13.07.2023, 13:30
Hallo zusammen,
Ich würde mich sehr freuen, wenn einige von Euch mir Eure Einschätzung zu Folgendem geben könntet, insbesondere diejenigen, die regelmäßig selbst Personal einstellen:
ich bin seit kurz vor Anfang der Corona-Pandemie Volljurist (1. Examen vb, 2. Examen gut) und seit dem in der internationalen Zusammenarbeit tätig. Das Projekt, in welchem ich arbeite, hat zwar am Rande mit Jura zu tun, allerdings hat ein Großteil meiner sehr interdisziplinären Arbeit auch gar keinen Bezug zum Thema Recht. Ich habe daher auch das Gefühl, schon das meiste aus meiner Ausbildung vergessen zu haben. Die Arbeit macht mir allerdings Spaß und hat viele andere Vorzüge (Spannender Kontext, diverses Kollegium, work-life balance etc).
Jetzt möchte ich mich gerne auf eine andere Stelle im Unternehmen in Ostasien bewerben.
Vorteile die ich sehe:
- Super spannender Landeskontext
- Viel (persönliche) Wachstumsmöglichkeit
- Möglichkeit, meine Chinesisch Sprachkenntnisse von ganz ok zu fließend zu verbessern
Work-life balance wäre wohl etwas schlechter als auf meiner jetzigen Position (schätze vielleicht so 40-45 Stds, also immer noch 0 vergleichbar mit GK und Co.), Gehalt wäre sehr ordentlich.
Nachteil wäre allerdings:
- Die Stelle ist mehr im Bereich Organisation / Management (nicht als Führungskraft) / Strategie angesiedelt. Es gibt eigentlich kaum einen Bezug zu Jura und dementsprechend würde ich mich trotz zwei Staatsexamen plötzlich wirklich gar nicht mehr mit Jura beschäftigen. Der Titel der Stelle würde mir auch abgesehen von bei meinem jetzigen Arbeitgeber keine Türen öffnen. Ich würde also meine Fachlichkeit aufgeben, womöglich ohne dass mir dafür dann andere Chancen offen stehen würden.
Meint ihr, falls ich dann in ein paar Jahren doch wieder mehr im juristischen Bereich (Kanzlei, Unternehmen) einsteigen möchte, wäre das nach zu dem Zeitpunkt dann insgesamt 6 Jahren aus dem Thema raus (3 davon noch mit Bezug, der Rest dann gar nicht mehr) noch ohne größere Schwierigkeiten möglich? Oder riskiere ich, dass ich mir die 7+ Jahre Ausbildung und Examina dann umsonst "gegönnt" habe?
Ich würde mich sehr freuen, wenn einige von Euch mir Eure Einschätzung zu Folgendem geben könntet, insbesondere diejenigen, die regelmäßig selbst Personal einstellen:
ich bin seit kurz vor Anfang der Corona-Pandemie Volljurist (1. Examen vb, 2. Examen gut) und seit dem in der internationalen Zusammenarbeit tätig. Das Projekt, in welchem ich arbeite, hat zwar am Rande mit Jura zu tun, allerdings hat ein Großteil meiner sehr interdisziplinären Arbeit auch gar keinen Bezug zum Thema Recht. Ich habe daher auch das Gefühl, schon das meiste aus meiner Ausbildung vergessen zu haben. Die Arbeit macht mir allerdings Spaß und hat viele andere Vorzüge (Spannender Kontext, diverses Kollegium, work-life balance etc).
Jetzt möchte ich mich gerne auf eine andere Stelle im Unternehmen in Ostasien bewerben.
Vorteile die ich sehe:
- Super spannender Landeskontext
- Viel (persönliche) Wachstumsmöglichkeit
- Möglichkeit, meine Chinesisch Sprachkenntnisse von ganz ok zu fließend zu verbessern
Work-life balance wäre wohl etwas schlechter als auf meiner jetzigen Position (schätze vielleicht so 40-45 Stds, also immer noch 0 vergleichbar mit GK und Co.), Gehalt wäre sehr ordentlich.
Nachteil wäre allerdings:
- Die Stelle ist mehr im Bereich Organisation / Management (nicht als Führungskraft) / Strategie angesiedelt. Es gibt eigentlich kaum einen Bezug zu Jura und dementsprechend würde ich mich trotz zwei Staatsexamen plötzlich wirklich gar nicht mehr mit Jura beschäftigen. Der Titel der Stelle würde mir auch abgesehen von bei meinem jetzigen Arbeitgeber keine Türen öffnen. Ich würde also meine Fachlichkeit aufgeben, womöglich ohne dass mir dafür dann andere Chancen offen stehen würden.
Meint ihr, falls ich dann in ein paar Jahren doch wieder mehr im juristischen Bereich (Kanzlei, Unternehmen) einsteigen möchte, wäre das nach zu dem Zeitpunkt dann insgesamt 6 Jahren aus dem Thema raus (3 davon noch mit Bezug, der Rest dann gar nicht mehr) noch ohne größere Schwierigkeiten möglich? Oder riskiere ich, dass ich mir die 7+ Jahre Ausbildung und Examina dann umsonst "gegönnt" habe?
