18.09.2021, 18:47
Fiktives Beispiel zu meiner Frage, wie sich die Zinsen berechnen:
In einem Urteil v. 1.1.2021 wird tenoriert, dass der Beklagte verurteilt wird einen Betrag X (sagen wir mal 1000,-€) zzgl. 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab [Datum der Rechtshängigkeit, nehmen wir einfach mal den 30.09.2020] zu zahlen. Beklagte zahlt nicht direkt von selbst und Kläger fordert ihn daher am 15.3.2021 nochmals per Schreiben auf, diese 1000,- zzgl. der ausgerechneten 5-Prozentpunkte über dem Basiszinssatz zu zahlen.
1) Wie berechnen sich die Verzugszinsen? Ab dem 30.09.2020 bis zum Urteil (also 1.1.2021) oder laufen die Zinsen immer weiter, bis der Beklagte zahlt und der Kläger würde mittlerweile Zinsen vom 30.09.2020 bis 15.3.2021 verlangen können?
M.E. letzteres, aber in meiner Lern-AG meinte jemand, dass mit dem Urteil auch soweit Ende des Verzugszeitraums ist. Leuchtet mir allerdings nicht ganz ein, warum das so sein sollte.
2) Was passiert, wenn der Kläger/sein Anwalt die Zinsen falsch berechnen (zu hoch oder zu niedrig) und der Beklagte selbst nicht nachrechnet und den ausgewiesenen Betrag zahlt: welche Möglichkeiten hat der Beklagte, zu viel gezahlte Zinsen zurückzubekommen (§ 812 BGB würde ich meinen und Zeit hat er dafür 3 Jahre). Aber wie sieht es aus, wenn zu geringe Zinsen erhoben wurden: dann könnte der Anwalt doch nochmal an den Beklagten nachlegen und - sollte dies verjährungsmäßig nicht mehr möglich sein - könnte der Mandant seinen Anwalt dafür in Anspruch nehmen, oder?
Ich weiß, das sind sehr theoretische Fragen - wahrscheinlich rechnet kaum ein Mandant überhaupt mal die Zinsen nach...aber in der Lern-AG hatten wir rege Diskussionen darüber und mich würde die richtige Lösung daher interessieren.
In einem Urteil v. 1.1.2021 wird tenoriert, dass der Beklagte verurteilt wird einen Betrag X (sagen wir mal 1000,-€) zzgl. 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab [Datum der Rechtshängigkeit, nehmen wir einfach mal den 30.09.2020] zu zahlen. Beklagte zahlt nicht direkt von selbst und Kläger fordert ihn daher am 15.3.2021 nochmals per Schreiben auf, diese 1000,- zzgl. der ausgerechneten 5-Prozentpunkte über dem Basiszinssatz zu zahlen.
1) Wie berechnen sich die Verzugszinsen? Ab dem 30.09.2020 bis zum Urteil (also 1.1.2021) oder laufen die Zinsen immer weiter, bis der Beklagte zahlt und der Kläger würde mittlerweile Zinsen vom 30.09.2020 bis 15.3.2021 verlangen können?
M.E. letzteres, aber in meiner Lern-AG meinte jemand, dass mit dem Urteil auch soweit Ende des Verzugszeitraums ist. Leuchtet mir allerdings nicht ganz ein, warum das so sein sollte.
2) Was passiert, wenn der Kläger/sein Anwalt die Zinsen falsch berechnen (zu hoch oder zu niedrig) und der Beklagte selbst nicht nachrechnet und den ausgewiesenen Betrag zahlt: welche Möglichkeiten hat der Beklagte, zu viel gezahlte Zinsen zurückzubekommen (§ 812 BGB würde ich meinen und Zeit hat er dafür 3 Jahre). Aber wie sieht es aus, wenn zu geringe Zinsen erhoben wurden: dann könnte der Anwalt doch nochmal an den Beklagten nachlegen und - sollte dies verjährungsmäßig nicht mehr möglich sein - könnte der Mandant seinen Anwalt dafür in Anspruch nehmen, oder?
