09.09.2022, 11:42
Also ich checks nicht. Eure Kritik ist also, dass das ein sehr arbeitsintensiver Job ist und dafür die Bezahlung zu schlecht sei. Dann stellt doch einfach mehr Leute ein und die Arbeitsbelastung sinkt wieder. Dann ist auch das Gehalt wieder fair. Wem R1 für ne 40 Stunden Woche zu wenig ist, dem steht es ja frei, in eine GK zu gehen und zu buckeln. Aber für die meisten dürfte R1 bei ner echten 40 Stunden Woche genug sein.
09.09.2022, 11:53
(09.09.2022, 10:46)Soda schrieb:(09.09.2022, 09:47)Gast schrieb: Ich denke, mehr Bezahlung oder bessere Büros würde gar nicht so viel ändern. In meiner AG kenne ich niemanden, der sagen würde: "Oh nee, zum Staat gehe nicht, weil ich sonst ja zu wenig verdiene oder in einem hässlichen Büro sitzen muss".
Vielmehr heißt es: "Oh nee, wenn ich Richter werde, dann muss ich ohne Ende Akten wegkloppen in meinem Kämmerlein und das ist mir zu langweilig."
Oder: "Oh nee, dann muss ich mich ja ständig damit auseinandersetzen, ob Elfriede jetzt 6000 Euro bekommt oder nicht".
Es braucht fürs Richteramt eben Leute, die solide und stetig ihren Kram erledigen, ohne überhöhte Ansprüche an Glanz und Glamour zu haben. Und solche Leute findet man eher im 7-9 Punkte Bereich, denn dass sie solide und stetig arbeiten, haben sie dann ja unter Beweis gestellt.
Nun bin ich nicht in deiner AG, aber Ref in Hessen und somit auch betroffen.
Zu mir. Ich komme bereits aus der Verwaltung.
Jetzt zu deinem Post.
"mehr Bezahlung oder bessere Büros würde gar nicht so viel ändern".
Ist das ein Scherz? Das muss ein Scherz sein....
Das ist der elementare Grundgedanke warum ich und der Großteil der AG keine Lust auf den Job haben. Hinzu kommt auch dein Punkt, dass die Arbeitsbelastung sehr hoch ist. Gehalt ist auch Wertschätzung und Kompensation für die bisherige Leistung und davon haben die Leute mit 15 Punkten insgesamt sehr sehr viel erbracht.
Ich soll also einen sehr verantwortungsvollen, sehr arbeitsintensiven Job für 60h die ersten Jahre machen bei dem Gehalt eines Grundschullehrers in einem Büro mit DDR-Charme? Dafür habe ich 8 Jahre gelernt (2 Jahre davon ohne Leben für die beiden Examensvorbereitungen).
Ich glaube, den meisten die sowas sagen, fehlt der Vergleich. Bachelorstudium in der Justiz (3 Jahre, durchschnittlich schwer) zzgl. 1,5 Jahre Weiterbildung = A12 (Amtsanwalt). Bachelorstudium in der Verwaltung (3 Jahre, eher leicht) = A 9, nach 4 Jahren A10, zzgl. Zulagen = A 11 (Verantwortung mittel und Anspruch eher gering, relativ viel Freizeit und nur 40h).
Beides Bespiele aus meiner Erfahrung.
Der Deal ist so schlecht, dass mich viele meiner früheren Verwaltungskollegen fragen, warum man(ich) das machen soll?
Auch ich bin Referendar in Hessen. In meinen AGs gab es (zumindest nach der Zivilstation) so gut wie keinen, der sich noch für das Richteramt begeistern wollte. Die Probleme (Besoldung, Arbeitsbelastung wegen Unterbesetzung, praktisch keine Ausstiegschancen, so gut wie keine vernünftige Digitalisierung, ständige Versetzungen am Anfang, Einsamkeit im Job, ...) lösen sich sicher nicht durch eine Erweiterung des Bewerberkreises. Aber Geld für eine vernünftige Justiz in die Hand zu nehmen und diese Probleme vernünftig zu lösen ist in Deutschland ja leider verpönt.
Insbesondere die Besoldung und Ausstattung (vor allem in Großstädten) sind insoweit extrem relevant und m.E. unter Referendaren die am häufigsten geäußerten Vorbehalte.
