14.09.2023, 11:24
(12.09.2023, 10:05)FragenüberFragen schrieb:(11.09.2023, 20:42)Cenaira schrieb: Die Frage, ob eine rechtmäßige Beweiserhebung zu einem BVV führen kann, ist schon fehlerhaft. Wenn du eine rechtmäßige Beweiserhebung hast, kann aus der Beweiserhebung grundsätzlich kein Verbot entstehen. Wieso auch? Wenn alles rechtsstaatlich und rechtskonform läuft, wieso sollten die Richter am BGH dann von einem Verwertungsverbot ausgehen? Das würde nur Sinn ergeben, wenn du zwischen Beweiserhebung und Beweisverwertung im Strafprozess weitere Fehler hättest, an die dann anzuknüpfen wäre. Dann hast du aber nicht mehr die rechtmäßige Beweiserhebung als Grundlage.
Aus dem Beitrag, den du in deinem vorherigen Post verlinkt hast, ergibt sich aber, dass so etwas geht. Genannt werden sie dort selbstständige Beweisverwertungsverbote.
Noch eine kurze Sache deswegen:
Zitat:Die Frage mit der Privatperson ist eine Standardproblematik. Die findest du ebenfalls in jedem Skript/Kommentar/Lehrbuch. Ich denke bei dir sind, was ich nun aus deinen Antworten und Fragen vermute, bereits Verständnis- und Wissenslücken in den Grundlagen. Bei solchen Lücken mit den Fragen einzusteigne, wann es einer Abwägung bedarf und wie es mit Privatpersonen aussieht, ist etwas überstürzt. Du machst den 5. vor dem 1. Schritt. Back to basics und nochmal die Grundlagen und Schemata der Normen lernen und stets den Kommentar daneben legen ;)
Die Problematik ist mir schon bekannt. Die Frage zielte eher darauf ab, wie man sie klausurtaktisch am besten in den Griff bekommt.
Und zur Frage der Klausur: Wie gesagt, schau dir die Schemata nochmal an, damit bekommst du alles in den Griff. Du bist in der Klausur immer am Tatbestandsmerkmal und stellst dann die Frage, ob das TB-Merkmal nachzuweisen ist in der späteren Hauptverhandlung. Dann kommst du bspw. auf ein Beweismittel, was bei einer Durchsuchung erlangt wurde. Somit steigst du ein:
"Xy kann in der gedachten HV durch yz bewiesen werden. Dies ist dann der Fall, wenn das Beweismittel rechtmäßig erhoben wurde. yz wurde bei der Durchsuchung am xx.xx.xxxx erlangt. Die Durchsuchung ist rechtmäßig, wenn deren gesetzliche Voraussetzungen vorliegen.
- Jetzt prüfst du die Durchsuchung und kommst zu dem Ergebnis, dass bspw. der Richtervorbehalt umgangen wurde-
Fraglich ist, ob aus dem Fehler im Rahmen der Durchsuchung ein Verwertungsverbot erwächst. Dies ist der Fall, sofern die Norm den Beschuldigten als Rechtskreisinhaber schützen soll und das staatliche Verfolgungsinteresse überwiegt. - Abwägung 1. Rechtskreis 2. konkrete Abwägung-"
Und so gehst du bei allen relativen BVV vor.
15.09.2023, 10:37
(14.09.2023, 11:24)Cenaira schrieb:(12.09.2023, 10:05)FragenüberFragen schrieb:(11.09.2023, 20:42)Cenaira schrieb: Die Frage, ob eine rechtmäßige Beweiserhebung zu einem BVV führen kann, ist schon fehlerhaft. Wenn du eine rechtmäßige Beweiserhebung hast, kann aus der Beweiserhebung grundsätzlich kein Verbot entstehen. Wieso auch? Wenn alles rechtsstaatlich und rechtskonform läuft, wieso sollten die Richter am BGH dann von einem Verwertungsverbot ausgehen? Das würde nur Sinn ergeben, wenn du zwischen Beweiserhebung und Beweisverwertung im Strafprozess weitere Fehler hättest, an die dann anzuknüpfen wäre. Dann hast du aber nicht mehr die rechtmäßige Beweiserhebung als Grundlage.