Ich weiß, das sind sehr theoretische Fragen - wahrscheinlich rechnet kaum ein Mandant überhaupt mal die Zinsen nach...aber in der Lern-AG hatten wir rege Diskussionen darüber und mich würde die richtige Lösung daher interessieren.
18.09.2021, 19:11
(18.09.2021, 18:47)Kein_Richter_sondern_in_der_Ausbildung schrieb: Fiktives Beispiel zu meiner Frage, wie sich die Zinsen berechnen:
In einem Urteil v. 1.1.2021 wird tenoriert, dass der Beklagte verurteilt wird einen Betrag X (sagen wir mal 1000,-€) zzgl. 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab [Datum der Rechtshängigkeit, nehmen wir einfach mal den 30.09.2020] zu zahlen. Beklagte zahlt nicht direkt von selbst und Kläger fordert ihn daher am 15.3.2021 nochmals per Schreiben auf, diese 1000,- zzgl. der ausgerechneten 5-Prozentpunkte über dem Basiszinssatz zu zahlen.
1) Wie berechnen sich die Verzugszinsen? Ab dem 30.09.2020 bis zum Urteil (also 1.1.2021) oder laufen die Zinsen immer weiter, bis der Beklagte zahlt und der Kläger würde mittlerweile Zinsen vom 30.09.2020 bis 15.3.2021 verlangen können?
M.E. letzteres, aber in meiner Lern-AG meinte jemand, dass mit dem Urteil auch soweit Ende des Verzugszeitraums ist. Leuchtet mir allerdings nicht ganz ein, warum das so sein sollte.
2) Was passiert, wenn der Kläger/sein Anwalt die Zinsen falsch berechnen (zu hoch oder zu niedrig) und der Beklagte selbst nicht nachrechnet und den ausgewiesenen Betrag zahlt: welche Möglichkeiten hat der Beklagte, zu viel gezahlte Zinsen zurückzubekommen (§ 812 BGB würde ich meinen und Zeit hat er dafür 3 Jahre). Aber wie sieht es aus, wenn zu geringe Zinsen erhoben wurden: dann könnte der Anwalt doch nochmal an den Beklagten nachlegen und - sollte dies verjährungsmäßig nicht mehr möglich sein - könnte der Mandant seinen Anwalt dafür in Anspruch nehmen, oder?
Ich weiß, das sind sehr theoretische Fragen - wahrscheinlich rechnet kaum ein Mandant überhaupt mal die Zinsen nach...aber in der Lern-AG hatten wir rege Diskussionen darüber und mich würde die richtige Lösung daher interessieren.
0.) Die Zinsen dürfen erst ab dem Tag nach Rechtshängigkeit tenoriert werden - Zivilkomputation :)
1.) Die Zinsen laufen bis zur Erfüllung der Hauptleistung - das ist ja gerade der Witz daran. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung könnte man sie sonst ja ausrechnen.
2.) So ist es: wird zu viel gezahlt, ist es Bereicherungsrecht, zu wenig dann vollstreckt der Gläubiger einfach die Differenz. Fordert der Anwalt zu wenig ein und lässt die Differenz verjähren und hätte der Schuldner sie gezahlt (!), ist es Anwaltshaftung.
18.09.2021, 19:47
Dank Dir.
Zu 0) stimmt - guter Hinweis nochmal. Man gut, dass das Gericht das Datum ins Urteil einträgt ?
Zu 2) und was wäre, wenn der Schuldner nicht gezahlt hätte? Und wie wird das bewiesen? Wenn der Schuldner die Hauptforderung + zu geringen Anteil an Zinsen gezahlt hat: kann man dann nicht davon ausgehen bzw es spricht ohne Gegenbeweis dann doch alles schon dafuer, dass er auch die Differenz gezahlt hätte, oder nicht?!
