiten muss: Der Wettkampf wird nicht wiederholt, wenn einer keine Medaille holt, oder auch nicht so oft, bis jeder eine hat. Auf den Punkt liefern können ist auch eine Form von Qualität.
Ja, aber eben nicht die, die hinterher den guten Juristen aus macht. Der muss IMMER liefern und nicht nur zu einem gewissen Datum. Bringt halt gar nichts wenn der Richter zwei Wochen im Jahr super Urteile schreibt, die Qualität aber nicht auf Strecke bringen kann.