Aus dem Beitrag, den du in deinem vorherigen Post verlinkt hast, ergibt sich aber, dass so etwas geht. Genannt werden sie dort selbstständige Beweisverwertungsverbote.
Noch eine kurze Sache deswegen:
Zitat:Die Frage mit der Privatperson ist eine Standardproblematik. Die findest du ebenfalls in jedem Skript/Kommentar/Lehrbuch. Ich denke bei dir sind, was ich nun aus deinen Antworten und Fragen vermute, bereits Verständnis- und Wissenslücken in den Grundlagen. Bei solchen Lücken mit den Fragen einzusteigne, wann es einer Abwägung bedarf und wie es mit Privatpersonen aussieht, ist etwas überstürzt. Du machst den 5. vor dem 1. Schritt. Back to basics und nochmal die Grundlagen und Schemata der Normen lernen und stets den Kommentar daneben legen ;)
Die Problematik ist mir schon bekannt. Die Frage zielte eher darauf ab, wie man sie klausurtaktisch am besten in den Griff bekommt.
Und zur Frage der Klausur: Wie gesagt, schau dir die Schemata nochmal an, damit bekommst du alles in den Griff. Du bist in der Klausur immer am Tatbestandsmerkmal und stellst dann die Frage, ob das TB-Merkmal nachzuweisen ist in der späteren Hauptverhandlung. Dann kommst du bspw. auf ein Beweismittel, was bei einer Durchsuchung erlangt wurde. Somit steigst du ein:
"Xy kann in der gedachten HV durch yz bewiesen werden. Dies ist dann der Fall, wenn das Beweismittel rechtmäßig erhoben wurde. yz wurde bei der Durchsuchung am xx.xx.xxxx erlangt. Die Durchsuchung ist rechtmäßig, wenn deren gesetzliche Voraussetzungen vorliegen.
- Jetzt prüfst du die Durchsuchung und kommst zu dem Ergebnis, dass bspw. der Richtervorbehalt umgangen wurde-
Fraglich ist, ob aus dem Fehler im Rahmen der Durchsuchung ein Verwertungsverbot erwächst. Dies ist der Fall, sofern die Norm den Beschuldigten als Rechtskreisinhaber schützen soll und das staatliche Verfolgungsinteresse überwiegt. - Abwägung 1. Rechtskreis 2. konkrete Abwägung-"
Und so gehst du bei allen relativen BVV vor.
Vielen, vielen Dank! Tolle Erklärung!
15.09.2023, 10:46
(14.09.2023, 11:16)Cenaira schrieb: Wie oben geschrieben wurde, sind bei selbstständigen BVV andere Normen verletzt als Erhebungsnormen der StPO. Dennoch ist bei der Erhebung des Beweismittels etwas schief gelaufen, Stichwort (wie oben steht) Grundrechtsschutz, insbesondere Intimssphäre bzw. Sphärentheorie. Da hast du dann dennoch einen Fehler im Erhebungsverfahren, der zum Verwertungsverbot führt. Das ist dann das Stichwort mit "das Beweismittel hätte nicht so erhoben werden dürfen". Bspw., wie oben angesprochen, der Tagebucheintrag, Lauschangriff etc., wo in die Privats-/Intimsphäre des Beschuldigten eingegriffen wird und somit die Beweisgewinnung gegen das Grundrecht aus Art. 2 GG verstößt. Die Beweiserhebung ist in diesen Fällen zwar StPO-Konform, aber bei weitem nicht rechtmäßig, sodass dein Ausgangspunkt einer rechtmäßigen Beweiserhebung nicht greifen kann.