09.09.2022, 12:37
Was bei der Besoldung schief läuft, zeigt sich ja schon in der Entscheidung des BVerfG zur verfassungswidrigen Bezahlung der Richter in Berlin, wonach bei der Bemessung der Besoldung ein "Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau" einzuhalten ist. Mindestabstand sind 15% mehr
https://www.bundesverfassungsgericht.de/...00418.html
Zurück zum eigentlichen Thema: sowohl ich als auch AG Freunde konnten sich grundsätzlich vorstellen, als Richter zu arbeiten, da die Arbeit Spaß gemacht hat. Jeder hatte aber Vorbehalte. Angefangen von der miesen Bezahlung, bis hin zu den alten Büros. Überflieger haben insbesondere kritisiert, dass die Aufstiegschancen komplett intransparent sind. Der Weg zum VRLG ist quasi geebnet mit 80k am Ende. Zum OLG kommt man nur mit Verbindungen. Absolut lächerlich.
Hinzu kommt - und das haben insbesondere die weiblichen Kolleginnen kritisiert - dass man sich den Standort nicht aussuchen, man also nicht sesshaft werden kann.

https://www.bundesverfassungsgericht.de/...00418.html
Zurück zum eigentlichen Thema: sowohl ich als auch AG Freunde konnten sich grundsätzlich vorstellen, als Richter zu arbeiten, da die Arbeit Spaß gemacht hat. Jeder hatte aber Vorbehalte. Angefangen von der miesen Bezahlung, bis hin zu den alten Büros. Überflieger haben insbesondere kritisiert, dass die Aufstiegschancen komplett intransparent sind. Der Weg zum VRLG ist quasi geebnet mit 80k am Ende. Zum OLG kommt man nur mit Verbindungen. Absolut lächerlich.
Hinzu kommt - und das haben insbesondere die weiblichen Kolleginnen kritisiert - dass man sich den Standort nicht aussuchen, man also nicht sesshaft werden kann.
09.09.2022, 14:22
(09.09.2022, 11:41)Gast schrieb: Was würde passieren, wenn man als Richter nach 45h einfach den Stift fallen lässt ? Probezeitkündigung?
Das frage ich mich auch! Wieso tun die Richter sich 60h die Woche denn an? Warum überhaupt 45h? Für Beamte sind doch 41h vorgesehen. Wenn man die durchzieht, sollte das doch genug sein, um nicht als asozialer Minderleister abgestempelt zu werden, dessen fehlendes Verantwortungsbewusstsein die Rechtssuchenden über Gebühr warten lässt.
09.09.2022, 14:49
(09.09.2022, 14:22)Gast schrieb:(09.09.2022, 11:41)Gast schrieb: Was würde passieren, wenn man als Richter nach 45h einfach den Stift fallen lässt ? Probezeitkündigung?
Das frage ich mich auch! Wieso tun die Richter sich 60h die Woche denn an? Warum überhaupt 45h? Für Beamte sind doch 41h vorgesehen. Wenn man die durchzieht, sollte das doch genug sein, um nicht als asozialer Minderleister abgestempelt zu werden, dessen fehlendes Verantwortungsbewusstsein die Rechtssuchenden über Gebühr warten lässt.
Kann aus eigener Erfahrung berichten: Es passiert gar nichts


09.09.2022, 15:40
(09.09.2022, 14:49)Gast schrieb:(09.09.2022, 14:22)Gast schrieb:(09.09.2022, 11:41)Gast schrieb: Was würde passieren, wenn man als Richter nach 45h einfach den Stift fallen lässt ? Probezeitkündigung?
Das frage ich mich auch! Wieso tun die Richter sich 60h die Woche denn an? Warum überhaupt 45h? Für Beamte sind doch 41h vorgesehen. Wenn man die durchzieht, sollte das doch genug sein, um nicht als asozialer Minderleister abgestempelt zu werden, dessen fehlendes Verantwortungsbewusstsein die Rechtssuchenden über Gebühr warten lässt.