Zu 0) stimmt - guter Hinweis nochmal. Man gut, dass das Gericht das Datum ins Urteil einträgt ?
Zu 2) und was wäre, wenn der Schuldner nicht gezahlt hätte? Und wie wird das bewiesen? Wenn der Schuldner die Hauptforderung + zu geringen Anteil an Zinsen gezahlt hat: kann man dann nicht davon ausgehen bzw es spricht ohne Gegenbeweis dann doch alles schon dafuer, dass er auch die Differenz gezahlt hätte, oder nicht?!
18.09.2021, 20:07
Es sollte ein Ausrufezeichen werden und kein Fragezeichen.
Was ich mich grad frage: könnte ich dann nicht einfach höhere Verzugszinsen erzwingen und wird sowas in der Praxis gemacht? Ich stelle mir vor, dass die unterlegene Gegenseite nicht anwaltlich vertreten ist (oder der Anwalt auch nicht sofort nach dem Urteil reagiert): an sich müsste man den Beklagten ja nicht extra zur Zahlung auffordern und (wenn’s dem eigenen Mandanten nicht eilig ist), dann würde es doch sinnvoll sein, erstmal ne Weile abzuwarten (gibt ja nett Zinsen)? Fragt die anwaltlich vertretene Gegenseite idR schnell nach, auf welche Kontodaten der Betrag gezahlt werden soll?
Oder würde es irgendwann einem selbst entgegenfeuern und gesagt werden “du hättest den Beklagten auch ruhig anschreiben und ihm die Kontodaten [die ja aber auch schon auf einem früheren Schriftsatz standen] zukommen lassen müssen?!” Besonders wenn er ohne Anwalt ist.
Der (besonders nicht anwaltliche Beklagte) denkt vllt “wenn sich keiner meldet, zahl ich halt auch erstmal nicht.” … und in der Zeit summiert sich mit jedem Tag der Zinsanteil.
Zugegeben: man will die Sache ja auch sicher mal vom Tisch haben - zumal man als Anwalt von den Zinsen ja eh nichts hat.
Was ich mich grad frage: könnte ich dann nicht einfach höhere Verzugszinsen erzwingen und wird sowas in der Praxis gemacht? Ich stelle mir vor, dass die unterlegene Gegenseite nicht anwaltlich vertreten ist (oder der Anwalt auch nicht sofort nach dem Urteil reagiert): an sich müsste man den Beklagten ja nicht extra zur Zahlung auffordern und (wenn’s dem eigenen Mandanten nicht eilig ist), dann würde es doch sinnvoll sein, erstmal ne Weile abzuwarten (gibt ja nett Zinsen)? Fragt die anwaltlich vertretene Gegenseite idR schnell nach, auf welche Kontodaten der Betrag gezahlt werden soll?
Oder würde es irgendwann einem selbst entgegenfeuern und gesagt werden “du hättest den Beklagten auch ruhig anschreiben und ihm die Kontodaten [die ja aber auch schon auf einem früheren Schriftsatz standen] zukommen lassen müssen?!” Besonders wenn er ohne Anwalt ist.
Der (besonders nicht anwaltliche Beklagte) denkt vllt “wenn sich keiner meldet, zahl ich halt auch erstmal nicht.” … und in der Zeit summiert sich mit jedem Tag der Zinsanteil.
Zugegeben: man will die Sache ja auch sicher mal vom Tisch haben - zumal man als Anwalt von den Zinsen ja eh nichts hat.
18.09.2021, 22:54
Es geht ja nur darum, ob er auch nach Vollstreckung nicht gezahlt hätte. Ergo: ist er pleite?
Ansonsten irrst du m.E. etwas darüber, was nach einem Urteil passiert. Wenn der Beklagte nicht zahlt und der Kläger sein Geld will, dann vollstreckt er den Titel eben. Andersrum wird aber ein Schuh draus: der Kläger verzögert die Vollstreckung, um noch etwas Zinsen zu kassieren. Dass bringt derzeit aber nicht viel, außerdem kann der Beklagte ja auch einfach zahlen.