Nur nochmal abschließend, zum vollständigen Verständnis:
In den Fällen von selbstständigen Beweisverwertungsverboten würde ich dann sagen: An sich ist die Beweishebung StPO-konform, aber hier in Hinblick auf (bspw.) Art. 2 GG dennoch rechtswidrig, weil (bspw.) die Intimsphäre betroffen ist. Reicht dann diese Feststellung zur Annahme der Unverwertbarkeit oder ist dann nochmals eine Abwägung wie ich sie bei den unselbstständigen BVV vornehme, erforderlich?
Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen relativen und absoluten und selbstständigen und unselbstständigen Beweisverwertungsverboten :D?
18.09.2023, 11:58
(15.09.2023, 10:46)FragenüberFragen schrieb:(14.09.2023, 11:16)Cenaira schrieb: Wie oben geschrieben wurde, sind bei selbstständigen BVV andere Normen verletzt als Erhebungsnormen der StPO. Dennoch ist bei der Erhebung des Beweismittels etwas schief gelaufen, Stichwort (wie oben steht) Grundrechtsschutz, insbesondere Intimssphäre bzw. Sphärentheorie. Da hast du dann dennoch einen Fehler im Erhebungsverfahren, der zum Verwertungsverbot führt. Das ist dann das Stichwort mit "das Beweismittel hätte nicht so erhoben werden dürfen". Bspw., wie oben angesprochen, der Tagebucheintrag, Lauschangriff etc., wo in die Privats-/Intimsphäre des Beschuldigten eingegriffen wird und somit die Beweisgewinnung gegen das Grundrecht aus Art. 2 GG verstößt. Die Beweiserhebung ist in diesen Fällen zwar StPO-Konform, aber bei weitem nicht rechtmäßig, sodass dein Ausgangspunkt einer rechtmäßigen Beweiserhebung nicht greifen kann.
Nur nochmal abschließend, zum vollständigen Verständnis:
In den Fällen von selbstständigen Beweisverwertungsverboten würde ich dann sagen: An sich ist die Beweishebung StPO-konform, aber hier in Hinblick auf (bspw.) Art. 2 GG dennoch rechtswidrig, weil (bspw.) die Intimsphäre betroffen ist. Reicht dann diese Feststellung zur Annahme der Unverwertbarkeit oder ist dann nochmals eine Abwägung wie ich sie bei den unselbstständigen BVV vornehme, erforderlich?
Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen relativen und absoluten und selbstständigen und unselbstständigen Beweisverwertungsverboten :D?
Bitte schau dir unbedingt ein Skript deiner Wahl zur StA-Klausur an. Da wird das wunderbar erklärt, in welchen Schritten du vorgehen musst. Die Abwägungslehre des BGH brauchst du nur bei einer rechtsfehlerhaften BEweiserhebung, da diese nicht automatisch zur Unzulässigkeit der Verwertung der so gewonnenen Beweise führt. BGH NJW 1992, 1463 ist die Entscheidung, der die Grundsätz der Abwägungslehre entnommen werden. Sehr lesenswert ;)
Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen den Arten der BVV. Das wird doch in dem Artikel, den ich dir oben geschickt habe, deutlich erklärt und habe ich auch oben schon herausgestellt.
Absolute BVV sind solche, bei denen der Gesetzgeber ausdrücklich ein Verwertungsverbot regelt (Im Beitrag von Jura Individuell werden folgende Beispiele aufgezählt: Beispiele hierfür sind §§ 81 a III, 81 c III Satz 5, 100 d Abs. 2, 136 a III Satz 2, 161 II Satz 1, 252, 257 c IV 3, 479 II Satz 2 und 3 StPO). Relative BVV sind alle BVV, die nicht gesetzlich geregelt sind, sondern einer Wertung entspringen (Selbständige sowie unselbstständige BVV). Dazu wie folgt in dem oben genannten Beitrag bei Jura individuell:
Bei den selbstständigen Beweisverwertungsverboten ist die Beweiserhebung rechtmäßig.