Kann aus eigener Erfahrung berichten: Es passiert gar nichts. Bin jetzt in meiner Probezeit am 2. Gericht und habe bislang von keinem Richter mitbekommen, dass 60h pro Woche geschoben werden, häufig noch nicht mal 40. Selbst ich als Proberichter arbeite nur zwischen 35 und 45 Stunden. Und nein, meine Beurteilung ist sogar gut
. Natürlich sollte das eigene Dezernat, das man in einem halbwegs aufgeräumten Zustand übernommen hat, nicht absaufen. Aber das kriegt man nach meiner Erfahrung, die mir bislang von allen Seiten bestätigt wurde, auch ohne weiteres mit 40 Stunden pro Woche hin. Ich hatte jedenfalls schon relativ viele verschiedene Dezernate und konnte bei allen den Bestand reduzieren. Das mag bei einem abgesoffenen Dezernat anders aussehen, ein solches musste ich auch mal für fünf Monate übernehmen, nachdem dieses wegen einer Erkrankung des zuständigen Kollegen der facto mehrere Monate unbesetzt war. Da wurde aber von allen Seiten ausdrücklich betont, dass man keine 60 h Wochen von mir erwartet, da man eben nur für 40h bezahlt wird (Zitat des LG Präsidenten). Vielleicht habe ich auch einfach nur Glück mit meinem Bezirk und den bisherigen Dezernaten, aber die ganzen Horrorstories kann ich nicht bestätigen
Das klingt doch mal beruhigend, danke für deinen Erfahrungsbericht! Magst du in abstrakten Details mehr über deine Dezernate verraten, um da mal genauere Einschätzungen zu ermöglichen? Also ZR / StR, AG / LG, Großstadt / Kleinstadt / Hintertupfingen, sowas?
09.09.2022, 17:13
(09.09.2022, 14:49)Gast schrieb:(09.09.2022, 14:22)Gast schrieb:(09.09.2022, 11:41)Gast schrieb: Was würde passieren, wenn man als Richter nach 45h einfach den Stift fallen lässt ? Probezeitkündigung?
Das frage ich mich auch! Wieso tun die Richter sich 60h die Woche denn an? Warum überhaupt 45h? Für Beamte sind doch 41h vorgesehen. Wenn man die durchzieht, sollte das doch genug sein, um nicht als asozialer Minderleister abgestempelt zu werden, dessen fehlendes Verantwortungsbewusstsein die Rechtssuchenden über Gebühr warten lässt.
Kann aus eigener Erfahrung berichten: Es passiert gar nichts. Bin jetzt in meiner Probezeit am 2. Gericht und habe bislang von keinem Richter mitbekommen, dass 60h pro Woche geschoben werden, häufig noch nicht mal 40. Selbst ich als Proberichter arbeite nur zwischen 35 und 45 Stunden. Und nein, meine Beurteilung ist sogar gut
. Natürlich sollte das eigene Dezernat, das man in einem halbwegs aufgeräumten Zustand übernommen hat, nicht absaufen. Aber das kriegt man nach meiner Erfahrung, die mir bislang von allen Seiten bestätigt wurde, auch ohne weiteres mit 40 Stunden pro Woche hin. Ich hatte jedenfalls schon relativ viele verschiedene Dezernate und konnte bei allen den Bestand reduzieren. Das mag bei einem abgesoffenen Dezernat anders aussehen, ein solches musste ich auch mal für fünf Monate übernehmen, nachdem dieses wegen einer Erkrankung des zuständigen Kollegen der facto mehrere Monate unbesetzt war. Da wurde aber von allen Seiten ausdrücklich betont, dass man keine 60 h Wochen von mir erwartet, da man eben nur für 40h bezahlt wird (Zitat des LG Präsidenten). Vielleicht habe ich auch einfach nur Glück mit meinem Bezirk und den bisherigen Dezernaten, aber die ganzen Horrorstories kann ich nicht bestätigen
Es ist schön, noch solche Berichte zu hören. Nur sind es scheinbar Einzelfälle. In den REF-AGs bespricht und vergleicht man sich und jeder ist bei einem anderen Ausbilder (das 2mal gerechnet für die Zivil- und Strafstation). Dies gibt doch ein recht gutes Bild zumindest von diesem Standort finde ich. Zumindest für den Raum Frankfurt scheint die Belastungen zu hoch.
Warum sich die Leute so aufregen hier? Ganz einfach, weil viele damals angefangen haben mit der Vorstellung, ggf. auch mal bei Gericht zu arbeiten. Man gibt sein Bestes und reißt sich echt den Arsch auf, verzichtet auf sehr viel Privatleben, um das 1. und 2. Examen in unter 10 Jahren als einer der Besten durchzuziehen. Da erwartet man einfach etwas Wertschätzung, auch im Vergleich zu anderen Berufsgruppen. Jetzt hört man aber, dass seit Jahren die Gehälter nicht wirklich steigen, die Belastung dafür in der Gesamtheit schon.
