12.04.2019, 19:15
(12.04.2019, 16:49)Armag3ddon (HH) schrieb: Sooo, das war es. Zum Abschluss durften wir noch mal Nazis vertreten.
ÖR-Anwaltsklausur. Zwei Mandanten (Eheleute). Der Fall spielte sogar in Hamburg!
Sie betreibt eine Gaststätte, die kürzlich von der Polizei durchsucht wurde. Er war mit seinen Kumpanen zu Gast am Stammtisch.
Die Polizei hat um kurz nach 21 Uhr den Laden gestürmt und alle anwesenden Personen kontrolliert. D.h. den Gastraum, die Nebenräume und auch die vermietete Wohnung im Obergeschoss (dort allerdings mit Zustimmung des Mieters).
Die Gastwirtin ist empört. Dort haben sich friedliche Jungs zum Stammtisch getroffen, denen vielleicht "Jugendsünden" vorzuwerfen sind und die Polizei ist einfach herein. Herausgekommen sei auch nichts, weil niemand dort Straftaten begeht. Die Polizei war auch ganz schön aggressiv, hat alle angebrüllt und jemanden geschubst. Jetzt gibt es schlechte Presse und der Mieter überlegt sich auch noch, ob er ausziehen will (wer kann es ihm verübeln, wenn ständig die Polizei rechtswidrig in die Wohnung kommt). Die Polizei hat sich in einem Schreiben uneinsichtig gezeigt. Die wollten einfach nur jemanden einschüchtern. In Zukunft wird sie die Gäste sicherlich nicht abweisen. Und der Julius hat das juristisch schon einmal durchgeprüft, er studiert nämlich Jura im 7. Semester an einer renommierten Privatuni. Die Rechtsgrundlage für das Betreten ist sicherlich verfassungswidrig und irgendwas mit Verwertungsverbot.
Der Ehemann will gewusst wissen, ob die Ausweiskontrolle bei ihm rechtens war. Er war zwar mal Mitglied in einer Vereinigung (irgendwas mit Deutsche Politische Gefangene oder so), aber seit die verboten wurde interessiert ihn Politik nicht mehr. Er ist zwar in der NPD, aber bekleidet dort kein Amt.
Danach die Presseartikel (BILD und NDR) in denen der Laden genannt wird und ein Sprecher der Polizei verlauten lässt, dass man mit dieser Razzia den Zweck erreicht hätte, den Rechtsradikalen mal zu zeigen, dass man sie im Auge hat.
Im Antwortschreiben der Polizei auf die Beschwerde der Mandantin hin wird kein Fehler eingestanden. Man habe den Verdacht gehabt, dass dort verbotene Vereinigungen (§ 85 StGB) aufrecht erhalten werden. Viele Gäste seien als einschlägige Rechtsradikale polizeibekannt. Und von wegen NSU und so muss man da jetzt handeln. Da war eine Maßnahme nach § 16 Abs. 5 SOG notwendig.
Dann Auszüge aus der Ermittlungsakte. Zwei Observationsberichte, welche Personen da so ein- und ausgehen. Im Prinzip eine Liste mit Neonazis, die schon verbotene Vereine gegründet haben, hier und da mal Körperverletzung an Afrikanern geleistet haben. Irgendwer ist mit einem Shirt mit dem Symbol einer verbotenen Vereinigung reingegangen, man ermittelt gegen Unbekannt wegen Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole.
Einsatzbericht der Razzia. Man ist rein, hat Personen kontrolliert, nichts durchsucht (keine Schubladen, Schränke), nichts gefunden, Einsatz beendet.
Abgedruckt waren dazu §§ 3, 16 HmbSOG und §§ 1, 4 PolDVG
Sodann knallten die Sektkorken vor dem Klausurgebäude.
Hier in nds ziemlich genau der gleiche Fall, nur in Hannover angesiedelt und mit nds Landesrecht.
Glückwunsch an alle die durch sind.
Erholt euch gut
12.04.2019, 19:24
NRW- evt. subjektiv eingefärbt, ganz grob:
- Mandantin hat Objekt in Dortmund- Dorstfeld gepachtet. Betreibt Gaststätte und vermietet darin eine Wohnung. Polizei führt Razzia durch und betritt beides, sucht aber nichts zielgerichtet.