Ein unselbstständiges Beweisverwertungsverbot kann immer nur durch rechtswidrige Beweiserhebung entstehen. Häufig zieht eine rechtswidrige Beweiserhebung auch ein Beweisverwertungsverbot nach sich, sie muss aber nicht zu einem Beweisverwertungsverbot führen. Zu der Frage, wann ein Beweiserhebungsverbot zu einem Beweisverwertungsverbot führt, gibt es keine Grundregel.
Lies den Beitrag bitte einmal durch, der sollte alle deine Fragen wunderbar im Eigenstudium beantworten :)
20.09.2023, 08:30
(14.09.2023, 11:16)Cenaira schrieb: Hinsichtlich der Widerspruchslösung des BGH: Die ist primär nur in der Revisionsklausur relevant. Ein Widerspruch muss in der Hauptverhandlung unmittelbar ausgesprochen werden hinsichtlich der Verwertung, damit im Revisionsverfahren das BVV auch wirklich "entsteht" und zu einem Revisionsgrund führt. In der StA-Klausur hast du den Widerspruch meist im Schriftsatz des Verteidigers oder bei einer Vernehmung angedeutet, sodass man ungefähr schreibt "Es ist zu erwarten, dass der Verteidiger des Beschuldigten im Rahmen der Hauptverhandlung der Verwertung des erhobenen Beweismittels widerspricht, sodass die Anklage auf dieses nicht zu stützen ist. Es besteht das zuvor herausgestellte Beweisverwertungsverbot."
Danke! Da werde ich mal tiefer einsteigen!
Wegen des obigen Zitats ist mir noch eingefallen, dass ich mal gelesen habe, dass der BGH die Beachtung von BVV – unabhängig von einem Widerspruch – von Amts wegen vorschreibt. Auch im Ermittlungsverfahren. Dann wäre die Widerspruchslösung ja überflüssig (außer die StA hat ein BVV übersehen)? Hier der Link: https://www.juraexamen.info/beweisverwer...-stb-14-19
20.09.2023, 12:57
Naja die Revision kommt ja sowieso nur in Betracht, wenn was missachtet wurde ;) Ansonsten brauchst du dich ja nicht in der Revision mit der Frage eines Widerspruchs hinsichtlich der Verwertung zu beschäftigen, wenn schon kein Fehler der Beweisgewinnung welche zum BVV führt vorliegt.
Dem Grunde nach hast du aber Recht. Sie sind von Amts wegen in jedem Verfahrensstadium zu beachten. Der BGH schaut aber im Rahmen der Revision auf das Verfahren und hat beschlossen, dass ein BVV nur zur Aufhebung des Urteils im Rahmen der Revision führt, wenn dieses nicht beachtet wurde UND der verteidigte Angeklagte dieser Verwertung bis zum Schluss der HV widersprochen hat. Widerspricht er nicht, hat er eine sog. Rügepräklusion herbeigeführt. Heißt auf deutsch: Widersprichst du der Verwertung eines rechtswidrig erlangten Beweismittels nicht, obwohl daraus ein BVV erwachsen ist, kannst du deine Revision nicht auf die Verwertung eines unzulässigen Beweismittels stützen. Das ist die einzige Folge der Widerspruchslösung. Das gilt aber logischer Weise nur für relative BVV. Bei absoluten ist es irrelevant, ob widersprochen wurde. Auf deren Missachtung kann die Revision immer gestützt werden. Hier die Passage aus dem entsprechenden BGH-Urteil:
„Beweisverwertungsverbote, die aus einem Verstoß gegen Verfahrensvorschriften bei der Beweisgewinnung abgeleitet werden, werden durch den jeweiligen Gesetzesverstoß begründet und sind in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten (BGH, Beschlüsse vom 1. Dezember 2016 - 3 StR 230/16, NJW 2017, 1828, 1829 mwN, und vom 22. Februar 2018 - StB 29/17, Rn. 24). Unterlässt es der verteidigte Angeklagte, in der Hauptverhandlung der Beweisverwertung zu widersprechen, führt dies für die Revision zur Rügepräklusion (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2014 - 5 StR 176/14, BGHSt 60, 38, 43 f. mwN; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 27. September 2016 - 4 StR 263/16, und vom 9. November 2005 - 1 StR 447/05, BGHSt 50, 272). Das Recht, sich auf das Verwertungsverbot zu berufen, geht verloren, wenn der verteidigte (oder entsprechend belehrte) Angeklagte in der tatrichterlichen Verhandlung der Verwertung und der ihr vorangehenden Beweiserhebung nicht widersprochen hat (BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 - 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 226 mwN).“
Dem Grunde nach hast du aber Recht. Sie sind von Amts wegen in jedem Verfahrensstadium zu beachten. Der BGH schaut aber im Rahmen der Revision auf das Verfahren und hat beschlossen, dass ein BVV nur zur Aufhebung des Urteils im Rahmen der Revision führt, wenn dieses nicht beachtet wurde UND der verteidigte Angeklagte dieser Verwertung bis zum Schluss der HV widersprochen hat. Widerspricht er nicht, hat er eine sog. Rügepräklusion herbeigeführt. Heißt auf deutsch: Widersprichst du der Verwertung eines rechtswidrig erlangten Beweismittels nicht, obwohl daraus ein BVV erwachsen ist, kannst du deine Revision nicht auf die Verwertung eines unzulässigen Beweismittels stützen. Das ist die einzige Folge der Widerspruchslösung. Das gilt aber logischer Weise nur für relative BVV. Bei absoluten ist es irrelevant, ob widersprochen wurde. Auf deren Missachtung kann die Revision immer gestützt werden. Hier die Passage aus dem entsprechenden BGH-Urteil:
„Beweisverwertungsverbote, die aus einem Verstoß gegen Verfahrensvorschriften bei der Beweisgewinnung abgeleitet werden, werden durch den jeweiligen Gesetzesverstoß begründet und sind in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten (BGH, Beschlüsse vom 1. Dezember 2016 - 3 StR 230/16, NJW 2017, 1828, 1829 mwN, und vom 22. Februar 2018 - StB 29/17, Rn. 24). Unterlässt es der verteidigte Angeklagte, in der Hauptverhandlung der Beweisverwertung zu widersprechen, führt dies für die Revision zur Rügepräklusion (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2014 - 5 StR 176/14, BGHSt 60, 38, 43 f. mwN; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 27. September 2016 - 4 StR 263/16, und vom 9. November 2005 - 1 StR 447/05, BGHSt 50, 272). Das Recht, sich auf das Verwertungsverbot zu berufen, geht verloren, wenn der verteidigte (oder entsprechend belehrte) Angeklagte in der tatrichterlichen Verhandlung der Verwertung und der ihr vorangehenden Beweiserhebung nicht widersprochen hat (BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 - 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 226 mwN).“
20.09.2023, 14:38
(20.09.2023, 12:57)Cenaira schrieb: Naja die Revision kommt ja sowieso nur in Betracht, wenn was missachtet wurde ;) Ansonsten brauchst du dich ja nicht in der Revision mit der Frage eines Widerspruchs hinsichtlich der Verwertung zu beschäftigen, wenn schon kein Fehler der Beweisgewinnung welche zum BVV führt vorliegt.