Die Lösung der Behörde ist dann, joa es gibt nicht mehr, aber hey, ihr hättet euch doch gar nicht soooo sehr anstrengen müssen, wir geben einfach mehr Leuten die Möglichkeit, sich nur noch für den Titel (Amtsbezeichnung) ausbeuten zu lassen.
Entschuldigung, das war aber nicht Deal. Es wurde immer gesagt, wir wollen die Besten und nur die werden Richter/ Staatsanwälte und dafür hat man gearbeitet. Jetzt zu sagen, wir senken die Note, macht einfach nur wütend und verbessert weder das Gehalt, noch die Jobbedingungen.
Wenn es noch nicht bekannt ist, scheinbar wurden nur (!) 36 Mitarbeiter bei scheinbar 200 offenen Stellen jetzt eingestellt.
https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/f...99253.html
Auch die Leute mit zweimal 8 Punkten sehen darin keinen guten Deal mehr. Was wird nur passieren, wenn man nicht weiter runtergehen kann mit der Note und trotzdem keine Leute mehr bekommt?
09.09.2022, 17:24
Ich für meinen Teil bin Anwalt in einer Großkanzlei und es ist bei uns fester Bestandteil bei einem der ersten Mittagessen mit den neuen Associates darüber zu lachen, dass unsere "Kollegen" beim Staat zwar auch 60h schieben, dafür aber mit R1 über die Runden kommen müssen, während wir auf Kanzleikosten mit dem Taxi nach Hause fahren.
09.09.2022, 17:28
Ich finde es müßig, die Dauer oder Schwere des Studiums in Ansatz für die Bezahlung bringen zu wollen. Gezahlt wird, was der Staat bereit ist, auszugeben.
Aber ein - wie von den Richtervereinigungen seit Jahren angeführt - Vergleich mit jedem anderen Staat Europas zeigt, wie wenig das in Deutschland ist. Auch das Gehaltsgefüge innerhalb des öffentlichen Dienstes stimmt meiner Meinung nach nicht. Richter auf dem Level eines Gymnasiallehrers? Das gibt es echt nur in Deutschland. Es zeugt von einer bedenklichen Geringschätzung der Justiz.
Die Justiz in Deutschland kann ihre Interessen einfach nicht durchsetzen und mir scheint, Richter haben keine wirkliche Lobby.
Aber ein - wie von den Richtervereinigungen seit Jahren angeführt - Vergleich mit jedem anderen Staat Europas zeigt, wie wenig das in Deutschland ist. Auch das Gehaltsgefüge innerhalb des öffentlichen Dienstes stimmt meiner Meinung nach nicht. Richter auf dem Level eines Gymnasiallehrers? Das gibt es echt nur in Deutschland. Es zeugt von einer bedenklichen Geringschätzung der Justiz.
Die Justiz in Deutschland kann ihre Interessen einfach nicht durchsetzen und mir scheint, Richter haben keine wirkliche Lobby.
09.09.2022, 17:38
(09.09.2022, 17:28)Gast schrieb: Ich finde es müßig, die Dauer oder Schwere des Studiums in Ansatz für die Bezahlung bringen zu wollen. Gezahlt wird, was der Staat bereit ist, auszugeben.
Aber ein - wie von den Richtervereinigungen seit Jahren angeführt - Vergleich mit jedem anderen Staat Europas zeigt, wie wenig das in Deutschland ist. Auch das Gehaltsgefüge innerhalb des öffentlichen Dienstes stimmt meiner Meinung nach nicht. Richter auf dem Level eines Gymnasiallehrers? Das gibt es echt nur in Deutschland. Es zeugt von einer bedenklichen Geringschätzung der Justiz.
Die Justiz in Deutschland kann ihre Interessen einfach nicht durchsetzen und mir scheint, Richter haben keine wirkliche Lobby.
Du hast natürlich Recht damit. Der Staat zahlt, was er für richtig hält. Aber warum bekommen dann gesuchte Fachkräfte aus den MINT-Bereichen A13-A15 (Bsp. Polizeiarzt: A15!). Scheinbar ist man wohl bereit, mehr zu bezahlen, wenn man sonst die gesuchten Leute nicht bekommt.
Zum Thema Lobby sehe ich es genauso, es gibt keine. Das liegt aber auch daran, dass die Staatsanwälte Beamte und die Richter quasi Beamte ohne Streikrecht sind. Die kann man dann schlecht behandeln. Die müssen ja arbeiten.