13.07.2023, 13:58
(13.07.2023, 13:30)A nonym01 schrieb: Nachteil wäre allerdings:
- Die Stelle ist mehr im Bereich Organisation / Management (nicht als Führungskraft) / Strategie angesiedelt. Es gibt eigentlich kaum einen Bezug zu Jura und dementsprechend würde ich mich trotz zwei Staatsexamen plötzlich wirklich gar nicht mehr mit Jura beschäftigen. Der Titel der Stelle würde mir auch abgesehen von bei meinem jetzigen Arbeitgeber keine Türen öffnen. Ich würde also meine Fachlichkeit aufgeben, womöglich ohne dass mir dafür dann andere Chancen offen stehen würden.
Meint ihr, falls ich dann in ein paar Jahren doch wieder mehr im juristischen Bereich (Kanzlei, Unternehmen) einsteigen möchte, wäre das nach zu dem Zeitpunkt dann insgesamt 6 Jahren aus dem Thema raus (3 davon noch mit Bezug, der Rest dann gar nicht mehr) noch ohne größere Schwierigkeiten möglich? Oder riskiere ich, dass ich mir die 7+ Jahre Ausbildung und Examina dann umsonst "gegönnt" habe?
Also ich würde das als fast vollkommen unproblematisch ansehen, wenn du danach noch bereit bist, dich auf Stellen für Berufseinsteiger (sei es Kanzleien oder Unternehmen) zu bewerben und man dir im Bewerbungsgespräch abkauft, dass du dich von der Persönlichkeit her noch ,,einfügen" kannst. Zumindest die Großkanzlei-Struktur ist halt recht formalistisch darauf ausgelegt, dass die Aufgaben und Teams recht schematisch nach Berufserfahrung (in der Großkanzlei) angestellt werden, d.h. wenn du z.B. als 35 jähriger 1st year Associate anfängst muss es für dich ok sein, dass du womöglich dem 28jährigen 3rd year Associate mit 2x 8 Punkten zuarbeitest. Das ,,Problem" haben aber manche Berufseinsteiger nach ewiger Promotion mit LLM und Erasmus-Jahr im Studium (oder Bankausbildung vor Studium) auch...
Irgendwann wird es vermutlich zu krass, wenn du z.B. 15 Jahre raus warst, aber auch das würde ich eher auf kulturelle Aspekte schieben. Mit deinen Examensnoten ist die Vorstellung völlig abwegig, dass du so viel über Jura vergessen könntest, dass du plötzlich nicht mehr kanzleitauglich wärst.
Bei Unternehmen richten sich die interessanten Stellen in der Rechtsabteilung ja meistens nicht an Berufseinsteiger und deine nicht-juristische Erfahrung kann das nicht kompensieren. Aber wenn du dich auf eine Stelle bewirbst, die für Berufseinsteiger ausgeschrieben ist, sehe ich auch kein echtes Problem.
Allgemeines Lebensrisiko ist natürlich, dass du dich in die Region verliebst und dann familiär gebunden bist. In Ostasien gibt es natürlich viel weniger Kanzleijobs für deutsche Juristen als in Deutschland - es gibt sie aber natürlich vereinzelt schon. Inwiefern die für ,,spätberufene Berufseinsteiger" offen sind, kann ich aber nicht einschätzen.
13.07.2023, 14:13
Kommt drauf an, was du willst.
Mit vertieftem Jura dürfte es anschließend schwer werden, siehe dieser Thread zum Vergleich:
https://www.forum-zur-letzten-instanz.de...p?tid=8792
Ich finde die Stelle allerdings trotzdem nicht schlecht, wenn du Lust hast, ins Management einzusteigen.
Ich arbeite mittlerweile im Unternehmen und dein Karriereweg wäre einer, den hier viele hohe Führungskräfte in ähnlicher Weise gegangen sind. Die haben alle mal irgendwas gelernt oder studiert und sich anschließend auf andere Stellen beworben, die fachlich nicht mehr viel mit dem Gelernten zu tun hatten. Igendwann landeten die auf einer Stelle mit Personalverantwortung und von dort aus kann es weiter hoch gehen. Ich finde das Angebot daher durchaus spannend, du musst nur wissen, ob es das ist, was du willst. Und - das muss man ergänzend dazu sagen - die Management-Karriere hängt nicht nur vom eigenen Willen ab, sondern hat auch viel mit Firmenpolitik zu tun. Das jedenfalls bekomme ich hier in der Personalabteilung gerade wieder mit.
Mit vertieftem Jura dürfte es anschließend schwer werden, siehe dieser Thread zum Vergleich:
https://www.forum-zur-letzten-instanz.de...p?tid=8792
Ich finde die Stelle allerdings trotzdem nicht schlecht, wenn du Lust hast, ins Management einzusteigen.