- in Gaststätte trifft sich rechtsradikale Gruppe zum monatlichen Stammtisch, nachdem vorherige Kameradschaften verboten wurden. Vorherige Beobachtungen zeigen, dass beim Stammtisch auch verbotene Symbole getragen wurden
- Polizei hat nicht wirklich Anhaltspunkte für eine Gefahr, posaunt auch in Presse hinaus, dass es auch um Einschüchterung und um ,,Eier zeigen" ging. Wollte neue Verfestigung der Szene verhindern und mal schauen, wer so alles an Stammtisch teilnimmt
- Mandantin sieht ihren Ruf in Öffentlichkeit beschädigt, möchte wissen, ob Betreten der Gaststätte und der obigen Mietwohnung in Ordnung war und was man da jetzt gerichtlich machen kann
- Polizei findet bei Razzia nichts
- Mandantin meint, alles war unverhältnismäßig und es lagen gar keine Gründe für Razzia vor
- In Gaststätte waren neben rechten Stammtisch noch andere Gäste
- Mandantin hat Objekt in Dortmund- Dorstfeld gepachtet. Betreibt Gaststätte und vermietet darin eine Wohnung. Polizei führt Razzia durch und betritt beides, sucht aber nichts zielgerichtet.
- in Gaststätte trifft sich rechtsradikale Gruppe zum monatlichen Stammtisch, nachdem vorherige Kameradschaften verboten wurden. Vorherige Beobachtungen zeigen, dass beim Stammtisch auch verbotene Symbole getragen wurden
- Polizei hat nicht wirklich Anhaltspunkte für eine Gefahr, posaunt auch in Presse hinaus, dass es auch um Einschüchterung und um ,,Eier zeigen" ging. Wollte neue Verfestigung der Szene verhindern und mal schauen, wer so alles an Stammtisch teilnimmt
- Mandantin sieht ihren Ruf in Öffentlichkeit beschädigt, möchte wissen, ob Betreten der Gaststätte und der obigen Mietwohnung in Ordnung war und was man da jetzt gerichtlich machen kann
- Polizei findet bei Razzia nichts
- Mandantin meint, alles war unverhältnismäßig und es lagen gar keine Gründe für Razzia vor
- In Gaststätte waren neben rechten Stammtisch noch andere Gäste
12.04.2019, 19:30
Schöner Fall. Hätte ich letzten Monat auch gerne gehabt :D
12.04.2019, 19:33
Und waren die Maßnahmen rechtswidrig oder nicht?
12.04.2019, 19:33
(12.04.2019, 19:30)GastNRW88 schrieb: Schöner Fall. Hätte ich letzten Monat auch gerne gehabt :D
Ich fand es recht trickreich. Fing schon bei der EGL an und dann die Frage, ob ein Vollzugselement vorhanden war oder ob man doch über den Verwaltungszwang geht, viele Probleme bei dem Merkmal der Gefahr, Vhmk. sowieso. Aber naja, abwarten.
12.04.2019, 20:41
Geschafft!!!!
Hat zufällig jemand das Urteil gefunden das dem Fall zugrunde lag?:)
Hat zufällig jemand das Urteil gefunden das dem Fall zugrunde lag?:)
12.04.2019, 22:00
13.04.2019, 10:18
NRW ÖR hatte in beiden Durchgängen einen Bezug zu Grundrechten, in der einen mehr als in der anderen (Donnerstag war es Art. 3).
Ich habe gestern von einer Klage abgeraten.
Die Zulässigkeit der Klage ist als FFK auch etwas länger geworden, insbesondere hab ich bei der Klagebefugnis analog dann nochmal ein wenig zu Art 12, 13, 14 erörtert.
Die eine Maßnahme war rechtmäßig, dort lagen meine Schwerpunkte bei der Abgrenzung Gefahr/Gefahrenverdacht (dass sie ernsthaft dieses dämliche Studiums-Problem der Bestimmtheit einbauen mussten hat echt genervt.. aber leicht verdiente Punkte) sowie dann in der Verhältnismäßigkeit, Art 12 3 Stufen Theorie und praktische Konkordanz.
Es gab genug Argumente die untergebracht hätten müssen.
Im zweiten Teil brauchte die Polizei wegen der Einwilligung schon keine Ermächtigungsgrundlage, da kein Eingriffscharakter vorlag und somit nach dem Vorbehalt des Gesetzes es keiner EGL bedurfte. Art 13 GG hat der guten Frau nicht geholfen, da nicht vom Schutzbereich gedeckt.
Die Duldungsmaßnahme - egal ob aus Vollstreckung oder als Unterlassung - ist sozusagen als annex zur ersten Maßnahme rechtmäßig gewesen.
Ich fand es gab durchaus darüber hinaus viel was man hätte diskutieren können, welche Art von VA nun vorlag, aber da lagen meines Erachtens nicht die Schwerpunkte.. von daher bin ich da einfach nach dem Motto "ist alles kein Problem" drüber gebügelt um mich den wichtigen Sachen zu stellen.