Ansonsten irrst du m.E. etwas darüber, was nach einem Urteil passiert. Wenn der Beklagte nicht zahlt und der Kläger sein Geld will, dann vollstreckt er den Titel eben. Andersrum wird aber ein Schuh draus: der Kläger verzögert die Vollstreckung, um noch etwas Zinsen zu kassieren. Dass bringt derzeit aber nicht viel, außerdem kann der Beklagte ja auch einfach zahlen.
18.09.2021, 23:30
(18.09.2021, 19:11)Praktiker schrieb:(18.09.2021, 18:47)Kein_Richter_sondern_in_der_Ausbildung schrieb: Fiktives Beispiel zu meiner Frage, wie sich die Zinsen berechnen:
In einem Urteil v. 1.1.2021 wird tenoriert, dass der Beklagte verurteilt wird einen Betrag X (sagen wir mal 1000,-€) zzgl. 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab [Datum der Rechtshängigkeit, nehmen wir einfach mal den 30.09.2020] zu zahlen. Beklagte zahlt nicht direkt von selbst und Kläger fordert ihn daher am 15.3.2021 nochmals per Schreiben auf, diese 1000,- zzgl. der ausgerechneten 5-Prozentpunkte über dem Basiszinssatz zu zahlen.
1) Wie berechnen sich die Verzugszinsen? Ab dem 30.09.2020 bis zum Urteil (also 1.1.2021) oder laufen die Zinsen immer weiter, bis der Beklagte zahlt und der Kläger würde mittlerweile Zinsen vom 30.09.2020 bis 15.3.2021 verlangen können?
M.E. letzteres, aber in meiner Lern-AG meinte jemand, dass mit dem Urteil auch soweit Ende des Verzugszeitraums ist. Leuchtet mir allerdings nicht ganz ein, warum das so sein sollte.
2) Was passiert, wenn der Kläger/sein Anwalt die Zinsen falsch berechnen (zu hoch oder zu niedrig) und der Beklagte selbst nicht nachrechnet und den ausgewiesenen Betrag zahlt: welche Möglichkeiten hat der Beklagte, zu viel gezahlte Zinsen zurückzubekommen (§ 812 BGB würde ich meinen und Zeit hat er dafür 3 Jahre). Aber wie sieht es aus, wenn zu geringe Zinsen erhoben wurden: dann könnte der Anwalt doch nochmal an den Beklagten nachlegen und - sollte dies verjährungsmäßig nicht mehr möglich sein - könnte der Mandant seinen Anwalt dafür in Anspruch nehmen, oder?
Ich weiß, das sind sehr theoretische Fragen - wahrscheinlich rechnet kaum ein Mandant überhaupt mal die Zinsen nach...aber in der Lern-AG hatten wir rege Diskussionen darüber und mich würde die richtige Lösung daher interessieren.
0.) Die Zinsen dürfen erst ab dem Tag nach Rechtshängigkeit tenoriert werden - Zivilkomputation :)
1.) Die Zinsen laufen bis zur Erfüllung der Hauptleistung - das ist ja gerade der Witz daran. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung könnte man sie sonst ja ausrechnen.
2.) So ist es: wird zu viel gezahlt, ist es Bereicherungsrecht, zu wenig dann vollstreckt der Gläubiger einfach die Differenz. Fordert der Anwalt zu wenig ein und lässt die Differenz verjähren und hätte der Schuldner sie gezahlt (!), ist es Anwaltshaftung.
Zu 2) ist noch hinzuzufügen, dass die Gefahr der Verjährung wohl ziemlich theoretisch ist, da für rechtskräftig festgestellte Ansprüche die 30 jährige Verjährungsfrist nach $ 197 abs. 1 nr. 3 BGB gilt.