Ich arbeite mittlerweile im Unternehmen und dein Karriereweg wäre einer, den hier viele hohe Führungskräfte in ähnlicher Weise gegangen sind. Die haben alle mal irgendwas gelernt oder studiert und sich anschließend auf andere Stellen beworben, die fachlich nicht mehr viel mit dem Gelernten zu tun hatten. Igendwann landeten die auf einer Stelle mit Personalverantwortung und von dort aus kann es weiter hoch gehen. Ich finde das Angebot daher durchaus spannend, du musst nur wissen, ob es das ist, was du willst. Und - das muss man ergänzend dazu sagen - die Management-Karriere hängt nicht nur vom eigenen Willen ab, sondern hat auch viel mit Firmenpolitik zu tun. Das jedenfalls bekomme ich hier in der Personalabteilung gerade wieder mit.
13.07.2023, 16:00
Herzlichen Dank an Euch beide für Eure Rückmeldungen, die ja auch zeigen, dass es sowohl Argumente pro als auch kontra Einsetzbarkeit danach gibt.
@panta:
Bewerbungen für Berufsanfängerpositionen fände ich nicht problematisch, denke das käme für mich in jedem Fall in Frage. Aktuell gehe ich davon aus, nach wenigen Jahren (auch familiär bedingt) wieder nach DE zurück zukehren. Eine Verliebtheit in die Region müsste ich dann mit Reisen kompensieren.
@egal:
Die aktuell in Frage kommende Position wäre ohne Führung von Personal, d.h. ich bin unsicher inwiefern mir das für zukünftige Managementstellen (Führungspositionen) helfen würde. Vielen Dank auch für das Verlinken des Threads. Ich hatte ihn gelesen und das hatte mir auch die Motivation gegeben, diesen aktuellen Thread zu eröffnen. Abweichungen in meinem CV zu dem Ersteller des Threads sehe ich darin, dass es "nur" 6 und nicht 11+ Jahre wären und zumindest drei davon noch irgendwie unter juristischer Tätigkeit im entferntesten Sinne verbuchbar wären.
Ich habe die leise Hoffnung, dass die Ostasien-Geschichte dafür ggf. bei internationalen Kanzleien/Unternehmen bei der Bewerbung helfen könnte (zB China Desk oder bei der Beratung internationaler Mandate in der Region). Kann aber auch Wunschvorstellung sein :D.
@panta:
Bewerbungen für Berufsanfängerpositionen fände ich nicht problematisch, denke das käme für mich in jedem Fall in Frage. Aktuell gehe ich davon aus, nach wenigen Jahren (auch familiär bedingt) wieder nach DE zurück zukehren. Eine Verliebtheit in die Region müsste ich dann mit Reisen kompensieren.
@egal:
Die aktuell in Frage kommende Position wäre ohne Führung von Personal, d.h. ich bin unsicher inwiefern mir das für zukünftige Managementstellen (Führungspositionen) helfen würde. Vielen Dank auch für das Verlinken des Threads. Ich hatte ihn gelesen und das hatte mir auch die Motivation gegeben, diesen aktuellen Thread zu eröffnen. Abweichungen in meinem CV zu dem Ersteller des Threads sehe ich darin, dass es "nur" 6 und nicht 11+ Jahre wären und zumindest drei davon noch irgendwie unter juristischer Tätigkeit im entferntesten Sinne verbuchbar wären.
Ich habe die leise Hoffnung, dass die Ostasien-Geschichte dafür ggf. bei internationalen Kanzleien/Unternehmen bei der Bewerbung helfen könnte (zB China Desk oder bei der Beratung internationaler Mandate in der Region). Kann aber auch Wunschvorstellung sein :D.
14.07.2023, 11:05
Du machst dir Gedanken, ob du mit zwei herausragenden Examina + chinesischen Sprachkenntnissen in Deutschland eine Kanzleistelle bekommst?
Darüber hinaus verliert man doch seine juristischen Fähigkeiten nicht innerhalb ein paar Jahre. Dass das Detailwissen nicht mehr präsent ist - ok - aber da kommt es eh auf den Bereich an.
Do it, wenn du da bock drauf hast. Hier wirst du sicherlich wieder Fuß fassen.
Darüber hinaus verliert man doch seine juristischen Fähigkeiten nicht innerhalb ein paar Jahre. Dass das Detailwissen nicht mehr präsent ist - ok - aber da kommt es eh auf den Bereich an.
Do it, wenn du da bock drauf hast. Hier wirst du sicherlich wieder Fuß fassen.
18.07.2023, 19:19
(14.07.2023, 11:05)GPAMember schrieb: Du machst dir Gedanken, ob du mit zwei herausragenden Examina + chinesischen Sprachkenntnissen in Deutschland eine Kanzleistelle bekommst?
Darüber hinaus verliert man doch seine juristischen Fähigkeiten nicht innerhalb ein paar Jahre. Dass das Detailwissen nicht mehr präsent ist - ok - aber da kommt es eh auf den Bereich an.
Do it, wenn du da bock drauf hast. Hier wirst du sicherlich wieder Fuß fassen.
Danke für Dein Feedback - und die damit einhergehende Ermunterung, dass der Weg zurück ins juristische wohl auch nach den paar Jahren raus noch offen steht.