Ich habe gestern von einer Klage abgeraten.
Die Zulässigkeit der Klage ist als FFK auch etwas länger geworden, insbesondere hab ich bei der Klagebefugnis analog dann nochmal ein wenig zu Art 12, 13, 14 erörtert.
Die eine Maßnahme war rechtmäßig, dort lagen meine Schwerpunkte bei der Abgrenzung Gefahr/Gefahrenverdacht (dass sie ernsthaft dieses dämliche Studiums-Problem der Bestimmtheit einbauen mussten hat echt genervt.. aber leicht verdiente Punkte) sowie dann in der Verhältnismäßigkeit, Art 12 3 Stufen Theorie und praktische Konkordanz.
Es gab genug Argumente die untergebracht hätten müssen.
Im zweiten Teil brauchte die Polizei wegen der Einwilligung schon keine Ermächtigungsgrundlage, da kein Eingriffscharakter vorlag und somit nach dem Vorbehalt des Gesetzes es keiner EGL bedurfte. Art 13 GG hat der guten Frau nicht geholfen, da nicht vom Schutzbereich gedeckt.
Die Duldungsmaßnahme - egal ob aus Vollstreckung oder als Unterlassung - ist sozusagen als annex zur ersten Maßnahme rechtmäßig gewesen.
Ich fand es gab durchaus darüber hinaus viel was man hätte diskutieren können, welche Art von VA nun vorlag, aber da lagen meines Erachtens nicht die Schwerpunkte.. von daher bin ich da einfach nach dem Motto "ist alles kein Problem" drüber gebügelt um mich den wichtigen Sachen zu stellen.
13.04.2019, 10:54
(13.04.2019, 10:18)NRW04 schrieb: NRW ÖR hatte in beiden Durchgängen einen Bezug zu Grundrechten, in der einen mehr als in der anderen (Donnerstag war es Art. 3).
Ich habe gestern von einer Klage abgeraten.
Die Zulässigkeit der Klage ist als FFK auch etwas länger geworden, insbesondere hab ich bei der Klagebefugnis analog dann nochmal ein wenig zu Art 12, 13, 14 erörtert.
Die eine Maßnahme war rechtmäßig, dort lagen meine Schwerpunkte bei der Abgrenzung Gefahr/Gefahrenverdacht (dass sie ernsthaft dieses dämliche Studiums-Problem der Bestimmtheit einbauen mussten hat echt genervt.. aber leicht verdiente Punkte) sowie dann in der Verhältnismäßigkeit, Art 12 3 Stufen Theorie und praktische Konkordanz.
Es gab genug Argumente die untergebracht hätten müssen.
Im zweiten Teil brauchte die Polizei wegen der Einwilligung schon keine Ermächtigungsgrundlage, da kein Eingriffscharakter vorlag und somit nach dem Vorbehalt des Gesetzes es keiner EGL bedurfte. Art 13 GG hat der guten Frau nicht geholfen, da nicht vom Schutzbereich gedeckt.
Die Duldungsmaßnahme - egal ob aus Vollstreckung oder als Unterlassung - ist sozusagen als annex zur ersten Maßnahme rechtmäßig gewesen.
Ich fand es gab durchaus darüber hinaus viel was man hätte diskutieren können, welche Art von VA nun vorlag, aber da lagen meines Erachtens nicht die Schwerpunkte.. von daher bin ich da einfach nach dem Motto "ist alles kein Problem" drüber gebügelt um mich den wichtigen Sachen zu stellen.
Habe auch eine FFK und zur Klage geraten. Aber Art. 12 GG habe ich nicht groß thematisert - außer in der Vhmk. kurz umrissen- da mMn weder die Art und Weise der Berufsausübung und schon gar nicht die zweite oder dritte Stufe tangiert waren. Habe noch wegen der wirtschaftlichen Interessen auf Art. 14 GG zurückgegriffen, aber auch nur angerissen. Sah die Probleme ebenfalls bei der Frage der Gefahr und dann halt im Ermessen. Habe bei der Wohnung dennoch eine Standardermächtigung als einschlägig angenommen, da mMn die Einwilligung des Mieters nicht die Duldung der Mandantin zur Folge hat.
13.04.2019, 12:42
Das Problem der Bestimmtheit war wohl bei § 41 Abs. IV PolG NRW zu thematisieren, siehe Verlinkung, Seite 6 und 7. LG
http://www.jura.uni-bielefeld.de/lehrstu...ng5_LS.pdf
http://www.jura.uni-bielefeld.de/lehrstu...ng5_LS.pdf