Dem Grunde nach hast du aber Recht. Sie sind von Amts wegen in jedem Verfahrensstadium zu beachten. Der BGH schaut aber im Rahmen der Revision auf das Verfahren und hat beschlossen, dass ein BVV nur zur Aufhebung des Urteils im Rahmen der Revision führt, wenn dieses nicht beachtet wurde UND der verteidigte Angeklagte dieser Verwertung bis zum Schluss der HV widersprochen hat. Widerspricht er nicht, hat er eine sog. Rügepräklusion herbeigeführt. Heißt auf deutsch: Widersprichst du der Verwertung eines rechtswidrig erlangten Beweismittels nicht, obwohl daraus ein BVV erwachsen ist, kannst du deine Revision nicht auf die Verwertung eines unzulässigen Beweismittels stützen. Das ist die einzige Folge der Widerspruchslösung. Das gilt aber logischer Weise nur für relative BVV. Bei absoluten ist es irrelevant, ob widersprochen wurde. Auf deren Missachtung kann die Revision immer gestützt werden. Hier die Passage aus dem entsprechenden BGH-Urteil:
„Beweisverwertungsverbote, die aus einem Verstoß gegen Verfahrensvorschriften bei der Beweisgewinnung abgeleitet werden, werden durch den jeweiligen Gesetzesverstoß begründet und sind in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten (BGH, Beschlüsse vom 1. Dezember 2016 - 3 StR 230/16, NJW 2017, 1828, 1829 mwN, und vom 22. Februar 2018 - StB 29/17, Rn. 24). Unterlässt es der verteidigte Angeklagte, in der Hauptverhandlung der Beweisverwertung zu widersprechen, führt dies für die Revision zur Rügepräklusion (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2014 - 5 StR 176/14, BGHSt 60, 38, 43 f. mwN; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 27. September 2016 - 4 StR 263/16, und vom 9. November 2005 - 1 StR 447/05, BGHSt 50, 272). Das Recht, sich auf das Verwertungsverbot zu berufen, geht verloren, wenn der verteidigte (oder entsprechend belehrte) Angeklagte in der tatrichterlichen Verhandlung der Verwertung und der ihr vorangehenden Beweiserhebung nicht widersprochen hat (BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 - 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 226 mwN).“
Aber wenn wir als StA jetzt einen Verstoß bei der Beweisgewinnung feststellen, der zu einem BVV führt – dann dürften wir ja entlang dem Urteil gar keine Anklage erheben (vorausgesetzt natürlich, wir können den hinreichenden Tatverdacht nicht anders nachweisen). Damit haben wir ja streng genommen die Widerspruchslösung unterlaufen bzw. dem Widerspruchserfordernis schon vorderhand iSd Verteidigers abgeholfen?
20.09.2023, 17:28
(20.09.2023, 14:38)FragenüberFragen schrieb:(20.09.2023, 12:57)Cenaira schrieb: Naja die Revision kommt ja sowieso nur in Betracht, wenn was missachtet wurde ;) Ansonsten brauchst du dich ja nicht in der Revision mit der Frage eines Widerspruchs hinsichtlich der Verwertung zu beschäftigen, wenn schon kein Fehler der Beweisgewinnung welche zum BVV führt vorliegt.
Dem Grunde nach hast du aber Recht. Sie sind von Amts wegen in jedem Verfahrensstadium zu beachten. Der BGH schaut aber im Rahmen der Revision auf das Verfahren und hat beschlossen, dass ein BVV nur zur Aufhebung des Urteils im Rahmen der Revision führt, wenn dieses nicht beachtet wurde UND der verteidigte Angeklagte dieser Verwertung bis zum Schluss der HV widersprochen hat. Widerspricht er nicht, hat er eine sog. Rügepräklusion herbeigeführt. Heißt auf deutsch: Widersprichst du der Verwertung eines rechtswidrig erlangten Beweismittels nicht, obwohl daraus ein BVV erwachsen ist, kannst du deine Revision nicht auf die Verwertung eines unzulässigen Beweismittels stützen. Das ist die einzige Folge der Widerspruchslösung. Das gilt aber logischer Weise nur für relative BVV. Bei absoluten ist es irrelevant, ob widersprochen wurde. Auf deren Missachtung kann die Revision immer gestützt werden. Hier die Passage aus dem entsprechenden BGH-Urteil:
„Beweisverwertungsverbote, die aus einem Verstoß gegen Verfahrensvorschriften bei der Beweisgewinnung abgeleitet werden, werden durch den jeweiligen Gesetzesverstoß begründet und sind in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten (BGH, Beschlüsse vom 1. Dezember 2016 - 3 StR 230/16, NJW 2017, 1828, 1829 mwN, und vom 22. Februar 2018 - StB 29/17, Rn. 24). Unterlässt es der verteidigte Angeklagte, in der Hauptverhandlung der Beweisverwertung zu widersprechen, führt dies für die Revision zur Rügepräklusion (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2014 - 5 StR 176/14, BGHSt 60, 38, 43 f. mwN; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 27. September 2016 - 4 StR 263/16, und vom 9. November 2005 - 1 StR 447/05, BGHSt 50, 272). Das Recht, sich auf das Verwertungsverbot zu berufen, geht verloren, wenn der verteidigte (oder entsprechend belehrte) Angeklagte in der tatrichterlichen Verhandlung der Verwertung und der ihr vorangehenden Beweiserhebung nicht widersprochen hat (BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 - 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 226 mwN).“
Aber wenn wir als StA jetzt einen Verstoß bei der Beweisgewinnung feststellen, der zu einem BVV führt – dann dürften wir ja entlang dem Urteil gar keine Anklage erheben (vorausgesetzt natürlich, wir können den hinreichenden Tatverdacht nicht anders nachweisen). Damit haben wir ja streng genommen die Widerspruchslösung unterlaufen bzw. dem Widerspruchserfordernis schon vorderhand iSd Verteidigers abgeholfen?
Ich verstehe ehrlich gesagt deinen Ansatz gerade nicht so wirklich?! Du sprichst die Widerspruchslösung in der REVISIONS-Klausur an. Natürlich muss dann auch vorher ein StA, ein Polizist, ein Gericht ein Fehler gemacht haben.
In der StA-Klausur sprichst du die Widerspruchslösung eigentlich gar nicht an. In der StA-Klausur kommst du zu dem Ergebnis, dass man ein Beweismittel nicht verwerten kann. Daher kannst du deinen hinreichenden Tatverdacht nicht darauf stützen und verweist ggf. nochmal darauf, dass auch das Gericht später dieses Beweismittel nicht verwerten darf, da mit einem Widerspruch zu rechnen ist.
20.09.2023, 18:21
Ich meine bei der StA-Klausur, dass ich im Zuge der obigen Rspr. doch gar nicht mehr erwähnen muss, dass mit einem Widerspruch zu rechnen ist. Der BGH sagt doch gerade, dass auch im Ermittlungsverfahren ein BVV von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Also habe ich als StA ein BVV unabhängig davon anzunehmen, ob ein Widerspruch erhoben wird oder nicht, und ggf. deshalb bereits einen hinreichenden Tatverdacht zu verneinen.
20.09.2023, 19:21
(20.09.2023, 18:21)FragenüberFragen schrieb: Ich meine bei der StA-Klausur, dass ich im Zuge der obigen Rspr. doch gar nicht mehr erwähnen muss, dass mit einem Widerspruch zu rechnen ist. Der BGH sagt doch gerade, dass auch im Ermittlungsverfahren ein BVV von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Also habe ich als StA ein BVV unabhängig davon anzunehmen, ob ein Widerspruch erhoben wird oder nicht, und ggf. deshalb bereits einen hinreichenden Tatverdacht zu verneinen.
Achso ja, da hast du recht. An sich musst du es nicht erwähnen. In der Klausur bietet es sich an, wenn der Verteidiger den Widerspruch schon angekündigt hat. Damit kannst du in der SI Klausur kurz zeigen, dass die Anklage revisionssicher gestaltet wird, weil an sich könnte die StA das Beweismittel "rechtswidrig" verwerten und ihre Anklage darauf stützen und halt darauf hoffen, dass ein Widerspruch nicht erfolgt und somit die Rügepräklusion eintritt. Mit dem Verweis, dass mit einem Widerspruch zudem zu rechnen ist, aber auch von Amts wegen das Beweismittel nicht verwertet werden darf, zeigst du einfach noch ein bisschen mehr Wissen.